Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2019 - V ZB 28/18

bei uns veröffentlicht am11.07.2019
vorgehend
Amtsgericht Hannover, 43 XIV 186/17 B, 08.12.2017
Landgericht Hannover, 8 T 4/18, 17.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/18
vom
11. Juli 2019
in der Rücküberstellungshaftsache
ECLI:DE:BGH:2019:110719BVZB28.18.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juli 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 17. Januar 2018 im Kostenpunkt aufgehoben, soweit dem Landkreis Hildesheim mehr als 75 % der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen der ersten und zweiten Instanz auferlegt worden sind. Der Betroffene trägt 25 % seiner außergerichtlichen Kosten der ersten und zweiten Instanz selbst. Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens selbst. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Februar 2016 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 als unzulässig ablehnte, da er bereits in Italien internationalen Schutz erhalten hatte. Seine „Abschiebung“ nach Italien wurde angedroht. Eine für den 10. Juli 2017 geplan- te Rücküberstellung scheiterte, weil der Betroffene nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft angetroffen wurde. Am 7. Dezember 2017 wurde er von der Polizei festgenommen.
2
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 8. Dezember 2017 Sicherungshaft bis längstens 4. März 2018 angeordnet. Die begleitete Rücküberstellung des Betroffenen auf dem Luftweg nach Italien ist für den 28. Februar 2018 terminiert worden. Auf seine Beschwerde hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und festgestellt, dass die Haftanordnung vom 8. Dezember 2017 ihn in seinen Rechten verletzt hat. Dagegen richtet sich die am 14. Februar 2018 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde, mit der sie zunächst beantragt hat, den Beschluss des Landgerichts abzuändern und die Beschwerde gegen die Haftanordnung zurückzuweisen. Nachdem der Zeitraum, für den das Amtsgericht die Haft angeordnet hatte, während des Rechtsbeschwerdeverfahrens abgelaufen ist, beantragt sie jetzt, dem Betroffenen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Betroffene beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

3
Das Beschwerdegericht meint, das Beschleunigungsgebot sei verletzt. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine begleitete Rücküberstellung nicht vor dem 28. Februar 2018 durchführbar gewesen wäre. Es fehle an ausreichenden Anknüpfungstatsachen. Der Hinweis der Behörde auf die Vorlaufzeit von zehn bis zwölf Wochen für Abschiebungen nach Italien sei nicht ausreichend. Im Grundsatz sei davon auszugehen, dass mehrmals täglich eine Viel- zahl von Flügen von Deutschland nach Italien durchgeführt würde. Über die Sicherheitsbegleitung hinaus seien keine vorbereitenden Maßnahmen erforderlich gewesen. Die Verzögerung beruhe danach wesentlich auf der Auslastung der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen staatlichen Stellen, welche der Betroffene nicht hinzunehmen habe. Zwar sei grundsätzlich nachvollziehbar , dass derzeit viele Personen abgeschoben werden sollten. Dass angesichts der guten Flugverbindungen zwischen Deutschland und Italien eine Abschiebung des Betroffenen allein deshalb nicht zu einem früheren Zeitpunkt möglich sei, ergebe sich daraus aber nicht ohne Weiteres. Überdies habe die Behörde das behauptete Missverhältnis zwischen der Vielzahl der begleiteten Abschiebungen nach Italien und den zur Verfügung stehenden Flugplätzen nicht weiter dargetan.

III.

4
1. a) Die Rechtsbeschwerde der Behörde ist zulässig. Sie ist nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft, weil sie sich gegen einen eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden Beschluss richtet (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 84/17, FGPrax 2017, 231 Rn. 4). Die beteiligte Behörde hat die Rechtsbeschwerde auf die die Haft aufhebende Entscheidung des Beschwerdegerichts beschränkt. Das betrifft den Haftzeitraum vom 17. Januar 2018 bis 4. März 2018. Gegen die Feststellung, dass die Haftanordnung den Betroffenen in dem Zeitraum ab dem 8. Dezember 2017 in seinen Rechten verletzt hat, wendet sich die beteiligte Behörde nicht. Eine solche Rechtsbeschwerde wäre auch unzulässig (vgl. Senat , Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 64/17, juris Rn. 4; Beschluss vom 12. Juli 2018 - V ZB 48/18, juris Rn. 8).
5
b) Die Rechtsbeschwerde ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass der Zeitraum, für den das Amtsgericht die Haft angeordnet hat, während des Rechtsbeschwerdeverfahrens abgelaufen ist. Das schließt zwar eine Sachentscheidung über die Haftanordnung aus; mangels Feststellungsinteresses kann die beteiligte Behörde die Rechtsbeschwerde auch nicht mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG aufrechterhalten. Sie kann das Rechtsmittel aber - wie hier geschehen - auf den Kostenpunkt beschränken und das Verfahren in diesem beschränkten Umfang fortführen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 22/12, BGHZ 196, 118 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 7. Juni 2018 - V ZB 237/17, InfAuslR 2018, 368 Rn. 4).
6
2. Die Entscheidung über die Kosten ist, soweit die Hauptsache erledigt ist, gemäß § 83 Abs. 2 i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach billigem Ermessen zu treffen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - V ZB 145/13, juris Rn. 5). Eine Entscheidung über die Kosten zugunsten des Rechtsbeschwerdeführers hat danach zu ergehen, wenn sein Rechtsmittel ohne die Erledigung der Hauptsache begründet gewesen wäre (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - V ZB 145/13, aaO). Wie über das Rechtsmittel der beteiligten Behörde bezogen auf den Zeitraum ab der Haftaufhebung bis zum Ablauf der angeordneten Haft (17. Januar 2018 bis 4. März 2018) ohne das erledigende Ereignis entschieden worden wäre, ist offen. Auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts kann ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot weder bejaht noch verneint werden. Es entspricht deshalb billigem Ermessen , dass die Beteiligten insoweit ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
7
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (BVerfGE 46, 194, 195; BVerfG, Be- schluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvR 1275/16, juris Rn. 43) auch in Abschiebungshaftsachen zu beachten ist (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175 Rn. 22; Beschluss vom 2. März 2017 - V ZB 138/16, InfAuslR 2017, 289 Rn. 12). Die Abschiebungshaft muss auch während des Laufs der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden; dies ergibt sich einfachgesetzlich schon daraus , dass die Haft gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Sicherungshaft darf deshalb nur aufrechterhalten oder verlängert werden, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar - gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - mit der größtmöglichen Beschleunigung (st. Rspr. vgl. nur Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 21; Beschluss vom 1. März 2012 - V ZB 206/11, FGPrax 2012, 133 Rn. 15; Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 104/12, juris Rn. 7; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 172/12, InfAuslR 2014, 52 Rn. 12 f.). Fehlt es daran, stellt sich die Haft als ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen dar und ist aufzuheben.
8
b) Richtig ist auch, dass Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot durch die die Abschiebung vollziehende Bundesbehörde den für die Anträge auf Abschiebungshaft zuständigen Ausländerbehörden der Länder und der Kreise zuzurechnen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 111/10, NVwZ 2011, 1214 Rn. 13; Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 274/10, FGPrax 2011, 315 Rn. 25; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 172/12, InfAuslR 2014, 52 Rn. 15). Ein solcher Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot durch die Bundesbehörde kann sich aus der unzureichenden Ausstattung mit Personal ergeben. Angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) vermag eine nicht nur ganz kurzfristige Über- lastung der zuständigen Stellen einen weiteren Vollzug der Haft selbst dann nicht zu legitimieren, wenn sie auf einem außerordentlichen Geschäftsanfall beruht (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2895, 2896 zur Untersuchungshaft; Senat, Beschluss vom 16. Februar 2012 - V ZB 320/10, InfAuslR 2012, 225 Rn. 17). Der Ausländerbehörde nicht zuzurechnen ist dagegen die Bearbeitung durch die ausländischen Behörden (vgl. Senat, Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 102/16, juris Rn. 22; Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 40/16, InfAuslR 2017, 450 Rn. 22). Auf das Verfahren der ausländischen Stellen haben die deutschen Dienststellen nämlich keinen Einfluss.
9
c) Die getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht die Annahme des Beschwerdegerichts, das Beschleunigungsgebot sei verletzt. Das Beschwerdegericht meint, für die Feststellung, dass eine frühere Abschiebung des Betroffenen nach Italien nicht möglich gewesen wäre, fehlten die erforderlichen Anknüpfungstatsachen , und der Vortrag der beteiligten Behörde sei nicht ausreichend. In dieser Situation durfte es nicht ohne weitere Sachaufklärung davon ausgehen, dass die Verzögerung der Abschiebung wesentlich auf der Auslastung der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen deutschen Stellen beruht und deshalb das Beschleunigungsgebot nicht gewahrt ist. Im Rahmen der Amtsermittlung nach § 26 FamFG hätte es vielmehr bei der beteiligten Behörde nachfragen müssen, warum die Abschiebung des Betroffenen trotz der guten Flugverbindungen zwischen Deutschland und Italien eine Vorlaufzeit von zehn bis zwölf Wochen benötigte. Das hat das Beschwerdegericht verfahrensfehlerhaft unterlassen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei der gebotenen Nachfrage die beteiligte Behörde den von dem Beschwerdegericht vermissten Sachvortrag zu den Kapazitäten der Fluggesellschaften und der zeitlichen Vorgabe der italienischen Behörden für Abschiebeflüge, wie in der Rechtsbeschwerdeschrift geschehen, gehalten hätte mit der Folge, dass die Haftanordnung aufrechterhalten worden wäre.
10
d) Die von dem Beschwerdegericht als Tatsacheninstanz (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 8) auf einer zureichenden Tatsachengrundlage (§ 26 FamFG) vorzunehmende Prüfung kann von dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht nachgeholt werden. Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht kommt nicht in Betracht , da nach Erledigung der Hauptsache nur noch über die Kosten zu entscheiden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Juni 2018 - V ZB 237/17, InfAuslR 2018, 368 Rn. 7).
11
3. Bei der danach zu treffenden Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen , dass es hinsichtlich des Haftzeitraums vom 8. Dezember 2017 bis zum 17. Januar 2018, der nicht Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist, bei der Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts bleibt, wonach der Landkreis Hildesheim die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen der ersten und zweiten Instanz trägt. Das führt zu einer Verteilung der außergerichtlichen Kosten der ersten und zweiten Instanz im Verhältnis von 75 % zu 25 %.
12
4. Hat sich die Hauptsache erledigt, muss im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Entscheidung über die Gerichtskosten für alle Rechtszüge ergehen, selbst wenn und soweit sie nur klarstellende Bedeutung hat (Senat, Beschluss vom 7. November 2013 - V ZB 111/12, juris Rn. 5). Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG werden Gerichtskosten in allen Instanzen nicht erhoben.
13
5. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele Haberkamp Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 08.12.2017 - 43 XIV 186/17 B -
LG Hannover, Entscheidung vom 17.01.2018 - 8 T 4/18 -

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Referenzen

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

4
1. Sie ist zwar nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft, weil sie sich gegen einen eine freiheitsentziehenden Maßnahme ablehnenden Beschluss richtet. Eine solche Ablehnung liegt auch vor, wenn das Beschwerdegericht die von dem Amtsgericht angeordnete Haft zur Sicherung einer Abschiebung aufhebt.
4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, da sie von dem Beschwerdegericht nicht zugelassen wurde (§ 70 Abs. 1 FamFG). Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 FamFG liegen nicht vor, weil sich die Rechtsbeschwerde nicht gegen einen Beschluss richtet, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme abgelehnt oder zurückgewiesen worden ist.
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a) Kraft Gesetzes und ohne die Notwendigkeit einer vorherigen Zulassung durch das Beschwerdegereicht statthaft ist die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG nur, wenn sie sich gegen einen Beschluss richtet, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme abgelehnt oder zurückgewiesen worden ist. Dazu gehören Entscheidungen nicht, in denen das Beschwerdegericht nach Erledigung der Hauptsache schon im Beschwerdeverfahren gemäß § 62 FamFG auf Antrag des Betroffenen feststellt, dass die gegen ihn angeordnete Haft rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzt hat (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 64/17, Asylmagazin 2018, 101 [Ls.] = juris Rn. 4). Der Gesetzgeber hat die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde nur für den Fall für kraft Gesetzes statthaft erklärt, dass sich diese gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss wendet (BT-Drucks. 18/5420 S. 30). Damit sind nur die Fallgestaltungen angesprochen, in denen die beteiligte Behörde die von ihr beantragte Anordnung von Sicherungshaft entweder von vornherein infolge einer Ablehnung schon durch das Amtsgericht oder im Ergebnis nicht erreicht, weil das Beschwerdegericht eine Haftanordnung des Amtsgerichts wieder aufhebt. Dieses Ziel kann die beteiligte Behörde aber nicht mehr erreichen, wenn infolge der Erledigung der Hauptsache schon im Beschwerdeverfahren entwe- der durch Vollzug der Abschiebung der Sicherungszweck fortgefallen oder aber nach Auslaufen einer angeordneten Haft ein neuer Haftantrag erforderlich ist.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

6
2. In dieser Lage kann der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel auf den Kostenpunkt beschränken und das Verfahren in diesem beschränkten Umfang fortführen. Das war für das frühere Verfahrensrecht anerkannt, obwohl nach § 20a FGG ein Rechtsmittel nicht allein wegen der Kosten eingelegt werden konnte (Senat, Beschluss vom 10. Februar 1983 - V ZB 18/82, BGHZ 86, 393, 395). Dasselbe gilt für das jetzige Verfahrensrecht, welches eine solche Beschränkung des Rechtsmittels nicht mehr vorsieht (Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 11/10, NJW-RR 2011, 882 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 - II ZB 17/11, NJW-RR 2012, 997 Rn. 6). Eine Beschränkung auf den Kostenpunkt hat die beteiligte Behörde jedoch trotz entsprechenden Hinweises des Betroffenen in seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht vorgenommen.
4
1. Die Rechtsbeschwerde der Behörde ist zulässig. Sie ist nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft, weil sie sich gegen einen eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden Beschluss richtet. Die Rechtsbeschwerde der Behörde ist auch im Übrigen zulässig , insbesondere ist sie nicht dadurch unzulässig geworden, dass der Betroffene während des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach Italien abgeschoben wurde. Das schließt zwar eine Sachentscheidung über die Haftanordnung aus; mangels Feststellungsinteresses kann die beteiligte Behörde die Rechtsbeschwerde auch nicht mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG aufrechterhalten. Sie kann das Rechtsmittel aber - wie hier geschehen - auf den Kostenpunkt beschränken und das Verfahren in diesem beschränkten Umfang fortführen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 22/12, BGHZ 196, 118 Rn. 6 ff.).

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

5
2. Die Kostenentscheidung ist gemäß § 83 Abs. 2 in Verbindung mit § 81 Abs. 1 Satz 1, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK nach billigem Ermessen zu treffen (vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 11/10, aaO Rn. 9). Eine Entscheidung über die Kosten zugunsten des Rechtsbeschwerdeführers hat danach zu ergehen, wenn sein Rechtsmittel ohne die Erledigung der Hauptsache begründet gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Februar 1983 - V ZB 18/82, BGHZ 86, 393, 396). So verhält es sich hier, weil auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen festzustellen gewesen wäre, dass die Zurückweisung des Haftaufhebungsantrags und die Zurückweisung der dagegen gerichteten Beschwerde ihn in seinen Rechten verletzt haben. Zur Begründung wird auf die Entscheidung des Senats vom heutigen Tag in der Sache V ZB 139/13 verwiesen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

1. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2016 - 1 Ws 56/16 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

3. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft durch eine Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts.

I.

2

Das Zollfahndungsamt Frankfurt am Main leitete gegen den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 22. Februar 2013 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Tabaksteuerhinterziehung ein.

3

Der Beschwerdeführer wurde am 27. November 2014 wegen des Verdachts der bandenmäßigen Tabaksteuerhinterziehung aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. November 2014 festgenommen. Er befand sich, zuletzt auf Grundlage des Beschlusses der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 5. November 2015, bis zum 22. Juli 2016 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen.

4

Am 9. September 2015 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) Anklage gegen den Beschwerdeführer. Ihm wurde darin vorgeworfen, sich mit fünf weiteren Angeklagten zu einer Bande zusammengeschlossen zu haben, welche in 33 Fällen arbeitsteilig und in wechselnder Besetzung in Italien produzierte Zigaretten in ein Lager nach Nauen in Deutschland geschmuggelt und sie anschließend dem illegalen Wirtschaftskreislauf zugeführt habe. Dabei sei ein Steuerschaden in Höhe von 58.463.622,32 Euro entstanden.

5

Am 5. November 2015 eröffnete das Landgericht Potsdam - Wirtschaftsstrafkammer - das Hauptverfahren und bestimmte deren Beginn auf den 27. November 2015.

6

Ungeachtet einer von dem Vorsitzenden der zuständigen 5. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam am 6. Oktober 2015 erstatteten Überlastungsanzeige begann am 27. November 2015 die Hauptverhandlung. Diese musste nach dem sechsten Verhandlungstag, der am 8. Januar 2016 stattgefunden hatte, gemäß § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO am 26. Januar 2016 ausgesetzt werden, weil die Höchstdauer der zulässigen Unterbrechung von drei Wochen nicht eingehalten werden konnte. Dem lag zugrunde, dass die für den 14. und 15. Januar 2016 angesetzten Verhandlungstage wegen Erkrankung eines beisitzenden Richters der Strafkammer aufgehoben werden mussten und die darauffolgenden Verhandlungstage aufgrund eines Sportunfalls des Vorsitzenden der Strafkammer ebenfalls nicht stattfinden konnten.

7

Am 8. Februar 2016 terminierte der stellvertretende Kammervorsitzende unter erstmaliger Anordnung der Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters und eines Ergänzungsschöffen die Fortführung der Hauptverhandlung auf den 26. Februar 2016.

8

Mit Verfügung vom 24. Februar 2016 mussten die Verfahrensbeteiligten jedoch vor Beginn der Hauptverhandlung aufgrund Erkrankung des Berichterstatters wieder abgeladen werden.

9

Bis dahin stand auch kein Ergänzungsrichter für das Verfahren zur Verfügung. In einem Vermerk des stellvertretenden Kammervorsitzenden vom 25. Februar 2016 heißt es dazu: "Darüber hinaus gestaltete sich die Suche nach einem Vertreter für den erkrankten VRiLG […]und einem Ergänzungsrichter sehr schwierig, da sich sämtliche Strafrichter und die überwiegende Zahl der Zivilrichter für verhindert erklärt haben. Eine diesbezügliche Mitteilung des Präsidenten des LG, der über die Terminsaufhebung für den morgigen Freitag informiert ist, liegt mir auch jetzt nicht vor, so dass derzeit noch nicht einmal die Gerichtsbesetzung mitgeteilt werden kann."

10

Die Hauptverhandlung begann am 10. März 2016 ein zweites Mal. Allerdings musste der stellvertretende Kammervorsitzende zu Beginn der Hauptverhandlung mitteilen, dass der zwischenzeitlich bestellte Ergänzungsrichter erkrankt sei. Das Verfahren wurde daraufhin zum zweiten Mal ausgesetzt.

11

Noch in der Hauptverhandlung vom 10. März 2016 waren die Verfahrensbeteiligten zu einem neuen Termin auf den 17. März 2016 geladen worden. In der Hauptverhandlung vom 17. März 2016 beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers eine Unterbrechung der Hauptverhandlung gemäß § 222a Abs. 2 StPO, um die Ordnungsmäßigkeit der Gerichtsbesetzung überprüfen zu können. Darüber hinaus stellte einer der Mitangeklagten, wie auch schon beim ersten Beginn der Hauptverhandlung, einen Befangenheitsantrag gegen den stellvertretenden Kammervorsitzenden, dem sich der Beschwerdeführer anschloss. Im Hinblick darauf wurde die Hauptverhandlung im Anschluss an die Verlesung der Anklageschrift unterbrochen und der auf den 18. März 2016 anberaumte Hauptverhandlungstermin aufgehoben.

12

Mit Beschluss vom 14. März 2016 ordnete das Brandenburgische Oberlandesgericht erneut Haftfortdauer an. Bereits zuvor hatte das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschlüssen vom 16. Juni 2015 und vom 1. Oktober 2015 Haftfortdauer angeordnet.

13

Die Hauptverhandlung wurde am 31. März 2016 fortgesetzt. Im Termin am 31. März 2016 rügte der Verteidiger des Beschwerdeführers die fehlerhafte Besetzung des Gerichts. Dem lag zugrunde, dass der stellvertretende Vorsitzende mit Verfügung vom 11. März 2016 einen Hauptschöffen an den Hauptverhandlungstagen vom 17. und 18. März 2016 von der Dienstleistung entbunden hatte, obwohl dieser lediglich angezeigt hatte, vom 4. bis 8. April sowie am 22. April 2016 an der Dienstleistung gehindert zu sein.

14

Im Hinblick darauf stellte das Gericht mit Beschluss vom 6. April 2016 fest, dass es aus den Gründen der erhobenen Rüge fehlerhaft besetzt sei.

15

Die Hauptverhandlung wurde daraufhin zum dritten Mal ausgesetzt.

16

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. April 2016 beantragte der Beschwerdeführer, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise, ihn gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen. Mit Beschluss vom 19. April 2016 half das Landgericht Potsdam der Haftbeschwerde nicht ab.

17

Die Hauptverhandlung begann am 29. April 2016 erneut.

18

Zu Beginn der Hauptverhandlung teilte der wieder in den Dienst zurückgekehrte Vorsitzende Richter der Strafkammer den Verfahrensbeteiligten mit, dass sich die mitgeteilte Gerichtsbesetzung wegen Erkrankung einer Hauptschöffin geändert habe.

19

Der Verteidiger des Beschwerdeführers beantragte daraufhin zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Besetzung die Unterbrechung der Hauptverhandlung gemäß § 222a Abs. 2 StPO.

20

Der Vorsitzende ordnete im Hinblick darauf nach Verlesung der Anklageschrift die Unterbrechung der Hauptverhandlung an, welche am 11. Mai 2016 fortgesetzt wurde.

21

Zu Beginn der Hauptverhandlung am 11. Mai 2016 erhob der Verteidiger des Beschwerdeführers abermals eine Besetzungsrüge. Für eine aus gesundheitlichen Gründen von der Hauptschöffenliste gestrichene Hauptschöffin hatte der Vorsitzende eine Hilfsschöffin aus der Hilfsschöffenliste herangezogen. Bei richtiger Rechtsanwendung hätte jedoch gemäß § 48 Abs. 2 GVG die bereits geladene Ergänzungsschöffin als Hauptschöffin in die Kammer einrücken müssen.

22

Zur Prüfung der Besetzungsrüge wurde die Hauptverhandlung erneut unterbrochen. Bei ihrer Fortsetzung am 12. Mai 2016 verkündete der Vorsitzende zu Beginn den Beschluss der Strafkammer vom selben Tage, wonach das Gericht aus den in der Rüge genannten Gründen mit der Hauptschöffin nicht vorschriftsmäßig besetzt sei. Als Folge wurde die Hauptverhandlung zum vierten Male ausgesetzt.

23

Mit hier angefochtenem Beschluss vom 23. Mai 2016 verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht die Haftbeschwerde als unbegründet. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft stehe auch angesichts der langen Verfahrensdauer von fast einem Jahr und sechs Monaten zur Bedeutung der Sache, die auch in dem hohen Gesamtsteuerschaden von über 58 Millionen Euro zum Ausdruck komme, nicht außer Verhältnis. Dem in Haftsachen im besonderen Maße geltenden Beschleunigungsgebot sei Genüge getan. Hierbei sei zunächst der extrem große Aktenumfang zu berücksichtigen, in den sich Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidiger hätten einarbeiten müssen. Das Beschleunigungsgebot habe bereits im Ermittlungsverfahren hinreichend Beachtung gefunden. Auch seitens der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Potsdam sei das Verfahren nach Eingang der Anklageschrift ohne Verzögerung bearbeitet worden. Der Verteidigung sei zwar darin beizupflichten, dass mehrfache Terminsaufhebungen und Aussetzungsentscheidungen ihre Ursache in der Sphäre der Justiz hätten, jedoch führe nicht jede Terminsaufhebung oder Aussetzung zugleich zu einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot. So stelle beispielsweise der unfall- und damit krankheitsbedingte längerfristige Ausfall des Kammervorsitzenden ein für alle Beteiligten unvorhersehbares Ereignis dar. Die durch die Aussetzung der Hauptverhandlung bedingte Verfahrensverzögerung habe die Wirtschaftsstrafkammer teilweise durch eine zügige Anberaumung des Neubeginns der Hauptverhandlung unter Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters sowie eines Ergänzungsschöffen kompensiert. Der krankheitsbedingte Ausfall des berichterstattenden Richters stelle ebenfalls ein für alle Beteiligten unvorhersehbares Ereignis dar. Die Verlegung des Neubeginns der Hauptverhandlung auf den nächstmöglichen Termin, der wegen Verhinderung der Verteidigung eines Mitangeklagten erst auf den 10. März 2016 bestimmt werden konnte, sei als überaus zügig anzusehen. Dass der für diesen Termin vorgesehene Ergänzungsrichter wenige Tage zuvor erkrankt sei und sich kurzfristig kein weiterer Ergänzungsrichter habe finden lassen, stelle ebenfalls noch kein gerichtsorganisatorisches Versäumnis dar, das einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründen könnte. Die Anberaumung des Beginns der Hauptverhandlung auf den 17. März 2016 dokumentiere vielmehr das Bemühen der Kammer, das Verfahren weiterhin zügig durchzuführen. Die Aussetzung der Hauptverhandlung durch die Beschlüsse der Wirtschaftsstrafkammer vom 6. April 2016 und vom 12. Mai 2016 infolge fehlerhafter Schöffenbesetzung habe zwar zu einer Verfahrensverzögerung von zweieinhalb Monaten geführt. Diese Verzögerung sei jedoch durch eine - angesichts der am Verfahren beteiligten neun Verteidiger, vier Richter und drei Schöffen - überaus zügige Neuterminierung minimiert worden. Noch am Tag des letzten Aussetzungsbeschlusses habe der Kammervorsitzende einen neuen Termin zur Hauptverhandlung für den 2. Juni 2016 anberaumt und die Fortsetzungstermine für den Zeitraum bis zum 22. August 2016 bestimmt. All dies zeige, dass die Strafkammer auf Krankheitsfälle und fehlerhafte Gerichtsbesetzung überaus schnell reagiert habe; sowohl durch die zügige Neuterminierung als auch durch die enge Verhandlungsdichte habe die Wirtschaftsstrafkammer die eingetretene Verzögerung zumindest teilweise kompensiert. Eine Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung sei ihr nicht vorzuwerfen. Die fehlerhafte Besetzung des Gerichts führe zu einem Rechtsfehler, der nicht identisch sei mit einem Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz. Die Wirtschaftsstrafkammer werde indes die eingetretene Verfahrensverzögerung im Falle eines Schuldspruchs gegebenenfalls bei der Strafzumessung berücksichtigen müssen. Im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung werde sie eine Kompensation nach der Vollstreckungslösung zu erwägen haben.

24

Die Hauptverhandlung begann am 2. Juni 2016 erneut. Seitdem ist am 2., 9., 10., 15., 16., 22., 23. und 30. Juni 2016, am 1., 7., 14., 21. und 22. Juli, am 22. und 23. August 2016 sowie am 15., 16., 20., 23., 27. und 30. September 2016 verhandelt worden. Für den 4., 7., 11. und 14. Oktober 2016 und den 14. November 2016 sind weitere Hauptverhandlungstermine anberaumt worden.

25

Mit Beschluss vom 21. Juli 2016 hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Potsdam den Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. November 2014 in der Fassung des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 5. November 2015 gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 Euro und Abgabe sämtlicher inländischen und ausländischen Identitätspapiere außer Vollzug gesetzt. Der Beschwerdeführer hat diese Bedingungen am 22. Juli 2016 erfüllt und wurde am selben Tag unter anderem mit der Auflage aus der Untersuchungshaft entlassen, das Gebiet der Länder Berlin und Brandenburg nicht ohne vorherige Genehmigung des Landgerichts Potsdam zu verlassen und sich in denjenigen Wochen, in denen keine Hauptverhandlungstage anberaumt seien, zweimal wöchentlich bei der für seinen Wohnort zuständigen Dienststelle zu melden.

26

Die Hauptakte besteht aus 54 Bänden mit insgesamt über 11.000 Seiten, Sonderbänden mit insgesamt über 24.000 Seiten sowie zehn Ergänzungsbänden mit über 2.500 Seiten. Darüber hinaus sind Parallelverfahren relevant, die gegen 17 mutmaßliche Abnehmer und Vertreiber der geschmuggelten Zigaretten geführt werden und weitere 38 Bände Hauptakten mit insgesamt über 7.000 Seiten umfassen.

II.

27

Mit seiner am 20. Juni 2016 gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2016 erhobenen Verfassungsbeschwerde, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden hat, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Brandenburgische Oberlandesgericht habe seine Haftbeschwerde verworfen, obwohl der damit einhergehende weitere Vollzug der Untersuchungshaft aufgrund gravierender rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot verstoße.

28

Eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen resultiere zunächst daraus, dass bei Terminierung der Hauptverhandlung auf den 27. November 2015 unterlassen worden sei, die Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters anzuordnen. Der Beschwerdeführer habe aufgrund dessen Untersuchungshaft vom 27. November 2015 bis zum 17. März 2016 verbringen müssen, ohne dass eine für das Verfahren relevante Hauptverhandlung stattgefunden habe. Diese Verfahrensverzögerung sei rechtsstaatswidrig und vermeidbar. Aufgrund der bisherigen Untersuchungshaft, der Anzahl der Hauptverhandlungstage und des Aktenumfanges sei die Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters gemäß § 192 Abs. 2 GVG offensichtlich erforderlich und geboten gewesen. Das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg wäre verpflichtet gewesen, für die ausreichende personelle Ausstattung des Landgerichts Potsdam Sorge zu tragen. Die infolge der mangelhaften personellen Ausstattung eingetretene Verzögerung verletze das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot.

29

Auch die weiteren Verzögerungen seien durch die falsche Besetzung des Gerichts bei der Hauptverhandlung am 6. April 2016 als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu werten. Auch diese Ursache liege ausschließlich in der Sphäre der Justiz. Gleiches gelte für den Besetzungsfehler, der zur Aussetzung der am 12. Mai 2016 begangenen Hauptverhandlung geführt habe.

30

Die im Hauptverfahren eingetretenen Verfahrensverzögerungen seien bereits jeweils für sich betrachtet, jedenfalls aber in ihrer Gesamtheit, in gravierender Weise geeignet, gegen das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu verstoßen. Damit sei der weitere Vollzug der Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer unverhältnismäßig geworden. Dies habe das Oberlandesgericht verkannt.

31

Das Oberlandesgericht habe in den Gründen des angegriffen Beschlusses zudem selbst anerkannt, dass es zu relevanten Verfahrensverzögerung gekommen sei, deren Rechtsstaatswidrigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Allerdings gehe das Oberlandesgericht zugleich davon aus, dass die festgestellten Verzögerungen des Verfahrens keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot darstellten, sondern diesem hinreichend Rechnung getragen worden sei. Diese Ausführungen seien in sich widersprüchlich. Das Gericht könne dem Beschwerdeführer nicht eine Kompensation für mögliche rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen in Aussicht stellen, gleichzeitig aber konstatieren, dem Beschleunigungsgebot sei in jedem Fall Genüge getan.

32

Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2016 hat der Beschwerdeführer im Anschluss an die Außervollzugsetzung des Haftbefehls den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie die Anträge aus der Verfassungsbeschwerde insoweit für erledigt erklärt, als beantragt worden ist, anzuordnen, ihn unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Verfassungsbeschwerde aufrechterhalten.

III.

33

1. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof werden die Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung unter Berücksichtigung der hier geforderten Begründungstiefe den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vollständig gerecht. Die Entscheidung lasse besorgen, dass das Gericht bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates die Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die Entscheidung weise nicht die für eine Haftfortdauerentscheidung erforderliche Begründungstiefe auf. Denn die Begründung lasse eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses nicht in dem von Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG geforderten Maße zu. Es lasse sich schon nicht sicher feststellen, ob der Entscheidung der zutreffende Maßstab zugrunde gelegt worden sei.

34

2. Das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg hat, soweit der Beschwerdeführer eine mangelnde personelle Ausstattung des Landgerichts Potsdam und eine Verletzung der Justizgewährungspflicht gerügt hat, darauf hingewiesen, dass die Personalausstattung unter Zugrundelegung des bundesweit einheitlich angewandten Berechnungssystems dem Personalbedarf Rechnung trage. Es sei nicht möglich und auch durch den Justizgewährleistungsanspruch nicht geboten, richterliche Arbeitskraft in solchem Umfang in Reserve zu halten, dass jeder unvorhergesehene krankheitsbedingte Ausfall sofort ausgeglichen werden könne. Im Übrigen hat das Ministerium von einer Stellungnahme abgesehen.

35

3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens in elektronischer Form vorgelegen.

B.

36

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

37

Das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers ist nicht dadurch entfallen, dass der Haftbefehl nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde außer Vollzug gesetzt und der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Januar 1995 - 2 BvR 2846/93 -, juris, Rn. 14). Trotz der Außervollzugsetzung ist der Fortbestand des Haftbefehls insbesondere unter Berücksichtigung der erteilten freiheitsbeschränkenden Auflagen nach wie vor mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers verbunden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Dezember 2000 - 2 BvR 1706/00 -, juris, Rn. 12).

II.

38

Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2016 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, weil er den an eine Haftfortdauerentscheidung zu stellenden Anforderungen zur verfassungsrechtlich gebotenen Begründungstiefe nicht genügt.

39

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann die Freiheit der Person und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).

40

Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen.

41

Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <370 f.>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 32).

42

Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs regelmäßig gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>; 17, 517 <522>; 19, 428 <433>).

43

Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen, denn zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verzögerungen verursacht ist. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare Verfahrensverzögerungen stehen daher regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (vgl. BVerfGK 15, 474, <480>; 17, 517, <523>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2012 - 2 BvR 1164/12 -, juris, Rn. 42 und vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 -, juris, Rn. 41).

44

Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermag aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (BVerfGK 7, 140 <155>).

45

Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann insofern niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein (vgl. BVerfGE 36, 264 <273 ff.>). Vielmehr kann sie selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt (BVerfGE 36, 264 <273 ff.>). Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Beschuldigten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen (BVerfGE 36, 264 <275>).

46

Im Rahmen der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit ist die Angemessenheit der Haftfortdauer anhand objektiver Kriterien des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen; insofern sind in erster Linie die Komplexität der einzelnen Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung von Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 37). Der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils wird dabei auch unter Berücksichtigung der genannten Aspekte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris, Rn. 45 und der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08 -, juris, Rn. 36).

47

Da der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>), unterliegen Haftfortdauerentscheidungen insofern einer erhöhten Begründungstiefe (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>; BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38). In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrer Gewichtigkeit verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38). Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 39).

48

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben gelten nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl. Sie sind darüber hinaus auch für einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl (§ 116 StPO) von Bedeutung (vgl. BVerfGE 53, 152 <159>; BVerfGK 6, 384 <391>). Beschränkungen, denen der Beschuldigte durch Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO ausgesetzt ist, dürfen nicht länger andauern, als es nach den Umständen erforderlich ist (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 6. Juli 2004 - 2 Ws 301/04 -, StV 2005, S. 396 <397>). Denn auch dann, wenn Untersuchungshaft nicht vollzogen wird, kann allein schon die Existenz eines Haftbefehls für den Beschuldigten eine erhebliche Belastung darstellen, weil sich mit ihm regelmäßig die Furcht vor einem (erneuten) Vollzug verbindet (vgl. BVerfGE 53, 152 <161>; BVerfGK 6, 384 <391>).

III.

49

Diesen Maßstäben genügt die angegriffene Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts nicht. Sie enthält keine in jeder Hinsicht verfassungsrechtlich tragfähige Begründung für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft.

50

1. Soweit das Oberlandesgericht allerdings angenommen hat, dass während des Ermittlungsverfahrens und des Zwischenverfahrens das Beschleunigungsgebot hinreichend Beachtung gefunden habe, ist die Entscheidung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Durchgreifende Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot sind - wovon das Oberlandesgericht zutreffend ausgegangen ist - angesichts des erkennbaren Umfangs und der Komplexität des zu klärenden Sachverhalts nicht ersichtlich.

51

2. Ein Verfassungsverstoß ist auch nicht darin zu erkennen, dass die angegriffene Entscheidung die unterbliebene Bestellung eines Ergänzungsrichters vor Beginn der Hauptverhandlung im November 2015 als noch nicht zurechenbare Verzögerung des Verfahrens gewertet hat. Das Landgericht musste sich zu diesem Zeitpunkt zur Bestellung eines Ergänzungsrichters (noch) nicht gedrängt sehen. Der spätere Verlauf des Verfahrens, der die mehrfache Aussetzung der Hauptverhandlung erforderlich machte, war zu diesem Zeitpunkt für das Landgericht nicht absehbar.

52

3. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zum krankheitsbedingten Ausfall des Kammervorsitzenden und des berichterstattenden Richters lassen einen Verfassungsverstoß ebenfalls nicht erkennen. Krankheitsbedingte Ausfälle stellen unvorhersehbare Ereignisse dar, die nicht in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft fallen. Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen gebietet in solchen Fällen indes, dass das Tatgericht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreift, um einen zügigen Fortgang der Hauptverhandlung zu gewährleisten. Die Gründe der angegriffenen Entscheidung lassen erkennen, dass sich das Oberlandesgericht mit diesem Gesichtspunkt in der gebotenen Tiefe auseinandergesetzt hat. Indem es dargelegt hat, dass das Landgericht auf die mit den krankheitsbedingten Ausfällen einhergehenden unvermeidbaren Verzögerungen jeweils mit zügiger Neuterminierung reagiert hat, ist es zu einem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt.

53

4. Die Würdigung der jeweiligen Besetzungsfehler hält der verfassungsrechtlichen Kontrolle hingegen nicht stand. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts erreichen die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe insoweit nicht; sie machen bereits den Maßstab, welcher der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer zugrunde gelegt worden ist, nicht deutlich.

54

Zunächst geht das Oberlandesgericht davon aus, die durch die Besetzungsfehler eingetretene Verfahrensverzögerung von zweieinhalb Monaten sei durch die rasche Neuterminierung der Strafkammer "minimiert" worden. An anderer Stelle wird ohne nähere Erläuterung ausgeführt, die Verzögerung sei auch durch die nachfolgende enge Verhandlungsdichte "zumindest teilweise kompensiert" worden. Dies legt den Schluss nahe, dass das Oberlandesgericht von vermeidbaren und damit für das Beschleunigungsgebot in Haftsachen relevanten Verfahrensverzögerungen ausgegangen ist, die nachfolgend nicht, jedenfalls nicht vollständig ausgeglichen worden sind.

55

Demgegenüber stellt das Oberlandesgericht im Anschluss daran fest, eine Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung sei der Kammer nicht vorzuwerfen, denn die bei der Besetzung begangenen Rechtsfehler seien "nicht identisch mit einem Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz".

56

Dieser Widerspruch wird dadurch verstärkt, dass das Oberlandesgericht zum Abschluss seiner rechtlichen Würdigung ausführt, die Wirtschaftsstrafkammer werde die eingetretene Verfahrensverzögerung im Falle eines Schuldspruchs "gegebenenfalls bei der Strafzumessung berücksichtigen" und im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung "eine Kompensation nach der Vollstreckungslösung erwägen müssen".

57

Angesichts dessen lassen die Gründe der angegriffenen Entscheidung nicht hinreichend erkennen, welchen Maßstab das Oberlandesgericht der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer zugrunde gelegt hat. Es bleibt unklar, ob das Oberlandesgericht bei seiner Wertung von einer verfassungsrechtlich relevanten, im Ergebnis nur teilweise kompensierten Verfahrensverzögerung, von einer nicht zurechenbaren Verfahrensverzögerung oder sogar von einer insgesamt rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ausgegangen ist.

58

Diese Abgrenzung durfte das Oberlandesgericht nicht offen lassen. Vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits seit 18 Monaten in Untersuchungshaft befunden hat und der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder zu dem Erlass des Urteils nur in ganz besonderen Ausnahmefällen gerechtfertigt sein kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris, Rn. 45 und der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08 -, juris, Rn. 36), unterlag die angegriffene Entscheidung einer erhöhten Begründungstiefe, die in sich schlüssige und widerspruchsfreie Ausführungen zum zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab gebietet. Diesen Anforderungen hat das Oberlandesgericht ersichtlich nicht genügt.

IV.

59

Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass der angegriffene Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2016 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt. Der angegriffene Beschluss ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht wird - nachdem der Haftbefehl inzwischen außer Vollzug gesetzt worden ist - unter Beachtung der dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen erneut zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen der Untersuchungshaft noch vorliegen. Andernfalls wird es den Haftbefehl aufzuheben haben.

V.

60

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

VI.

61

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG. Da die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen erfolgreich ist und sie auch, soweit sie der Beschwerdeführer für erledigt erklärt hat, offensichtlich Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, erscheint es angemessen, dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen in vollem Umfang zu erstatten.

VII.

62

Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen und beträgt mindestens 5.000 Euro. Er liegt höher, wenn der Verfassungsbeschwerde aufgrund einer Entscheidung der Kammer stattgegeben wird. Im Hinblick auf die objektive Bedeutung der Sache ist ein Gegenstandswert von 10.000 Euro angemessen.


63

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

22
cc) Ein Verstoß der Beteiligten zu 2 gegen das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) liegt nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht vor. Schon wenn vorhersehbar ist, dass die Abschiebung erforderlich wird, muss die Behörde allerdings alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, um die erforderlichen Papiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Haft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, BGHZ 133, 235, 239; OLG Celle InfAuslR 2004, 118; OLG Düsseldorf InfAuslR 2008, 38, 39; OLG Schleswig InfAuslR 2004, 167; Hailbronner, aaO, § 62 AufenthG Rdn. 33). Hier hat die Beteiligte zu 2 unmittelbar nach dem Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft, der noch während der Vollstreckung der Er- satzfreiheitstrafe gestellt worden ist, das Passersatzpapierbeschaffungsverfahren eingeleitet und dem Betroffenen das Formular für die Beschaffung der zur Rückführung notwendigen Papiere übermittelt. Da die Ausländerbehörde grundsätzlich keine Möglichkeit hat, auf die Terminplanung der ausländischen Vertretung Einfluss zu nehmen, ist ihr nicht anzulasten, dass der Vorführungstermin dort erst am 15. Dezember 2009 stattgefunden hat (vgl. OLG Schleswig, NVwZ-RR 2005, 858, 859).

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

21
(1) Das Beschwerdegericht hat sich zu vergewissern, ob die Abschiebung zügig durchgeführt wird. Auf Grund der Zweckbindung der Abschiebehaft, die nach § 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nur zur Sicherung der zwangsweisen Ausreise und zu keinem anderen Zweck angeordnet werden darf, muss die Freiheitsentziehung zu jedem Zeitpunkt ihrer Dauer von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein (BVerfG NVwZ 2007, 1296, 1297). Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) verpflichtet die die Abschiebung betreibende Ausländerbehörde zudem dazu, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die für die Abschiebung erforderlichen Passersatzpapiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebehaft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, BGHZ 133, 235, 239). Das Beschwerdegericht darf deshalb die Sicherungshaft nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit , mit der größtmöglichen Beschleunigung (vgl. BayObLG, Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, juris, Rdn. 9; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 306).
15
Die Abschiebungshaft muss auch während des Laufs der Drei-MonatsFrist des § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 247/10, Rn. 7, juris). Das Beschwerdegericht darf die Sicherungshaft deshalb nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der größtmöglichen Beschleunigung (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09 Rn. 16, juris). Ein Verstoß kann vorliegen, wenn die Ausländerbehörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um Ersatzpapiere zu beschaffen (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 247/10, Rn. 7, juris; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10 Rn. 18, juris; Beschluss vom 11. Juli 1996 - V ZB 14/96, BGHZ 133, 235, 239).
12
a) Das Beschwerdegericht hat verfahrensfehlerhaft einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Abschiebungshaftsachen verneint.
13
Das Beschleunigungsgebot gilt auch für die Auf- und Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 17, 20 Dublin II-Verordnung und für die Überstellungen nach Art. 19 der Verordnung in den für die Sachentscheidung über den von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union, wenn sich der Asylbewerber wegen verweigerter oder illegaler Einreise in Zurückweisungs- oder Zurückschiebungshaft befindet. Versäumnisse des in der Bundesrepublik Deutschland für die Auf- und Wiederaufnahmeersuchen und die Modalitäten der Überstellung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AsylZBV zuständigen Bundesamts sind der für die Beantragung der Haft zuständigen Ausländerbehörde zuzurechen (Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 14 Rn. 95).
25
Das Beschleunigungsgebot erfordert zudem in den Aufnahmeverfahren nach Art. 17 ff. Dublin II-Verordnung, dass die Ersuchen um Aufnahme eines Asylbewerbers korrekt an den für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat gestellt werden, wobei die die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats begründenden Umstände richtig und vollständig anzugeben und die erforderlichen Beweismittel beizufügen sind. Anfragen der Behörden des ersuchten Mitgliedstaats müssen unverzüglich beantwortet werden (Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 111/10, Rn. 14, juris). Der die Zurückweisung betreibenden Grenzbehörde sind von dem für die Übermittlung von Aufnahmeersuchen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AsylZBV zuständigen Bundesamt zu vertretende Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot zuzurechnen (Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 111/10, Rn. 15, aaO).
12
a) Das Beschwerdegericht hat verfahrensfehlerhaft einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Abschiebungshaftsachen verneint.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

17
Der Ausländerbehörde ist es nicht erlaubt, wegen einer Überlastung der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen staatlichen Stelle den Ausländer länger als für eine Abschiebung unbedingt erforderlich in Haft zu halten. Angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) vermag eine nicht nur ganz kurzfristige Überlastung der zuständigen Stelle einen weiteren Vollzug der Haft selbst dann nicht zu legitimieren, wenn sie auf einem außerordentlichen Geschäftsanfall beruht (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2895, 2896 - zur Untersuchungshaft). Vor diesem Hintergrund stellte es einen ungerechtfertigten Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen dar, wenn dieser wegen einer besonderen Belastung der Polizei durch einen Großeinsatz noch mehr als einen Monat nach dem für die Abschiebung ursprünglich vorgesehenen Termin in Haft verbringen musste.
22
Es verstößt auch nicht gegen das Beschleunigungsgebot, dass die beteiligte Behörde die Vorlage des Antrags auf Erteilung der Passersatzpapiere nicht mit einem Hinweis auf die Dringlichkeit versehen hat. Auf das Verfahren der ausländischen Stellen haben die deutschen Dienststellen keinen Einfluss (Senat , Beschluss vom 1. März 2012 - V ZB 206/11, FGPrax 2012, 133 Rn. 16). Dessen ungeachtet müssen sie aber durch Nachfragen oder in anderer geeigneter Weise auf die ausländischen Dienststellen einwirken, um eine beschleunigte Abwicklung der Passersatzpapiere zu erreichen. Welche Maßnahmen in welchem zeitlichen Abstand von der Einreichung des Antrags an geboten sind, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 25/13, juris Rn. 8 f.). Danach steht es mit dem Beschleunigungsgebot in Einklang, wenn die beteiligte Behörde im vorliegenden Fall den Weg einer Nachfrage bei der indischen Botschaft gewählt und diese Nachfrage am 8. Februar 2016 gehalten hat. Denn die indische Botschaft in Deutschland konnte die Frage nicht allein entscheiden, sondern musste das indische Generalkonsulat in Mailand beteiligen, das die Verlängerung des Passes des Betroffenen verfügt haben soll. Unter diesen Umständen war eine frühere Anfrage nicht zweckmäßig.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

8
Nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Obwohl das Beschwerdeverfahren als volle Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, wird es in das pflichtgemäße Ermessen des Beschwerdegerichts gestellt, in welchem Umfang es Ermittlungen und Beweiserhebungen wiederholt. Die Vorschrift dient der effizienten Nutzung gerichtlicher Ressourcen in der Beschwerdeinstanz, indem unnötige doppelte Beweisaufnahmen verhindert werden und auf die Durchführung eines Termins verzichtet werden kann, wenn die Sache bereits in der ersten Instanz im erforderlichen Umfang mit den Beteiligten erörtert wurde (BGH, Beschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10, NJW 2011, 2365 Rn. 12 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/6308 S. 207 re. Sp.). § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG räumt daher auch in einem Freiheitsentziehungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt. Macht das Beschwerdegericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (zum Unterbringungsverfahren: BGH, Beschluss vom 2. März 2011 - XII ZB 346/10, aaO Rn. 13 mwN). Auch ein ausdrücklich erklärter Verzicht des Betroffenen auf eine erneute persönliche Anhörung kann in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein, da der Betroffene hierdurch zu erkennen gibt, dass von einer erneuten Anhörung aus seiner Sicht keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

4
1. Die Rechtsbeschwerde der Behörde ist zulässig. Sie ist nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft, weil sie sich gegen einen eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden Beschluss richtet. Die Rechtsbeschwerde der Behörde ist auch im Übrigen zulässig , insbesondere ist sie nicht dadurch unzulässig geworden, dass der Betroffene während des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach Italien abgeschoben wurde. Das schließt zwar eine Sachentscheidung über die Haftanordnung aus; mangels Feststellungsinteresses kann die beteiligte Behörde die Rechtsbeschwerde auch nicht mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG aufrechterhalten. Sie kann das Rechtsmittel aber - wie hier geschehen - auf den Kostenpunkt beschränken und das Verfahren in diesem beschränkten Umfang fortführen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 22/12, BGHZ 196, 118 Rn. 6 ff.).

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.