Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2005 - V ZB 111/05

published on 25/10/2005 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2005 - V ZB 111/05
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Amtsgericht Dippoldiswalde, 3 C 125/04, 12/11/2004
Landgericht Dresden, 7 S 717/04, 30/05/2005

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 111/05
vom
25. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Oktober 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 30. Mai 2005 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.000 EUR.

Gründe:

I.

1
Die Kläger haben von den Beklagten die Beseitigung von Anpflanzungen in der Nähe der Grundstücksgrenze verlangt. Die Klage ist mit Urteil des Amtsgerichts vom 12. November 2004 abgewiesen worden. Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten der Kläger nach dem von ihrer Anwältin unterzeichneten Empfangsbekenntnis am 19. November 2004 zugestellt worden. Die Berufungsschrift gegen das Urteil ist am 13. Dezember 2004, die Berufungsbegründung jedoch erst am 24. Januar 2005 bei dem Landgericht eingegangen. Nach richterlichem Hinweis auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist in einer am 21. März 2005 zugestellten Verfügung haben die Kläger mit dem am 4. April 2005 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2
Zur Begründung haben die Kläger ausgeführt, dass das Urteil am Nachmittag des 19. November 2004, einem Freitag, zugestellt worden sei. Die bisher stets zuverlässig die Fristen notierende Angestellte Z. habe entgegen der Weisung, sogleich nach Anbringung des Eingangsstempels die Berufungsfrist und die Frist zur Begründung der Berufung zu notieren, die Eintragungen im Fristenkalender erst am kommenden Montag, dem 22. November 2004, vorgenommen und von diesem Tag ausgehend die Fristen berechnet. Die Prozessbevollmächtigte habe bei der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses am 23. November 2004 zwar die Notierung der Fristen, jedoch nicht deren Berechnung geprüft. Sie habe die Berufungsbegründung auch nicht sofort nach Vorlage der Akten nach Ablauf der auf den 18. Januar 2005 notierten Vorfrist, sondern erst am fehlerhaft notierten Tage des Ablaufes der Begründungsfrist, am Montag, dem 24. Januar 2005, gefertigt und bei Gericht eingereicht.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehren und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgen.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
5
a) Die Zulassung ist aus dem Grunde der Divergenz geboten. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der mit der Anfertigung einer Berufungsbegründung beauftragte Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO (dazu: BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827, 828; v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311; und v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437) bereits am Tage der Vorlegung nach dem Ablauf einer Vorfrist vorzunehmen habe. Damit ist es von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgewichen. Danach muss eine Sache, die auf Grund einer Vorfristenanordnung vorgelegt wird, nicht sofort bearbeitet und auch die vom Büropersonal notierte Frist nicht sofort überprüft werden (BGH, Beschl. v. 27. Mai 1997, VI ZB 10/97, NJW 1997, 2825, 2826 und v. 9. März 1999, VI ZB 3/99, NJW 1999, 2048, 2049).
6
Die Versäumung der Begründungsfrist kann daher nicht deshalb als verschuldet angesehen werden, weil die Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht bereits beim Ablauf der Vorfrist am 18. Januar 2005 den von der Angestellten Z. fälschlicherweise auf den 24. Januar 2005 datierten Ablauf der Berufungsbegründungsfrist geprüft hat und so die am 19. Januar 2005 endende Frist für die Berufungsbegründung noch hätte wahren können. Die Entscheidung beruht auch auf der abweichenden Beantwortung der Rechtsfrage und nicht auf einer rechtsfehlerhaften Würdigung der Umstände im Einzelfall, zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat.
7
b) Die Rechtsbeschwerde ist wegen der aufgezeigten Divergenz zulässig , auch wenn sie - wie sogleich ausgeführt - wegen Nichteinhaltung der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO keinen Erfolg haben kann. Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel, das zur Sachentscheidung führt. Die Zulässig- keit des Rechtsmittels hängt nicht davon ab, ob es begründet ist oder nicht (Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist indes schon deshalb unbegründet, weil die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt worden ist. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist daher im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen worden.
9
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO an dem Tage , an dem das Hindernis behoben ist. Das ist bereits dann der Fall, wenn die Versäumung der Frist hätte erkannt werden müssen, also der Irrtum darüber nicht mehr unverschuldet war (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1989, I ZB 3/89, NJW-RR 1990, 379, 380 und v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934, 935). Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hätte hier nicht erst mit Zustellung des richterlichen Hinweises vom 16. März 2005, am 21. März 2005, sondern spätestens am 24. Januar 2005 der Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannt werden müssen. Die Anwältin hatte bei der Anfertigung der Begründungsschrift selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob die von ihrer Angestellten Z. eingetragene Frist richtig berechnet worden war (BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827, 828; v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311; und v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437 - st. Rspr. des BGH). Hätte sie dies getan, so wäre ihr auch aufgefallen, dass die Frist für die Berufungsbegründung bereits am 19. Januar 2005 abgelaufen war. Damit begann auch die Frist für die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 2 ZPO zu laufen (BGH, Beschl. v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934, 935), die somit am 7. Februar 2005 ablief.
10
Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 4. April 2005 war daher verspätet und schon aus diesem Grunde als unzulässig zu verwerfen.

III.


11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Beschwerdewerts aus § 3 ZPO. Krüger Klein Lemke Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Dippoldiswalde , Entscheidung vom 12.11.2004 - 3 C 125/04 -
LG Dresden, Entscheidung vom 30.05.2005 - 7 S 717/04 -
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.