Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2010 - V ZA 11/10

bei uns veröffentlicht am20.05.2010
vorgehend
Amtsgericht Kaiserslautern, 3 K 60/08, 19.01.2009
Landgericht Kaiserslautern, 1 T 38/09, 17.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZA 11/10
vom
20. Mai 2010
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Beiordnung eines Notanwalts wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht Kaiserslautern hat eine Zuschlagsbeschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und in dem Beschluss, welcher diesem am 21. August 2009 zugestellt worden ist, die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit Schriftsatz vom 30. März 2010 hat der Antragsteller, vertreten durch seinen bisherigen Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsbeschwerde bei dem Bundesgerichtshof eingelegt und diese begründet; ferner hat er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist sowie die Beiordnung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Notanwalts beantragt.
2
Zur Begründung dieser Anträge trägt der Antragsteller vor: Sein Verfahrensbevollmächtigter , Rechtsanwalt E. , habe die ihm untergeordnete Rechtsanwältin C. angewiesen, den Schriftsatz zu fertigen, mit dem die Rechtsbeschwerde habe eingelegt und begründet werden sollen. Aufgrund ei- nes Versehens habe Frau C. , die seit elf Jahren in der Kanzlei tätig sei und ihre Aufgaben stets fehlerfrei erledigt habe, den Schriftsatz an das Oberlandesgericht Zweibrücken statt an den Bundesgerichtshof gerichtet. Rechtsanwalt E. habe den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs nach inhaltlicher Kontrolle unterschrieben. Der Schriftsatz sei fristgemäß bei dem Oberlandesgericht Zweibrücken eingegangen. Der Fehler von Rechtsanwältin C. sei erst am 16. März 2010 aufgefallen, als ein Richter telefonisch auf die Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts hingewiesen habe.
3
Anschließend habe sich sein Verfahrensbevollmächtigter mit sechs bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten in Verbindung gesetzt. Diese hätten die Übernahme des Mandats zur Einlegung der Rechtsbeschwerde jedoch sämtlich aus Terminsgründen, insbesondere wegen der Osterferientage , abgelehnt.

II.

4
Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts bleibt ohne Erfolg. Nach § 78b ZPO kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es hier, da die (beabsichtigte) Rechtsbeschwerde des Antragstellers aussichtslos ist.
5
Nachdem der Antragsteller die Frist zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde von einem Monat (§ 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO) versäumt hat, könnte das Rechtsmittel nur Erfolg haben, wenn er ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten, und ihm deshalb gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Fristversäumung ist von dem Verfahrensbevollmäch- tigten des Antragstellers zu vertreten; dies steht nach § 85 Abs. 2 ZPO eigenem Verschulden des Antragstellers gleich.
6
Eine fehlerhafte Bearbeitung der Sache durch Rechtsanwalt E. lag bereits in der Anweisung an die für ihn tätige Rechtsanwältin, den Schriftsatz zu fertigen, mit dem die Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet werden sollte. Da die Rechtsbeschwerde bei dem Bundesgerichtshof einzulegen war, musste sie von einem hier zugelassenen Rechtsanwalt verfasst werden (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
7
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn es zu den Aufgaben von Rechtsanwältin C. gehört haben sollte, das für die Rechtsbeschwerde zuständige Gericht selbständig zu ermitteln und die Sache ggf. mit dem Hinweis, es müsse ein bei dem Bundesgerichtshof zugelassener Anwalt beauftragt werden, an Rechtsanwalt E. zurückzugeben. Wäre ihr die Sache insoweit zur selbständigen Bearbeitung übergeben worden, wäre dem Antragsteller auch ihr Verschulden nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Februar 2001, XI ZB 14/00, NJW 2001, 1575; Beschl. v. 9. Juni 2004, VIII ZR 86/04, NJW 2004, 2901). Trifft es dagegen zu, dass Frau C. nur vorbereitende und unselbständige Tätigkeiten ausübt, musste Rechtsanwalt E. den von ihr gefertigten Schriftsatz auch in Bezug auf die Bestimmung des Rechtsbeschwerdegerichts einer inhaltlichen Kontrolle unterziehen (vgl. Senat, Beschl. v. 5. März 2009, V ZB 153/08, NJW 2009, 1750, 1751 Rdn. 8 m.w.N.). Dabei hätte ihm auffallen müssen, dass zuständiges Gericht der Bundesgerichtshof ist (§ 133 GVG). Von dieser Prüfung war er nicht deshalb enthoben, weil Rechtsanwältin C. in elf Jahren zuvor kein Fehler unterlaufen war. Ein Rechtsanwalt darf zwar einfache Verrichtungen auf zuverlässiges Büropersonal übertragen. Die Anfertigung von Rechtsmittelschriften zählt dazu aber nicht. Deren Inhalt hat der Anwalt stets selbst zu verantworten (vgl. Senat, aaO, Rdn. 9). Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Kaiserslautern, Entscheidung vom 19.01.2009 - 3 K 60/08 -
LG Kaiserslautern, Entscheidung vom 17.08.2009 - 1 T 38/09 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78 Anwaltsprozess


(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78b Notanwalt


(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Re

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 133


In Zivilsachen ist der Bundesgerichtshof zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Revision, der Sprungrevision, der Rechtsbeschwerde und der Sprungrechtsbeschwerde.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2009 - V ZB 153/08

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2001 - XI ZB 14/00

bei uns veröffentlicht am 06.02.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZB 14/00 vom 6. Februar 2001 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________ BRAO § 53; ZPO §§ 85, 233 Ga a) Ein bei einem Oberlandesgericht zugelassener Rechtsanwalt kann gemäß § 53 Ab

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(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

(2) Gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 14/00
vom
6. Februar 2001
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________

a) Ein bei einem Oberlandesgericht zugelassener Rechtsanwalt kann
gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO selbst nur einen Rechtsanwalt zu
seinem Vertreter bestellen, der bei demselben Oberlandesgericht
zugelassen ist.

b) Eine Prozeßpartei muß sich im Rahmen der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden auch eines
bei ihrem Prozeßbevollmächtigten zur selbständigen Bearbeitung
von Sachen angestellten Rechtsanwalts oder eines Urlaubvertreters
zurechnen lassen, wenn dieser als nicht beim Oberlandesgericht zugelassener
Rechtsanwalt eine für dieses Gericht bestimmte Rechtsmittelschrift
unterzeichnet, ohne seine Postulationsfähigkeit zu prüfen.
BGH, Beschluß vom 6. Februar 2001 - XI ZB 14/00 - OLG Stuttgart
LG Ravensburg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und
Dr. Wassermann
am 6. Februar 2001

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. August 2000 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 250.000 DM.

Gründe:


I.


Das Landgericht hatte die auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage durch Urteil vom 31. März 2000 abgewiesen. Diese Entscheidung wurde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 7. April 2000 zugestellt. Durch Anwaltsschriftsatz vom 4. Mai 2000 legte die Klägerin Berufung gegen das Urteil ein. Die am 5. Mai 2000 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangene Berufungsschrift weist im Briefkopf den Rechtsanwalt S. und die Rechtsanwältin K. aus und ist von der beim Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassenen Rechtsanwältin K. unterschrieben.
Nach einem entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichts vom 15. August 2000 beantragte die Klägerin am 18. August 2000 durch Rechtsanwalt S. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, ihr Prozeßbevollmächtigter, Rechtsanwalt S., habe bereits vor einem vom 21. April bis zum 6. Mai 2000 dauernden Auslandsaufenthalt die Berufungsschrift diktiert und unterzeichnet gehabt. Zur Ausschöpfung der Berufungsfrist habe er die Rechtsanwaltsgehilfin D. angewiesen, die Berufungsschrift erst am 4. Mai 2000 abzusenden. Im Hinblick auf das Ausscheiden des Rechtsanwalts B. aus der bisherigen Kanzlei S. und B. zum 30. April 2000 und den Eintritt von Rechtsanwältin K. in die Kanzlei mit Wirkung ab Mai 2000 habe sich die Rechtsanwaltsgehilfin veranlaßt gesehen, den im Computer gespeicherten Text der Berufungsschrift unter dem neuen Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei neu auszudrucken und zugleich die von Rechtsanwalt S. bereits unterschriebene Berufungsschrift zu vernichten. Die neu ausgedruckte Berufungsschrift habe sie mit anderen Schriftsätzen der Rechtsanwältin K. vorgelegt, die sie ungelesen unterzeichnet habe. Aufgrund der Zuverlässigkeit der Rechtsanwaltsgehilfin D. habe sich Rechtsanwalt S. darauf verlassen dürfen, daß der von ihm bereits unterschriebene Berufungsschriftsatz rechtzeitig abgesandt und nicht vernichtet werden würde.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der innerhalb der Berufungsfrist eingegangene Berufungsschriftsatz sei nicht formgerecht , weil er von der beim Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassenen Rechtsanwältin K. unterzeichnet sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei der Klägerin zu versagen, da ihre Säumnis nicht un-
verschuldet im Sinne des § 233 ZPO sei. Rechtsanwältin K. habe die Berufungsschrift nicht unterschreiben dürfen, sondern die Rechtsanwaltsgehilfin D. auf ihre fehlende Zulassung beim Oberlandesgericht hinweisen müssen. Dieses Verschulden der Rechtsanwältin habe sich die Klägerin zurechnen zu lassen, da Rechtsanwalt S. die Rechtsanwältin K. zu seiner allgemeinen Vertreterin bestellt habe.
Gegen diesen Beschluß hat die Klägerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht vor allem geltend, da Rechtsanwalt S. die Rechtsanwältin K. zu seiner allgemeinen Vertreterin bestellt habe, sei diese berechtigt gewesen, sämtliche anwaltlichen Befugnisse des Vertretenen auszuüben, also auch als Vertreterin des beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts S. die Berufungsschrift vom 4. Mai 2000 zu unterzeichnen. Ein Vertretungszusatz sei in diesem Zusammenhang nicht erforderlich gewesen. Jedenfalls sei die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtsfehlerhaft. Der beim Oberlandesgericht Stuttgart postulationsfähige Rechtsanwalt S. habe mit der Unterzeichnung des Rechtsmittelschriftsatzes und der konkreten Anweisung, diesen am 4. Mai 2000 zur Post zu geben, alles zur fristgerechten Berufungseinlegung Erforderliche veranlaßt. Ein Rechtsanwalt dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Kanzleiangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe, derartige konkrete Einzelanweisungen auch befolge.

II.


Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht als unzulässig verworfen (§ 519 b Abs. 1 ZPO). Die von Rechtsanwältin K. am 4. Mai 2000 unterzeichnete Berufungsschrift entspricht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dazu hätte sie von einem beim zuständigen Oberlandesgericht Stuttgart zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein müssen (§ 518 Abs. 1, 4, § 78 Abs. 1 ZPO); Rechtsanwältin K. war jedoch beim Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassen.

a) An der Unwirksamkeit der Unterschrift von Rechtsanwältin K. ändert auch der Umstand nichts, daß sie von Rechtsanwalt S. für die Zeit seiner Ortsabwesenheit im Mai 2000 zu seiner allgemeinen Vertreterin bestellt worden ist. Dabei ist es zu einer Vertreterbestellung durch die Landesjustizverwaltung gemäß § 53 Abs. 3, 4 BRAO nicht gekommen, da Rechtsanwalt S. dies nicht beantragt hat. Er hat vielmehr seine Vertreterin gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO selbst bestellt. Das ist nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift jedoch nur dann möglich, wenn die Vertretung von einem bei demselben Gericht zugelassenen Rechtsanwalt übernommen wird. Die Bestellung von Rechtsanwältin K. zur allgemeinen Vertreterin des Rechtsanwalts S. war daher insoweit unwirksam, als sie dessen anwaltliche Tätigkeit beim Oberlandesgericht Stuttgart betraf, da Rechtsanwältin K. bei diesem Gericht nicht zugelassen war.

b) Auch eine wirksame Vertreterbestellung im Einzelfall lag nicht vor. § 52 Abs. 1 BRAO sieht vor, daß der zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt die Vertretung nur auf einen Rechtsanwalt übertragen kann, der selbst in dem Verfahren zum Prozeßbevollmächtigten bestellt werden kann. Deshalb ist eine Berufungsschrift, die - wie hier - ein nicht beim Berufungsgericht zugelassener Rechtsanwalt un-
terschrieben hat, auch dann nicht ordnungsgemäß, wenn er im Auftrag des beim Berufungsgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet hat (BGH, Beschluß vom 19. Februar 1976 - VII ZB 1/76, VersR 1976, 689).
2. Auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (§ 233 ZPO) hat das Oberlandesgericht der Klägerin zu Recht versagt. Rechtsanwältin K. trifft an der Fristversäumung ein Verschulden, das die Klägerin sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.

a) Rechtsanwältin K. war im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO Bevollmächtigte der Klägerin. Als Bevollmächtigte einer Partei, deren Verschulden dem Parteiverschulden gemäß § 85 Abs. 2 ZPO gleichsteht, sind nicht nur ein Sozius des Prozeßbevollmächtigten, sondern auch bei ihm zur selbständigen Bearbeitung von Sachen angestellte Rechtsanwälte sowie Urlaubsvertreter anzusehen (BGHZ 124, 47, 49; BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 1982 - VIII ZB 4/82, VersR 1982, 770 f., vom 18. Mai 1982 - VI ZB 1/82, VersR 1982, 848 f., vom 10. November 1983 - VII ZB 14/83, VersR 1984, 87, vom 23. Februar 1984 - III ZR 33/83, VersR 1984, 443, vom 18. Dezember 1985 - I ZR 171/85, VersR 1986, 468, 469 und vom 14. November 1990 - XII ZB 35/90, FamRZ 1991, 318). Der Umstand, daß der Rechtsanwalt, der die Fristversäumung zu vertreten hat, nicht beim Berufungsgericht zugelassen ist, steht weder seiner Einbeziehung in das Mandatsverhältnis noch der Anwendung des § 85 ZPO entgegen (BGH, Urteil vom 14. Februar 1979 - VIII ZR 269/77, VersR 1979, 446, 447; BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 1982 - VI ZB 1/82, VersR 1982, 848 f. und vom 10. November 1983 - VII ZB 14/83, VersR 1984, 87). Ohne Belang ist hier deshalb, daß das Mandat zur Durchführung eines Berufungsverfahrens offenbar bereits im April
2000 erteilt worden ist, während Rechtsanwältin K. erst mit Wirkung ab Mai 2000 in die Rechtsanwaltskanzlei S. eingetreten ist.

b) Rechtsanwältin K. hat bei Unterzeichnung der Berufungsschrift vom 4. Mai 2000 auch schuldhaft gehandelt. Ein Rechtsanwalt hat bei Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift nicht nur deren Richtigkeit und Vollständigkeit, sondern auch seine eigene Postulationsfähigkeit bei dem angerufenen Gericht zu prüfen (BGH, Beschluß vom 6. Mai 1992 - XII ZB 39/92, VersR 1993, 79; Beschluß vom 30. Juni 1994 - III ZB 22/94, BGHR ZPO § 233 Verschulden 24 m.w.Nachw.). Daß Rechtsanwältin K. die Berufungsschrift pflichtwidrig ungelesen unterzeichnet haben soll, ändert an ihrem Verschulden selbstverständlich nichts. Sie hätte vielmehr ihre fehlende Postulationsfähigkeit beim Oberlandesgericht Stuttgart bemerken und von einer Unterzeichnung der Berufungsschrift Abstand nehmen müssen. Nach Rückkehr von Rechtsanwalt S. wäre am 8. Mai 2000, einem Montag, noch eine fristgerechte Berufungseinlegung - gegebenenfalls per Telefax - möglich gewesen.

c) Das schuldhafte Verhalten der Rechtsanwältin K. ist für die Versäumung der Berufungsfrist auch ursächlich geworden. Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, daß ein Verschulden der Rechtsanwältin K. deshalb ohne Belang sei, weil Rechtsanwalt S. durch eine Einzelanweisung für eine fristgerechte Einlegung der Berufung ausreichend Sorge getragen habe, die Bestellung von Rechtsanwältin K. zur Vertreterin überobligationsmäßig gewesen sei und aus der überobligatorischen Sorgfalt keine Nachteile erwachsen dürften. Die Bestellung von Rechtsanwältin K. war nicht überobligationsmäßig. Da Rechtsanwalt S. vom 21. April bis zum 6. Mai 2000, also länger als eine Woche, ununterbrochen ortsabwesend war, mußte er gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 2
BRAO für die gesamte Zeit seiner Abwesenheit für seine Vertretung sorgen.

d) Die Klägerin war demnach nicht ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden einer Bevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob sich die Klägerin ein Organisationsverschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, des Rechtsanwalts S., zurechnen lassen muß, weil dieser nicht für seine wirksame Vertretung beim Oberlandesgericht Stuttgart gesorgt hat (vgl. BGH, Beschluß vom 14. März 1973 - VIII ZB 6/73, NJW 1973, 901).
3. Die sofortige Beschwerde der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 153/08
vom
5. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt muss bei der Unterzeichnung einer Berufungsschrift auch dann
überprüfen, ob sie an das zuständige Berufungsgericht gerichtet ist, wenn er diese
Frage durch einen anwaltlichen Kollegen seiner Sozietät hat prüfen lassen.
BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - V ZB 153/08 - LG München I
AG Garmisch-Partenkirchen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 25. September 2008 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 18.000 €.

Gründe:


I.


1
Durch ihm am 5. März 2008 zugestelltes Urteil des Amtsgerichts ist der Beklagte verurteilt worden, sein Teileigentum in einer Wohnungseigentumsanlage nicht zum Betrieb eines Pizzaservice zu nutzen. Seine Berufung gegen dieses Urteil ist an das unzuständige Landgericht München II gerichtet worden und dort am 7. April 2008, dem auf den 5. April 2008 folgenden Montag, eingegangen. Nach Abgabe der Sache an das zuständige Landgericht München I hat der Beklagte dort Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der seine Sache in der beauftragten Sozietät bearbeitende Rechtsanwalt habe mit einem Kollegen der Sozietät besprochen, dass er selbst die Berufungsschrift erstelle, der Kollege das zuständige Berufungsgericht ermittele. Dieser habe die Prüfung aber wegen unvorhergesehener dringender anderer Arbeiten nicht durchführen können und die erfahrene und zuverlässige Sekretärin des die Sache bearbeitenden Rechtsanwalts gebeten, diesem auszurichten, er habe die Prüfung nicht durchführen können. An sich sei das Landgericht München II zuständiges Berufungsgericht; das könne sich durch die WEG-Novelle geändert haben. Die Sekretärin habe dem die Sache bearbeitenden Rechtsanwalt den Entwurf der Berufungsschrift aber mit dem unzutreffenden Bemerken vorgelegt, der Kollege habe mitgeteilt, zuständiges Berufungsgericht sei das Landgericht München II. Darauf habe dieser die an dieses Gericht gerichtete Berufungsschrift unterzeichnet.
2
Das Landgericht hat die Berufung unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der dieser die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen will. Die Kläger beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
4
1. Sie ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO unabhängig von einer Zulassung oder Nichtzulassung durch das Berufungsgericht von Gesetzes wegen statthaft, weil sie sich gegen einen Beschluss richtet, durch den die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Zulässig ist sie aber nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall.

5
2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Zulassung ist insbesondere auch nicht deshalb geboten (dazu: Senat, BGHZ 151, 221, 227; Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; Beschl. v. 13. Mai 2004, V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217), weil die Anforderungen, die das Berufungsgericht stellt, überzogen wären und der Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwerten (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533; Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
6
a) Der Beklagte hat die Berufungsfrist versäumt, weil seine Prozessbevollmächtigten die Berufungsschrift am letzten Tag der Frist um 15.59 Uhr und damit zu einem Zeitpunkt bei dem unzuständigen Landgericht München II eingereicht haben, zu dem mit einer fristgerechten Weiterleitung im normalen Geschäftsgang (zu diesem Erfordernis: BGH, Beschl. v. 27. Juli 2000, III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731) nicht mehr zu rechnen war. Die Zulässigkeit der Berufung hing deshalb entscheidend von dem Erfolg des frist- und formgerecht gestellten Antrags des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und dieser wiederum davon ab, ob die Adressierung der Berufungsschrift an das unzuständige Gericht unverschuldet war. Das hat das Berufungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung verneint, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe bei Unterzeichnung der Berufungsschrift auch prüfen müssen, ob sie an das zuständige Gericht gerichtet war. Dabei habe er sich weder auf die Angaben seiner Sekretärin noch auf die vermeintlich vorgenommene Prüfung der Zuständigkeit durch seinen Anwaltskollegen verlassen dürfen.

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b) Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist und auch die Anforderungen an die Einlegung von Rechtsmitteln nicht überspannt.
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aa) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass der Rechtsanwalt die Berufungsschrift selbst auf ihre Richtigkeit (BGH, Beschl. v. 13. Juli 1988, VIII ZR 65/88, NJW-RR 1988, 1528, 1529; Beschl. v. 12. Mai 1989, IVb ZB 33/89, NJW 1989, 2396; Beschl. v. 10. Januar 1990, XII ZB 141/89, NJW 1990, 990; Beschl. v. 6. Mai 1992, XII ZB 39/92, VersR 1993, 79; Beschl. v. 4. November 1992, XII ZB 120/92, NJW-RR 1993, 254, 255; Musielak /Grandel, ZPO, 6. Aufl., § 233 Rdn. 45) überprüfen muss. Dazu gehört neben der Bezeichnung der Parteien (BGH, Beschl. v. 24. November 1981, VI ZB 11/81, VersR 1982, 191) auch die Bezeichnung des zuständigen Gerichts (BGH, Beschl. v. 7. Oktober 1987, IVb ZB 99/87, VersR 1988, 251; Beschl. v. 8. Dezember 1992, VI ZB 33/92, VersR 1993, 1381 f.; für Fristverlängerungsantrag : BGH, Beschl. v. 18. April 2000, XI ZB 1/00, NJW 2000, 2511). Hätte der Prozessbevollmächtigte diese Prüfung angestellt, hätte er festgestellt, jedenfalls feststellen müssen, dass die Berufung im Hinblick auf § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG bei dem Landgericht München I einzulegen war.
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bb) Diese Prüfung durfte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nicht delegieren. Ein Rechtsanwalt darf zwar seinem Büropersonal die Ermittlung der (genauen) Postanschrift des Berufungsgerichts überlassen und muss diese Anschrift dann auch nicht überprüfen (BGH, Urt. v. 2. Mai 1990, XII ZB 17/90, NJW-RR 1990, 1149, 1150; Senat, Urt. v. 15. Oktober 1999, V ZR 50/99, NJW 2000, 82; Musielak/Grandel, aaO, § 233 Rdn. 48). Das gilt aber nicht für die Angabe des Berufungsgerichts selbst. Sie ist ein nicht delegierbarer Kernbestandteil der Berufungsschrift.
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cc) Nichts anderes ergibt die von der Rechtsbeschwerde angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur, wie sie es nennt, Arbeitsteilung in Sozietäten. Danach sind die in einer Sozietät tätigen Rechtsanwälte gemeinsam verpflichtet, alles zu tun, um fristgebundene Schriftsätze rechtzeitig einzureichen (Senat, BGHZ 124, 47, 50 f.). Deshalb muss ein Rechtsanwalt, der im Postausgangsfach der Sozietät vergessene Post zur Post aufgeben will, prüfen, ob sich darunter eilige Sachen befinden, die schneller befördert werden müssen (BGH, Beschl. v. 13. November 2002, XII ZB 104/01, NJW-RR 2003, 490, 491), und mitgenommene Sendungen rechtzeitig in den Postkasten einwerfen, auch wenn er sie nicht bearbeitet hat (BGH, Urt. v. 19. Januar 1995, III ZR 107/94, NJW 1995, 1841). Das gilt erst recht für den Rechtsanwalt, der eine arbeitsteilig vorbereitete Berufungsschrift verantwortlich unterzeichnet. Bei dieser Art der Vorbereitung einer Berufungsschrift muss vor ihrer Absendung durch den prozessführenden Rechtsanwalt (oder seinen Vertreter) verantwortlich geprüft werden, ob die Koordination der Beiträge auch gelungen ist. Diese Prüfung kann sinnvoll nur durch den Rechtsanwalt erfolgen, der die Berufungsschrift unterzeichnet und damit für die Sozietät insgesamt die Verantwortung für deren Richtigkeit übernimmt. Dieser kann seiner Aufgabe nur gerecht werden, wenn er in seine Prüfung alle koordinierten Beiträge einbezieht und die Berufungsschrift insgesamt auf ihre Richtigkeit überprüft. Ein Ausblenden einzelner Elemente verfehlte den Zweck der Prüfung. Die erforderliche Prüfung beschränkt sich auf einen überschaubaren Kreis von Punkten und stellt deshalb auch keine übertriebenen Anforderungen.

III.


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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth

Vorinstanzen:
AG Garmisch-Partenkirchen, Entscheidung vom 29.02.2008 - 7 C 694/07 -
LG München I, Entscheidung vom 25.09.2008 - 1 S 7114/08 -

In Zivilsachen ist der Bundesgerichtshof zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Revision, der Sprungrevision, der Rechtsbeschwerde und der Sprungrechtsbeschwerde.