Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2010 - IX ZB 201/08

bei uns veröffentlicht am08.06.2010
vorgehend
Amtsgericht München, 1506 IN 934/02, 25.01.2008
Landgericht München I, 14 T 5293/08, 09.06.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 201/08
vom
8. Juni 2010
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 8. Juni 2010

beschlossen:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 9. Juni 2008 - 14 T 5293/08 - wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 9. Juni 2008 - 14 T 5293/08 - wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Das Insolvenzgericht hat das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin mit Beschluss vom 25. Januar 2008 mangels Masse eingestellt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin mit Beschluss vom 9. Juni 2008 zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am 25. Juni 2008 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2008 hat der Verfahrensbevollmächtigte beim Oberlandesgericht München Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde gestellt und diesen mit Schriftsatz vom 10. Juli 2008 näher begründet. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Zivilsenats des Oberlandesgerichts hat den Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 4. August 2008 darauf hingewiesen , dass die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde in § 7 InsO nicht mehr vorgesehen sei. Der angeführte Beschluss unterliege vielmehr der innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof einzulegenden Rechtsbeschwerde. Da die Akten zunächst nicht vorgelegen hätten, habe die Unzulässigkeit des Antrags erst jetzt festgestellt werden können. Die Schuldnerin hat daraufhin den Antrag beim Oberlandesgericht zurückgenommen. Mit Schriftsatz eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts hat sie am 1. September 2008 beim Bundesgerichtshof Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts eingelegt und wegen der Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.


2
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig. Er wurde insbesondere rechtzeitig innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gestellt , weil der zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin glaubhaft gemacht hat, erst nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 18. August 2008 Kenntnis von dem Schreiben des Oberlandesgerichts vom 4. August 2008 erlangt zu haben.

3
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Schuldnerin war nicht ohne Verschulden gehindert, die Notfrist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten (§ 233 Abs. 1 ZPO). Sie muss sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen, der nicht beachtet hat, dass nach der zum 1. Januar 2002 erfolgten Änderung des § 7 InsO an die Stelle des beim Oberlandesgericht zu stellenden Antrags auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde die beim Bundesgerichtshof einzulegende Rechtsbeschwerde getreten ist.
4
a) Vergeblich beruft sich die Schuldnerin auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs in Fällen, in denen die Rechtsmittelschrift an ein unzuständiges Gericht gerichtet war. Nach dieser Rechtsprechung hat ein Gericht, das erstinstanzlich mit der Sache befasst war, einen bei ihm eingereichten fristgebundenen Schriftsatz für das Rechtsmittelverfahren aufgrund seiner aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Pflicht zu einer fairen Verfahrensgestaltung im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Geht der Schriftsatz so zeitig bei dem Ausgangsgericht ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Gericht im üblichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Ein Verschulden der Partei oder ihres Bevollmächtigten wirkt sich dann nicht mehr aus (BVerfGE 93, 99, 115 f; BVerfG NJW 2001, 1343; NJW 2005, 2137, 2138; BGHZ 151, 42, 44). Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine leicht und einwandfrei als fehlgeleitet erkennbare Rechtsbehelfsschrift bei einem bisher nicht befasst gewesenen Gericht eingeht und dessen Unzuständigkeit deshalb offensichtlich ist (BVerfG NJW 2006, 1579 Rn. 9).

5
b) Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
6
aa) Der zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin hat nicht den gesetzlich statthaften Rechtsbehelf bei einem dafür offensichtlich unzuständigen Gericht eingereicht, sondern einen gesetzlich nicht mehr vorgesehenen Rechtsbehelf bei dem Gericht, das für einen solchen Rechtsbehelf früher zuständig gewesen ist. Eine rechtzeitige Weiterleitung des Schriftsatzes allein hätte nicht genügt, um die Frist zu wahren. Selbst wenn der Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde in eine Rechtsbeschwerde hätte umgedeutet werden können, hätte der Schriftsatz von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein müssen. Es hätte daher eines Hinweises an den Verfahrensbevollmächtigten auf die geänderte Rechtslage bedurft. Zu einem frühzeitigen Hinweis dieser Art war das Oberlandesgericht unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet. Neben der verfassungsrechtlich gebotenen fairen Verfahrensgestaltung ist zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss. Die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht werden überspannt, wenn den Parteien und ihren Bevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und den unzuständigen Gerichten übertragen wird. Regelmäßig sind unzuständige Gerichte daher nicht verpflichtet, die Partei oder ihren Bevollmächtigten telefonisch oder per Telefax innerhalb der laufenden Frist davon zu unterrichten, dass ein fristgebundener Schriftsatz beim unzuständigen Gericht eingereicht wurde (BVerfG NJW 2001, 1343; BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 138/05, AnwBl 2006, 213; v. 15. Dezember 2005 - VI ZB 15/05, AnwBl 2006, 212; Zöller /Greger, ZPO 28. Aufl. § 233 Rn. 22c).
7
bb) Eine Verpflichtung des Gerichts zu einem unverzüglichen Hinweis kann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn ein fristgebundener Schriftsatz an einem leicht erkennbaren, offensichtlichen Formmangel, etwa an einer fehlenden Unterschrift, leidet (BGH, Beschl. v. 14. Oktober 2008 - VI ZB 37/08, NJW-RR 2009, 564, 565 Rn. 10). Damit ist der vorliegende Fall aber nicht vergleichbar. Die Rechtsbehelfsschrift litt nicht an einem Formmangel. Eine generelle Verpflichtung zur sofortigen Prüfung der Zuständigkeit beim Eingang einer Rechtsmittelschrift lässt sich aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte nicht ableiten (BVerfG NJW 2006, 1579; BGH, Beschl. v. 18. März 2008 - VIII ZB 4/06, NJW 2008, 1890, 1891 Rn. 11). Dass der die Sache bearbeitende Richter des Oberlandesgerichts zunächst den Eingang der mit dem Vermerk "Eilt sehr!" beim Beschwerdegericht angeforderten Akten abwartete , bevor er die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs prüfte, ist deshalb von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

III.


8
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzu- lässig zu verwerfen. Die Schuldnerin hat die Fristen zu ihrer Einlegung (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und Begründung (§ 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO) versäumt.
Ganter Gehrlein Vill
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 25.01.2008 - 1506 IN 934/02 -
LG München I, Entscheidung vom 09.06.2008 - 14 T 5293/08 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2005 - VI ZB 15/05

bei uns veröffentlicht am 22.11.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 15/05 vom 22. November 2005 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie die Rich

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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 15/05
vom
22. November 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2005 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. Februar 2005 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 82.596 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat gegen das am 23. September 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts München I vom 8. September 2004 am 25. Oktober 2004 Berufung eingelegt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. November 2004 bat er um Fristverlängerung zur Berufungsbegründung bis zum 23. Dezember 2004. Der Schriftsatz war an das Landgericht München I zur Geschäftsnummer des erstinstanzlichen Verfahrens gerichtet und ging dort per Fax am 23. November 2004 ein. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle leitete den Fristverlängerungsantrag am selben Tag an das Oberlandesgericht München weiter. Dort ging das Schriftstück am 24. November 2004 ein. Am 26. November 2004 wurde der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wegen verspäteter Antragsstellung zurückgewiesen.
2
Mit einem am 9. Dezember 2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz stellte der Kläger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und begründete gleichzeitig seine Berufung. Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Die Frist zur Begründung der Berufung sei am 23. November 2004 abgelaufen. Eine Fristverlängerung habe nicht mehr gewährt werden können, weil der Antrag beim Oberlandesgericht erst nach Fristablauf eingegangen sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei als unbegründet zurückzuweisen gewesen, weil der Kläger nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Ohne Auswirkung auf das Verschulden des Klägers sei es, dass der beim Landgericht eingegangene Fristverlängerungsantrag mit normaler Gerichtspost weitergeleitet und demgemäß erst am nächsten Tag beim zuständigen Oberlandesgericht eingegangen sei. Die Geschäftsstelle des Landgerichts sei nicht verpflichtet gewesen, für den Kläger eilige, ggf. telefonische Vorabklärungen durchzuführen und den Antrag per Telefax an das Oberlandesgericht weiterzuleiten.
3
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger fristgemäß Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist begründet.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 575 Abs. 1, 2, 238 Abs.2 Satz 1 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Entge- gen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Dem Berufungsgericht ist weder ein Rechtsfehler von symptomatischer Bedeutung unterlaufen noch verletzt die angefochtene Entscheidung den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).
5
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass ein unzuständiges Gericht, das - wie hier - vorher mit der Sache befasst gewesen ist, verpflichtet ist, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geschieht dies tatsächlich nicht, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht. Mit dem Übergang des Schriftsatzes in die Verantwortungssphäre des zur Weiterleitung verpflichteten Gerichts wirkt sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - juris; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - VersR 1998, 608, 609; Beschlüsse vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170, 1171; vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - juris; vgl. auch BVerfGE 93, 99, 114 f.). Zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs besteht dagegen keine Verpflichtung. Insbesondere ist auch ein mit der Sache im vorausgegangenen Rechtszug befasst gewesenes Gericht nicht verpflichtet, die Partei oder ihre Prozessbevollmächtigten innerhalb der Berufungsfrist durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung der Berufung beim unzuständigen Gericht zu unterrichten (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1343; Senatsbeschluss vom 28. Januar 2003 - VI ZB 29/02 - aaO; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - aaO; BAG, NJW 1998, 923, 924; BFH, BFH/NV 2005, 563, 564).
Andernfalls würde den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und den hierfür nicht zuständigen Gerichten übertragen. Damit würden die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht überspannt.
6
Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden, weil der beim unzuständigen Gericht eingegangene Fristverlängerungsantrag im ordentlichen Geschäftsgang sofort weitergeleitet worden ist, allerdings beim Berufungsgericht nicht mehr innerhalb der Frist eingehen konnte.

III.

7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.09.2004 - 9 O 17682/02 -
OLG München, Entscheidung vom 03.02.2005 - 1 U 5086/04 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.