Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2012 - V ZB 282/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.488,03 €.
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat die Anfechtungsklage der Kläger gegen den Beschluss der aus den Parteien bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft über eine Jahresabrechnung abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen, weil die Berufungssumme von 600 € nicht erreicht sei. Die Beschwer der Kläger betrage 113,59 €. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 2
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 3
- 1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben, wobei auch das mit dem Rechtsmittel verfolgte Rechtsschutzziel deutlich werden muss. Diese Anforderungen gelten auch für einen Beschluss, durch den die Berufung als unzulässig verworfen wird. Nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinn. Wird diesen Anforderungen nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht (Senat, Beschlüsse vom 7. April 2011 - V ZB 301/10, WuM 2011, 377 Rn. 3 und vom 29. September 2011 - V ZB 157/11, NJW-RR 2012, 141, 142 Rn. 2).
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- 2. So liegt es hier. Eine Sachdarstellung fehlt. Angaben zum Streitgegenstand lassen sich der Entscheidung nicht entnehmen. Es ist nicht erkenn- bar, gegen welche Jahresabrechnung sich die Kläger wenden, was sie gegen diese einwenden und welches Rechtsschutzziel sie mit der Berufung verfolgen.
- 5
- 3. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
III.
- 6
- Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
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- 1. Sollten gegen die Darstellung einzelner Positionen in der Jahresabrechnung Einwände erhoben werden, die nicht zu einer Verminderung der persönlichen Belastung der Kläger führen, wäre Folgendes zu berücksichtigen: Die Beschwer des Anfechtungsklägers durch die Abweisung der Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Wohnungseigentümer muss nicht immer nach seinen persönlichen wirtschaftlichen Interessen zu bemessen sein. Das gilt etwa für die Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Verwalters, gegen den keine Ansprüche erhoben werden sollen (Senat, Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026, 1027 Rn. 12). Auf die Anfechtung der Jahresrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG lässt sich diese Überlegung nicht übertragen. Die Jahresrechnung hat Einnahmen und Ausgaben und die Höhe gebildeter Rücklagen der Gemeinschaft auszuweisen (Senat, Urteil vom 4. Dezember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 f. Rn. 10). Sie soll die Wohnungseigentümer in die Lage versetzen, die Vermögenslage der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfassen und daraufhin zu überprüfen, was mit den eingezahlten Mitteln geschehen ist, insbesondere ob sie entsprechend den Vorgaben namentlich des Wirtschaftsplans eingesetzt worden sind (Senat, Urteil vom 4 März 2011 - V ZR 156/10, NJW 2011, 1346, 1347 Rn. 6). Sie ist nicht zuletzt die Grundlage für die Festlegung der endgültigen Höhe der Beiträge (KG, OLGZ 1994, 141, 145; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 28 Rn. 56 aE). Darüber hinausgehende ideelle Zwecke hat die Jahresabrechnung nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Abrechnung, wie die Kläger formuliert haben, den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen müsse. Richtig ist zwar, dass die Jahresabrechnung nicht nur inhaltlich richtig, sondern auch für einen Wohnungseigentümer ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich, geordnet und übersichtlich sein muss (Senat, Urteil vom 4. Dezember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 f. Rn. 10). Damit soll aber nur erreicht werden, dass die Jahresabrechnung die ihr zugedachte Kontrollfunktion erfüllt. Deshalb bestimmt sich die Beschwer des Anfechtungsklägers durch die erfolglose Anfechtung des Beschlusses über die Genehmigung der Jahresabrechnung allein nach seinem persönlichen wirtschaftlichen Interesse.
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- 2. Dieses persönliche wirtschaftliche Interesse entspricht auch bei einer einschränkungslosen Anfechtung des Beschlusses über die Jahresrechnung nicht dem Streitwert des Anfechtungsklageverfahrens, der sich gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Gesamtinteresse beider Parteien und alle Beigeladenen bestimmt. Maßgeblich ist vielmehr der Anteil des Klägers an dem Gesamtergebnis. Geht es dem Kläger nur um einen bestimmten Aspekt der Jahresabrechnung , kann es sachgerecht sein, auf diesen abzustellen (Suilmann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 49a GKG Rn. 16 aE für die Anfechtung eines Wirtschaftsplans ). Das wäre etwa der Fall, wenn der Kläger geltend macht, der Rücklage fehlten Beträge, sei es, weil sie nicht eingezogen, sei es, weil sie falsch zugeordnet worden sind. Maßgeblich wäre auch dann nicht der Gesamtfehlbetrag , sondern nur der Anteil des Klägers an diesem Fehlbetrag.
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- 3. Sollte das Amtsgericht von einer Berufungsbeschwer von über 600 € ausgegangen sein, muss das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO nachholen, wenn es diesen Wert für nicht erreicht hält (BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218, 219 Rn. 12; Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 72/11, NJW-RR 2012, 82, 83 Rn. 6). Sollte die Klage als unschlüssig abgewiesen worden sein, käme eine Zulassung nur zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und nur in Betracht, wenn das Amtsgericht die Anforderungen an den Sachvortrag der Kläger überspannt oder Vortrag der Kläger übergangen haben sollte. Krüger Schmidt-Räntsch Roth Brückner Weinland
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.04.2011 - 290a C 7495/10 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.11.2011 - 25 S 59/11 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.
(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.
(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält.
(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.
(3) Die Wohnungseigentümer können beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.
(4) Der Verwalter hat nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.