Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2010 - V ZB 232/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat die Beklagte durch ein ihren Prozessbevollmächtigten erster Instanz am 25. Mai 2009 zugestelltes Urteil verurteilt, an die Klägerin 1.445,81 € rückständiges Hausgeld nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte zunächst mit einem am 25. Juni 2009 eingegangenen Schriftsatz bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg und sodann mit einem am 10. Juli 2009 eingegangenen Schriftsatz bei dem zuständigen Landgericht Aurich Berufung eingelegt. Sie hat die zweite Berufung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verbunden und dazu vorgetragen, ihre Prozessbevollmächtigten hät- ten von der abweichenden Regelung der Berufungszuständigkeit in den Wohnungseigentumssachen für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg nichts gewusst und auch nichts wissen müssen. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
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- 1. Sie ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO von Gesetzes wegen statthaft. Zulässig ist sie aber nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall.
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- 2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), und zwar auch nicht deshalb (dazu: Senat, BGHZ 151, 221, 227; Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; Beschl. v. 13. Mai 2004, V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217), weil die Anforderungen , die das Berufungsgericht stellt, überzogen wären und der Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwerten (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533; Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
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- a) Die Beklagte hat die Berufungsfrist versäumt, weil ihre Prozessbevollmächtigten die Berufungsschrift am Abend des letzten Tags der Frist und damit zu einem Zeitpunkt bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg eingereicht haben, zu dem mit einer fristgerechten Weiterleitung an das zuständige Landgericht Aurich im normalen Geschäftsgang (zu diesem Erfordernis: BGH, Beschl. v. 27. Juli 2000, III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731) nicht mehr zu rechnen war. Die Zulässigkeit der Berufung hing deshalb entscheidend davon ab, ob die Berufungsfrist durch fristgerechte Einreichung bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg gewahrt werden konnte und verneinendenfalls, ob der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren war. Beides hat das Berufungsgericht verneint.
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- b) Das entspricht in der Sache der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist und auch die Anforderungen an die Einlegung von Rechtsmitteln nicht überspannt.
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- aa) Die Entscheidung des Berufungsgerichts enthält zwar keine Darstellung des Sachverhalts, die sie allerdings, was der Rechtsbeschwerde zuzugeben ist, enthalten muss. Hier hindert das Fehlen einer Sachdarstellung aber eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde (nur deshalb) nicht, weil den Gründen der angefochtenen Entscheidung mit gerade noch ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass es sich um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit handelt und die Beklagte die Berufung innerhalb der Frist nicht bei dem nach § 2a nds. ZustVO-Justiz 1998 (jetzt: § 10 nds. ZustVO-Justiz 2009) zuständigen Landgericht Aurich eingereicht hat.
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- bb) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats nimmt das Berufungsgericht an, dass die Berufung der Beklagten fristwahrend nur durch rechtzeitige Einreichung der Berufungsschrift bei dem sachlich zuständigen Landgericht Aurich eingelegt werden konnte. Rechtsfehlerfrei hat das Beru- fungsgericht der Beklagten auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt. An der Einhaltung dieser Frist war die Beklagte nämlich nicht, wie es § 233 ZPO verlangt, ohne ihr Verschulden gehindert. Die Nichteinhaltung der Frist beruht vielmehr auf einem Versäumnis ihrer Prozessbevollmächtigten, das sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Beides hat der Senat in dem inhaltsgleichen Parallelverfahren V ZB 224/09 im Einzelnen erläutert; hierauf wird Bezug genommen.
III.
- 9
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Delmenhorst, Entscheidung vom 05.05.2009 - 5a C 6092/08 (VIII) -
LG Aurich, Entscheidung vom 27.10.2009 - 4 S 198/09 -
Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)