Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2011 - IX ZB 53/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren - an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Über das Vermögen des Schuldners ist am 23. August 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im Schlusstermin am 12. August 2010, an welchem der Schuldner wegen einer Erkrankung nicht teilnahm, beantragte der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubiger), die Restschuldbefreiung zu versa- gen. Der Schuldner sei seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens faktischer Geschäftsführer der P. GmbH gewesen, deren Anteile über weitere Gesellschaften treuhänderisch für den Schuldner gehalten würden. Die Gewinne, welche die P. GmbH erzielt habe, seien den Gläubigern vorenthalten worden. Im Januar 2010 sei der Schuldner förmlich zum Geschäftsführer der P. GmbH bestellt worden, was er jedoch erst im Juli 2010 auf vom Gläubiger veranlasste Nachfragen des Verwalters mitgeteilt habe. Weiter habe der Schuldner einen ihn begünstigenden Versicherungsvertrag sowie ein ihm gehörendes Grundstück verschwiegen.
- 2
- Das Insolvenzgericht hat die Restschuldbefreiung versagt. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner weiterhin die Aufhebung des Versagungsbeschlusses erreichen.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt in Verbindung mit der sofortigen Beschwerde zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.
- 4
- 1. Nach Ansicht des Insolvenzgerichts hat der Schuldner seine Auskunfts - und Mitwirkungspflichten dadurch mindestens grobfahrlässig verletzt, dass er seine Bestellung zum Geschäftsführer der P. GmbH im Januar 2010 nicht angezeigt habe; darauf, ob die weiteren vom Gläubiger vorgetrage- nen und glaubhaft gemachten Versagungsgründe vorlägen, komme es nicht an. Das Beschwerdegericht hat diese Annahme des Insolvenzgerichts gebilligt. Den Vortrag des Schuldners in der Beschwerdeschrift, er, der Schuldner, habe die Aufnahme der Tätigkeit als Geschäftsführer dem Insolvenzverwalter vorab mitgeteilt , hat es für verspätet und damit unbeachtlich gehalten, weil ein nachträgliches Bestreiten nach Aufhebung des Schlusstermins - jedenfalls aber im Beschwerdeverfahren - unzulässig sei.
- 5
- 2. In seiner Beschwerdebegründung vom 13. Oktober 2010 hat der Schuldner unter Beweisantritt vorgetragen, er habe den Insolvenzverwalter bereits am 2. Dezember 2009 über seine Absicht unterrichtet, sich zum Geschäftsführer der P. GmbH bestellen zu lassen. Die Zurückweisung dieses Vorbringens als verspätet hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Grundsätzlich hat sich der Schuldner zwar im Schlusstermin zu zulässigen Versagungsansträgen zu erklären (vgl. § 290 Abs. 1 InsO sowie BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009 - IX ZB 185/08, WM 2009, 619 Rn. 9 f; vom 10. Februar 2011 - IX ZB 237/09, WM 2011, 839 Rn. 6). Das Insolvenzgericht hat das krankheitsbedingte Fernbleiben des Schuldners jedoch als entschuldigt angesehen. Überdies hat der Bundesgerichtshof nach Erlass der vorinstanzlichen Beschlüsse entschieden, dass nachträgliche Erklärungen des Schuldners nur dann ausgeschlossen sind, wenn dieser rechtzeitig auf die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens oder der Nichterklärung zu Versagungsanträgen hingewiesen worden ist (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011, aaO Rn. 7 ff). Das war im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Konnte der Schuldner im Verfahren vor dem Insolvenzgericht Vortrag nachholen, gilt dies auch für das Beschwerdeverfahren ; denn die Beschwerde kann auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden (§§ 4 InsO, 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Beschwerdegericht hätte sich also mit dem Vorbringen des Schuldners befassen müssen.
III.
- 6
- Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (§ 572 ZPO analog; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2004 - IX ZB 161/03, BGHZ 160, 175, 185 f).
Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 22.09.2010 - 67g IN 318/06 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 06.01.2011 - 326 T 107/10 -
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(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn
- 1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, - 2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, - 3.
(weggefallen) - 4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat, - 5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, - 6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, - 7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.
(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.
(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.
(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.