Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2011 - IX ZB 246/10
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27. Januar 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Verwalter berufen. Am 23. März 2009 bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 2 zum Sonderinsolvenzverwalter mit dem Aufgabenkreis "Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter zugunsten der Masse".
- 2
- Im Anschluss an die Gläubigerversammlung vom 21. April 2010 hat die Schuldnerin den zuständigen Richter am Amtsgericht B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Amtsgericht hat das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt die Schuldnerin, ihrem Begehren stattzugeben.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, weil sie weder nach dem Gesetz allgemein eröffnet (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch vom Beschwerdegericht zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Statthaftigkeit kann entgegen der Auffassung der Schuldnerin nicht aus § 7 InsO hergeleitet werden.
- 4
- 1. Nach dieser Vorschrift findet "gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde" die Rechtsbeschwerde statt. Der sofortigen Beschwerde unterliegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen, in denen die Insolvenzordnung dies vorsieht (§ 6 Abs. 1 InsO). Die Rechtsbeschwerde ist folglich nur dann statthaft, wenn eine Entscheidung über die sofortige Beschwerde im Sinne des § 6 Abs. 1 InsO angefochten wird, also die Befugnis zur sofortigen Beschwerde im Streitfall ausdrücklich vorgesehen ist (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - IX ZB 599/02, NZI 2004, 40 f). Voraussetzung der Rechtsbeschwerde ist danach, dass die ihr vorausgegangene sofortige Beschwerde auf Vorschriften der Insolvenzordnung beruht. Findet die sofortige Beschwerde hingegen ihre Rechtsgrundlage in außerhalb der Insolvenzordnung angesiedelten Bestimmungen, ist eine dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde nur kraft ausdrücklicher Zulassung statthaft (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2007 - IX ZB 32/06, ZInsO 2008, 95 Rn. 6).
- 5
- 2. So verhält es sich im Streitfall.
- 6
- Rechtsgrundlage für die sofortige Beschwerde der Schuldnerin bildete nicht § 6 Abs. 1 InsO. Die von dieser Norm in Bezug genommenen Vorschriften sehen kein Rechtsmittel nach Abweisung eines Befangenheitsgesuchs vor. Vielmehr eröffnet die nach § 4 InsO anwendbare Vorschrift des § 46 Abs. 2 ZPO den Beschwerderechtszug. Danach findet gegen einen Beschluss, durch den ein Befangenheitsgesuch für unbegründet erklärt wurde, die sofortige Beschwerde statt. Mithin handelt es sich bei der hier angegriffenen Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs der Sache nach um eine Entscheidung außerhalb des Insolvenzverfahrens. Darum ist eine Rechtsbeschwerde nur kraft ausdrücklicher Zulassung (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) statthaft (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2004 - IX ZB 272/03, Rn. 1; vom 22. Februar 2007 - IX ZA 40/06, Rn. 1; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 4 Rn. 44 b; FK-InsO/ Schmerbach, 6. Aufl. § 4 Rn. 52; Uhlenbruck/I. Pape, InsO 13. Aufl. § 4 Rn. 7). Da es hier an der gebotenen Zulassung fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2004 - II ZB 24/03, WM 2005, 76, 77; vom 13. November 2008 - IX ZB 231/07, NJW-RR 2009, 210 Rn. 7), ist die Rechtsbeschwerde unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Stralsund, Entscheidung vom 07.09.2010 - 14 IN 821/03 -
LG Stralsund, Entscheidung vom 17.11.2010 - 2 T 270/10 -
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Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, weil sie weder nach dem Gesetz allgemein eröffnet noch vom Beschwerdegericht im Einzelfall zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 1 ZPO). Sie kann insbesondere nicht auf § 7 InsO gestützt werden, weil sie keinen insolvenzspezifischen Gegenstand hat, sondern zivilprozessualer Natur ist; sie wendet sich gegen die Zurückweisung der Ablehnung eines Richters am Amtsgericht (vgl. Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung /Kirchhof, 3. Aufl. § 4 Rn. 5).
Da die Rechtsbeschwerde aussichtslos ist, kommt die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht in Betracht (§ 114 ZPO).
Beschwerdewert: 3.000
Kreft Ganter Raebel
Kayser
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beschwerdewert: 1.265.000,00 €
Gründe:
I. Die beiden Klägerinnen sind Aktionäre der Beklagten. Ihre Anfechtungs - und Nichtigkeitsklage gegen mehrere Hauptversammlungsbeschlüsse der Beklagten wurde in erster Instanz unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landgericht P. abgewiesen, den sie zuvor erfolglos als befangen abgelehnt hatten; ihre sofortige Beschwerde (§ 46 Abs. 2 ZPO) ist von dem 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter Dr. G. und die Richter F. und Dr. B. zurückgewiesen worden. Nach Einlegung der Berufung der Klägerinnen gegen das erstinstanzliche Urteil ist die Streithelferin, die ebenfalls Aktionärin der Beklagten ist, dem - nunmehr bei dem 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts anhängigen - Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 16. Mai 2003 beigetreten. Unter Ziff. 5 der "Begründung" zu ihrem Beru-
fungsantrag hat sie "die im bisherigen Verfahren tätigen Richter ... als befangen abgelehnt". Auf die Mitteilung des Berufungsgerichts durch den Senatsvorsitzenden Dr. G. vom 2. Juli 2003, daß die Zurückweisung der Berufung durch Beschluß gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt sei, erklärte die Streithelferin mit Schriftsätzen vom 8. und 21. Juli 2003, daß ihr Ablehnungsgesuch sich auch auf ihn sowie die Richter F. und Dr. B. erstreckt habe und die drei Richter u.a. wegen Verstoßes gegen § 47 ZPO erneut abgelehnt würden. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 6. August 2003 (unter Mitwirkung anderer Richter) die Ablehnungsgesuche vom 8. und 21. Juli 2003 zurückgewiesen und festgestellt, daß der Schriftsatz der Streithelferin vom 16. Mai 2003 kein Ablehnungsgesuch gegen die Richter des Berufungsgerichts enthalte. Dagegen richtet sich die - von dem Oberlandesgericht nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde der Klägerinnen, die am 15. September 2003 bei dem Bundesgerichtshof eingegangen ist.
II. Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen.
1. Eine Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde kraft ausdrücklicher Gesetzesbestimmung (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) scheidet hier aus, weil § 46 Abs. 2 ZPO als Rechtsmittel gegen einen Beschluß, durch den ein Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, nur die sofortige Beschwerde vorsieht; auch diese ist jedoch gemäß § 567 Abs. 1 ZPO gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts - unter Einschluß solcher gemäß § 46 ZPO - nicht statthaft (vgl. Musielak/Smid, ZPO 3. Aufl. § 46 Rdn. 4; ebenso zu § 567 Abs. 4 ZPO a.F. BGH, Beschl. v. 17. September 1986 - IVa ZB 106/86, NJW-RR 1987, 191; Beschl. v. 3. Februar 1993 - XII ZB 9/93, NJW-RR 1993, 644). Davon abgesehen wäre die Frist gemäß § 569 Abs. 1 ZPO hier nicht gewahrt. Ebensowenig ist die Rechtsbe-
schwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat.
2. Ein Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist im Gesetz nicht vorgesehen und verfassungsrechtlich auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (NJW 2003, 1924 ff.) nicht geboten.
a) Ein Instanzenzug ist von Verfassungs wegen nicht garantiert (BVerfG aaO S. 1924). Aus dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch folgt zwar das Gebot einer zumindest einmaligen Kontrolle der Einhaltung von Verfahrensgrundrechten , insbesondere derjenigen gemäß Art. 101 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG; jedoch muß diese Kontrolle nicht zwingend durch eine höhere Instanz erfolgen (BVerfG aaO S. 1926). Demgemäß ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, daß über ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit eines oder mehrerer Richter eines Oberlandesgerichts durch andere Richter dieses Gerichts abschließend entschieden wird und eine nochmalige Überprüfung dieses Gesuchs durch ein Rechtsmittelgericht nicht stattfindet (vgl. BGH, Beschl. v. 3. Februar 1993 aaO). Da § 557 Abs. 2 ZPO auch eine entsprechende Inzidentprüfung durch das Revisionsgericht im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die von den erfolglos abgelehnten Richtern getroffene Hauptsacheentscheidung ausschließt (vgl. BGHZ 95, 302, 306), ist es - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - ohne Belang, ob die Hauptsacheentscheidung ihrerseits anfechtbar oder - wie hier - durch unanfechtbaren Beschluß gemäß § 522 Abs. 2 ZPO getroffen worden ist.
b) Eine "außerordentliche" Beschwerde neben den in den Verfahrensgesetzen normierten Rechtsmitteln kommt nicht in Betracht, weil die Zulassung
solcher Rechtsbehelfe gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit verstieße (BGH, Beschl. v. 14. Juli 2004 - XII ZB 268/03, z.V.b.; BGH, Beschl. v. 7. März 2002 - IX ZB 11/02, WM 2002, 775 f.).
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe