Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - IX ZB 139/11

bei uns veröffentlicht am15.12.2011
vorgehend
Amtsgericht Trier, 23 IN 47/11, 02.03.2011
Landgericht Trier, 6 T 37/11, 30.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 139/11
vom
15. Dezember 2011
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Vill als Vorsitzenden
, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann und die Richter Dr. Fischer
und Dr. Pape
am 15. Dezember 2011

beschlossen:
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Schuldnerin auferlegt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der weitere Beteiligte zu 1, ein früherer Arbeitnehmer der Schuldnerin, beantragte am 1. März 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen. Er behauptete, den Lohn für die Monate September 2010 bis Januar 2011 überwiegend nicht erhalten zu haben.
2
Mit Beschluss vom 2. März 2011 hat das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 2 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und weitere Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Die Schuldnerin hat zunächst Rechtsbeschwerde eingelegt und diese begründet. Sodann ist der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen worden. Die Schuldnerin hat das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, dem weiteren Beteiligten zu 1 die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

II.


3
Unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, der Schuldnerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen (§ 91a ZPO analog Art. 103 f Satz 1 EGInsO). Die Rechtsbeschwerde war nach § 21 Abs. 1 Satz 2, §§ 6, 7 InsO aF, § 4 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie war jedoch unzulässig. Die Rechtssache hatte keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderte eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
4
Die Rechtsbeschwerde hat sich auf den Zulässigkeitsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung berufen (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) und eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) beanstandet, weil die Schuldnerin vor Erlass des Beschlusses vom 2. März 2011 keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Diese Rüge war nicht berechtigt. Vor einer Haftanordnung ist der Schuldner zu hören (§ 21 Abs. 3 Satz 1 InsO). Im Übrigen ist dem Schuldner vor der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen rechtliches Gehör zu gewähren, wenn dadurch der Sicherungszweck nicht gefährdet wird (HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl., § 21 Rn. 52, 54 mwN). Unabhängig davon, ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt war, ist das rechtliche Gehör im Abhilfeverfahren vor dem Insolvenzgericht und im Beschwerdeverfahren nachgeholt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2003 - IX ZB 373/02; vom 16. Oktober 2003 - IX ZB 475/02, ZVI 2004, 24, 25; vom 9. Juli 2009 - IX ZB 35/09, NZI 2009, 604 Rn. 11).
5
Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 InsO, auf welche die Rechtsbeschwerde sich beruft, ändert im Ergebnis nichts. Nach § 14 Abs. 2 InsO hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören, wenn der Eröffnungsantrag zulässig ist. Das heißt jedoch nicht, dass die Anhörung vor dem Erlass der Sicherungsmaßnahmen zu erfolgen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Sicherungsmaßnahmen bereits angeordnet werden, bevor die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags abschließend geprüft worden ist (BGH, Beschluss vom 22. März 2007 - IX ZB 164/06, NZI 2007, 344 Rn. 9). An dieser Rechtsprechung hat sich das Beschwerdegericht orientiert. Es verstieß auch nicht gegen Verfahrensgrundrechte, den Anspruch des weiteren Beteiligten zu 1 als hinreichend glaubhaft gemacht anzusehen. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslohn, insbesondere das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im fraglichen Zeitraum, standen außer Streit. Die Schuldnerin hat demgegenüber ohne nähere Erläuterungen erklärt, der Anspruch bestehe nicht, und hat sich zudem auf weder im Einzelnen dargelegte noch glaubhaft gemachte Gegenansprüche aus Unterschlagung berufen. Die Forderung des weiteren Beteiligten zu 1 bildete nicht zugleich den Insolvenzgrund, so dass sie nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden musste (vgl. hierzu BGH, Be- schluss vom 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493; vom 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, WM 2006, 1632, 1633; vom 29. März 2007 - IX ZB 141/06, NZI 2007, 408 Rn. 7).
Vill Raebel Lohmann
Fischer Pape

Vorinstanzen:
AG Trier, Entscheidung vom 02.03.2011 - 23 IN 47/11 -
LG Trier, Entscheidung vom 30.03.2011 - 6 T 37/11 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - IX ZB 139/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - IX ZB 139/11

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - IX ZB 139/11 zitiert 10 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

Insolvenzordnung - InsO | § 21 Anordnung vorläufiger Maßnahmen


(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme

Insolvenzordnung - InsO | § 14 Antrag eines Gläubigers


(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - IX ZB 139/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - IX ZB 139/11 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2007 - IX ZB 164/06

bei uns veröffentlicht am 22.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 164/06 vom 22. März 2007 in dem Insolvenzeröffnungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 14 Abs. 1, § 21 a) Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen setzt grundsätzlich einen zulässi

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2009 - IX ZB 35/09

bei uns veröffentlicht am 09.07.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 35/09 vom 9. Juli 2009 in dem Insolvenzverfahren Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Vill, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape am 9. Ju

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05

bei uns veröffentlicht am 29.06.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 245/05 vom 29. Juni 2006 in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 14 a) Ein Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnung

Referenzen

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Das Gericht kann insbesondere

1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden;
2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Das Gericht kann insbesondere

1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden;
2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.

11
Das rechtliche Gehör konnte jedoch im Abhilfeverfahren vor dem Insolvenzgericht und im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 3. April 2003 - IX ZB 373/02; v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 475/02, ZVI 2004, 24, 25; vgl. auch MünchKomm-InsO/Graeber, 2. Aufl. § 59 Rn. 57; Vallender in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. S. 249, 268 Rn. 62). Diese Nachholung ist auch erfolgt. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts beruht deshalb nicht auf der gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs.

(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

9
(1) Das Insolvenzgericht, bei dem ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eingeht, hat - wie schon nach der Konkursordnung - in einem ersten Prüfungsschritt der Frage nachzugehen, ob der Antrag zulässig ist. Dies ist der Fall, wenn er von einem Antragsberechtigten gestellt ist und die Verfahrensvoraussetzungen wie die Zuständigkeit des Gerichts und die Insolvenzverfahrensfähigkeit des Schuldners gegeben sind. Bei dem Antrag eines Gläubigers ist nach § 14 Abs. 1 InsO zusätzlich erforderlich, dass ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung besteht und der Eröffnungsgrund und der Anspruch des Gläubigers glaubhaft gemacht sind. Die Begründetheit des Antrags setzt zusätzlich voraus, dass der Eröffnungsgrund vom Gericht festgestellt (§ 16 InsO) und eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden ist (vgl. § 26 Abs. 1 InsO). Dieser zweite Prüfungsschritt kann eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Nach der Vorstellung der Gesetzesbegründung sollte das Insolvenzgericht deshalb die Möglichkeit erhalten, Maßnahmen anzuordnen , durch die eine zwischenzeitliche Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners vermieden wird (vgl. Amtliche Begründung zu § 25 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 115). Nach dem Wortlaut des § 21 InsO ist die Anord- nung allerdings nicht an die Zulässigkeit des Insolvenzantrags geknüpft. Entgegen der Empfehlung des Ersten Berichts der Kommission für Insolvenzrecht (Leitsatz 1.2.3 Abs. 1) hat der Gesetzgeber auf dieses Kriterium verzichtet (vgl. Haarmeyer ZInsO 2001, 203, 204). Die strikte Bindung an die Bewertung des Insolvenzantrags als zulässig erscheint auch problematisch, weil die Zulassung des Antrags keine förmliche Zwischenentscheidung darstellt. Sie wird auch nicht stets in den Akten vermerkt. Zudem entbindet der Übergang des Insolvenzgerichts zur Hauptprüfung nicht von der Verpflichtung, Bedenken gegen die Zulässigkeit - nicht zuletzt aufgrund neuen Vortrags des Schuldners - im weiteren Verfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Juni 2006 - IX ZB 214/05, ZIP 2006, 1456). Ergeben sich nachträglich Zweifel, könnte bei einem solchen Verständnis ein Anspruch auf Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen bestehen, obwohl der zugrunde liegende Antrag weder abweisungsreif erscheint noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Aufhebung der Maßnahmen gebietet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 245/05
vom
29. Juni 2006
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund
glaubhaft macht, hat regelmäßig ein rechtliches Interesse an der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens.

b) Beruht die Forderung des antragstellenden Gläubigers auf einem gegenseitigen
Vertrag, entfällt das rechtliche Interesse des Gläubigers an der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens nicht im Hinblick auf das Wahlrecht eines
künftigen Insolvenzverwalters aus § 103 InsO.

c) Hat der antragstellende Gläubiger, dessen Forderung zugleich den Insolvenzgrund
bildet, den ihm obliegenden Beweis durch Vorlage eines vollstreckbaren
Titels geführt, können Einwendungen des Schuldners gegen die
Forderung oder gegen die Vollstreckbarkeit des Titels regelmäßig nur in den
für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden.
BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter, Vill
und Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer
am 29. Juni 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. August 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde – an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Mit notariellem Vertrag vom 22. Juni 1997 verkaufte die weitere Beteiligte (fortan: Gläubigerin) der Schuldnerin ein Grundstück zum Preis von 175.000.000 DM. Die Schuldnerin unterwarf sich wegen aller Zahlungsansprüche aus dem Vertrag der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde sollte auch ohne Nachweis der Fälligkeit der geschuldeten Leistung erteilt werden können. Die Gläubigerin erhielt eine entsprechende vollstreckbare Ausfertigung. Unter dem 10. Oktober 1998 teilte der Notar mit, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen hinsichtlich der ersten Kaufpreisrate von 75.000.000 DM (= 38.346.891 Euro) vor- lägen. Die Schuldnerin zahlte nicht. Ein Zwangsvollstreckungsversuch im Januar 2004 verlief erfolglos.
2
Am 14. Juli 2004 hat die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Die Schuldnerin hat demgegenüber die Fälligkeit der Kaufpreisforderung bestritten und behauptet, der Gläubigerin gehe es nur darum, sich vom Vertrag zu lösen. Das Amtsgericht hat den Insolvenzantrag als unzulässig abgewiesen, weil die Schuldnerin glaubhaft gemacht habe, dass die titulierte Forderung nicht fällig sei. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin weiter.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Ansicht der Schuldnerin ist die Rechtsbeschwerde ausreichend begründet worden (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Zwar ist eine kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde unzulässig, wenn mit ihrer Begründung nur gegen einen von zwei selbstständig tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung die Zulässigkeitsvoraussetzungen dargelegt werden (BGH, Beschl. v. 29. September 2005 – IX ZB 430/02, WM 2006, 59, 60). Auch ohne die zunächst fehlende, erst nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 575 Abs. 2 ZPO) nachgereichte Seite 7 genügt die Beschwerdebegründung der Gläubigerin diesen Anforderungen jedoch. Sie legt schlüssig und substantiiert (vgl. BGHZ 152, 7, 8 f) Zulässigkeitsgründe (§ 574 Abs. 2 ZPO) hinsichtlich beider Begründun- gen dar, auf die das Beschwerdegericht die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gestützt hatte.
4
In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
5
Das 1. Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Gläubigerin habe kein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie sei dadurch ausreichend geschützt, dass sie noch Eigentümerin des verkauften Grundstücks sei, also über ausreichende Sicherheiten dagegen verfüge, das Grundstück zu verlieren, ohne den Kaufpreis zu erhalten. Außerdem könne sie den Kaufpreisanspruch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht durchsetzen. Gemäß § 103 InsO stehe nur dem Verwalter das Recht zu, die Erfüllung des Kaufvertrages zu verlangen; die Gläubigerin könne dessen Entscheidung nur abwarten. Im vorliegenden Fall würde der Verwalter voraussichtlich die Erfüllung des Vertrages ablehnen. Das Insolvenzverfahren sei folglich für die Gläubigerin wirtschaftlich sinnlos.
6
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
a) Gemäß § 14 Abs. 1 InsO ist der Antrag eines Gläubigers nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat. Das Tatbestandsmerkmal "rechtliches Interesse" ist eingefügt worden, um sicherzustellen, dass nur solche Gläubiger Anträge stellen, die im Falle der Eröffnung als Insolvenzgläubiger am Verfahren beteiligt wären, und um missbräuchlichen Anträgen vorzubeugen, die etwa zu dem Zweck gestellt werden, Zahlungen solventer, aber zahlungsunwilliger Schuldner zu erzwingen (amtliche Begründung zu § 16 Reg.-E., BT-Drucks. 12/2443, S. 113). In aller Regel wird einem Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon wegen des staatlichen Vollstreckungsmonopols nicht abgesprochen werden können (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Schmahl, § 14 Rn. 41). Da die Gläubigerin auf dem Standpunkt steht, dass die vertraglichen Voraussetzungen für die Abwicklung des Vertrages erfüllt sind, und die Weigerung der Antragsgegnerin auf einen Mangel an Zahlungsmittel zurückführt, ist ihr zunächst das rechtliche Interesse nicht abzusprechen, das dafür vorgesehene Verfahren einzuschlagen, also einen Insolvenzantrag zu stellen.
8
b) Dass die Gläubigerin noch Eigentümerin des verkauften Grundstücks ist, lässt ihr rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nicht entfallen. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre die Gläubigerin mit ihrer Forderung auf Zahlung der ersten Kaufpreisrate Insolvenzgläubigerin. Es ginge also zunächst nicht um eine Aussonderung des Grundstücks (§ 47 InsO). Die vom Beschwerdegericht für maßgeblich gehaltene Frage einer Sicherung gegen den Verlust des Eigentums am Grundstück ohne Gegenleistung stellt sich derzeit nicht.
9
c) Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 Abs. 1 InsO steht einem rechtlichen Interesse der Gläubigerin ebenfalls nicht entgegen. Gemäß § 103 Abs. 1 InsO hat zwar allein der Verwalter das Recht zu entscheiden, ob ein vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Vertrag durchgeführt werden soll oder nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Gläubigerin wirtschaftlich sinnlos wäre. Entweder der Verwalter wählt die Erfüllung des Vertrages.
Dann hat er anstelle des Schuldners den Vertrag zu erfüllen; die Gläubigerin erhält die vertraglich vereinbarte Gegenleistung aus der Masse. Oder der Verwalter lehnt die Erfüllung des Vertrages ab. Dann kann dem anderen Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung des Vertrages zustehen, die er als Insolvenzgläubiger geltend zu machen, also zur Tabelle anzumelden hat (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO). Auch in diesem Fall wäre die Gläubigerin also Insolvenzgläubigerin und als solche am Insolvenzverfahren beteiligt. Die zwischen der Gläubigerin und der Schuldnerin streitige Frage, ob auch die Gläubigerin vertragliche Pflichten verletzt und dadurch die Durchführung des Vertrags vereitelt hat, wäre gegebenenfalls im Prozesswege zu klären.
10
3. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben; die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Für die erneute Entscheidung weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:
11
a) Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 – IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493). Den ihr obliegenden Beweis hat die Gläubigerin jedoch mit der Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Kaufvertrages geführt. Im eröffneten Verfahren obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt (§ 179 Abs. 2 InsO). Diese Wertung gilt auch im Eröffnungsverfahren. Die Schuldnerin hätte ihre Einwendungen gegen die titulierte Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit in den für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren überprüfen lassen können (etwa §§ 732, 767, 768 ZPO; vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 12 f). Das hat sie nicht getan. Das Insolvenzgericht kann diese Prüfung – von offensichtlichen Fällen einmal abgesehen – nicht nachholen. Ebenso wie es nicht Sache des Insolvenzgerichts ist, den Bestand ernsthaft bestrittener, rechtlich zweifelhafter Forderungen zu überprüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005, aaO), obliegt es ihm nicht, rechtlich oder tatsächlich zweifelhaften Einwänden gegen eine titulierte Forderung nachzugehen.
12
b) Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 Satz 1 InsO). Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist ein Antrag nicht erst dann, wenn unerlaubte Zwecke verfolgt werden, sondern bereits dann, wenn es dem Antragsteller um die Erreichung anderer Ziele als desjenigen der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger geht (Jaeger/Gerhardt, InsO § 14 Rn. 4). Insbesondere dient das Insolvenzverfahren nicht der Beendigung eines lästigen Vertragsverhältnisses (BGH, Urt. v. 22. Mai 1962 – VI ZR 256/61, WM 1962, 929, 930; OLG Oldenburg MDR 1955, 175, 176; Jaeger/Gerhardt, aaO). Die tatsächlichen Voraussetzungen des Missbrauchseinwands hat jedoch derjenige glaubhaft zu machen, der sich auf ihn beruft. Der Umstand allein, dass der hier streitige Vertrag bisher nicht durchgeführt werden konnte, wird den Schluss auf ein insolvenzzweckwidriges Verhalten nicht rechtfertigen können. Grundsätzlich ist es Sache des Gläubigers zu entscheiden , ob er sich von einem Vertrag löst oder aber seine Forderung nach wie vor durchzusetzen versucht.
Ganter Vill Cierniak Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.10.2004 - 500 IN 85/04 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.08.2005 - 25 T 16/05 -