Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2019 - V ZB 16/19

bei uns veröffentlicht am19.09.2019
vorgehend
Amtsgericht Kiel, 22 K 50/15, 24.08.2017
Landgericht Kiel, 13 T 101/17, 07.01.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 16/19
vom
19. September 2019
in der Zwangsversteigerungssache
ECLI:DE:BGH:2019:190919BVZB16.19.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 7. Januar 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses des Amtsgerichts Kiel vom 24. August 2017 (Az. 22 K 50/15) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Schuldnerin ausgesetzt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 200.000 € für die anwaltliche Vertretung der Schuldnerin und 110.000 € für die anwaltliche Vertretung des Beteiligten zu 5.

Gründe:


I.


1
Die Beteiligten zu 2 und 3 (Gläubiger) betreiben seit 2015 die Zwangsversteigerung des eingangs genannten Grundstücks der Beteiligten zu 1 (Schuldnerin), dessen Wert auf 200.000 € festgesetzt worden ist. Das Vollstreckungsgericht hat nach dem Versteigerungstermin vom 13. Juni 2017 dem Beteiligten zu 5 (Ersteher) auf dessen Meistgebot von 110.000 € am 24. August 2017 den Zuschlag erteilt. Dagegen hat die Schuldnerin sofortigeBeschwerde eingelegt und diese mit einer bestehenden Suizidgefahr begründet. Das Landgericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt, die Entscheidung über die Beschwerde zunächst bis Mitte April 2018 zurückgestellt und eine Nachbegutachtung angeordnet. Mit Beschluss vom 7. Januar 2019 hat es die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser will die Schuldnerin die Versagung des Zuschlags und die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens erreichen. Der Ersteher beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


2
Das Beschwerdegericht meint, aufgrund der Nachbegutachtung sowie einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme und mündlichen Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen sei dem Suizideinwand nicht das für die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und die Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens notwendige Gewicht beizumessen. Die Schuldnerin habe während des Beschwerdeverfahrens therapeutische Hilfe erhalten, so dass sie Interventions - und Hilfemöglichkeiten selbst formulieren könne und ein Suizid e- her unwahrscheinlich sei. Zudem erhalte sie eine antidepressive medikamentöse Behandlung. Aufgrund der Gesamtheit der Äußerungen der Schuldnerin gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen sei die Suizidalität nicht eindeutig zu beantworten. Die apodiktische und stringente Erklärung, sich „dann“ das Le- ben nehmen zu wollen, sei erstmals im Anhörungstermin vor Gericht am 31. August 2018 erfolgt. In diesem Termin könne es zu einer angstvoll besetzten Aktualisierung mit vegetativen Reaktionen gekommen sein. Insgesamt bestehe für den Fall der Bestätigung des Zuschlagsbeschlusses keine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Suizids. Es sei allenfalls von einer geringen Suizidgefahr auszugehen, der nötigenfalls durch das bestehende „Setting“ aus Anbindung an den Therapeuten und medikamentöser Behandlung im Falle einer erneuten konkreten Aktualisierung begegnet werden könne. Hiernach falle die Abwägung zugunsten der Gläubigerinteressen und damit für eine Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens aus.

III.


3
Die nach § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen die Zurückweisung ihrer Zuschlagsbeschwerde ist begründet.
4
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG ist stattzugeben, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners nach § 765a ZPO der Zuschlag wegen einer bereits mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen oder wenn die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners während des Beschwerdeverfahrens zu Tage getreten ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 16. März 2017 - V ZB 150/16, NZM 2017, 454 Rn. 5 mwN; Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 6 mwN; Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, WM 2006, 813, 815 f.). Dasbedeutet jedoch nicht, dass die Zwangsversteigerung ohne Weiteres einstweilen einzustellen oder aufzuheben wäre, wenn die Fortführung des Verfahrens mit einer konkreten Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist (Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 11 f.; BGH, Beschluss vom 4. Mai 2005 - I ZB 10/05, BGHZ 163, 66, 73). Vielmehr ist zur Wahrung der ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen des Vollstreckungsgläubigers und des Erstehers (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 6) zu prüfen, ob der Lebens- oder Gesundheitsgefährdung auch anders als durch eine Einstellung oder Aufhebung der Zwangsversteigerung wirksam begegnet werden kann (Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 319/10, NZM 2011, 789 Rn. 9; Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 29).
5
2. Die Annahme, einer Suizidgefahr könne anders als durch Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens begegnet werden, setzt allerdings voraus , dass das Gericht die Geeignetheit der in Betracht gezogenen Maßnahmen sorgfältig geprüft und deren Vornahme sichergestellt hat (vgl. BVerfG, NZM 2019, 793 Rn. 33; NJW 2019, 2012 Rn. 19; WM 2007, 2297, 2298). Jedenfalls an Letzterem fehlt es hier.
6
a) Das Beschwerdegericht geht zwar von einer nur „geringen Suizidgefahr“ aus. Es sieht diese aber weder als vorgespiegelt noch als so vage an, dass von einer Verwirklichung ernsthaft nicht auszugehen sei (vgl. hierzu Senat , Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 24). Denn es weist darauf hin, dass einer erneuten konkreten Aktualisierung der Suizidgefahr durch das bestehende „Setting“ aus Anbindung an den Therapeuten und medikamentöser Behandlung begegnet werden könne.
7
b) Konnte die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung der Schuldnerin nicht ausgeschlossen werden, musste das Beschwerdegericht - ungeachtet des ebenfalls schutzwürdigen Interesses der Gläubiger an der Fortsetzung des Verfahrens - dafür Sorge tragen, dass sich die mit der Fortsetzung des Verfahrens verbundene Lebens- oder Gesundheitsgefahr nicht realisierte (vgl. BVerfG, WM 2007, 2297, 2298). Dieser Verpflichtung war es nicht schon durch das beste- hende „Setting“ enthoben; denn es ist offen, ob dieses im Ernstfall funktioniert hätte. Ebenso wie der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte verfassungsrechtlich nur tragfähig ist, wenn das Vollstreckungsgericht dafür Sorge getragen hat, dass diese Stellen rechtzeitig tätig werden (vgl. BVerfG, NJW 2019, 2012 Rn. 20; Beschluss vom 5. November 2007 - 1 BvR 2246/07, juris Rn. 17 ff.; Beschluss vom 27. Juni 2005 - 1 BvR 224/05, juris Rn. 21 ff.), darf das Vollstreckungsgericht die Einstellung des Verfahrens im Hinblick auf die Möglichkeit ambulanter Maßnahmen zur Bewältigung der Suizidgefahr nur ablehnen, wenn es die Vornahme dieser Maßnahmen sicherstellt.
8
c) Dieser aus Art. 2 Abs. 2 GG folgenden Schutzpflicht ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Es hat weder festgestellt noch Sorge dafür getragen, dass die therapeutische und medikamentöse Behandlung der Schuldnerin im Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung über den Zuschlag gesichert ist. Das Beschwerdegericht durfte auch nicht darauf vertrauen, dass das „Setting“ bei einer akuten Krisensituationbesteht und wirksam wird. Denn es beruhte erkennbar auf der freiwilligen Mitwirkung der Schuldnerin und ihrer Einsicht , der Hilfe zu bedürfen. Bei einer Zuspitzung der Lage, wie sie das Beschwerdegericht nicht ausschließen konnte, ist der Suizidgefährdete aber typischerweise unfähig, Hilfe zu organisieren. Es ist daher erforderlich, dass die Durchführung ambulanter Maßnahmen, die das Vollstreckungsgericht für geeignet hält, der konkreten Suizidgefahr zu begegnen, auch und gerade dann sichergestellt ist, wenn der Suizidgefährdete die Konfliktsituation selbst nicht mehr angemessen bewältigen kann.

IV.


9
1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das Beschwerdegericht wird neue Feststellungen zu der aktuellen Situation der Schuldnerin zu treffen haben. Sollte diese unverändert geblieben sein, darf das Beschwerdegericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nur dann ablehnen, wenn es sicherstellt, dass das „Setting“ aus ambulanter und therapeutischer Behandlung besteht und funktioniert.
10
2. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist dessen Vollziehung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO auszusetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2017 - V ZB 150/16, NZM 2017, 454 Rn. 16; Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 20; Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 48/10, NJW-RR 2011, 1452 Rn. 17).
11
3. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 26 Nr. 2 und Nr. 3 RVG. Gerichtskosten sind im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angefallen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Kiel, Entscheidung vom 24.08.2017 - 22 K 50/15 -
LG Kiel, Entscheidung vom 07.01.2019 - 13 T 101/17 -

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Auf die Beschwerde gegen die Entscheidung über den Zuschlag finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Beschwerde nur insoweit Anwendung, als nicht in den §§ 97 bis 104 ein anderes vorgeschrieben ist.

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Tenor Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 5. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

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Auf die Beschwerde gegen die Entscheidung über den Zuschlag finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Beschwerde nur insoweit Anwendung, als nicht in den §§ 97 bis 104 ein anderes vorgeschrieben ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

Der Zuschlag ist zu versagen:

1.
wenn die Vorschrift des § 43 Abs. 2 oder eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen verletzt ist;
2.
wenn bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke das Einzelausgebot oder das Gesamtausgebot den Vorschriften des § 63 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 zuwider unterblieben ist;
3.
wenn in den Fällen des § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder das Recht eines gleich- oder nachstehenden Beteiligten, der dem Gläubiger vorgeht, durch das Gesamtergebnis der Einzelausgebote nicht gedeckt werden;
4.
wenn die nach der Aufforderung zur Abgabe von Geboten erfolgte Anmeldung oder Glaubhaftmachung eines Rechts ohne Beachtung der Vorschrift des § 66 Abs. 2 zurückgewiesen ist;
5.
wenn der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens das Recht eines Beteiligten entgegensteht;
6.
wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist;
7.
wenn eine der Vorschriften des § 43 Abs. 1 oder des § 73 Abs. 1 verletzt ist;
8.
wenn die nach § 68 Abs. 2 und 3 verlangte Sicherheitsleistung nicht bis zur Entscheidung über den Zuschlag geleistet worden ist.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

5
1. Einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss ist nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrages des Schuldners nach § 765a ZPO bereits der Zuschlag wegen einer mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - V ZB 138/15, MDR 2017, 238 Rn. 8; Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 5; Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 6 mwN). Den Feststellungen des Beschwerdegerichts zufolge ist der Schuldner aufgrund einer psychischen Erkrankung ernsthaft suizidgefährdet , und zwar schon durch den mit dem Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bewirkten Eigentumsverlust als solchen; hiervon ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 5. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt

294.000 € für die Gerichtskosten,

147.635,53 € für die Vertretung der Beteiligten zu 1,

13.087,28 € für die Vertretung der Beteiligten zu 2,

42.948,52 € für die Vertretung der Beteiligten zu 3,

100.000 € für die Vertretung der Beteiligten zu 4 und

396.000 € für die Vertretung des Beteiligten zu 5.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerinnen betreiben die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des eingangs genannten Grundstücks des Schuldners. Die in dem Zwangsverwaltungsverfahren eingeleitete Räumungsvollstreckung stellte das Vollstreckungsgericht im Jahr 2012 bis zum 31. Dezember 2012 aufgrund einer Suizidgefährdung des Schuldners einstweilen ein und lehnte einen weiteren Räumungsschutzantrag ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Schuldners hatte Erfolg; das Landgericht stellte am 26. September 2013 die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsbeschluss erneut bis zum 26. März 2014 ein, um dem Vollstreckungsgericht die Gelegenheit zu geben, ein Betreuungsverfahren einzuleiten. Das Betreuungsgericht richtete eine Betreuung jedoch nicht ein, weil der Schuldner dies in freier Willensbestimmung ablehne.

2

Am 14. Januar 2014 hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag auf das Meistgebot in Höhe von 294.000 € erteilt. Auf die Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben, den Zuschlag versagt und die Zwangsversteigerung bis zum 5. Mai 2015 einstweilen eingestellt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wollen die Gläubigerinnen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts wiederherstellen lassen.

II.

3

Das Beschwerdegericht geht sachverständig beraten davon aus, dass die eintretende Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bei dem Schuldner eine depressive Krise sicher hervorrufen werde; infolgedessen sei eine akute Suizidalität zu befürchten. Wirksame therapeutische Maßnahmen seien nicht erkennbar. Aufgrund der langjährigen narzisstischen Kränkungen könne die Suizidgefährdung allenfalls durch eine langjährige Psychotherapie wirksam abgewendet werden; dies scheitere aber daran, dass der Schuldner zu einer Mitwirkung nicht bereit und eine Therapie gegen seinen Willen nicht erfolgversprechend sei. Die Einschaltung der Ordnungsbehörde könne den Suizid nicht verhindern. Denn vor Zustellung des Beschlusses sei der Schuldner nicht akut suizidgefährdet. Dass die Ordnungsbehörde den Schuldner gleichzeitig mit der Zustellung des Zuschlagsbeschlusses aufsuche, sei mit erheblichen organisatorischen Unsicherheiten behaftet und berge die Gefahr, dass die Maßnahmen zu spät kämen.

4

Letztlich könne eine Unterbringung die Suizidgefahr auch nicht beseitigen. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass eine Unterbringung von mehr als sechs Wochen äußerst unwahrscheinlich sei, da der Schuldner auf seine Entlassung drängen werde. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Betroffene im Anschluss an die Unterbringung dazu befähigt sei, ein Leben in Freiheit ohne Suizidgefahr zu führen. Zwar könne die Unterbringung nur beendet werden, wenn die behandelnden Ärzte eine krankheitsbedingte Suizidgefährdung verneinten. Es bestehe aber weiterhin die Gefahr eines - nicht krankheitsbedingten - "Bilanzselbstmords". Nachdem die Einrichtung einer Betreuung bereits abgelehnt worden sei, sei der Zuschlag zu versagen und das Zwangsversteigerungsverfahren zunächst für ein Jahr einzustellen. Nach Ablauf dieses Jahres werde erneut zu überprüfen sein, inwieweit der Lebensschutz des Schuldners gegenüber den Gläubigerinteressen abzuwägen sei. Eine kürzere Einstellung komme nicht in Betracht, weil auch der gerichtliche Sachverständige eine gewisse Hilflosigkeit einräume und letztlich keine Veränderung erwarte, da der Schuldner keinerlei Krankheitsgefühl habe und Zeichen einer spontanen Änderung seiner Grundeinstellung nicht erkennen lasse.

III.

5

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben ist, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners nach § 765a ZPO bereits der Zuschlag wegen einer mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 17. August 2011 - V ZB 128/11, NZM 2011, 786 Rn. 13; vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 16 jeweils mwN). Den nicht angegriffenen Feststellungen zufolge ist der Schuldner aufgrund einer depressiven Anpassungsstörung ernsthaft suizidgefährdet, und zwar durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses als solchen. Diese Überzeugung stützt das Beschwerdegericht sowohl auf das in diesem Verfahren eingeholte amtsärztliche Sachverständigengutachten als auch auf das in dem Betreuungsverfahren erstellte Gutachten. Beide Gutachter sehen eine akute und ernsthafte Suizidgefahr, wenn der Eigentumsverlust in letzter Instanz bestätigt wird. Damit hat das Beschwerdegericht - wie es die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgibt - eine mit Tatsachen untermauerte Prognoseentscheidung getroffen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2014, 584 Rn. 13; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162 Rn. 11; vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 23; vom 30. September 2010 - V ZB 199/09, ZfIR 2011, 29 Rn. 7 und 11; s. auch Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 849, 851 f., jeweils mwN).

7

2. Allerdings ist der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen, wenn eine solche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Erforderlich ist vielmehr, das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - V ZB 67/07, NJW 2008, 586 Rn. 8). Mit Blick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 319/10, NJW 2011, 2807 Rn. 8 mwN).

8

a) Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen sowie die betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB). Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus. Der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte ist verfassungsrechtlich allerdings nur tragfähig, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Lebens des Schuldners getroffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösenden Moment (Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses oder Räumung) nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben (BVerfG, NZM 2014, 701 Rn. 12; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162 Rn. 12; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 849, 852 ff., jeweils mwN; zum Umgang mit einer "Blockadesituation" zwischen Vollstreckungs- und Betreuungsgericht im Beschwerdeverfahren Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 11 ff.). Hat die Ordnungsbehörde Maßnahmen ergriffen, kann das Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass diese ausreichen; flankierende Maßnahmen hat es nur zu erwägen, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die von der Behörde ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, oder wenn sich konkrete neue Gesichtspunkte ergeben, die die Lage entscheidend verändern (Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 319/10, NJW 2011, 2807 Rn. 9 ff.).

9

b) Steht indessen fest, dass derartige Maßnahmen nicht geeignet sind, der mit der Fortsetzung des Verfahrens für den Schuldner verbundenen Gefahr einer Selbsttötung wirksam zu begegnen, oder führte die Anordnung der Unterbringung aller Voraussicht nach zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer, so ist das Verfahren einzustellen. Dabei verbietet das Interesse des Gläubigers an der Fortsetzung des Verfahrens eine dauerhafte Einstellung, weil die staatliche Aufgabe, das Leben des Schuldners zu schützen, nicht auf unbegrenzte Zeit durch ein Vollstreckungsverbot gelöst werden kann (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719 Rn. 15). Die Einstellung ist zu befristen und mit Auflagen zu versehen, die das Ziel haben, die Gesundheit des Schuldners wiederherzustellen. Das gilt auch dann, wenn die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustands des Schuldners gering sind. Diesem ist es im Interesse des Gläubigers nämlich zuzumuten, auf die Verbesserung seines Gesundheitszustands hin zu arbeiten und den Stand seiner Behandlung regelmäßig nachzuweisen (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - V ZB 67/07, NJW 2008, 586 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 24 ff., und vom 14. Januar 2010 - I ZB 34/09, WuM 2010, 250 Rn. 11). Nur in absoluten Ausnahmefällen kann die Einstellung des Verfahrens unbefristet (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG, NJW 1998, 295, 296; NZM 2005, 657, 659; NZM 2014, 701 Rn. 11) oder ohne derartige Auflagen erfolgen.

10

c) Einen solchen Ausnahmefall, in dem eine befristete Einstellung ohne Auflagen erfolgen kann, nimmt das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei an.

11

aa) Eine betreuungsrechtliche Unterbringung scheidet derzeit aus. Das sachverständig beratene Betreuungsgericht hat eine Betreuung nicht eingerichtet, weil der Schuldner dies ablehnt und auch in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB; dazu BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZR 577/13, NJW-RR 2014, 770 Rn. 10 ff. mwN).

12

bb) Nicht zu beanstanden ist auch seine weitere Annahme, wonach eine zeitweilige Unterbringung des Schuldners an der Suizidgefahr nichts ändern wird. Dem Sachverständigengutachten zufolge kann allenfalls eine langjährige Psychotherapie zum Erfolg führen, die aber eine - nicht vorhandene - Einsicht des Schuldners voraussetzt. Der mit einer dauerhaften Unterbringung verbundene Eingriff in die von Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Freiheit des Schuldners würde durch das Vollstreckungsinteresse der Gläubigerin nicht gerechtfertigt. Ohnehin geht das Beschwerdegericht unter Bezug auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 7. April 2014 davon aus, dass mit einer Unterbringungsdauer von höchstens sechs Wochen zu rechnen sei, weil sich der Schuldner der Maßnahme widersetzen werde. Dies ist nachvollziehbar, weil die Unterbringung nach dem einschlägigen Landesgesetz unter anderem voraussetzt, dass der Schuldner infolge seines Geisteszustands eine Gefahr für sich selbst darstellt (vgl. §§ 1, 10 hessisches FrhEntzG), also an einer psychischen Erkrankung leidet; im Sinne des Unterbringungsrechts darf einer Persönlichkeitsstörung erst ab einem erheblichen Schweregrad Krankheitswert beigemessen werden (BVerfGE 58, 208, 224 ff.; 66, 191, 195 f.). Diese Voraussetzung verneint das Beschwerdegericht im Anschluss an das Gutachten. Gleichwohl sieht es nach dem Ende der Unterbringung weiter die ernsthafte Gefahr eines - nicht krankheitsbedingten - "Bilanzselbstmords" als gegeben an; insoweit deckt sich seine Einschätzung mit der des Gutachters, der hieraus lediglich andere rechtliche Schlussfolgerungen zieht und eine spätere Selbsttötung als Ausdruck freier Willensbestimmung einordnet. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass auch eine nicht krankheitsbedingte Suizidgefährdung Anlass für die Einstellung des Verfahrens geben kann (BVerfG, NJW-RR 2001, 1523, 1524; Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, NZM 2011, 166 Rn. 9).

13

cc) Damit aber verbleibt im Ergebnis nur der von dem Beschwerdegericht beschrittene Weg, die Zwangsvollstreckung auf Zeit einzustellen, um nach Ablauf dieser Zeit zu überprüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen der Vollstreckung Fortgang gegeben werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 24 ff.). Dem Schuldner aufzugeben, fortwährend an der Verbesserung seiner seelischen Gesundheit zu arbeiten und dies laufend nachzuweisen, ist in dem vorliegenden Ausnahmefall nicht sinnvoll. Auflagen können nur dann gemacht werden, wenn eine Erfolgsaussicht - sei sie auch noch so gering - besteht. Daran fehlt es hier; denn der Schuldner selbst hat keine Krankheitseinsicht und beide Gutachter halten eine Therapie gegen seinen Willen nicht für angezeigt.

14

3. Infolgedessen ist der Zuschlag zu Recht versagt worden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. September 2008 - V ZB 22/08, NJW 2009, 80 Rn. 7; vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719 Rn. 7). Auch die Dauer der Einstellung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

IV.

15

1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Gläubigerinnen, die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht, da sich die Beteiligten bei einer Zuschlagsbeschwerde in der Regel, und so auch hier, nicht als Parteien im Sinne der §§ 91 ff. ZPO gegenüberstehen (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7).

16

2. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich für die Gerichtsgebühren nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 GKG und für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 26 Nr. 2 und Nr. 3 RVG.

Stresemann                          Schmidt-Räntsch                          Brückner

                     Weinland                                        Kazele

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 99/05
vom
24. November 2005
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners wegen der Zwangsversteigerung
seines Grundstücks kann zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und zur
einstweiligen Einstellung des Verfahrens auch dann führen, wenn sie sich erst nach
Verkündung des Zuschlagsbeschlusses aufgrund während des Beschwerdeverfahrens
zu Tage getretener neuer Umstände ergibt (Abgrenzung zu BGHZ 44, 138).
BGH, Beschl. v. 24. November 2005 - V ZB 99/05 - LG Landshut
AG Landshut
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. November 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. SchmidtRäntsch
, Zoll, Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldner wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 2. Mai 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 12.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung in das eingangs bezeichnete Grundstück der Schuldner. Diese haben unter Hinweis auf bestehende Suizidabsichten für den Fall der Zwangsversteigerung und unter Vorlage eines ärztlichen Gutachtens beantragt, das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 765a ZPO einstweilen, mindestens für einen Zeitraum von sechs Monaten einzustellen. Das Vollstreckungsgericht hat im Anschluss an den Versteigerungstermin , in dem Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag bestimmt wurde, ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Suizidgefährdung eingeholt. Sodann hat es in dem Verkündungstermin der Meistbietenden für 154.510 € den Zuschlag erteilt und den Antrag der Schuldner auf Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen zurückgewiesen. Hiergegen haben die Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat diese nach weiterer Beweiserhebung zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgen die Schuldner ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung weiter.

II.

2
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
3
1. Das Beschwerdegericht führt aus:
4
Für die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung sei anerkannt, dass bei der Beschwerdeentscheidung abweichend von § 570 ZPO neues tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigt werden könne. Aus § 100 ZVG ergebe sich, dass die einem Zuschlag entgegenstehenden Tatsachen, die zeitlich nach der Erteilung des Zuschlags eingetreten oder dem Versteigerungsgericht bekannt geworden seien, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssten. Dies gelte auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 765a ZPO im Rahmen der Zuschlagsentscheidung des Versteigerungsgerichts. Das Beschwerdegericht müsse sich folglich auf diejenigen Tatsachen beschränken, die bereits das Versteigerungsgericht bei der Erteilung des Zuschlags habe berücksichtigen können.
5
Das Versteigerungsgericht habe aufgrund der von ihm eingeholten psychiatrischen Gutachten von einer Besserung des psychischen Zustandes des Schuldners und dem Vorliegen einer nur noch leichten bis mittelschweren depressiven Störung ohne akute Suizidalität ausgehen dürfen und müssen. Der gerichtliche Sachverständige habe eine Verbesserung des psychischen Zustandes des Schuldners festgestellt, so dass die Ausführungen des behandelnden Arztes Professor Dr. Dr. S. in seinem früheren fachärztlichen Gutachten, bei dem Schuldner liege eine schwere reaktive Depression mit Suizidgefahr vor, als überholt habe erscheinen dürfen.
6
Demgegenüber sei die Feststellung in den von dem Beschwerdegericht eingeholten Gutachten, dass sich der psychische Zustand des Schuldners verschlechtert habe und nunmehr eine schwere depressive Anpassungsstörung vorliege, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei letztlicher Zuschlagserteilung eine akute Suizidalität erwarten lasse, eine neue Tatsache, die nicht mehr zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses führen könne. Aus diesen beiden Gutachten gehe deutlich hervor, dass der Zustand der schweren Depression erst einige Zeit nach dem Zuschlagsbeschluss eingetreten sei, was sich insbesondere aus den Äußerungen des Schuldners gegenüber der Diplompsychologin H. ergebe. Der mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses drohenden Kurzschlussreaktion durch den Schuldner könne folglich nicht mit den Mitteln des Zwangsversteigerungsrechtes, sondern nur mit den Mitteln des Bayerischen Unterbringungsgesetzes Rechnung getragen werden.
7
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
8
a) Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 4. Mai 2005 (I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, zur Veröffentlichung in BGHZ 163, 66 bestimmt) entschieden , nach welchen Maßstäben bei bestehender Suizidgefahr im Falle ei- ner Zwangsräumung über den Einstellungsantrag eines Schuldners nach § 765a ZPO zu befinden ist. Danach schließt eine für den Fall einer Zwangsräumung bestehende Suizidgefahr eine Räumungsvollstreckung nicht von vornherein vollständig aus. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte eine Würdigung aller Umstände vorzunehmen. Diese kann in besonders gelagerten Einzelfällen auch dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
9
Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Auch dieser kann sich auf Grundrechte berufen. Unterbleibt die Räumungsvollstreckung wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und sein verfassungsrechtlicher Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt.
10
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen. Nicht zuletzt ist aber auch der Gefährdete selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern. Einem Schuldner kann dementsprechend, wenn er dazu in der Lage ist, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern.
11
Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Maßstäben für eine Zwangsräumung in Fällen bestehender Suizidgefahr, die auch gelten, soweit es darum geht, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren wegen der bei endgültiger Zuschlagserteilung und Zwangsräumung des Grundstücks drohenden Gefahr der Selbsttötung des Schuldners einstweilen einzustellen ist (vgl. BVerfGE 52, 214; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1992, 1378; 1994, 1272; 1719; 1998, 295; 2004, 49; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657).
12
b) Den dargelegten Maßstäben wird der angefochtene Beschluss nicht in vollem Umfang gerecht.
13
aa) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Beschwerdegericht das Beweisergebnis tatrichterlich dahin würdigt, bei Erteilung des Zuschlags habe eine akute Gefahr der Selbsttötung nicht bestanden. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung lässt die Gesamtwürdigung der Vorinstanzen auch unter verfassungsrechtlichen Maßstäben keinen Rechtsfehler erkennen. Sie setzt sich nach sachverständiger Beratung ausführlich mit den für und gegen eine akute Suizidgefahr sprechenden Umständen auseinander und lässt insbesondere nicht außer Acht, dass der behandelnde Arzt in dem mit dem Einstellungsantrag vorgelegten Gutachten eine Suizidgefahr bejaht hat. Das Beschwerdegericht stützt sich für seine Würdigung maßgeblich auch auf die zeitliche Entwicklung des Befindens der Schuldner und hält im Hinblick darauf die Ausführungen in dem älteren Gutachten des behandelnden Arztes für überholt. Darin kann ein Rechtsfehler nicht gesehen werden.
14
Die in der Rechtsbeschwerdebegründung wieder aufgegriffene Beanstandung , der gerichtliche Sachverständige habe sich ausschließlich auf die „Hamilton-Depressions-Skala“ gestützt, hat das Beschwerdegericht nicht als durchgreifend angesehen. Das ist nicht zu beanstanden, nachdem der gerichtliche Sachverständige in seiner von dem Beschwerdegericht eingeholten ergänzenden Erklärung dazu ebenso Stellung genommen hatte wie zu der mit der Beschwerde eingereichten Äußerung des behandelnden Arztes, er halte die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Schwere der Erkrankung für unhaltbar.
15
Die Rechtsbeschwerde vermag deshalb auch nicht ausreichend darzulegen , dass ein weiteres Gutachten zwingend einzuholen war (§ 412 ZPO). In Anbetracht der noch im Beschwerdeverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen und ihrer Würdigung durch das Beschwerdegericht durfte es die Frage, ob im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung eine Selbsttötungsgefahr bestand , für ausreichend geklärt halten. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Darlegungen der Rechtsbeschwerde zum unterschiedlichen Untersuchungsumfang der Sachverständigen. Diese musste das Beschwerdegericht angesichts der von ihm angenommenen Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners nicht für wesentlich halten. Dass es den Vortrag der Schuldner zu diesem Gesichtspunkt nicht übersehen hat, ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung der angefochtenen Entscheidung.
16
bb) Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht aber, soweit es das Ergebnis der von ihm selbst veranlassten Zusatzgutachten der Diplompsychologin H. und des gerichtlichen Sachverständigen unbeachtet lassen will, sofern sich daraus ergibt, dass eine akute Selbsttötungsgefahr deshalb besteht, weil sich der Zustand des Schuldners nach der Zuschlagsentscheidung verschlechtert hat.
17
(1) Zwar kann die Zuschlagsbeschwerde, auch soweit der Zuschlagsbeschluss einen Antrag nach § 765a ZPO zurückweist, nicht auf neue Tatsachen gestützt werden (Senatsurt., BGHZ 44, 138, 143 f.). Der Senat hat dies seinerzeit wie folgt begründet: Nach § 100 ZVG kann die Zuschlagsbeschwerde nur auf bestimmte, vor der Erteilung des Zuschlags liegende Rechtsmängel gestützt werden. Daraus ergibt sich, dass die die Rechtsmängel begründenden Tatsachen , die zeitlich später liegen oder erst später dem Versteigerungsgericht bekannt geworden sind, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssen und deshalb bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde die Anwendung der Vorschrift des § 571 Abs. 2 ZPO (damals § 570 ZPO a.F.) ausgeschlossen ist. Diese strenge Regelung des Gesetzes hat ihren Grund darin, dass schon durch die Erteilung des Zuschlags, der mit der Verkündung wirksam ist (§ 89 ZVG), der Ersteher das Eigentum erworben hat (§ 90 Abs. 1 ZVG). Der Zuschlagsbeschluss kann zwar im Beschwerdeweg rechtskräftig wieder aufgehoben werden (§ 90 Abs. 1 ZVG). Die Rechtssicherheit erfordert es aber, dass dies nur in ganz bestimmten Fällen, nämlich nur in den in § 100 ZVG aufgeführten, geschieht, in denen dem Versteigerungsgericht ein wesentlicher Rechtsfehler unterlaufen ist.
18
Daran ist im Grundsatz festzuhalten. Ob es bei Grundrechtsbeeinträchtigungen generell einer abweichenden Betrachtung bedarf, weil es mit dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist, wenn der Zuschlagsbeschluss nicht in jeder Richtung auf seine Verfassungsmäßigkeit durch die Gerichte geprüft wird und der Betroffene mit späterem Vorbringen ausgeschlossen wird (vgl. die abweichende Meinung des Richters Dr. Böhmer zur Begründung des Beschlusses BVerfGE 49, 220 ff., S. 240 ff.; anders BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1993, 2 BvR 1171/92, dokumentiert bei JURIS), kann hier dahin stehen. Jedenfalls ist dem Bedeutungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 GG bei der Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung zu tragen. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1994, 1719 f.; 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658).
19
(2) Nach diesem Maßstab darf eine im Zuschlagsbeschwerdeverfahren vorgetragene oder sogar schon durch Gutachten als bewiesen anzusehende Suizidgefahr jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht unter Hinweis auf die dargestellten Grundsätze des Senatsurteils (BGHZ 44, 138) außer Betracht gelassen werden, sofern der Eigentumsverlust durch den Zuschlag der für die Suizidgefahr maßgebliche Grund ist.
20
Gemäß § 100 Abs. 1, Abs. 3 ZVG besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigender Versagensgrund unter anderem dann, wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist (§ 83 Nr. 6 ZVG). Eine Gefährdung des unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG stehenden Lebens des Schuldners ist ein solcher Grund. Unerheblich ist dabei, ob die Suizidgefahr nur bei einem von mehreren Schuldnern besteht, wenn - wie hier - die Zwangsversteigerung nur insgesamt durchgeführt werden kann und der gefährdete Schuldner von einer späteren Zwangsräumung jedenfalls mit betroffen wird.
21
Fälle der vorliegenden Art sind vielfach dadurch geprägt, dass bei entsprechender Veranlagung des Schuldners eine Suizidneigung in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten mehr oder weniger stark ausgeprägt ist. Der Streitfall macht deutlich, dass es sich um ein dynamisches Geschehen handelt, bei dem der Grad der Gefahr je nach dem Untersuchungs- und Beurteilungszeit- punkt von den Fachärzten unterschiedlich bewertet wird. Dabei mag es sein, dass - wie es das Beschwerdegericht im Streitfall annimmt - eine bereits bestehende Neigung des Schuldners zur Selbsttötung erst nach Erteilung des Zuschlags durch weitere Ereignisse verstärkt wird. Stellt man sich auf den Standpunkt des Beschwerdegerichts, wird es vielfach vom Zufall, nämlich der von zeitlich begrenzten Umständen geprägten Einschätzung der Sachverständigen und Gerichte abhängen, ob der Schuldner durch eine staatliche Entscheidung in Todesgefahr gebracht wird oder nicht.
22
(3) Bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art ist danach vorrangig festzustellen , aus welchem Grund die Absicht zur Selbsttötung besteht.
23
Liegt der Grund lediglich darin, dass der gefährdete Schuldner die nach dem Zuschlag drohende Zwangsräumung, also den Verlust seines bisherigen Lebensmittelpunktes fürchtet, reicht es aus, dass der Suizidgefahr durch einen Antrag auf einstweilige Einstellung der dem Versteigerungsverfahren folgenden Räumungsvollstreckung begegnet werden kann. In diesem Fall dürfen erst im Verfahren der Zuschlagsbeschwerde zu Tage getretene neue Umstände unberücksichtigt bleiben und müssen nicht zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses führen. Allerdings ist stets zu prüfen, ob es sich bei der im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bestehenden Suizidgefahr überhaupt um einen neuen Sachverhalt handelt, wobei ein enger Maßstab anzulegen ist. Bei einem dynamischen Geschehen wird vielfach davon auszugehen sein, dass die Einschätzung des Vollstreckungsgerichts bei der Zuschlagserteilung, es liege keine akute Suizidgefahr vor, bei objektiver, durch die neue Begutachtung gestützter Betrachtung als unrichtig anzusehen ist.
24
Besteht indes die Suizidgefahr schon deshalb, weil der Schuldner den Eigentumsverlust durch Zuschlagserteilung befürchtet, oder ist dies zumindest nicht auszuschließen, ist der Zuschlagsbeschluss nötigenfalls aufzuheben. Bei dieser Sachlage ist es, selbst dann, wenn die Suizidgefahr als neuer Umstand, den das Vollstreckungsgericht so noch nicht hat wahrnehmen können, zu bewerten sein sollte, in keinem Fall gerechtfertigt, dass das Vollstreckungsgericht (bei der Entscheidung über die Abhilfe) oder das Beschwerdegericht vor der nunmehr akut bestehenden Gefahr die Augen verschließt und unter Berufung auf die formale Verfahrensgestaltung sehenden Auges eine Entscheidung bestehen lässt, die mit einiger Wahrscheinlichkeit Ursache für den Tod des Schuldners sein kann in der Hoffnung, dass sich die Gefahr anders (etwa nach den bestehenden Unterbringungsgesetzen) wird abwenden lassen. Eine derartige Verfahrensgestaltung wird dem Wert des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht gerecht. Der für die Rechtsprechung des Senats entscheidende Gesichtspunkt der Rechtssicherheit steht dem ebenso wenig entgegen wie das Grundrecht des Gläubigers oder Erstehers aus Art. 14 GG. § 100 ZVG beschränkt zwar die in Betracht kommenden Zuschlagsversagungsgründe, zeigt aber zugleich, dass Gläubiger und Ersteher nicht davon ausgehen können, der erteilte Zuschlag werde unter allen Umständen Bestand haben.

III.

25
Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Das Beschwerdegericht wird über die sofortige Beschwerde und den Einstellungsantrag nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen erneut zu befinden haben.
Krüger Klein Schmidt-Räntsch Zoll Roth
Vorinstanzen:
AG Landshut, Entscheidung vom 17.01.2005 - 23 K 269/02 -
LG Landshut, Entscheidung vom 02.05.2005 - 32 T 287/05 -
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(2) Vor diesem Hintergrund ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Hierzu gehören zum einen zumutbare Anstrengungen des Suizidgefährdeten selbst (vgl. etwa BVerfG NJW 1992, 1155; 1993, 463, 464; 2004, 49 f.), etwa die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, ggf. auch unter Einbeziehung eines stationären Klinikaufenthaltes. Darüber hinaus kommen als mögliche Maßnahmen auch die Ingewahrsamnahme des Gefährdeten insbesondere nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den landesrechtlichen Vorschriften in Betracht (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005, I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, 1860). Da die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Vollstreckung gelöst werden kann, sind die Vollstreckungsorgane ggf. gehalten, bei den zuständigen Behörden eine Unterbringung des Schuldners oder bei dem Vormundschaftsgericht eine Betreuung anzuregen und dabei darauf hinzuweisen, dass die Vollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für notwendig erachten. Wird danach eine Unterbringung zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für erforderlich gehalten und wird diese Entscheidung bestandskräftig, so liegt darin eine Entscheidung der für die Frage der Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung primär zuständigen Stelle, die es im Regelfall gestattet, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen (Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721). Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts liegt ein solcher Regelfall hier nicht vor.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 10/05
vom
4. Mai 2005
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Besteht im Fall einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des
Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765a ZPO
in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu berücksichtigen.

b) Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für
Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden
ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres
einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der
- in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen
mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Es ist deshalb auch dann,
wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen
Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf
andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet
werden kann. Auch der Gefährdete selbst ist gehalten, das ihm Zumutbare
zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen
, zu verringern.
BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005 - I ZB 10/05 - LG Dortmund
AG Lünen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2005 durch die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Bergmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners werden die Beschlüsse der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 7. und 13. Dezember 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf bis zu 10.000 € festgesetzt.

Gründe:


A. Die Gläubigerin, die Sparkasse L. , betreibt bisher vergeblich die Zwangsräumung des Hausgrundstücks des Schuldners aus dem rechtskräftigen Zuschlagsbeschluß des Amtsgerichts vom 11. Oktober 2002.
Der erste Termin zur Räumung wurde auf den 23. Juni 2003 bestimmt. Daraufhin hat der Schuldner unter Vorlage eines fachärztlichen Attests bean-
tragt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Bei dem im Haus mitlebenden Vater des Schuldners bestehe eine akute Belastungsstörung. Eine Zwangsräumung bedeute für diesen eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung. Das Amtsgericht hat diesen Antrag durch Beschluß vom 13. Juni 2003 zurückgewiesen, die Durchführung der Zwangsräumung aber von der Auflage abhängig gemacht, daß dabei ein Beamter des Gesundheitsamts - Ordnungsamts - der Stadt und ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie anwesend seien , die vor Beginn der Zwangsräumung die Versorgung des Vaters des Schuldners übernähmen. Falls diese Voraussetzungen am 23. Juni 2003 nicht gegeben sein sollten, werde die Zwangsvollstreckung einstweilen für die Dauer von drei Monaten eingestellt. Für diesen Fall wurde dem Vater des Schuldners aufgegeben , sich mit dem Gesundheitsamt des Landkreises wegen einer amtsärztlichen Untersuchung in Verbindung zu setzen.
Auf sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht durch Beschluß vom 18. Juni 2003 die Räumungsvollstreckung bis zum 13. September 2003 eingestellt. Aufgrund des vorgelegten Attests, ergänzender Äußerungen des behandelnden Arztes und des Ergebnisses durchgeführter Ermittlungen könne auch durch Auflagen das Restrisiko nicht sicher ausgeschlossen werden, daß der Vater des Schuldners im Fall der Zwangsräumung Selbstmord begehe. Durch die Einstellung der Zwangsvollstreckung solle dem Vater des Schuldners Gelegenheit gegeben werden, sich in stationäre Behandlung zu begeben, um der Suizidgefahr entgegenzuwirken.
Nach Festsetzung eines neuen Räumungstermins auf den 1. Juli 2004 beantragte der Schuldner erneut, die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluß einstweilen einzustellen, weil sein Vater selbstmordgefährdet sei. Dazu wurden zwei Atteste des behandelnden Facharztes vorgelegt. Das Amtsgericht hat diesen Antrag durch Beschluß vom 15. Juni 2004 zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Vater des Schuldners habe schuldhaft seine Pflicht, durch Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung an seiner Gesundung mitzuwirken, verletzt. Zudem habe er, wie aus einem der vorgelegten Atteste hervorgehe, die Möglichkeit, sich am 22. Juni 2004 in eine stationäre Behandlung zu begeben. Bei Wahrnehmung dieses Termins bestehe für ihn bei einer Zwangsräumung keine Gesundheitsgefahr.
Auf sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht die Räumungsvollstreckung durch Beschluß vom 29. Juni 2004 wiederum - nunmehr bis zum 1. September 2004 - einstweilen eingestellt. Es könne zur Zeit nicht ausgeschlossen werden, daß die Räumung für den Schuldner eine unzumutbare Härte sei. Auch unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen sei es gerechtfertigt , die Räumungsvollstreckung vorläufig einzustellen, bis abschließend geklärt sei, ob tatsächlich eine Suizidgefahr bestehe und wie hoch das Risiko einzuschätzen sei. Die vorgelegten Atteste belegten lediglich, daß beim Vater des Schuldners eine akute Belastungsstörung gegeben sei und er sich unter der Extrembelastung einer drohenden Zwangsräumung in einem psychischen Ausnahmezustand befinde. Der behandelnde Arzt sehe aber für den Fall einer Zwangsräumung eine Selbstgefährdung des Vaters des Schuldners. Dem Schuldner wurde Gelegenheit gegeben, zur Klärung der Frage, ob bei einer Zwangsräumung tatsächlich eine Suizidgefahr bestehe und wie diese auszuschließen sei, eine amtsärztliche Stellungnahme nachzureichen. Da dies unterblieb , hat das Landgericht durch Beschluß vom 1. September 2004 die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen.
Nachdem der Räumungstermin auf den 13. Dezember 2004 angesetzt worden war, hat der Schuldner mit Schriftsatz vom 22. November 2004 wieder beantragt, die Räumungsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluß einstweilen einzustellen. Zur Begründung hat er (nach Aufforderung durch das Amtsgericht)
ein amtsärztliches Attest vom 30. November 2004 eingereicht. In diesem wird dargelegt, der Vater des Schuldners leide an einer akuten Erkrankung aus dem nervenärztlichen Stoffgebiet. Bei geringster psychischer Belastung bestehe die Gefahr einer Dekompensation mit möglichen fatalen Folgen. Es sollte eine psychiatrische ambulante und stationäre Therapie sowie eine medikamentöse Einstellung abgewartet werden, um eine eventuelle gesundheitliche Stabilisierung zu erreichen.
Das Amtsgericht hat aufgrund dieses Attests die Suizidgefahr als hinreichend belegt angesehen und durch Beschluß vom 2. Dezember 2004 die Zwangsvollstreckung bis zum 31. März 2005 eingestellt. Um der Suizidgefahr entgegenzuwirken, habe der Schuldner jedoch mit Nachdruck dafür zu sorgen, daß sich sein Vater unverzüglich in eine stationäre psychiatrische Therapie begebe , wo er medikamentös eingestellt werde. Sollte er hierzu nicht willens oder nicht in der Lage sein, müsse er mit der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung rechnen. Sollte sich der Vater des Schuldners weiterhin einer Therapie entziehen , müsse er mit ordnungsbehördlichen Maßnahmen rechnen. Dem Schuldner werde weiterhin zur Auflage gemacht, sich unverzüglich nach einer anderen Wohnung umzusehen.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht diesen Beschluß am 7. Dezember 2004 abgeändert und den Antrag des Schuldners vom 22. November 2004 zurückgewiesen. Die bereits an demselben Tag eingegangene sofortige Beschwerde des Schuldners, mit der er eine Einstellung der Zwangsvollstreckung mindestens bis zum 31. Mai 2005 begehrt hat, hat das Landgericht durch Beschluß vom 13. Dezember 2004 zurückgewiesen.
Gegen den Beschluß des Landgerichts vom 7. Dezember 2004 hat der Schuldner die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Gläubigerin hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine weitere Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO lägen nicht vor. Dabei werde nicht verkannt, daß das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen sei, wenn bei Durchführung einer Räumung schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit und das Leben drohten. Da der Schuldner nunmehr auch ein amtsärztliches Attest vorgelegt habe, dem zu entnehmen sei, daß sein Vater bei einer Zwangsräumung suizidgefährdet sei, seien die drohenden gesundheitlichen Gefahren hinreichend belegt.
Von einem Betroffenen könne aber jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Krankheitsrisikos verlangt werden. Der Vater des Schuldners habe die ihm danach obliegende Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt, weil er sich trotz mehrfacher Ankündigung nicht in stationäre Behandlung begeben habe. Bereits in den vorangegangenen Verfahren sei dem Vater des Schuldners Gelegenheit gegeben worden, seinen Gesundheitszustand durch eine stationäre psychiatrische Behandlung zu verbessern. Nach der vorgelegten amtsärztlichen Stellungnahme vom 30. November 2004, in der eine stationäre Behandlung empfohlen werde, könne eine Therapie nicht als von vornherein aussichtslos angesehen werden.
Werde durch ein solches schuldhaftes Verhalten ein Zustand der Suizidgefahr aufrechterhalten, der einer Räumung des Grundstücks über einen langen Zeitraum entgegenstehen würde, seien der Schuldner und seine Angehörigen nicht mehr schutzwürdig. Auch bei besonders sorgfältiger Abwägung der Grundrechte der Beteiligten könne in einem solchen Fall nicht mehr davon ausgegangen werden, daß die Räumung eine besondere Härte darstelle, die gegen die guten Sitten verstoße. Bei einem solchen Fehlverhalten sei den Gläubigerinteressen wieder Vorrang einzuräumen.
II. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner auch das Begehren seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 2. Dezember 2004 weiter, die Zwangsvollstreckung mindestens bis zum 31. Mai 2005 einzustellen. Das Landgericht hat mit seinem Beschluß vom 7. Dezember 2004 der Sache nach auch über dieses Begehren des Schuldners entschieden. Aufgrund der Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen diesen Beschluß ist deshalb auch dieses Begehren Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens geworden.
III. Die uneingeschränkte Zurückweisung des Antrags des Schuldners, die Zwangsvollstreckung gemäß § 765a ZPO einstweilen einzustellen, hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand.
1. Die Vorschrift des § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstrekkungsmaßnahmen , die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall die Zwangsvollstrekkungsmaßnahme nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (vgl. BGHZ 44, 138, 143; BGH, Beschl. v. 25.6.2004 - IXa ZB 267/03, NJW 2004, 3635, 3636; Beschl. v. 21.12.2004
- IXa ZB 228/03, WM 2005, 288, 289, für BGHZ vorgesehen; Stein/Jonas/ Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765a Rdn. 5 f.; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 765a Rdn. 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 765a Rdn. 5 ff.; Schuschke /Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Bd. I, 3. Aufl., § 765a Rdn. 8 ff.; vgl. auch MünchKomm.ZPO/Heßler, 2. Aufl., § 765a Rdn. 7, 42).
2. Der Ansicht der Rechtsbeschwerde, daß die für den Vater des Schuldners bestehende Suizidgefahr eine Räumungsvollstreckung vollständig ausschließt , kann auch auf der Grundlage des im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellenden Sachverhalts nicht zugestimmt werden.

a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstrekkungsgerichte , bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Ergibt die erforderliche Abwägung, daß die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden , unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange , deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 f. = NJW 1979, 2607; BVerfG NJW 1998, 295, 296; BVerfG NJW-RR 2001, 1523; BVerfG NJW 2004, 49; BGH NJW 2004, 3635, 3637). Besteht im Fall einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765a ZPO in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu berücksichtigen (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 81; OLG Köln NJW 1994, 1743; OLG Hamm Rpfleger 2001, 508; OLG Saarbrücken Rpfleger 2003, 37, 38). Die demgemäß vorzunehmende Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Ein-
zelfällen auch dazu führen, daß die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist (BVerfG NJW 1998, 295, 296).

b) Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann aber eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (vgl. BVerfGE 52, 214, 220 = NJW 1979, 2607; BVerfG NZM 1998, 431; OLG Köln NJW 1993, 2248, 2249; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 765a Rdn. 5; Schuschke/Walker aaO § 765a Rdn. 10; Keip, Umfang und Grenzen eines sozialen Schuldnerschutzes in der Zwangsvollstreckung, 2000, S. 255 ff.; Sturm, Räumungsvollstreckung und Räumungsschutz gemäß § 765a ZPO unter Berücksichtigung der zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle , 2001, S. 209; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 353 ff.).
Bei dieser Interessenabwägung kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich auch der Gläubiger auf Grundrechte berufen kann. Unterbleibt die Räumungsvollstreckung wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen (vgl. Schuschke/Walker aaO § 765a Rdn. 1; Sturm aaO S. 207; Scherer, DGVZ 1995, 33, 35). Die Aufgabe des Staates, das Recht zu wahren, umfaßt die Pflicht, ordnungsgemäß titulierte Ansprüche notfalls mit Zwang durchzusetzen und dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen (BVerfGE 49, 220, 231 - Sondervotum Böhmer = NJW 1979, 534, 535). Der Gläubiger hat gemäß Art. 19 Abs. 4 GG einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (vgl.
BVerfGE 49, 220, 225 = NJW 1979, 534 f.; BGH WM 2005, 288, 289; Sturm aaO S. 208 f.; Keip aaO S. 247). Dem Gläubiger dürfen nicht die Aufgaben überbürdet werden, die aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen (vgl. OLG Düsseldorf OLG-Rep 1998, 123, 125; Schuschke/Walker aaO § 765a Rdn. 11; Sturm aaO S. 208; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 353 f.; Linke, NZM 2002, 205, 208).
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung (vgl. §§ 10 ff. PsychKG NW; vgl. weiter Stein/Jonas/Münzberg aaO § 765a Rdn. 6; Keip aaO S. 256 ff.; Sturm aaO S. 218 f.; Scherer, DGVZ 1995, 33, 37 f.). Nicht zuletzt ist aber auch der Gefährdete selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern (vgl. BVerfG NJW 1992, 1155; BVerfG NJW-RR 1993, 463, 464; BVerfG NJW 2004, 49 f.; OLG Köln NJW 1993, 2248, 2249; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 765a Rdn. 5; Schuschke/ Walker aaO § 765a Rdn. 10; E. Schneider, JurBüro 1994, 321, 324; Walker /Gruß, NJW 1996, 352, 355; Weyhe, NZM 2000, 1147, 1150; Linke, NZM 2002, 205, 207 f.). Dies gilt auch für einen nahen Angehörigen, wenn auf Antrag des Schuldners unter Berufung auf dessen Suizidgefährdung eine Maßnahme nach § 765a ZPO getroffen werden soll.
Einem Schuldner oder einem seiner Angehörigen, die im Fall der Zwangsvollstreckung suizidgefährdet sind, kann dementsprechend, wenn sie dazu in der Lage sind, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch
durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern. Ist ein Angehöriger betroffen, kann auch vom Schuldner selbst erwartet werden, daß er das ihm Zumutbare unternimmt, um Gefahren für dessen Leben und Gesundheit möglichst auszuschließen (vgl. dazu auch BGH NJW 2004, 3635, 3637).

c) Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, daß die Interessenabwägung hier deshalb gegen den Schuldner ausfallen müsse, weil dessen Vater die ihm obliegende Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt habe, wird von der Rechtsbeschwerde allerdings mit Erfolg angegriffen.
Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe das Recht des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist begründet. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 2. Dezember 2004 gegen den an diesem Tag erlassenen Beschluß des Amtsgerichts ist den Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners nicht zugestellt worden. Der Schuldner hatte deshalb vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts am 7. Dezember 2004 keine Möglichkeit, zu dem Antrag der sofortigen Beschwerde, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufzuheben, Stellung zu nehmen. Ein Grund, von der Anhörung des Schuldners abzusehen, bestand bei der gegebenen Sachlage nicht. Die Rechtsbeschwerde trägt vor, der Schuldner hätte bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgebracht, sein Vater habe sich in der Zeit vom 12. Juli bis 3. August 2004 einer stationären Behandlung in einer psychiatrischen Klinik unterzogen. Nach Ansicht der Ärzte do rt könne eine solche Behandlung jedoch nur zu einer Linderung der Symptome, nicht aber zu einer Änderung der akuten Suizidgefährdung bei einer situativen Einengung ohne erkennbaren Ausweg führen. Dies hätte der Schuldner durch Benennung des Chefarztes der Klinik als Zeugen oder durch ärztliche Bescheinigung der Klinik unter Beweis gestellt. Die Beurteilung der Klinikärzte entspreche der Beur-
teilung des Facharztes, der den Vater des Schuldners ambulant behandele. Der amtsärztlichen Bescheinigung, die auf eingehenden Untersuchungen beruhe, sei ebenfalls nicht zu entnehmen, daß eine stationäre psychiatrische Behandlung aussichtsreich sei. Der Vater des Schuldners werde zudem (ausweislich der vorgelegten Atteste vom 14. August und 26. November 2004) von einem Facharzt, der auch Psychopharmaka einsetze, ambulant behandelt.
Wird dieses - im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht überprüfbare - Tatsachenvorbringen unterstellt, kann dem Vater des Schuldners zumindest keine entscheidend ins Gewicht fallende Verletzung seiner Pflicht, soweit zumutbar zum Erfolg der Zwangsvollstreckung beizutragen, vorgehalten werden.

d) Auch wenn das Vorbringen der Rechtsbeschwerde unterstellt wird, bedeutet dies jedoch nicht, daß eine Räumungsvollstreckung vollständig ausgeschlossen ist. Andernfalls müßte dem Schuldner im Ergebnis zeitlich unbegrenzt Vollstreckungsschutz gewährt werden, und dies auch dann, wenn - wie die Gläubigerin im Verfahren vorgetragen hat - seit dem Zuschlag vom 11. Oktober 2002 nicht einmal ein Nutzungsentgelt in ortsüblicher Höhe gezahlt werden sollte und Erhaltungsaufwendungen für das genutzte Haus unterblieben sein sollten. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß das Vollstreckungsgericht auf Antrag die Vollstreckung gemäß § 765a ZPO auch von der Erfüllung von Auflagen abhängig machen kann (vgl. Stein/Jonas/Münzberg aaO § 765a Rdn. 15). Dies ermöglicht z.B. Anordnungen wie im Beschluß des Amtsgerichts vom 13. Juni 2003, nach denen die Durchführung der Zwangsräumung die Anwesenheit eines Beamten des Gesundheitsamts - Ordnungsamts - der Stadt und eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie zur Voraussetzung hatte (vgl. auch OLG Düsseldorf OLG-Rep 1998, 123, 125 f.; VGH Mannheim NJW 1997, 2832, 2834; Sturm aaO S. 218 f.). Wenn bereits bei Bevorstehen der Zwangsräumung für den Vater des Schuldners aufgrund krankheitsbedingten Verhaltens eine
gegenwärtige Gefahr einer erheblichen Selbstgefährdung besteht, die anders nicht abgewendet werden kann, ist zudem seine Unterbringung nach § 11 PsychKG NW, gegebenenfalls auch schon vor dem Räumungstermin, zulässig.
IV. Die gemäß § 765a ZPO zu treffende Entscheidung über Auflagen für die Durchführung der Zwangsvollstreckung hat der Tatrichter nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände zu treffen. Die Sache ist deshalb zur erneuten Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Büscher
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2. Zutreffend ist auch, dass der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen ist, wenn eine solche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ist gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Im Hinblick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 7 mwN).
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b) Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Suizidgefahr ist nicht schon dadurch abgewendet, dass sich die Schuldnerin entsprechend dem Hinweis in dem gerichtlichen Gutachten in eine ambulante Psychotherapie begeben hat, um für zukünftige Belastungen und den Umgang mit ihren Ängsten besser gewappnet zu sein. Eine Psychotherapie gehört zwar zu den Maßnahmen , mit denen einer Suizidgefahr begegnet werden kann (vgl. Senat, Be- schluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, WuM 2010, 587, 588). Einer ambulanten Behandlung kommt aber nur dann eine ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn mit ihr die konkrete Gefahr eines Suizids bei Durchführung der Vollstreckung bereits ausgeschlossen, jedenfalls aber ganz wesentlich vermindert ist (vgl. BVerfG, NJW-RR 1993, 463, 464; NJW 1998, 295, 296). Dass die begonnene Therapie bereits solche Wirkungen herbeigeführt hätte, hat das Beschwerdegericht jedoch nicht festgestellt, sondern unabhängig davon den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen, weil es die noch bestehende Suizidgefahr rechtsfehlerhaft als Teil des allgemeinen Lebensrisikos der Schuldnerin gewürdigt hat, das bei einer Abwägung mit den Interessen der Vollstreckungsgläubiger nicht ins Gewicht falle.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat.

(2) Das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, kann die Vollziehung der Entscheidung aussetzen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen.

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1. Einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss ist nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrages des Schuldners nach § 765a ZPO bereits der Zuschlag wegen einer mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - V ZB 138/15, MDR 2017, 238 Rn. 8; Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 5; Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 6 mwN). Den Feststellungen des Beschwerdegerichts zufolge ist der Schuldner aufgrund einer psychischen Erkrankung ernsthaft suizidgefährdet , und zwar schon durch den mit dem Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bewirkten Eigentumsverlust als solchen; hiervon ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen.
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2. Zutreffend ist auch, dass der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen ist, wenn eine solche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ist gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Im Hinblick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 7 mwN).
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2. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO auszusprechen (Se- nat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421, 423). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub

In der Zwangsversteigerung bestimmt sich der Gegenstandswert

1.
bei der Vertretung des Gläubigers oder eines anderen nach § 9 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Beteiligten nach dem Wert des dem Gläubiger oder dem Beteiligten zustehenden Rechts; wird das Verfahren wegen einer Teilforderung betrieben, ist der Teilbetrag nur maßgebend, wenn es sich um einen nach § 10 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zu befriedigenden Anspruch handelt; Nebenforderungen sind mitzurechnen; der Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung (§ 66 Absatz 1, § 74a Absatz 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung), im Verteilungsverfahren der zur Verteilung kommende Erlös, sind maßgebend, wenn sie geringer sind;
2.
bei der Vertretung eines anderen Beteiligten, insbesondere des Schuldners, nach dem Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung, im Verteilungsverfahren nach dem zur Verteilung kommenden Erlös; bei Miteigentümern oder sonstigen Mitberechtigten ist der Anteil maßgebend;
3.
bei der Vertretung eines Bieters, der nicht Beteiligter ist, nach dem Betrag des höchsten für den Auftraggeber abgegebenen Gebots, wenn ein solches Gebot nicht abgegeben ist, nach dem Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung.