Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2010 - IX ZB 53/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der weitere Beteiligte zu 1 ist Treuhänder in dem am 4. Mai 2009 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. In der Gläubigerversammlung am 16. Juli 2009 beantragte ein Bevollmächtigter der weiteren Beteiligten zu 2 (fortan: Gläubigerin), der zugleich für zwei weitere Gläubiger handelte, einen anderen Treuhänder zu bestellen. Bei der Abstimmung stimmten diese drei Gläubiger, die 82,6 % der Forderungsbeträge innehatten , für diesen Antrag, drei weitere Gläubiger stimmten dagegen. Der Bevollmächtigte der Gläubigerin beantragte sodann die Entlassung des Treuhän- ders aus wichtigem Grund, und zwar unter Hinweis darauf, dass eine Begründung nachgereicht werde. Nach schriftsätzlicher Bitte um Fristverlängerung begründete er den Antrag mit Schriftsätzen vom 24. Juli 2009, vom 29. September 2009 und vom 15. Oktober 2009.
- 2
- Mit Beschluss vom 12. November 2009 hat das Insolvenzgericht den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist als unzulässig verworfen worden. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen erreichen.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft. Voraussetzung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist, dass für den Rechtsbeschwerdeführer das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet war (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 54/04, NZI 2006, 239; v. 5. Februar 2009 - IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 Rn. 2; v. 25. Juni 2009 - IX ZB 84/08, Rn. 1). Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht (§ 6 Abs. 1 InsO).
- 4
- Das ist hier nicht der Fall. Zwar steht dann, wenn die Gläubigerversammlung die Entlassung des Treuhänders aus wichtigem Grund beantragt hat, jedem einzelnen Gläubiger die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags zu (§ 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 2 Satz 2 InsO). Vorliegend hat jedoch nicht die Gläubigerversammlung die Abberufung des Treuhänders beantragt. Vielmehr hat der Gläubiger (oder haben die drei durch dessen Bevoll- mächtigten vertretenen Gläubiger) den Antrag gestellt. Schon ein Antragsrecht des einzelnen Gläubigers ist in § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht vorgesehen. Der "Antrag" eines einzelnen Gläubigers stellt nicht mehr als eine Anregung an das Insolvenzgericht dar, von Amts wegen tätig zu werden. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, den Treuhänder nicht abzuberufen, gewährt die Insolvenzordnung nicht.
- 5
- Rechtsbeschwerde Die zieht nicht in Zweifel, dass die sofortige Beschwerde der Gläubigerin nach der Insolvenzordnung nicht statthaft war. Sie meint jedoch, dies sei auf Verfahrensfehler des Insolvenzgerichts zurückzuführen. Dieses sei verpflichtet gewesen, rechtzeitig in der Gläubigerversammlung darauf hinzuweisen, dass die Gläubigerversammlung über die Abberufung des Treuhänders beschließen müsse. Angesichts der Summenmehrheit, über die die drei Gläubiger verfügt hätten, wäre ein entsprechender Beschluss gefasst worden (vgl. § 76 Abs. 2 InsO). Der Verstoß gegen die Hinweispflicht verletze die Gläubigerin in eigenen Rechten. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) folge aus der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip
).
- 6
- Die Ansicht der Rechtsbeschwerde trifft nicht zu. Da die Gläubigerversammlung keinen Abberufungsantrag gestellt hat, steht den einzelnen Gläubigern kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts zu, den Treuhänder nicht abzuberufen. Von einem verfassungsrechtlich erheblichen Verfahrensverstoß des Insolvenzgerichts kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil über einen erst im Termin gestellten und überdies nicht begründeten Antrag nicht hätte beschlossen werden dürfen. § 59 InsO sieht keine "Abwahl" des Insolvenzverwalters oder Treuhänders vor, sondern eine Entlassung aus wichtigem Grund, dessen Vorliegen vom Insolvenzgericht auch dann zu prüfen ist, wenn die Gläubigerversammlung und nicht nur ein einzelner Gläubiger die Entlassung beantragt. Es steht dem Gläubiger im Übrigen frei, die Einberufung einer Gläubigerversammlung zu beantragen (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO ) und einen Beschluss nach § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO herbeizuführen.
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Rosenheim, Entscheidung vom 12.11.2009 - IK 136/09 -
LG Traunstein, Entscheidung vom 12.02.2010 - 4 T 406/10 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen. Die Entlassung kann von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters, des Schuldners, des Gläubigerausschusses, der Gläubigerversammlung oder eines Insolvenzgläubigers erfolgen. Auf Antrag des Schuldners oder eines Insolvenzgläubigers erfolgt die Entlassung nur, wenn dies innerhalb von sechs Monaten nach der Bestellung beantragt wird und der Verwalter nicht unabhängig ist; dies ist von dem Antragsteller glaubhaft zu machen. Vor der Entscheidung des Gerichts ist der Verwalter zu hören.
(2) Gegen die Entlassung steht dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu. Gegen die Ablehnung des Antrags steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu. Hat die Gläubigerversammlung den Antrag gestellt, steht auch jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.
(1) Die Gläubigerversammlung wird vom Insolvenzgericht geleitet.
(2) Ein Beschluß der Gläubigerversammlung kommt zustande, wenn die Summe der Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge der abstimmenden Gläubiger beträgt; bei absonderungsberechtigten Gläubigern, denen der Schuldner nicht persönlich haftet, tritt der Wert des Absonderungsrechts an die Stelle des Forderungsbetrags.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen. Die Entlassung kann von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters, des Schuldners, des Gläubigerausschusses, der Gläubigerversammlung oder eines Insolvenzgläubigers erfolgen. Auf Antrag des Schuldners oder eines Insolvenzgläubigers erfolgt die Entlassung nur, wenn dies innerhalb von sechs Monaten nach der Bestellung beantragt wird und der Verwalter nicht unabhängig ist; dies ist von dem Antragsteller glaubhaft zu machen. Vor der Entscheidung des Gerichts ist der Verwalter zu hören.
(2) Gegen die Entlassung steht dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu. Gegen die Ablehnung des Antrags steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu. Hat die Gläubigerversammlung den Antrag gestellt, steht auch jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.
(1) Die Gläubigerversammlung ist einzuberufen, wenn dies beantragt wird:
- 1.
vom Insolvenzverwalter; - 2.
vom Gläubigerausschuß; - 3.
von mindestens fünf absonderungsberechtigten Gläubigern oder nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, deren Absonderungsrechte und Forderungen nach der Schätzung des Insolvenzgerichts zusammen ein Fünftel der Summe erreichen, die sich aus dem Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungsbeträgen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ergibt; - 4.
von einem oder mehreren absonderungsberechtigten Gläubigern oder nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, deren Absonderungsrechte und Forderungen nach der Schätzung des Gerichts zwei Fünftel der in Nummer 3 bezeichneten Summe erreichen.
(2) Der Zeitraum zwischen dem Eingang des Antrags und dem Termin der Gläubigerversammlung soll höchstens drei Wochen betragen.
(3) Wird die Einberufung abgelehnt, so steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu.
(1) Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen. Die Entlassung kann von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters, des Schuldners, des Gläubigerausschusses, der Gläubigerversammlung oder eines Insolvenzgläubigers erfolgen. Auf Antrag des Schuldners oder eines Insolvenzgläubigers erfolgt die Entlassung nur, wenn dies innerhalb von sechs Monaten nach der Bestellung beantragt wird und der Verwalter nicht unabhängig ist; dies ist von dem Antragsteller glaubhaft zu machen. Vor der Entscheidung des Gerichts ist der Verwalter zu hören.
(2) Gegen die Entlassung steht dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu. Gegen die Ablehnung des Antrags steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu. Hat die Gläubigerversammlung den Antrag gestellt, steht auch jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.