Bundesgerichtshof Beschluss, 01. März 2012 - V ZB 66/11

bei uns veröffentlicht am01.03.2012
vorgehend
Amtsgericht Köln, 215 C 45/08, 07.08.2009
Landgericht Köln, 29 S 162/09, 02.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 66/11
vom
1. März 2012
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. März 2011 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen. Der Gegenstandwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 545,63 €.

Gründe:

I.

1
Die Kläger bilden mit den Beklagten eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung am 4. Juni 2008 wurde der Antrag, die Verwaltung zu beauftragen, den für die Renovierung eines im Sondereigentum des Beklagten zu 1 stehenden Kellerraums gezahlten Betrag von 2.051,55 € von dem Beklagten zu 1 einzuziehen, abgelehnt und der Antrag, dem Beklagten zu 1 weitere 422,55 € Renovierungskosten zu erstatten, angenommen. Die Kläger verlangen, diese Beschlüsse für ungültig zu erklären und die Verwaltung zu beauftragen, den bereits an den Beklagten zu 1 gezahlten Betrag zurückzufordern.
2
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Landgericht mit Beschluss vom 24. Februar 2010 als unzulässig verworfen. Diese Entscheidung hat der Senat aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (Beschluss vom 11. November 2010 - V ZR 113/10). Dieses hat mit Beschluss vom 2. März 2011 die Berufung wiederum als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erreichen wollen.

II.

3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der für die Zulässigkeit der Berufung notwendige Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 600 € nicht erreicht; entsprechend der Größe ihres Miteigentumsanteils von 220,5/1000 trügen die Kläger an den aus ihrer Sicht dem Beklagten zu 1 nicht zu erstattenden Renovierungskosten einen Anteil von 545,63 €, dieser Betrag stelle ihr vermögenswertes Interesse an der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dar. Gründe für die Zulassung der Berufung bestünden nicht.

III.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern.
5
2. Entgegen der Ansicht der Kläger ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht notwendig.
6
a) Soweit die Kläger diese Zulässigkeitsvoraussetzung im Hinblick darauf als erfüllt ansehen, dass - nach ihrer Ansicht - der angefochtene Beschluss von der Entscheidung des Senats vom 17. Juli 2003 (V ZB 11/03, BGHZ 156, 19) abweicht, scheitert die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Divergenz an fehlenden Darlegungen dazu, dass das Berufungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem die Senatsentscheidung tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. schon Senat, Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45).
7
b) Dass die Kläger zudem meinen, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung des Senats in der Entscheidung vom 17. Juli 2003 (V ZB 11/03, aaO) verkannt, begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Nachahmungs- oder Wiederholungsgefahr. Denn es fehlen Darlegungen dazu, dass das Berufungsgericht nicht nur in diesem Einzelfall eine - angebliche - Fehlentscheidung getroffen hat (vgl. ebenfalls Senat , Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 46).
8
c) Die von den Klägern erhobene Rüge der Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), die bei Erfolg zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung führt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 152, 221, 226), ist unbeachtlich. Denn die Rüge ist nicht ausgeführt; die Kläger legen nicht dar, worin die Gehörsverletzung liegen soll.
9
d) Schließlich hat das Berufungsgericht den Klägern wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht versagt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. Senat , Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 152, 221, 226) notwendig ist. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 € nicht, so dass die Berufung unzulässig ist (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
10
aa) Der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgebliche Beschwerdewert ist auch in Wohnungseigentumssachen aus der Person des Rechtsmittelführers , seiner Beschwer und seinem Änderungsinteresse zu beurteilen (Senat , Beschluss vom 17. September 1992 - V ZB 21/92, BGHZ 119, 216, 218 f.). Maßgebend ist deshalb das Interesse der Kläger an der Beseitigung der angefochtenen Beschlüsse (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2003 - V ZB 11/03, BGHZ 156, 19). Dieses besteht jedenfalls darin, nicht anteilig an den Kosten für die Renovierung des im Sondereigentum des Beklagten zu 1 zu stehenden Kellerraums beteiligt zu werden. Es ist mit 545,63 € zu bewerten.
11
bb) Dass das Anfechtungsrecht der Kläger, welches sie nach § 43 Nr. 4 WEG geltend machen, nicht nur ihrem persönlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung dient (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2003 - V ZB 11/03, aaO), rechtfertigt keine höhere Bewertung. Für dieses gemeinschaftsbezogene Interesse ist zwar im Wege der Schätzung ein Beschwerdewert zu bestimmen, auch wenn es nicht unmittelbar in einer veränderten Vermögenslage Ausdruck findet (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2003 - V ZB 11/03, aaO). Aber weil es in den angefochtenen Beschlüssen um nichts anderes als um die finanzielle Belastung der Wohnungseigentümer und damit um die unmittelbare Veränderung ihrer Vermögenslage geht, hat das Interesse der Kläger an der ordnungsmäßigen Verwal- tung keinen über die Heranziehung zu den Renovierungskosten hinausgehenden Wert (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. März 2009 - 14 Wx 17/07 Rn. 40, juris). Denn anders als zum Beispiel bei der Entlastung oder Nichtentlastung des Verwalters, bei der es um die Bekräftigung der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Wohnungseigentümer mit der Verwaltung geht und das zwischen den Wohnungseigentümern nicht teilbare Interesse daran gesondert zu bewerten ist (Senat, Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026, 1027 Rn. 12), bestimmen hier die Grundsätze der ordnungsmäßigen Verwaltung ausschließlich die Kostenbeteiligung der Wohnungseigentümer entsprechend ihren Miteigentumsanteilen.

IV.

12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG dem Wert des Interesses der Kläger, mithin 545,63 €. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 07.08.2009 - 215 C 45/08 -
LG Köln, Entscheidung vom 02.03.2011 - 29 S 162/09 -

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 11/02
vom
29. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 574 Abs. 2

a) Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO kann nicht damit
begründet werden, daß die Frage der Statthaftigkeit nach § 574 Abs. 1 ZPO von
grundsätzlicher Bedeutung sei.

b) Die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574
Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist im Falle einer Divergenz zulässig, setzt dann
aber voraus, daß der Beschwerdeführer eine Abweichung darlegt. Eine Abweichung
liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage
anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen
gleichgeordneten Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts
(Fortführung von BGHZ 89, 149, 151).

c) Wird die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
(§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) darauf gestützt, daß die angefochtene Entscheidung
verfahrens- oder materiell-rechtlich fehlerhaft sei, so sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen
erfüllt, wenn der Rechtsfehler dazu führen kann, daß schwer erträgliche
Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - LG Chemnitz
AG Freiberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger,
Dr. Gaier und Bauner

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluû der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 17. Januar 2002 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.540 ?.

Gründe:

I.


Durch Urteil des Amtsgerichts Freiberg vom 10. August 2001 ist der Beklagte zur Bestellung eines Wege- und Überfahrtsrechts auf seinem Grundstück und zur Bewilligung der Eintragung desselben in das Grundbuch verurteilt worden. Gegen dieses ihm am 17. August 2001 zugestellte Urteil hat er mit einem am 11. September 2001 bei dem Landgericht Dresden eingegangenen Schriftsatz seines Prozeûbevollmächtigten Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 18. September 2001, zugeleitet per Fax am selben Tage, hat der Prozeûbevollmächtigte des Beklagten den richterlichen Hinweis erhalten, daû nicht das Landgericht Dresden, sondern das Landgericht Chemnitz örtlich zuständig sei. Mit einem am 19. September 2001 bei dem Landgericht Chemnitz einge-
gangenen Schriftsatz hat der Prozeûbevollmächtigte des Beklagten daraufhin erneut Berufung eingelegt und gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das Landgericht Chemnitz hat mit Beschluû vom 17. Januar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er seinen Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt und die Aufhebung des die Berufung verwerfenden Beschlusses erstrebt.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Soweit sie sich gegen den die Berufung als unzulässig verwerfenden Teil des Beschlusses richtet, ist die Rechtsbeschwerde das nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsmittel. Soweit mit ihr zugleich die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs angegriffen wird, folgt die Statthaftigkeit aus § 238 Abs. 2 ZPO, wonach ebenfalls § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO anwendbar ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 20; Zöller/Greger, § 238 Rdn. 7).
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Zulässigkeit nicht damit begründet werden, daû die Frage der Statthaftigkeit von grundsätzlicher
Bedeutung sei. Die Frage der Statthaftigkeit muû das Rechtsbeschwerdegericht stets prüfen. Nur wenn sie bejaht wird, stellt sich nach § 574 Abs. 2 ZPO die weitere Frage, ob die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung (Abs. 2 Nr. 1) oder aus Gründen der Rechtsfortbildung bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Abs. 2 Nr. 2) zulässig ist. Ist schon die Statthaftigkeit zu verneinen, kommt es nicht mehr zur Zulässigkeitsprüfung nach § 574 Abs. 2 ZPO, und zwar selbst dann nicht, wenn die Prüfung der Statthaftigkeit etwa Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand hätte. Das zeigt, daû die Prüfung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde keine Fragen aufwerfen kann, die zugleich die weitere Zulässigkeit begründen könnten.

b) Dem Beklagten kann auch nicht dahin gefolgt werden, daû der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO deswegen zukomme , weil höchstrichterlich ungeklärt sei, unter welchen Voraussetzungen ein unzuständiges Gericht einen infolge einer unrichtigen gerichtlichen Auskunft fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen seiner Fürsorgepflicht an das zuständige Gericht weiterleiten muû. Vielmehr ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 99 = NJW 1995, 3173, 3175) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daû ein unzuständiges Gericht fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterleiten muû (BGH, Urt. v. 1. Dezember 1997, II ZR 85/97, NJW 1998, 908; Beschl. v. 11. Februar 1998, VIII ZB 50/97, NJW 1998, 2291, 2292; Beschl. v. 27. Juli 2000, III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731). Ob im vorliegenden Fall das Landgericht Dresden nach diesen Grundsätzen verfahren ist oder ob es die Berufungsschrift in einer zur Wahrung der
Berufungsfrist ausreichenden Zeit an das Landgericht Chemnitz hätte weiterleiten können, ist eine Frage des Einzelfalls und bedarf keiner höchstrichterlichen Beurteilung.

c) Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs entgegen der Meinung des Beklagten nicht erforderlich.
aa) Soweit der Beklagte diese Zulässigkeitsvoraussetzung im Hinblick auf eine angeblich abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLGZ 1981, 241) als erfüllt ansieht, so ist ihm insoweit beizutreten, als im Falle einer Divergenz die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu bejahen sind. Nicht anders als bei dem für die Revision geltenden inhaltlich hiermit übereinstimmenden Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 116) hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gerade in Divergenzfällen ihren Platz (Divergenzbeschwerde ; vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 543 Rdn. 6). Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter diesem Gesichtspunkt ist allerdings, daû der Beschwerdeführer darlegt, daû die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts , von einer gleichrangigen Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder von der Entscheidung eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht. Eine solche Abweichung liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz der Vergleichsentscheidung abweicht (vgl.
BGHZ 89, 149, 151 zu § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., § 546 Rdn. 44).
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Beklagte beruft sich zwar auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLGZ 1981, 241), die sich mit der Weiterleitung des von einer anwaltlich nicht vertretenen Partei beim unteren Gericht eingelegten Rechtsmittels befaût. Er verweist aber schon nicht auf einen von dieser Entscheidung abweichenden Rechtssatz in der angefochtenen Entscheidung. Daû diese möglicherweise vom Oberlandesgericht Karlsruhe aufgestellte Grundsätze - wie der Beklagte meint - nicht hinreichend berücksichtigt, stellt hingegen keine zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führende Abweichung dar. Im übrigen wäre für die Frage einer Abweichung nicht auf die zurückliegende Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe abzustellen, sondern auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs.
bb) Soweit der Beklagte die angefochtene Entscheidung für verfahrens (Zugrundelegung der Zivilprozeûordnung alter Fassung) und materiell-rechtlich fehlerhaft hält, erfüllt dies ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar kann die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch auf materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Fehler gestützt werden. Voraussetzung ist aber, daû der Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berührt (BT-Drucks. 14/4722 S. 104). Da der Gesetzgeber insoweit ausdrücklich eine Angleichung an andere Verfahrensvorschriften, namentlich auch an § 80 OWiG, bezweckt hat, kann auf die zu dieser Vorschrift entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Danach ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn
vermieden werden soll, daû schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im ganzen hat. Diese Voraussetzungen sind beispielsweise dann gegeben, wenn ein Gericht in einer bestimmten Rechtsfrage in ständiger Praxis eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht berücksichtigt, der Rechtsfehler also "symptomatische Bedeutung" hat (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 543 Rdn. 13), nicht aber schon dann, wenn in einem Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen worden ist, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist (BGHSt 24, 15, 22). Anders verhält es sich nur dann, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu besorgen ist, daû dem Rechtsfehler ohne eine Korrektur durch das Rechtsbeschwerdegericht ein Nachahmungseffekt zukommen könnte, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung insgesamt zu erschüttern, und deswegen eine höchstrichterliche Leitentscheidung erfordert (vgl. Hannich, in: Hannich/MeyerSeitz , ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 23). Dieser Tatbestand ist hier nicht erfüllt.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Bauner

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 16/02
vom
4. Juli 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 233 Fc

a) Eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige
Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen
stellen kann, hat grundsätzliche Bedeutung.

b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt,
wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als
einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die
Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung
überläßt, ist eine Frage des Einzelfalls und als solche einer Verallgemeinerung
nicht zugänglich.

c) Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
nur dann, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung
von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen
oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlaß, wenn es
für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte
an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise
fehlt.

d) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts nur dann, wenn bei der Auslegung
oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus
die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Dies ist in der Regel dann
der Fall, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen
Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist und die
angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - KG in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am4. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten
des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluû des 25. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 8.835,12 ?.

Gründe:

I.


Das Landgericht Berlin hat die Beklagte zur Herausgabe eines Grundstücks an die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin verurteilt. Gegen dieses ihrem Prozeûbevollmächtigten am 24. August 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. September 2001 beim Kammergericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist um einen Tag beantragt. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht: Eine im Büro des Beklagtenvertreters seit 1990 stets sehr zuverlässig und fehlerlos arbeitende Gehilfin habe die Akte am Freitag, dem 21. September 2001 (weisungsgemäû notierte dreitägige Vorfrist), im Büro
nicht auffinden können. Zu diesem Zeitpunkt sei sie infolge Urlaubs einer weiteren Vollzeitmitarbeiterin und Abwesenheit einer nur an drei Tagen in der Woche tätigen Teilkraft die einzig verfügbare Angestellte gewesen. Wegen des von ihr zu bewältigenden auûerordentlichen Arbeitsanfalles habe sie die Aktensuche auf Montag, den 24. September 2001 (Ablauf der notierten Berufungsfrist ), verschoben. An diesem Tag habe die Gehilfin die im Fristenbuch eingetragenen Verfahrensakten herausgesucht, jedoch in der unzutreffenden, nicht überprüften Annahme, die den vorliegenden Fall betreffende Akte läge dem Beklagtenvertreter bereits mit einem Extrazettel "Fristablauf" vor, die rot notierte Berufungsfrist gestrichen und später im Fristenbuch neben der dort bereits durchgestrichenen Rotfrist einen Erledigungsvermerk mit ihrem Kürzel angebracht. Auch an diesem Tag sei sie als wiederum allein im Büro anwesende Angestellte einem auûerordentlichen Arbeitsdruck ausgesetzt gewesen. Allerdings habe der Beklagtenvertreter sie dadurch entlastet, daû er die am Wochenende und Montag eingegangene umfangreiche Post selbst bearbeitet, insbesondere die Notierung der jeweiligen Fristen und Termine verfügt habe. Diese Maûnahme habe sich in der Vergangenheit immer als ausreichend erwiesen , zumal der Beklagtenvertreter in Urlaubs- und Krankheitszeiten durch regelmäûige Stichproben überprüft habe, ob die im Kalender eingetragenen Fristen ordnungsgemäû gestrichen würden.
Das Kammergericht hat mit Beschluû vom 8. Februar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 5. März 2002 zugestellten Beschluû richtet sich die am 22. März 2002 eingegangene Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie ihr Wiedereinsetzungsgesuch weiterverfolgt und die Aufhebung der vom Kammergericht ausgesprochenen Verwerfung der Berufung erstrebt.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 20; Zöller/Greger, aaO, § 238 Rdn. 7). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 543 Rdn. 4; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 5; Zöller/Gummer, aaO, § 543 Rdn. 11). So liegen die Dinge hier nicht. Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung überläût, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Denn dabei ist nicht allein entscheidend, in welchem Umfang der Personalbestand reduziert ist, sondern es kommt vor allem darauf an, ob infolge einer angespannten Personallage eine erkennbare und durch zumutbare Maûnahmen behebbare Überlastung der mit der Fristenkontrolle betrauten, verfügbaren Mitarbeiter
eingetreten ist. Dementsprechend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung je nach Fallgestaltung eine Erhöhung der grundsätzlichen Organisationspflichten eines Anwalts im Falle einer erheblichen Mehrbelastung des verfügbaren Personals manchmal bejaht (vgl. BGH, Beschl. v. 1. April 1965, II ZB 11/64, VersR 1965, 596, 597: Ausfall zweier von drei Bürokräften; Beschl. v. 1. Juli 1999, III ZB 47/98, NJW-RR 1999, 1664: Ausfall zweier von drei Mitarbeiterinnen während eines Arbeitstages; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783 f: Reduzierung der Belegschaft auf fast die Hälfte für mehr als einen Monat; Beschl. v. 28. Juni 2001, III ZB 24/01, NJW 2001, 2975, 2976: Verzicht auf Eintragung des Fristablaufes bei Erkrankung einer Mitarbeiterin zum Fristende und unzureichender Wiedervorlagezeit wegen eines Wochenendes), teilweise aber auch verneint (BGH, Beschl. v. 17. November 1975, II ZB 8/75, VersR 1976, 343: Abwesenheit zweier von drei Kräften; Beschl. v. 29. Juni 2000, Vll ZB 5/00, NJW 2000, 3006: Ausscheiden eines Anwalts und Eheprobleme einer Anwaltssekretärin; Beschl. v. 27. März 2001, VI ZB 7/01, NJW-RR 2001, 1072, 1073: Doppeltes Fehlverhalten einer Bürokraft in einer Sache). Vorliegend erschöpft sich die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Beklagtenvertreters ebenfalls in einer Würdigung der konkreten Einzelfallumstände und ist damit nicht auf eine unbestimmte Anzahl von Fällen übertragbar.
Ob einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zukommt, wenn nur die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, kann hier offen bleiben, weil dieser Tatbetand hier ebenfalls nicht vorliegt.
2. Aus denselben Gründen ist eine Entscheidung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) geboten.
Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 104; BGHSt 24, 15, 21 f; Hannich in: Hannich/Meyer/Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 7; Zöller/Greger, aaO, § 543 Rdn. 12). Die Beklagte zeigt aber nicht auf, daû über die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verschärfung der Organisationspflichten eines Anwalts in Fällen angespannter Personallage (vgl. vor allem Beschl. vom 1. Juli 1999, III ZB 47/98 aaO; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99 aaO; Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, aaO), zur fehlenden Zurechenbarkeit organisationsunabhängigen Fehlverhaltens von Angestellten (vgl. Beschl. v. 23. März 2001, VI ZB 7/01, aaO) oder zum Überwachungs- und Organisationsverschulden bei Häufung von Mängeln (vgl. Beschl. v. 18. Dezember 1997, III ZB 41/97, BGHR ZPO § 233 Büropersonal 11) hinaus eine Notwendigkeit für weitere sachverhaltsbezogene Leitlinien besteht. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlaû, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.

a) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zunächst in den Fällen einer Divergenz
geboten (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 5 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 8, § 574 Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers, aaO, § 543 Rdn. 6, 574 Rdn. 2). Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, daû die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die von ihr angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidungen tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. BGHZ 89, 149, 151; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, aaO).

b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schlieûlich auch dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23, § 574 Rdn. 12).
aa) Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht Verfahrensgrundrechte verletzt hat (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Lipp, NJW 2002, 1700, 1701; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, aaO, § 543 Rdn. 8; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO, Einl. Rdn. 103), namentlich die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Aus dem Beschluû des IX. Zivilsenats vom 7. März 2002, IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577 - zur Veröffentl. in BGHZ
vorgesehen) ergibt sich nichts anderes. Dieser verweist ledigIich darauf, daû zur Korrektur von Verfahrensgrundrechtsverletzungen (§ 544 ZPO) eine "auûerordentliche Rechtsbeschwerde" nicht statthaft ist. Zu der - hiervon zu unterscheidenden - Frage, unter welchen Voraussetzungen eine "statthafte" Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 ZPO) zulässig ist, hat der IX. Zivilsenat dagegen nicht Stellung genommen. Ist die Rechtsbeschwerde - wie hier - gemäû § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, dann hat das Rechtsbeschwerdegericht - im Rahmen seiner Möglichkeiten - die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten und einen Grundrechtsverstoû der Vorinstanz zu beseitigen (vgl. BVerfGE 49, 252, 257 ff; 73, 322, 327; vgl. ferner BVerfG, Vorlagebeschl., ZVI 2002; 122), sofern diese nicht - etwa im Wege der Gegenvorstellung - die Grundrechtsverletzung selbst geheilt hat (vgl. BVerfGE 63, 77, 79; 73, 322, 327; BGHZ 130, 97, 99 ff; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, JZ 2000, 526 f; Beschl. v. 26. April 2001, IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; vgl. ferner BT-Drucks. 14/4722, S. 63). Da andererseits für die Frage, ob die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung erfordert, Art und Gewicht eines Rechtsfehlers nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann Bedeutung erlangen sollen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im ganzen zu beschädigen (BT-Drucks. 14/4722 S. 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), wird eine auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Rechtsbeschwerde in der Regel nur dann zulässig sein, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist (vgl. auch BVerfGE 47, 182, 187; 69, 233, 246; 73, 322, 329; 86, 133, 145 f; BVerfG, NJW-RR 2002, 68, 69), und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
bb) Die Beklagte zeigt jedoch keine (hinreichenden) Anhaltspunkte für eine offenkundige Verletzung von Verfahrensgrundrechten auf.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff; 41, 332, 334 ff; 44, 302, 305 ff; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1993, 720; 1995, 249; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162). Demgemäû dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlaût haben muû, um Wiedereinsetzung zu erlangen, insbesondere beim "ersten Zugang" zum Gericht (vgl. BVerfGE 25, 158, 166; 38, 35, 38; 40, 88, 91; 67, 208, 212 ff), aber auch beim Zugang zu einer weiteren Instanz (vgl. BVerfGE 44, 302, 305 ff; 62, 334, 336; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1995, 249; 1996, 2857; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162) nicht überspannt werden. Entsprechendes gilt für die Anforderungen, die nach Fristversäumung an den Vortrag und die Glaubhaftmachung der Versäumungsgründe gestellt werden dürfen (vgl. BVerfGE 26, 315, 319, 320; 37, 100, 103; 40, 42, 44; 40, 88, 91; BVerfG, NJW 1997, 1770, 1771).
(2) Gegen diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht nicht verstoûen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts und
die Kausalität einer Pflichtverletzung zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, daû die von der Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten organisatorischen Maûnahmen grundsätzlich den von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine hinreichende Fristenkontrolle genügen (vgl. BGH, Beschl. v. 26. Februar 1996, II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541; Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, VersR 1996, 1298; Beschl. v. 27. November 1996, XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312, 1313). Es ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, daû im Büro des Beklagtenvertreters sowohl im Zeitpunkt der auf den 21. September 2001 notierten Vorfrist als auch bei Ablauf der Berufungsfrist (24. September 2001) infolge des Ausfalls von zwei Bürokräften und der hierdurch bedingten erheblichen Mehrbelastung der allein verbliebenen Mitarbeiterin eine Sondersituation gegeben war, die den Beklagtenvertreter ausnahmsweise zu einer eigenen Fristenkontrolle verpflichtete. Diese auf den Einzelfall bezogene rechtliche Würdigung hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar hätte das Beschwerdegericht nicht ohne weitere Aufklärung unterstellen dürfen, daû die allein verbliebene Bürokraft des Beklagtenvertreters auch deswegen einer erheblichen Arbeitsbelastung ausgesetzt war, weil sie nicht nur für diesen, sondern auch für einen mit diesem in Bürogemeinschaft verbundenen weiteren Rechtsanwalt tätig gewesen sei. Hierin liegt jedoch kein Verstoû gegen die Grundrechte auf rechtliches Gehör und Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Denn eine Beeinträchtigung dieser Verfahrensgrundrechte läge nur dann vor, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts hierauf beruhte (vgl. BVerfGE 86, 133, 147; 89, 381, 392 f). Dies ist jedoch nicht der Fall, da bereits allein der im Büro des Beklagtenvertreters
selbst aufgetretene auûergewöhnliche Arbeitsanfall Anlaû zu einer eigenen Fristenkontrolle des Anwalts gab. Aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten ergibt sich nämlich, daû das dort am 21. und 24. September anstehende Arbeitspensum von der verbliebenen Kanzleikraft allein nicht hinreichend bewältigt werden konnte.
(3) Auch für eine offenkundige Verletzung des Grundrechts auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ein Verstoû hiergegen kommt nur in Betracht , wenn die angefochtene Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 87, 273, 278 ff; BVerfG, NJW 1996, 1336; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99 aaO) oder wenn durch zu strenge Anforderungen an die Erfolgsaussicht eines Vorbringens (Prozeûkostenhilfe) eine sachwidrige Ungleichbehandlung erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 92/97, NJW 1998, 82). Dies ist jedoch nicht der Fall.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Klein Lemke

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 16/02
vom
4. Juli 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 233 Fc

a) Eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige
Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen
stellen kann, hat grundsätzliche Bedeutung.

b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt,
wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als
einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die
Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung
überläßt, ist eine Frage des Einzelfalls und als solche einer Verallgemeinerung
nicht zugänglich.

c) Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
nur dann, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung
von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen
oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlaß, wenn es
für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte
an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise
fehlt.

d) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts nur dann, wenn bei der Auslegung
oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus
die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Dies ist in der Regel dann
der Fall, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen
Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist und die
angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - KG in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am4. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten
des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluû des 25. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 8.835,12 ?.

Gründe:

I.


Das Landgericht Berlin hat die Beklagte zur Herausgabe eines Grundstücks an die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin verurteilt. Gegen dieses ihrem Prozeûbevollmächtigten am 24. August 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. September 2001 beim Kammergericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist um einen Tag beantragt. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht: Eine im Büro des Beklagtenvertreters seit 1990 stets sehr zuverlässig und fehlerlos arbeitende Gehilfin habe die Akte am Freitag, dem 21. September 2001 (weisungsgemäû notierte dreitägige Vorfrist), im Büro
nicht auffinden können. Zu diesem Zeitpunkt sei sie infolge Urlaubs einer weiteren Vollzeitmitarbeiterin und Abwesenheit einer nur an drei Tagen in der Woche tätigen Teilkraft die einzig verfügbare Angestellte gewesen. Wegen des von ihr zu bewältigenden auûerordentlichen Arbeitsanfalles habe sie die Aktensuche auf Montag, den 24. September 2001 (Ablauf der notierten Berufungsfrist ), verschoben. An diesem Tag habe die Gehilfin die im Fristenbuch eingetragenen Verfahrensakten herausgesucht, jedoch in der unzutreffenden, nicht überprüften Annahme, die den vorliegenden Fall betreffende Akte läge dem Beklagtenvertreter bereits mit einem Extrazettel "Fristablauf" vor, die rot notierte Berufungsfrist gestrichen und später im Fristenbuch neben der dort bereits durchgestrichenen Rotfrist einen Erledigungsvermerk mit ihrem Kürzel angebracht. Auch an diesem Tag sei sie als wiederum allein im Büro anwesende Angestellte einem auûerordentlichen Arbeitsdruck ausgesetzt gewesen. Allerdings habe der Beklagtenvertreter sie dadurch entlastet, daû er die am Wochenende und Montag eingegangene umfangreiche Post selbst bearbeitet, insbesondere die Notierung der jeweiligen Fristen und Termine verfügt habe. Diese Maûnahme habe sich in der Vergangenheit immer als ausreichend erwiesen , zumal der Beklagtenvertreter in Urlaubs- und Krankheitszeiten durch regelmäûige Stichproben überprüft habe, ob die im Kalender eingetragenen Fristen ordnungsgemäû gestrichen würden.
Das Kammergericht hat mit Beschluû vom 8. Februar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 5. März 2002 zugestellten Beschluû richtet sich die am 22. März 2002 eingegangene Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie ihr Wiedereinsetzungsgesuch weiterverfolgt und die Aufhebung der vom Kammergericht ausgesprochenen Verwerfung der Berufung erstrebt.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 20; Zöller/Greger, aaO, § 238 Rdn. 7). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 543 Rdn. 4; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 5; Zöller/Gummer, aaO, § 543 Rdn. 11). So liegen die Dinge hier nicht. Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung überläût, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Denn dabei ist nicht allein entscheidend, in welchem Umfang der Personalbestand reduziert ist, sondern es kommt vor allem darauf an, ob infolge einer angespannten Personallage eine erkennbare und durch zumutbare Maûnahmen behebbare Überlastung der mit der Fristenkontrolle betrauten, verfügbaren Mitarbeiter
eingetreten ist. Dementsprechend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung je nach Fallgestaltung eine Erhöhung der grundsätzlichen Organisationspflichten eines Anwalts im Falle einer erheblichen Mehrbelastung des verfügbaren Personals manchmal bejaht (vgl. BGH, Beschl. v. 1. April 1965, II ZB 11/64, VersR 1965, 596, 597: Ausfall zweier von drei Bürokräften; Beschl. v. 1. Juli 1999, III ZB 47/98, NJW-RR 1999, 1664: Ausfall zweier von drei Mitarbeiterinnen während eines Arbeitstages; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783 f: Reduzierung der Belegschaft auf fast die Hälfte für mehr als einen Monat; Beschl. v. 28. Juni 2001, III ZB 24/01, NJW 2001, 2975, 2976: Verzicht auf Eintragung des Fristablaufes bei Erkrankung einer Mitarbeiterin zum Fristende und unzureichender Wiedervorlagezeit wegen eines Wochenendes), teilweise aber auch verneint (BGH, Beschl. v. 17. November 1975, II ZB 8/75, VersR 1976, 343: Abwesenheit zweier von drei Kräften; Beschl. v. 29. Juni 2000, Vll ZB 5/00, NJW 2000, 3006: Ausscheiden eines Anwalts und Eheprobleme einer Anwaltssekretärin; Beschl. v. 27. März 2001, VI ZB 7/01, NJW-RR 2001, 1072, 1073: Doppeltes Fehlverhalten einer Bürokraft in einer Sache). Vorliegend erschöpft sich die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Beklagtenvertreters ebenfalls in einer Würdigung der konkreten Einzelfallumstände und ist damit nicht auf eine unbestimmte Anzahl von Fällen übertragbar.
Ob einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zukommt, wenn nur die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, kann hier offen bleiben, weil dieser Tatbetand hier ebenfalls nicht vorliegt.
2. Aus denselben Gründen ist eine Entscheidung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) geboten.
Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 104; BGHSt 24, 15, 21 f; Hannich in: Hannich/Meyer/Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 7; Zöller/Greger, aaO, § 543 Rdn. 12). Die Beklagte zeigt aber nicht auf, daû über die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verschärfung der Organisationspflichten eines Anwalts in Fällen angespannter Personallage (vgl. vor allem Beschl. vom 1. Juli 1999, III ZB 47/98 aaO; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99 aaO; Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, aaO), zur fehlenden Zurechenbarkeit organisationsunabhängigen Fehlverhaltens von Angestellten (vgl. Beschl. v. 23. März 2001, VI ZB 7/01, aaO) oder zum Überwachungs- und Organisationsverschulden bei Häufung von Mängeln (vgl. Beschl. v. 18. Dezember 1997, III ZB 41/97, BGHR ZPO § 233 Büropersonal 11) hinaus eine Notwendigkeit für weitere sachverhaltsbezogene Leitlinien besteht. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlaû, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.

a) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zunächst in den Fällen einer Divergenz
geboten (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 5 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 8, § 574 Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers, aaO, § 543 Rdn. 6, 574 Rdn. 2). Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, daû die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die von ihr angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidungen tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. BGHZ 89, 149, 151; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, aaO).

b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schlieûlich auch dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23, § 574 Rdn. 12).
aa) Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht Verfahrensgrundrechte verletzt hat (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Lipp, NJW 2002, 1700, 1701; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, aaO, § 543 Rdn. 8; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO, Einl. Rdn. 103), namentlich die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Aus dem Beschluû des IX. Zivilsenats vom 7. März 2002, IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577 - zur Veröffentl. in BGHZ
vorgesehen) ergibt sich nichts anderes. Dieser verweist ledigIich darauf, daû zur Korrektur von Verfahrensgrundrechtsverletzungen (§ 544 ZPO) eine "auûerordentliche Rechtsbeschwerde" nicht statthaft ist. Zu der - hiervon zu unterscheidenden - Frage, unter welchen Voraussetzungen eine "statthafte" Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 ZPO) zulässig ist, hat der IX. Zivilsenat dagegen nicht Stellung genommen. Ist die Rechtsbeschwerde - wie hier - gemäû § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, dann hat das Rechtsbeschwerdegericht - im Rahmen seiner Möglichkeiten - die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten und einen Grundrechtsverstoû der Vorinstanz zu beseitigen (vgl. BVerfGE 49, 252, 257 ff; 73, 322, 327; vgl. ferner BVerfG, Vorlagebeschl., ZVI 2002; 122), sofern diese nicht - etwa im Wege der Gegenvorstellung - die Grundrechtsverletzung selbst geheilt hat (vgl. BVerfGE 63, 77, 79; 73, 322, 327; BGHZ 130, 97, 99 ff; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, JZ 2000, 526 f; Beschl. v. 26. April 2001, IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; vgl. ferner BT-Drucks. 14/4722, S. 63). Da andererseits für die Frage, ob die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung erfordert, Art und Gewicht eines Rechtsfehlers nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann Bedeutung erlangen sollen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im ganzen zu beschädigen (BT-Drucks. 14/4722 S. 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), wird eine auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Rechtsbeschwerde in der Regel nur dann zulässig sein, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist (vgl. auch BVerfGE 47, 182, 187; 69, 233, 246; 73, 322, 329; 86, 133, 145 f; BVerfG, NJW-RR 2002, 68, 69), und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
bb) Die Beklagte zeigt jedoch keine (hinreichenden) Anhaltspunkte für eine offenkundige Verletzung von Verfahrensgrundrechten auf.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff; 41, 332, 334 ff; 44, 302, 305 ff; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1993, 720; 1995, 249; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162). Demgemäû dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlaût haben muû, um Wiedereinsetzung zu erlangen, insbesondere beim "ersten Zugang" zum Gericht (vgl. BVerfGE 25, 158, 166; 38, 35, 38; 40, 88, 91; 67, 208, 212 ff), aber auch beim Zugang zu einer weiteren Instanz (vgl. BVerfGE 44, 302, 305 ff; 62, 334, 336; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1995, 249; 1996, 2857; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162) nicht überspannt werden. Entsprechendes gilt für die Anforderungen, die nach Fristversäumung an den Vortrag und die Glaubhaftmachung der Versäumungsgründe gestellt werden dürfen (vgl. BVerfGE 26, 315, 319, 320; 37, 100, 103; 40, 42, 44; 40, 88, 91; BVerfG, NJW 1997, 1770, 1771).
(2) Gegen diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht nicht verstoûen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts und
die Kausalität einer Pflichtverletzung zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, daû die von der Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten organisatorischen Maûnahmen grundsätzlich den von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine hinreichende Fristenkontrolle genügen (vgl. BGH, Beschl. v. 26. Februar 1996, II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541; Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, VersR 1996, 1298; Beschl. v. 27. November 1996, XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312, 1313). Es ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, daû im Büro des Beklagtenvertreters sowohl im Zeitpunkt der auf den 21. September 2001 notierten Vorfrist als auch bei Ablauf der Berufungsfrist (24. September 2001) infolge des Ausfalls von zwei Bürokräften und der hierdurch bedingten erheblichen Mehrbelastung der allein verbliebenen Mitarbeiterin eine Sondersituation gegeben war, die den Beklagtenvertreter ausnahmsweise zu einer eigenen Fristenkontrolle verpflichtete. Diese auf den Einzelfall bezogene rechtliche Würdigung hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar hätte das Beschwerdegericht nicht ohne weitere Aufklärung unterstellen dürfen, daû die allein verbliebene Bürokraft des Beklagtenvertreters auch deswegen einer erheblichen Arbeitsbelastung ausgesetzt war, weil sie nicht nur für diesen, sondern auch für einen mit diesem in Bürogemeinschaft verbundenen weiteren Rechtsanwalt tätig gewesen sei. Hierin liegt jedoch kein Verstoû gegen die Grundrechte auf rechtliches Gehör und Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Denn eine Beeinträchtigung dieser Verfahrensgrundrechte läge nur dann vor, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts hierauf beruhte (vgl. BVerfGE 86, 133, 147; 89, 381, 392 f). Dies ist jedoch nicht der Fall, da bereits allein der im Büro des Beklagtenvertreters
selbst aufgetretene auûergewöhnliche Arbeitsanfall Anlaû zu einer eigenen Fristenkontrolle des Anwalts gab. Aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten ergibt sich nämlich, daû das dort am 21. und 24. September anstehende Arbeitspensum von der verbliebenen Kanzleikraft allein nicht hinreichend bewältigt werden konnte.
(3) Auch für eine offenkundige Verletzung des Grundrechts auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ein Verstoû hiergegen kommt nur in Betracht , wenn die angefochtene Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 87, 273, 278 ff; BVerfG, NJW 1996, 1336; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99 aaO) oder wenn durch zu strenge Anforderungen an die Erfolgsaussicht eines Vorbringens (Prozeûkostenhilfe) eine sachwidrige Ungleichbehandlung erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 92/97, NJW 1998, 82). Dies ist jedoch nicht der Fall.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Klein Lemke

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 11/03
vom
17. Juli 2003
in der Wohnungseigentumssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
WEG § 45 Abs. 1; FGG § 20 Abs. 1
Die Wohnungseigentümer, die der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses im
Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG entgegentreten, sind hinsichtlich einer gerichtlichen
Entscheidung, mit der der Eigentümerbeschluß für ungültig erklärt worden
ist, auch dann zur Beschwerde bzw. Rechtsbeschwerde befugt, wenn sie durch die
gerichtliche Entscheidung keine persönlichen Nachteile erleiden.
Ein Eigentümerbeschluß, mit dem einem Verwalter Entlastung erteilt wird, steht nicht
grundsätzlich im Widerspruch zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung, sondern erst
dann, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und
nicht aus besonderen Gründen Anlaß besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche
zu verzichten.
BGH, Beschluß vom 17. Juli 2003 - V ZB 11/03 - BayObLG
LG München I
AG München
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Juli 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 22. Juli 2002 wird, soweit über sie nicht durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 13. März 2003 entschieden ist, zurückgewiesen. Von den Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen 82 % der Antragsteller zu 1, 2 % der Antragsteller zu 2 sowie 16 % die Antragsgegner. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 112.500

Gründe:


I.


Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer und die Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage, die nach der Teilungserklärung als Studentenwohnheim zu nutzen ist.
Nachdem ein inhaltsgleicher Beschluß vom 8. Juli 1999 rechtskräftig für ungültig erklärt worden war, wurde in der Eigentümerversammlung am 6. Juli 2000 mit den Stimmen aller anwesenden und vertretenen Wohnungseigentü-
mer zu Tagesordnungspunkt 5 beschlossen, die Verwalterin für das Wirtschaftsjahr 1998 zu entlasten. In gleicher Weise wurde außerdem zu Tagesordnungspunkt 8 der Beschluß über die Entlastung der Verwalterin für das Wirtschaftsjahr 1999 gefaßt. Die Antragsteller waren zu der Eigentümerversammlung am 6. Juli 2000 weder erschienen noch vertreten.
Während der Antragsteller zu 2 nur den zu einem anderen Tagesordnungspunkt gefaßten Beschluß angefochten hat, wendet sich der Antragsteller zu 1 u.a. gegen die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 5 und 8. Nach Zurückweisung sämtlicher Anträge durch das Amtsgericht hat das Landgericht neben weiteren auch die Eigentümerbeschlüsse über die Entlastung der Verwalterin für ungültig erklärt.
Das Bayerische Oberste Landesgericht, das über die weitergehenden Rechtsmittel der Beteiligten entschieden hat, möchte die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen die Ungültigerklärung der Entlastungsbeschlüsse als unzulässig verwerfen. Es sieht sich hieran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Schleswig vom 23. Januar 2002 (ZMR 2002, 382) gehindert und hat insoweit die Sache durch Beschluß vom 13. März 2003 (BayObLGZ 2003, 53 = ZWE 2003, 195 = WuM 2003, 294 = FGPrax 2003, 119 = NZM 2003, 487) dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II.


Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, daß das Rechtsmittel der Antragsgegner mangels Beschwerdeberechtigung unzulässig sei. Da der Entlastungsbeschluß ein negatives Schuldanerkenntnis der Wohnungseigentümer enthalte, seien sie bei Ungültigerklärung des Entlastungsbeschlusses wegen des Entfallens der damit verbundenen nachteiligen Folgen nicht beschwert. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Schleswig (ZMR 2002, 382, 383) die Zulässigkeit einer weiteren Beschwerde der Wohnungseigentümer gegen eine Entscheidung bejaht, mit der ein Beschluß über die Entlastung des Verwalters für ungültig erklärt worden war. Auch das Oberlandesgericht Köln (NZM 1998, 877, 878) ist in einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung davon ausgegangen, daß das Rechtsmittel der Wohnungseigentümer gegen die Ungültigerklärung eines Entlastungsbeschlusses zulässig ist. Die Divergenz beider Auffassungen rechtfertigt die Vorlage.

III.


Soweit der Senat auf Grund der zulässigen Vorlage als Rechtsbeschwerdegericht über die sofortige weitere Beschwerde (Rechtsbeschwerde) zu entscheiden hat, ist das Rechtsmittel zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, §§ 27, 29 FGG), bleibt in der Sache selbst jedoch ohne Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts scheitert die Zulässigkeit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde nicht an der fehlenden Beschwerdeberechtigung der Antragsgegner (so auch Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 45 Rdn. 15; Köhler, ZMR 1999,
293, 300; Rühlicke, ZWE 2003, 200, 201; a.A. KG, NJW-RR 1998, 1021; Bärmann /Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rdn. 16).

a) Da das Wohnungseigentumsgesetz keine eigenständige Regelung der Beschwerdeberechtigung enthält, ist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WEG insoweit § 20 FGG maßgebend (Senat, BGHZ 120, 396, 398). Diese Vorschrift findet über § 29 Abs. 4 FGG auch für die Berechtigung zur weiteren Beschwerde Anwendung (vgl. Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 45 Rdn. 77; Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl., § 45 WEG Rdn. 33; auch BGH, Beschl. v. 20. Februar 1991, XII ZB 163/88, NJW-RR 1991, 962). Nachdem auch im Verfahren der - von den Antragstellern eingelegten - Erstbeschwerde kein Antrag der Antragsgegner verworfen oder zurückgewiesen worden ist, kommt für sie eine Beschwerdeberechtigung allein nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 FGG in Betracht. Entscheidend ist danach, daß die Antragsgegner materiell beschwert sind (vgl. Bärmann /Pick/Merle, aaO, § 45 Rdn. 14), die angefochtene Entscheidung also materielle subjektive Rechte der Wohnungseigentümer unmittelbar beeinträchtigt (vgl. Staudinger/Wenzel, aaO, § 45 WEG Rdn. 13; auch BGHZ 48, 147, 155; BGH, Beschl. v. 18. April 1996, BLw 43/95, LM § 9 LwVG Nr. 27).

b) Hiervon geht im Ansatz auch das vorlegende Gericht aus. Es legt jedoch - wie bereits zuvor das Kammergericht (NJW-RR 1998, 1021) - seiner Auffassung für das vorliegende Beschlußanfechtungsverfahren ein zu enges Verständnis von den Rechten der Wohnungseigentümer zugrunde.
aa) Im Beschlußanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Wohnungseigentümer im Regelfall nicht zu prüfen. Da das Anfechtungsrecht nicht nur dem persönlichen Interesse des
anfechtenden Wohnungseigentümers oder dem Minderheitenschutz dient, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung , genügt für die Anfechtung grundsätzlich das Interesse eines Wohnungseigentümers , eine ordnungsmäßige Verwaltung zu erreichen (BayObLG, ZfIR 1999, 194, 195 m.w.N.; OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1981, 154, 155). Es ist demnach nicht erforderlich, daß der anfechtende Wohnungseigentümer durch den Beschluß persönlich betroffen ist oder sonst Nachteile erleidet (Staudinger /Wenzel, aaO, Vorbem. §§ 43 ff WEG Rdn. 64; Suilmann, Das Beschlußmängelverfahren im Wohnungseigentumsrecht, 1998, S. 114).
bb) Nichts anderes kann aber auch für die Wohnungseigentümer gelten, die der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses im Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG entgegentreten. Auch ihr Anliegen ist die ordnungsmäßige Verwaltung; denn nach ihrer Einschätzung trägt der angefochtene Beschluß diesem Grundsatz Rechnung, so daß es gilt, eine Ungültigerklärung im gerichtlichen Verfahren zu verhindern. Die Wohnungseigentümer auf der Antragsgegnerseite des Beschlußanfechtungsverfahrens können mithin für sich ebenfalls das berechtigte und schutzwürdige Interesse an einer ordnungsmäßigen Verwaltung in Anspruch nehmen. Hieraus folgt ihre Beschwerdeberechtigung, wenn sie das Ziel einer ordnungsmäßigen Verwaltung (ähnlich OLG Köln, NZM 1998, 877, 878 "Recht auf mehrheitliche Regelung"; OLG Schleswig, ZMR 2002, 382, 383 "Recht auf eigenständige Verwaltung") durch die Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung verfolgen, durch die ein Eigentümerbeschluß für ungültig erklärt worden ist (so im Ergebnis auch Rühlicke, ZWE 2003, 200, 201, der an die Mitgliedschaftsrechte anknüpft, damit aber die Beschwerdeberechtigung der nicht zustimmenden, nicht anfechtenden Wohnungseigentümer schwerlich erklären kann). Anderes wäre zudem unvereinbar mit dem Grund-
satz einer "fairen Balance zwischen den Parteien" ("prozessuale Waffengleichheit" , vgl. EGMR, NJW 1995, 1413; Senat, BGHZ 150, 334, 342), der auch im vorliegenden echten Streitverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Senat, BGHZ 139, 305, 308; 146, 241, 249) Geltung beanspruchen kann. Für die Rechtsverteidigung der Antragsgegner, die wegen des Unterliegens in der Vorinstanz in die Rolle der Beschwerdeführer wechseln müssen, können keine strengeren Anforderungen gelten als für die Rechtsverfolgung des anfechtenden Wohnungseigentümers. Auf Grund der Besonderheiten des Beschlußanfechtungsverfahrens (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG) steht mithin das Interesse der Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung der nach § 20 Abs. 1 FGG erforderlichen Beeinträchtigung eines materiellen subjektiven Rechts - ähnlich wie bei § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG - zumindest gleich. Der Nachweis einer Beschwerdeberechtigung im Sinne persönlicher Nachteile, die das vorlegende Gericht hier im Hinblick auf den Entfall des negativen Schuldanerkenntnisses verneint (so auch KG, NJW-RR 1998, 1021), kann daher nicht verlangt werden (vgl. Staudinger/Wenzel, aaO, § 43 WEG Rdn. 14; auch OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1982, 420). Den Antragsgegnern ist somit für das vorliegende Verfahren die Berechtigung zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht abzusprechen.

c) Ebenfalls kein Hindernis für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde der Antragsgegner stellt der Beschwerdewert aus § 45 Abs. 1 WEG dar.
aa) Hier ist die Wertgrenze schon deshalb überschritten, weil neben dem Antrag, der die Ungültigerklärung der Entlastungsbeschlüsse zum Gegenstand hat, mit der Rechtsbeschwerde noch weitere Anträge gestellt worden sind. Bei der danach gegebenen objektiven Antragshäufung ist die Summe der
Einzelwerte der Anträge für das Erreichen des Beschwerdewertes entscheidend (KG, OLGZ 1979, 348, 349; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 45 Rdn. 29; Niedenführ/Schulze, aaO, § 45 Rdn. 16; Staudinger/Wenzel, aaO, § 45 WEG Rdn. 10). Ersichtlich geht auch das vorliegende Gericht davon aus, daß zumindest die Summe der einzelnen Werte ausreicht, um den Beschwerdewert zu erreichen.
bb) Zudem stünde der Annahme eines unter Umständen auch 750 übersteigenden Beschwerdewertes allein bezogen auf die Ungültigerklärung der Entlastungsbeschlüsse (vgl. Rühlicke, ZWE 2003, 200, 201) nicht entgegen , daß die Antragsgegner wegen der entfallenen Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses keine finanziellen Nachteile erleiden, sondern im Gegenteil begünstigt werden. Im Hinblick auf diese Folge haben die Antragsgegner naturgemäß kein Interesse an einer Abänderung der Entscheidung des Beschwerdegerichts. Sie erlangt deshalb für die Bestimmung des für den Beschwerdewert entscheidenden Änderungsinteresses (Senat, BGHZ 119, 216, 218) keine Bedeutung (a.A. wohl KG, NJW-RR 1998, 1021). Maßgebend ist insoweit das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers (vgl. Senat, BGHZ 119, 216, 219) an der Aufrechterhaltung der angefochtenen Entlastungsbeschlüsse (so für das Aktienrecht: BGH, Beschl. v. 6. April 1992, II ZR 249/90, NJW-RR 1992, 1122, 1123). Dieses wird im allgemeinen darin bestehen , die Tätigkeit des Verwalters für die Vergangenheit zu billigen und ihm gegenüber - im Interesse einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit - für die Zukunft Vertrauen zu bekunden. Zwar findet dieses Interesse nicht unmittelbar in einer veränderten Vermögenslage Ausdruck (a.A. wohl Rühlicke, ZWE 2003, 200, 202); das steht aber einer Bemessung des Beschwerdewerts im
Wege der Schätzung nicht entgegen (vgl. KG, ZMR 1995, 178 für die Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage).
2. Die hiernach zulässige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat die Beschlüsse über die Entlastung der Verwalterin zu Recht für ungültig erklärt, weil diese nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

a) Allerdings steht - entgegen einer im Vordringen begriffenen Auffassung (BayObLGZ 2002, 417; 420 f; AG Kerpen, ZMR 1998, 376, 379 f; AG Köln, ZMR 2002, 793, 794; Sauren, WEG, 4. Aufl., § 28 Rdn. 68; Köhler, ZMR 1999, 293, 296; ders, ZMR 2001, 865, 866 f; WE 2003, 31; Demharter, ZWE 2001, 256, 257; ZMR 2002, 369, 370; Riecke, WE 2002, 197; ders., WuM 2003, 256; Greiner, WE 2003, 54, 56; Greiner/Vogel, ZMR 2003, 465) - die Entlastung eines Verwalters nicht schon grundsätzlich im Widerspruch zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Zur Begründung dieser Auffassung wird angeführt , mit der Entlastung erfolge ein Verzicht der Wohnungseigentümer auf mögliche Ansprüche gegen den Verwalter in Form eines negativen Schuldanerkenntnisses. Ein solcher Verzicht auf mögliche Ansprüche gegen einen gegen Entgelt gewerblich tätigen Verwalter, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, entspreche nicht dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (so BayObLGZ 2002, 417, 420). Anderes soll nur gelten, wenn in dem Verwaltervertrag - was vorliegend nicht festgestellt ist - ein Anspruch auf Entlastung vereinbart wurde (AG Kerpen, ZMR 1998, 376, 380; Köhler, ZMR 1999, 293, 296).
aa) Dies überzeugt nicht. Richtig ist zwar, daß mit der Entlastung eines Verwalters regelmäßig die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) der Wohnungseigentümer verbunden wird. Dieses erfaßt vor allem etwaige - nicht aus einer Straftat herrührende - Ersatzansprüche gegen den Verwalter (BGH, Urt. v. 6. März 1997, III ZR 248/95, NJW 1997, 2106, 2108), soweit sie den Wohnungseigentümern bekannt oder für sie bei sorgfältiger Prüfung erkennbar waren (BayObLGZ 1975, 161, 166, 1983, 314, 318; 1986, 263, 266; 1989, 310, 314; BayObLG NJW-RR 1989, 840, 841; KG, NJWRR 1987, 79, 80; 1993, 404; OLG Celle, OLGZ 1983, 177, 179; OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1989, 60; OLG Düsseldorf, NZM 1999, 269; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 28 Rdn. 122; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 28 Rdn. 31; Staudinger /Bub, aaO, § 28 WEG Rdn. 438). Hierauf sollen die Wirkungen des Verzichts jedoch nicht beschränkt bleiben, sondern namentlich auch vertraglichen Ansprüchen aus der Geschäftsbesorgung sowie einer Abberufung oder Kündigung aus den präkludierten Gründen entgegenstehen können (vgl. Staudinger /Bub, aaO, § 28 WEG Rdn. 438, 444; Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft, 2002, Rdn. 239; Köhler, ZMR 1999, 293, 294). Indem die neuere Auffassung jedoch allein diese Folge eines Entlastungsbeschlusses erörtert, verstellt sie sich den Blick auf dessen tatsächliche Bedeutung.
bb) In Rechtsverhältnissen, bei denen Rechenschaft über eine längerfristig angelegte Geschäftsbesorgung durch Rechnungslegung zu geben ist, steht dieser Verpflichtung als Korrelat das Institut der Entlastung gegenüber (vgl. Barner, Die Entlastung als Institut des Verbandsrechts, 1990, S. 1). Raum für eine Entlastung ist hiernach auch im Verhältnis zwischen den Wohnungseigentümern und dem Verwalter. Der Verwaltervertrag hat die Geschäftsbesor-
gung für die Wohnungseigentümer - für eine längere Zeit (vgl. § 26 Abs. 2 WEG) - zum Gegenstand (Senat, Beschl. v. 20. Juni 2002, V ZB 39/01, NJW 2002, 3240, 3244 zur Veröffentlichung in BGHZ 151, 164 vorgesehen) und verpflichtet den Verwalter - teilweise modifiziert gemäß § 28 Abs. 3 und 4 WEG - zur Rechnungslegung (BGH, Urt. v. 6. März 1997, III ZR 248/95, NJW 1997, 2106, 2108). Mithin gibt es keinen Grund, die Entlastung im Wohnungseigentumsrecht anders als im Sinne der allgemeinen Grundsätze zu verstehen, ihr also eine hiervon abweichende rechtliche Bedeutung beizulegen. Im Regelfall billigen die Wohnungseigentümer danach mit dem Beschluß über die Entlastung des Verwalters dessen zurückliegende Amtsführung im jeweils genannten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und seinen vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig; sie sprechen ihm auf diese Weise gleichzeitig für die künftige Verwaltertätigkeit ihr Vertrauen aus (vgl. BGHZ 94, 324, 326 für die GmbH; BGH, Urt. v. 25. November 2002, II ZR 133/01, NJW 2003, 1032, 1033 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; für das Wohnungseigentumsrecht: Weitnauer/Hauger, aaO, § 28 Rdn. 31; Gottschalg , aaO, Rdn. 232; ders., NJW 2003, 1293; Niedenführ, NZM 2003, 305, 307; Rühlicke, ZWE 2003, 54, 60). Da der Entlastungsbeschluß typischerweise in der Annahme gefaßt wird, daß Ansprüche gegen den Verwalter nicht bestehen , zielt er nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses, diese sind vielmehr lediglich Folge der geschilderten Vertrauenskundgabe (Staudinger/Bub, aaO, § 28 WEG Rdn. 438; Gottschalg, NJW 2003, 1293; Rühlicke, ZWE 2003, 54, 60; für das Gesellschaftsrecht: K. Schmidt, Gesellschaftrecht , 4. Aufl., § 14 VI 2 b; auch BGHZ 94, 324, 326).
cc) Kann demnach die Bedeutung der Entlastung des Verwalters nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses reduziert werden,
so verbietet es sich auch, die Folge der Präklusion von Ansprüchen als alleiniges Kriterium für die Prüfung einer ordnungsmäßigen Verwaltung zu wählen. Auch wenn der Verwalter anders etwa als der Geschäftsführer einer GmbH nicht die Verantwortung für den geschäftlichen Erfolg eines Unternehmens trägt, so sind doch auch ihm beträchtliche Vermögenswerte anderer anvertraut. Er hat insbesondere für eine ordnungsgemäße Verwaltung, Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Sorge zu tragen; seine persönliche und fachliche Qualifikation ist somit entscheidend für den Erhalt des Wertes der Wohnanlage (vgl. Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 26 Rdn. 2; Staudinger/Bub, aaO, § 26 WEG Rdn. 99). Die Wohnungseigentümer müssen daher dem Verwalter ein hohes Maß an persönlichem Vertrauen in dessen Redlichkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft entgegenbringen. Umgekehrt ist auch der Verwalter für den Erfolg seiner Tätigkeit auf eine von solchem Vertrauen getragene Zusammenarbeit mit den Wohnungseigentümern angewiesen (vgl. Lüke, WE 1997, 164, 166). Die Entlastung stellt für die Wohnungseigentümer eine Möglichkeit dar, gegenüber dem Verwalter kundzutun, daß ihm das notwendige Vertrauen entgegengebracht wird (vgl. Niedenführ, NZM 2003, 305, 307; Bogen, Die Amtsniederlegung des Verwalters im Wohnungseigentumsrecht , 2002, S. 53). Hiermit wird die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft geschaffen (vgl. Rühlicke, ZWE 2003, 54, 62). Eine solche liegt im Interesse der Wohnungseigentümer, weil ihre Rechtsbeziehungen zu dem Verwalter auf längere Zeit angelegt und als Dauerschuldverhältnis zu charakterisieren sind (vgl. Staudinger/Bub, aaO, § 26 WEG Rdn. 205). Weder ist es danach Ziel der Entlastung, den Verwalter schlicht "bei Laune zu halten" (so aber BayObLGZ 2003, 417, 420), noch kann die Situation mit der bei Beauftragung eines Rechtsanwalts oder Handwerkers verglichen werden (so aber Greiner, WE 2003, 54, 55 f), durch die regelmäßig
kein Dauerschuldverhältnis begründet wird. Auch der Hinweis, daß dem Verwalter kein Anspruch auf eine Entlastung zusteht (vgl. BayObLGZ 2003, 417, 420; AG Kerpen, ZMR 1998, 376, 379), kann die neuere Auffassung nicht stützen. Zwar trifft es zu, daß der Verwalter, falls sich aus dem Vertragsverhältnis nichts anderes ergibt, seine Entlastung nicht verlangen kann (vgl. BGHZ 94, 324, 326 für den GmbH-Geschäftsführer; für das Wohnungseigentumsrecht: Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 28 Rdn. 125; Niedenführ/Schulze, aaO, § 28 Rdn. 167; Staudinger/Bub, aaO, § 28 WEG Rdn. 452 m.w.N.; a.A. Weitnauer /Hauger, aaO, § 28 Rdn. 32), dem läßt sich für die hier zu beantwortende Frage indessen nichts entnehmen. Selbst wenn sie hierzu keine Verpflichtung trifft, können die Wohnungseigentümer ein vernünftiges Interesse daran haben, aus freien Stücken durch die Entlastung eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter zu sichern.
dd) Kein Argument für die neuere Ansicht kann der Vermutung entnommen werden, der Mehrzahl der Wohnungseigentümer sei nicht bekannt, welche Bedeutung der Entlastung beigelegt werde (a.A. Köhler, ZMR 1999, 293, 296; Demharter, ZMR 2002, 396, 370). Kein Wohnungseigentümer ist gezwungen, einem Beschlußvorschlag zuzustimmen, dessen Tragweite er nicht erfaßt. Stimmt er gleichwohl für eine Entlastung, so handelt es sich bei der mit ihr verbundenen Verzichtswirkung um eine nicht erkannte gesetzliche "Nebenfolge" der Entlastung. In diesem Fall muß sich der Wohnungseigentümer an seiner Stimmabgabe - wie jeder andere auch an seiner Erklärung (vgl. BGHZ 134, 152, 156 m.w.N.) - festhalten lassen.
ee) Zudem bleibt die neuere Auffassung den Nachweis dafür schuldig, daß sie den Wohnungseigentümern einen weitergehenden Schutz als die bis-
her herrschende Meinung bietet. Zum einen findet die von ihr zugrunde gelegte Annahme, die Entlastung führe zu einem Verlust aller "möglichen" Ansprüche gegen den Verwalter (so BayObLGZ 2003, 417, 420) - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung der Obergerichte keine Grundlage. Die Verzichtswirkungen werden allgemein auf solche Ansprüche beschränkt, die den Wohnungseigentümern bekannt oder für sie bei sorgfältiger Prüfung erkennbar sind. Diese Einschränkung findet sich auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Wirkungen der Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers (BGHZ 94, 324, 326 m.w.N.) sowie des Vorstands eines Vereins (BGH, Urt. v. 14. Dezember 1987, II ZR 53/87, NJW-RR 1988, 745, 748 m.w.N.) oder einer Genossenschaft (BGH, Urt. v. 3. Dezember 2001, III ZR 308/99, WM 2002, 220, 222). Zum anderen ist auch nach bisherigem Verständnis eine Entlastung grundsätzlich dann mit einer ordnungsmäßigen Verwaltung nicht zu vereinbaren , wenn sie mit einem Verzicht auf erkennbare Ansprüche gegen den Verwalter verbunden ist (unten 2 b). Mithin läßt sich nicht ersehen, welcher weitergehende Schutz der Wohnungseigentümer mit der Annahme eines grundsätzlichen Widerspruchs zur Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung einhergehen soll (so auch Rühlicke, ZWE 2003, 54, 63); insbesondere lehnt auch die neuere Auffassung eine Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses ab (BayObLG, NZM 2001, 537).

b) Gibt es mithin keinen Grund, den Wohnungseigentümern schlechthin ein wohlverstandenes Interesse an der Entlastung des Verwalters abzusprechen , so ist für die Vereinbarkeit eines Entlastungsbeschlusses mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung weiterhin maßgebend, ob Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen. Ist das der Fall, so ist eine Entlastung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn aus besonderen
Gründen Anlaß besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten (vgl. BayObLGZ 1983, 314, 318 f; BayObLG, ZMR 1999, 185, 186; Staudinger /Bub, aaO, § 28 WEG Rdn. 561; Niedenführ/Schulze, aaO, § 28 Rdn. 162).
Vorliegend kommen Ansprüche gegen die Verwalterin für die von den Entlastungen betroffenen Zeiträume schon deshalb in Betracht, weil die Verwalterin ihrer Verpflichtung zur Vorlage von Vermögensübersichten für die Wirtschaftsjahre 1998 und 1999 nicht nachgekommen ist. Dabei kann offen bleiben, ob die Vermögensübersichten als Abrechnung des gemeinschaftlichen Vermögens außerhalb der Geldkonten und Kassenbestände (Staudinger/Bub, aaO, § 28 WEG Rdn. 368) als Bestandteil der Jahresabrechnungen geschuldet sind (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 603, 604 f; Staudinger/Bub, aaO, § 28 WEG Rdn. 397). Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich hier jedenfalls aus der insoweit rechtskräftigen und für alle Beteiligten bindenden (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) Entscheidung des Beschwerdegerichts. Es hat nämlich der Verwalterin aufgegeben, die Jahresabrechnungen für 1998 und 1999 um eine Vermögensübersicht zu ergänzen; die hiergegen gerichtete weitere Beschwerde der Antragsgegner hat das vorlegende Gericht als unzulässig verworfen. Solange die Verwalterin ihren damit begründeten Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, fehlt es an Voraussetzungen für eine Entlastung, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Es gibt keinen Hinweis auf besondere Umstände, die den Verlust der geschilderten Ansprüche rechtfertigen könnten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG und berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsmittelanträge, die sich aus der Entscheidung des vorlegenden Gerichts über einen Teil der Rechtsbeschwerde der Antragsgeg-
ner und über die Anschlußrechtsbeschwerden der Antragsteller ergibt. Die
Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und orientiert sich an den Wertfestsetzungen der Vorinstanzen.
Wenzel Krüger Klein RiBGH Dr. Schmidt-Räntsch ist wegen Ortsabwesenheit verhindert zu unterschreiben. Karlsruhe, den 23.07.03
Gaier Wenzel

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

12
cc) Die Beschwer des Klägers bestimmt sich dann aber nach dem Wert, den die neben etwaigen Forderungen zu ber ücksichtigende vertrauensvolle Zusammenarbeit hat. Dieser wird sich nicht ohne weiteres in einem Prozentsatz der Gesamtabrechnung für das Wirtschaftsjahr bemessen lassen (so aber offenbar OLG Köln, NZM 2003, 125; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., § 49a GKG Rn. 12 - Verwalterentlastung). Er hängt im Regelfall nicht von dem Volumen der Abrechnung ab und ist deshalb dann nach billigem Ermessen zu bestimmen. Fehlen, wie hier, besondere Anhaltspunkte für einen höheren Wert, erscheint ein Wert von 1.000 € sachgerecht (so: LG Dessau-Roßlau, ZMR 2009, 794; wohl auch: Jennißen/Suilmann, WEG, 2. Aufl., § 49a GKG Rn. 20). Das Interesse der Wohnungseigentümer an der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Gemeinschaft ist nicht teilbar und bei allen Wohnungseigentümern dasselbe.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)