Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2015 - IX ZR 136/14

bei uns veröffentlicht am16.07.2015
vorgehend
Landgericht Düsseldorf, 3 O 374/05, 05.04.2012
Oberlandesgericht Düsseldorf, 12 U 96/12, 20.05.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR136/14
vom
16. Juli 2015
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape, Grupp und die
Richterin Möhring
am 16. Juli 2015

beschlossen:
Die Gegenvorstellungen der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3 gegen den Beschluss über die Festsetzung des Gebührenstreitwerts vom 13. Mai 2015 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen , dass der Streitwert mehr als 30.000.000 € beträgt.

Gründe:


1
Die Gegenvorstellungen der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3 sind mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Gebührenstreitwert mehr als 30.000.000 € beträgt.
2
Gemäß § 47 Abs. 3 GKG bestimmt sich der Gebührenstreitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels nach dem für das Rechtsmittelverfahren maßgebenden Wert. Da das Verfahren geendet hat, ohne dass die Kläger zu 2 und 3 als Rechtsmittelführer einen Antrag gestellt haben, ist nach § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG die Beschwer maßgeblich. Abzustellen ist auf die formelle Beschwer, die sich danach richtet, in welchem Umfang die Vorinstanz von den Anträgen des Rechtsmittelführers abgewichen ist (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2011 - IV ZR 31/11, nv). Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG ist der Streitwert allerdings durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs beschränkt. Dies gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird (§ 47 Abs. 2 Satz 2 GKG). Hiernach liegt der Gebührenstreitwert für das einheitliche Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde oberhalb des in § 39 Abs. 2 GKG geregelten Höchstwerts von 30.000.000 €.
3
1. Die Werte der Klage der Klägerin zu 2 und die der Klage des Klägers zu 3 sind zusammenzurechnen.
4
Nach § 39 Abs. 1 GKG werden in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet , soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Grundsatz wird einerseits eingeschränkt durch die in den Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes geregelten - hier nicht einschlägigen - Additionsverbote (§§ 43 bis 45, 48 Abs. 3 GKG) und andererseits durch das allgemeine Additionsverbot bei Vorliegen wirtschaftlicher Identität (Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 3. Aufl., § 39 Rn. 2).
5
a) Von wirtschaftlicher Identität ist etwa auszugehen bei gegen Gesamtschuldner gerichteten gleichen Ansprüchen. Der Grund dafür liegt darin, dass der Kläger die von den mehreren Beklagten geforderte Leistung aus Gründen des materiellen Rechts insgesamt nur einmal verlangen kann; die mehreren in Anspruch genommenen Gesamtschuldner schulden im Falle der Verurteilung insgesamt nicht mehr als den eingeklagten Betrag (BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02, NJW-RR 2004, 638, 639 mwN). Auch im Falle einer Personenmehrheit auf Klägerseite kann von wirtschaftlicher Identität auszugehen sein. Klagen Streitgenossen soll eine Zusammenrechnung unterbleiben, wenn die von ihnen verfolgten Ansprüche wirtschaftlich identisch sind (BeckOK-Kostenrecht/Schindler, Stand 15. Mai 2015, § 39 GKG Rn. 22; vgl. auch Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 12. Aufl., § 5 Rn. 8; MünchKommZPO /Wöstmann, 4. Aufl., § 5 Rn. 19).
6
b) Wie der Fall zu beurteilen ist, wenn auf Klägerseite mehrere Parteien stehen, die Ansprüche unter Ausschluss des oder der jeweils anderen geltend machen, ist ungeklärt. Eine solche prozessuale Konstellation kann sich ergeben, wenn nach erfolgter Hauptintervention gemäß § 64 ZPO der Interventionsprozess und der Hauptprozess gemäß § 147 ZPO miteinander verbunden werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1988 - VIII ZR 296/86, NJW 1988, 1204).
7
aa) Hauptintervention ist die Klage eines Dritten (des Hauptintervenienten ) gegen beide Parteien eines bereits anhängigen Rechtsstreits (Haupt- oder Erstprozess), durch die er den Gegenstand des Hauptprozesses für sich in Anspruch nimmt. Mit der Hauptintervention beteiligt sich der Dritte aber nicht am Hauptprozess; vielmehr eröffnet die Hauptintervention als selbständige Klage ein neues Urteilsverfahren. In diesem neuen Verfahren sind die Parteien des Erstprozesses Streitgenossen (Musielak/Voit/Weth, aaO § 65 Rn. 2). Die Frage der wirtschaftlichen Identität stellt sich dann nicht, weil zwei voneinander unabhängige Prozesse vorliegen.

8
bb) Kommt es zu einer Verbindung mehrerer Prozesse nach § 147 ZPO, ist allgemein anerkannt, dass die Gebührenstreitwerte der einzelnen Verfahren zusammenzurechnen sind (RGZ 30, 330, 335; BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - IV ZB 6/09, VersR 2010, 1198 Rn. 15; MünchKomm-ZPO/Wöstmann, aaO § 5 Rn. 25; MünchKomm-ZPO/ Wagner, aaO § 147 Rn. 15; BeckOK-ZPO/Wendtland, Stand 1. März 2015, § 147 Rn. 15; Hk-ZPO/Wöstmann, 6. Aufl., § 147 Rn. 11). Allerdings kann der Gebührenstreitwert nach Verbindung nicht höher sein, als im Falle ursprünglich gemeinsamer Geltendmachung der verbundenen Ansprüche. Für den Fall der Verbindung mehrerer Anfechtungsklagen gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss nach § 246 Abs. 3 Satz 6 AktG ist deshalb eine Zusammenrechnung der Einzelwerte unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Identität verneint worden (OLG Stuttgart, DB 2001, 1549; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Mai 2010 - II ZB 14/09, ZIP 2010, 1413).
9
cc) Zu einem Gleichlauf der (wirtschaftlichen) Interessen, wie im Falle der Verbindung mehrerer Anfechtungsklagen, kommt es bei der Verbindung von Haupt- und Interventionsprozess nicht. Auch eine Einsparung von Arbeitsaufwand durch das Gericht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2004 - IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; vom 2. November 2005 - XII ZR 137/05, NJW-RR 2006, 378 Rn. 16) muss aus der Verbindung nicht folgen. Nach wie vor hat das Gericht sowohl das Verhältnis des Interventionsklägers zu den Parteien des Hauptprozesses zu beurteilen als auch das Verhältnis der Parteien des Hauptprozesses untereinander. Deshalb kann nicht nur darauf abgestellt werden, das geltend gemachte Recht könne nur einmal bestehen, also entweder dem Interventionskläger oder dem Kläger des Hauptprozesses zustehen. Aufgrund der gegenläufigen wirtschaftlichen Interessen ist es vielmehr gerechtfertigt, die Werte von Haupt- und Interventionsprozesses im verbundenen Verfahren zusammenzurechnen, wenn der Intervenient nicht einfach die Rechtsposition des Klägers des Hauptprozesses für sich in Anspruch nimmt, sondern sein Recht (auch) auf einen abweichenden Lebenssachverhalt stützt.
10
c) Nach diesen Grundsätzen ist auch der Streitfall zu beurteilen. Die prozessuale Lage entspricht der nach Verbindung von Haupt- und Interventionsprozess. Unter Ausschluss der Klägerin zu 2 verfolgt der Kläger zu 3 die von dieser geltend gemachten Rechte. Er nimmt dabei nicht einfach die Rechtsposition der Klägerin zu 2 für sich in Anspruch, sondern stützt sein Begehren auf die ihm als Insolvenzverwalter verliehene Rechtsmacht und rühmt sich dabei auch eigener Anfechtungsrechte. Insoweit decken sich nur die Ziele der Angriffe der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3 gegenüber den Beklagten, nicht jedoch der zu ihrer Begründung geltend gemachte Lebenssachverhalt.
11
2. Die mit den Stufenklagen der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3 geltend gemachten Ansprüche sind im Wesentlichen nicht als Nebenforderungen betroffen (§ 43 Abs. 1 GKG).
12
a) Zwar handelt es sich bei den Gewinnausschüttungen und sonstigen Zahlungen, die Gegenstand der Klagen sind, um Früchte des jeweiligen Geschäftsanteils (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1995 - II ZR 45/94, NJW 1995, 1027). Die Kläger haben die Stufenklagen jedoch nicht an die Anträge auf Herausgabe der jeweiligen Geschäftsanteile gekop- pelt, sondern selbständig erhoben. Die Gewinnausschüttungen und sonstigen Zahlungen sind daher im Wesentlichen nicht als Nebenforderungen betroffen. Im Ausgangspunkt standen vielmehr nebeneinander die zunächst nur zu bescheidenden Hauptanträge und die Stufenklagen. Die Hauptanträge erfassten jedoch nur den ursprünglichen Geschäftsanteil und im Falle der Klägerin zu 2 auch noch die von den Beklagten zu 2 und 3 vormals gehaltenen Geschäftsanteile im Nennwert von 2.247.000 €. Als Nebenforderungen waren demnach die mit den Stufenklagen geltend gemachten Ansprüche nur betroffen, soweit es sich um Gewinnausschüttungen auf diese Anteile handelte. Nicht erfasst sind demnach jedenfalls alle den Beklagten zu 4 bis 12 bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zugeflossenen Gewinnausschüttungen und sonstigen Zahlungen. Daran ändert nichts, dass die weiteren Geschäftsanteile Gegenstand von (später auch beschiedenen) Hilfsanträgen waren (§ 40 GKG). Es hätte den Klägern frei gestanden, die Stufenklagen an den jeweiligen (Hilfs-)Antrag zu binden. Sie haben jedoch unabhängig vom Erfolg ihrer Hauptanträge die Herausgabe von allen Gewinnausschüttungen und sonstigen Zahlungen verfolgt.
13
b) Der Senat ist von einem Wert der Stufenklagen von 6.502.806,90 € ausgegangen (im Falle des Klägers zu 3 mit einem Abschlag in Höhe von 20 v.H. für die nur begehrte Feststellung). Dies beruht auf einer von den Klägern zu 2 und 3 nicht bestrittenen Angabe eines Beklagtenvertreters nur für die Jahre 1996 bis 1998. Die Stufenkla- gen sind nicht auf diese Jahre beschränkt, sondern erstrecken sich auf den gesamten Zeitraum von 1996 bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung.
Kayser Lohmann Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.04.2012 - 3 O 374/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.05.2014 - I-12 U 96/12 -

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 48 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten


(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 40 Zeitpunkt der Wertberechnung


Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 43 Nebenforderungen


(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt. (2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Ha

Aktiengesetz - AktG | § 246 Anfechtungsklage


(1) Die Klage muß innerhalb eines Monats nach der Beschlußfassung erhoben werden. (2) Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Die Gesellschaft wird durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Klagt der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied,

Zivilprozessordnung - ZPO | § 147 Prozessverbindung


Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlic

Zivilprozessordnung - ZPO | § 64 Hauptintervention


Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, ganz oder teilweise für sich in Anspruch nimmt, ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits berechtigt, seinen Anspruch durch ei

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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 31/11
vom
27. Juli 2011
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Richter
Wendt, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski,
Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 27. Juli 2011

beschlossen:
Die Gegenvorstellung des Beklagten zu 2 gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Senats vom 13. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die nach § 63 Abs. 3 GKG zulässige Gegenvorstellung des Beklagten zu 2 ist unbegründet.
2
Der Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde, für die der Beklagte zu 2 vor ihrer Rücknahme keinen Antrag und keine Begründung eingereicht hatte, ist zutreffend auf 74.924,26 € festgesetzt worden. Dies ist der Betrag der Hauptforderung, zu dessen Zahlung der Beklagte zu 2 nach Maßgabe des angegriffenen Berufungsurteilsverurteilt wurde.
3
Gemäß § 47 Abs. 3 GKG ist Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert. Nach dem hiernach heranzuziehenden § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG ist die Beschwer maßgebend, wenn das Verfahren endet, ohne dass der Rechtsmittelführer - wie hier - einen Antrag oder eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung eingereicht hat. Abzustellen ist dabei allein auf die formelle Beschwer, die sich danach richtet, in welchem Umfang die Vorinstanz von den Anträgen des Rechtsmittelführers abgewichen ist (allgemeine Meinung siehe Dörndorfer in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, Gerichtskostengesetz 2. Aufl. § 47 GKG Rn. 4, 6; Hartmann, Kostengesetze 41. Aufl. § 47 GKG Rn. 7, 10; Meyer, Gerichtskosten 2. Aufl. § 47, Rn. 7, 12). Deshalb kann keine Berücksichtigung finden, dass der Beklagte zu 2 vor Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde in Ansehung des Urteils des Berufungsgerichts bereits 30.000 € an die Klägerin gezahlt hatte.
Wendt Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 18.03.2010- 4 O 285/08 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 02.02.2011- 3 U 67/10 -

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 418/02
vom
25. November 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 2, 3, 5; EGZPO § 26 Nr. 8
Sind mehrere Beklagte als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt
, so beläuft sich der Wert der mit der angestrebten Revision aller verurteilten
Beklagten geltend zu machenden Beschwer im Sinne des § 26 Nr. 8 EGZPO maximal
auf den (einfachen) Betrag der Verurteilung. Der Verurteilungsbetrag ist nicht mit
der Anzahl der verurteilten Beklagten zu vervielfältigen.
BGH, Beschluß vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02 - OLG Nürnberg
LG Ansbach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten zu 2, 3 und 4 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 19. November 2002 wird auf ihre Kosten verworfen. Streitwert: 7.200,00

Gründe:

I.

Der Kläger hat die Beklagten zu 2, 3 und 4 als verantwortliche Mitarbeiter einer Zeitung anläßlich einer darin erschienenen Artikelserie als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Anträgen des Klägers insoweit teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Den Streitwert hinsichtlich der genannten Beklagten hat es auf insgesamt 7.200,00 esetzt. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten zu 2, 3 und 4.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der von den Beklagten mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, § 544 ZPO). Die Beschwerdeführer errechnen einen Wert der beiden noch im Streit ! " $# befindlichen Anträge von insgesamt 12.425,84 die Nichtzulassungsbeschwerde sei gleichwohl zulässig, weil dieser Wert für jeden von ihnen in Ansatz zu bringen sei; der Wert des Beschwerdegegenstan- &(') * . ! 0/ 1 2 !34 0 des betrage 30.677,52 % ,+!- Nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist maßgebend für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem angestrebten Revisionsverfahren (vgl. dazu BGH, Beschluß vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02 - NJW 2002, 2720). Dabei kann nicht zweifelhaft sein, daß für die Wertberechnung die allgemeinen Grundsätze der §§ 3 ff. ZPO gelten (Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 544 Rn. 3, 4, § 511 Rn. 13 ff.; Anh § 511; MünchKommZPO/Wenzel, Aktualisierungsband, § 544 Rn. 21 ff.; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 26 EGZPO Rn. 15). § 26 EGZPO enthält keine eigenen Wertvorschriften, sondern setzt deren Existenz und das dazu bestehende begriffliche Instrumentarium erkennbar voraus. Das Fehlen der - in der Beschwerdebegründung vermißten - Änderung des § 2 ZPO dahin, daß die nachfolgenden Vorschriften auch dann gelten, wenn es auf den Beschwerdegegenstand oder die Beschwer nach § 26 EGZPO ankommt, ist unschädlich. Daraus läßt sich entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung insbesondere nicht herleiten, daß nach dem Willen des Gesetzgebers gesicherte Bewertungsgrundsätze bei der Anwendung des § 26 EGZPO nicht zur Anwendung kommen dürfen. Eine solche Absicht ergibt sich
weder aus dem Gesetz selbst noch aus den Materialien zur ZPO-Reform. Die Beschwerde trägt auch keine dahin gehenden tragfähigen Anhaltspunkte vor. Demnach gilt auch bei Anwendung des § 26 Nr. 8 EGZPO der Grundsatz , daß bei der Klage von Streitgenossen oder deren Inanspruchnahme durch eine Klage eine Wertaddition nicht stattfindet, wenn die verfolgten Ansprüche wirtschaftlich identisch sind (vgl. RGZ 116, 306, 309; BGHZ 7, 152, 153 f.; BGH, Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 1980 - VI ZR 303/79 - NJW 1981, 578 und vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 135/90 - NJW-RR 1991, 186; BGH Beschluß vom 23. Juni 1983 - IVa ZR 136/82 - NJW 1984, 927, 928; Urteil vom 23. Mai 1989 - IVa ZR 88/88 - NJW-RR 1989, 1206; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, S. 164 ff.). Von wirtschaftlicher Identität ist bei gegen Gesamtschuldner gerichteten gleichen Ansprüchen auszugehen (vgl. RGZ 116, 306, 309; BGHZ 7, 152, 154; Senatsbeschluß vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 135/90 - aaO, Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 511 Rn. 17; Anh § 511 Rn. 7; MünchKommZPO/Wenzel, aaO, Rn. 23; MünchKommZPO/ Schwerdtfeger, 2. Aufl., § 5 Rn. 3 f.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., S. 5 Rn. 8, 13 ff.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 3762 ff.; Zöller/Herget, aaO, § 5 Rn. 8; Frank, aaO, S. 195 f.). Der Grund dafür liegt darin, daß der Kläger die von den mehreren Beklagten geforderte Leistung aus Gründen des materiellen Rechts insgesamt nur einmal verlangen kann (BGHZ 7, 152, 154). Wegen dieses materiellrechtlichen Ansatzes können die auf § 2 ZPO und § 5 ZPO abstellenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht überzeugen. Das Additionsverbot stellt für die vorliegende Fallgestaltung gerade eine Ausnahme zu der gesetzlichen Regelung in § 5 Halbsatz 1 ZPO dar. Es ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern aus der Überlegung, daß eine Wertaddition bei der Berechnung des Streitwerts oder der Beschwer nicht ge-
rechtfertigt ist, wenn zwar mehrere Schuldner in Anspruch genommen werden und damit auch verschiedene Streitgegenstände vorliegen, die Leistung, auf die jeder (Gesamt-) Schuldner in Anspruch genommen werden kann, indes nur einmal zu bewirken ist und die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt (§§ 421 f. BGB). Da die mehreren in Anspruch genommenen Gesamtschuldner im Falle der Verurteilung insgesamt nicht mehr schulden als den eingeklagten Betrag (vgl. auch § 426 BGB), ist diese Überlegung auch für die Bewertung ihrer Beschwer maßgebend. Danach kann hier dahinstehen, ob § 5 ZPO auf die Berechnung der Rechtsmittelbeschwer überhaupt anwendbar ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. September 1994 - XII ZR 50/94 - NJW 1994, 3292; E. Schneider, NJW 1992, 2680 f.). Auch auf die in der Beschwerdebegründung herangezogenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dem Beschluß vom 27. Juni 2002 (V ZR 148/02, aaO, S. 2721) kommt es hier nicht an. Die Beschwerde ist demnach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, ganz oder teilweise für sich in Anspruch nimmt, ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits berechtigt, seinen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei dem Gericht geltend zu machen, vor dem der Rechtsstreit im ersten Rechtszug anhängig wurde.

Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.

(1) Die Klage muß innerhalb eines Monats nach der Beschlußfassung erhoben werden.

(2) Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Die Gesellschaft wird durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Klagt der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied, wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat, klagt ein Aufsichtsratsmitglied, wird sie durch den Vorstand vertreten.

(3) Zuständig für die Klage ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so entscheidet diese an Stelle der Zivilkammer. § 148 Abs. 2 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Die mündliche Verhandlung findet nicht vor Ablauf der Monatsfrist des Absatzes 1 statt. Die Gesellschaft kann unmittelbar nach Ablauf der Monatsfrist des Absatzes 1 eine eingereichte Klage bereits vor Zustellung einsehen und sich von der Geschäftsstelle Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Mehrere Anfechtungsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(4) Der Vorstand hat die Erhebung der Klage unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Ein Aktionär kann sich als Nebenintervenient nur innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung an der Klage beteiligen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 287/03
vom
6. Oktober 2004
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 6. Oktober 2004

beschlossen:
Die Gegenvorstellung der Prozeßbevollmächtigten des Klägers gegen den Senatsbeschluß vom 19. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:


Mit Beschluß vom 19. Mai 2004 hat der Senat die An träge des Klägers auf Bestellung eines Notanwalts und auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, ferner die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen. Den Streitwert hat der Senat für alle Instanzen auf 17.307,23 € festgesetzt. Gegen diese Festsetzung wendet sich die Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit ihrer Gegenvorstellung.
I. Zugrunde liegt folgendes:

1. Der Kläger hat vom beklagten Kaskoversicherer V ersicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 33.850 DM wegen des behaupteten Diebstahls seines Kraftfahrzeuges am 3. September 2000 gefordert. Anläßlich der Schadensmeldung hatte ihm die Beklagte zunächst ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von 32.000 DM (16.361,34 €) mit einer Laufzeit von zwölf Monaten gewährt. Es war vereinbart, daß dieses Darlehen auf Anforderung der Beklagten zurückzuzahlen war, ohne daß Gründe für die Rückforderung benannt zu werden brauchten. Das Darlehen sollte überdies sofort zur Rückzahlung fällig sein, wenn die abschließende Überprüfung des Schadensfalles durch die Beklagte ergäbe, daß dem Kläger kein Anspruch auf Versicherungsleistungen zustünde.
In der Folgezeit lehnte die Beklagte Versicherungs leistungen ab, weshalb der Kläger Klage auf die Feststellung erhob, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm eine Versicherungsleistung von 32.000 DM (16.361,34 €), das entspricht der Höhe des Darlehensbetrages, zu gewähren. Den restlichen Schadensbetrag forderte er mittels einer auf die Zahlung von 1.850 DM (945,89 €) gerichteten Leistungsklage ein. Widerklagend verlangte die Beklagte die Rückzahlung des Darlehens.
2. Der Senat ist bei der Streitwertfestsetzung dav on ausgegangen, daß der Feststellungsantrag und die Widerklage hier wirtschaftlich denselben Gegenstand betrafen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG a.F.), weshalb er bei der Streitwertfestsetzung insoweit lediglich den höheren Wert der Widerklage (16.361,34 €) in Ansatz gebracht hat. Zusammen mit dem Leistungsantrag des Klägers (945,89 €) ergab sich der festgesetzte Streitwert von 17.307,23 €.

II. Die Gegenvorstellung macht geltend, anders als ein auf die Rückforderung einer Vorschußleistung gerichteter Bereicherungsanspruch sei der mit der Widerklage verfolgte Darlehensrückzahlungsanspruch rechtlich unabhängig von einer Leistungsverpflichtung aus dem Versicherungsvertrag und betreffe daher einen anderen Gegenstand im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F. als der Feststellungsantrag des Klägers. Das zeige sich auch daran, daß im Darlehensvertrag ein Aufrechnungsverbot hinsichtlich des Darlehensrückzahlungsanspruchs vereinbart gewesen sei. Selbst ein Erfolg der Feststellungsklage habe daher den Darlehensrückzahlungsanspruch nicht zu Fall bringen können.
III. Das überzeugt nicht. Der Senat hält daran fes t, daß Feststellungs - und Widerklage hier denselben Gegenstand im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F. betreffen.
1. Die Werte von Klage und Widerklage werden nach § 19 Abs. 1 GKG a.F. zusammengerechnet, sofern die Ansprüche wirtschaftlich nicht denselben Gegenstand betreffen. Zweck der Vorschrift ist es, den Gebührenstreitwert niedrig zu halten, wenn die gemeinschaftliche Behandlung von Klage und Widerklage die Arbeit des Gerichts vereinfacht (Schneider, MDR 1977, 177, 180). Deshalb kommt es nicht auf den zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff an, von dem § 19 Abs. 1 GKG a.F. auch nicht spricht (BGH, Urteil vom 28. September 1994 - XII ZR 50/94 - NJW 1994, 3292 unter 3 b; Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 5 Rdn. 48; MünchKomm/Schwerdtfeger, ZPO, 2. Aufl. § 5 Rdn. 40). Der kostenrechtliche Gegenstandsbegriff der Vorschrift erfordert vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung hat grundsätz-

lich nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine "wirtschaftliche Werthäufung" entsteht (vgl. dazu BGH, Beschluß vom 29. Januar 1987 - V ZR 136/86 - NJW-RR 1987, 1148; Smid in Musielak, ZPO 3. Aufl. § 5 Rdn. 1 und 13), beide also nicht das wirtschaftlich identische Interesse betreffen (BGH, Beschluß vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 135/90 - NJW-RR 1991, 186; Schumann, NJW 1982, 2800, 2802).
Eine solche wirtschaftliche Identität von Klage un d Widerklage liegt nach der von der Rechtsprechung entwickelten "Identitätsformel" dann vor, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, daß das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrages nach sich zieht (BGHZ 43, 31, 33; RGZ 145, 164, 166; BGH, Beschluß vom 27. Februar 2003 - III ZR 115/02 - NJW-RR 2003, 713 unter II; Hartmann, Kostengesetze , 33. Aufl. § 19 GKG Rdn. 10; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozeß 11. Aufl. Rdn. 2625, 2626, 2630, 2631; Stein/Jonas /Roth aaO).
2. Bei der danach gebotenen wirtschaftlichen Betra chtung zeigt sich zunächst, daß alleiniger Anlaß für die Darlehensgewährung der vom Kläger zuvor mit der Schadensmeldung erhobene Anspruch auf Versicherungsleistungen war. Nur deshalb war vereinbart, daß das Darlehen zinslos gewährt wurde und sofort zurückzuzahlen war, wenn die Beklagte einen Anspruch auf Versicherungsleistungen nach abgeschlossener Sachprüfung verneinte. Wirtschaftlich ging es erkennbar darum, dem Kläger einen jederzeit zurückholbaren Vorschuß auf die beanspruchten

Versicherungsleistungen zu gewähren. Ein anderes Motiv für die Beklagte , dem Kläger ein Darlehen zu gewähren, ist nicht erkennbar. Die rechtliche Konstruktion einer Darlehensgewährung mit einem Verbot der Aufrechnung (gegen den Darlehensrückzahlungsanspruch) verfolgte allein den Zweck, den Versicherer von der Beweislast für den Wegfall des Rechtsgrundes zu befreien, die ihn bei einer Rückforderung einer normalen Vorschußzahlung nach Bereicherungsrecht getroffen hätte (vgl. dazu BGHZ 123, 217, 219 ff.).
Wegen dieser besonderen Zweckbestimmung der Darleh ensgewährung schließen sich die mit der Klage und der Widerklage verfolgten Ansprüche auch in der von der "Identitätsformel" beschriebenen Art und Weise gegenseitig aus. Denn wäre der Kläger mit seinem Feststellungsantrag durchgedrungen, stünde also fest, daß die Beklagte ihm wegen des Diebstahls seines Fahrzeuges Versicherungsleistungen in Höhe von 32.000 DM zu gewähren hätte, so hätte die Widerklage ungeachtet der im Darlehensvertrag vereinbarten Fälligkeitsregelungen und des Aufrechnungsverbots letztlich keinen Erfolg mehr haben können. Vielmehr hätte die Auslegung des Darlehensvertrages ergeben, daß die Rückforderung der Darlehenssumme jedenfalls im Falle einer Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Versicherungsleistungen in gleicher Höhe ausgeschlossen sein sollte. Denn daß die Frage der Darlehensrückzahlung nach dem Willen der Parteien nicht völlig von der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsfall abgekoppelt sein sollte, ergibt sich schon aus dem Anlaß der Darlehensgewährung sowie daraus, daß das Darlehen ungeachtet der vereinbarten zwölfmonatigen Laufzeit bei einer endgültigen Leistungsablehnung sofort zur Rückzahlung fällig sein sollte.

Auf die Frage, ob die Voraussetzungen der Identitä tsformel auch dadurch erfüllt wären, daß der Kläger bei Erfolg seines Feststellungsantrages der Beklagten den Arglisteinwand der Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr der 32.000 DM (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus sit, vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 242 Rdn. 52) hätte entgegenhalten können, kommt es danach nicht mehr an.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
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a) Das Berufungsgericht hat in der Sache sowohl über den Hauptantrag als auch über den Hilfsantrag der Widerklage entschieden. Der Wert des Hilfsantrages wird daher gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Wert des Haupt- antrages zusammengerechnet, wenn nicht beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Im letzteren Falle soll es den Prozessparteien gebührenrechtlich zugute kommen, dass das Gericht zwar über mehrere Anträge entscheiden muss, sich dafür aber im Wesentlichen auf die Beurteilung des gleichen Streitstoffes beschränken kann und dadurch Arbeitsaufwand erspart wird. Nach diesem Maßstab betreffen der auf Feststellung der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gerichteten Hauptantrag und der auf Mangelbeseitigung gerichteten Hilfsantrag den gleichen Gegenstand. Denn in beiden Fällen hängt die Entscheidung maßgeblich von der Beurteilung der Frage ab, ob in dem Schulbetrieb des Mitmieters ein Sachmangel der von dem Beklagten gemieteten Räume zu sehen ist. Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass eine Identität des Streitgegenstandes im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG vorliegt, wenn sich der Mieter auf der Grundlage des gleichen streitigen Mangels verschiedener Gewährleistungsansprüche - Minderung und Schadenersatz - berühmt (Senatsbeschluss vom 17. März 2004 - XII ZR 162/00 - NZM 2004, 423). Nichts anderes gilt unter den hier obwaltenden Umständen, in denen der Mieter wegen des gleichen Mangels die Berechtigung anderer mietrechtlicher Ansprüche - Erfüllung und Recht zur fristlosen Kündigung - zur gerichtlichen Überprüfung stellt. Maßgebend ist daher nur der höhere Wert des auf Beendigung des Mietverhältnisses gerichteten Feststellungsantrages.

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.