Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2013 - IX ZB 107/12
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 4 InsO, § 114 Satz 1 ZPO).
- 2
- 1. Die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage nach der Versagung der Restschuldbefreiung im schriftlichen Verfahren, insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss neuen Vorbringens, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - IX ZB 237/09, WM 2011, 839 Rn. 7 ff; vom 22. September 2011 - IX ZB 133/10, NZI 2011, 861 Rn. 7) ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten. Hat ein Schlusstermin stattgefunden, kann nachgereichtes Vorbringen des Schuldners nur zurückgewiesen werden, wenn dieser rechtzeitig und deutlich auf die Folgen unzureichender Erklärungen hingewiesen worden ist. Im schriftlichen Verfahren muss dem Schuldner eine Erklärungsfrist zum Versagungsantrag des Gläubigers gesetzt werden (vgl. Vallender, VIA 2009, 1, 3). Im Hinblick auf das Grundrecht des Schuldners auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren (Art. 103 Abs. 1 GG) muss er zugleich hinreichend deutlich auf die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen werden. Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner hier nur eine Frist zur Stellungnahme gesetzt, ihn aber nicht über die Folgen einer Versäumung der Frist oder einer unzureichenden Stellungnahme belehrt.
- 3
- Das Beschwerdevorbringen hätte daher verwertet werden müssen. Dieser Fehler hat sich jedoch nicht ausgewirkt. Das neue Vorbringen hätte der Beschwerde im Ergebnis nicht zum Erfolg verholfen (§ 114 ZPO). Das gilt insbesondere hinsichtlich des vagen, in sich widersprüchlichen und mit früheren Erklärungen des Schuldners selbst nicht in Einklang zu bringenden Vortrags dazu, ein als Zeuge benannter Bekannter des Schuldners sei beauftragt worden, dem Verwalter die neue Anschrift des Schuldners mitzuteilen. Der Schuldner hat überdies nicht vorgetragen, die Erledigung des behaupteten Auftrags kontrolliert zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2013 - IX ZB 208/11, ZVI 2013, 278 Rn. 8).
- 4
- 2. Die vom Beschwerdegericht weiter aufgeworfene Frage, innerhalb welcher Frist ein Wohnungswechsel mitzuteilen ist und wie sich die Frist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit darzustellen habe, bedarf ebenfalls keiner grundsätzlichen Klärung. Die Mitteilung eines Wohnsitzwechsels und die Angabe der aktuellen Einkünfte gehören zu den Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners (§ 97 InsO), bei deren vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Nichterfüllung dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt werden kann (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO; vgl. BGH, Beschluss vom 15. November2007 - IX ZB 159/06, nv Rn. 10; vom 3. Juli 2008 - IX ZB 181/07, ZInsO 2008, 975 Rn. 8; vom 14. Januar 2010 - IX ZB 21/07, nv Rn. 3; vom 26. April 2012 - IX ZB 274/11, nv Rn. 2). Die fehlende Mitwirkung muss sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und nennenswerte Auswirkungen auf das Verfahren gehabt haben (BGH, Beschluss vom 3. Juli 2008, aaO Rn. 9). Diese Voraussetzungen sind hier ohne weiteres erfüllt. Der Schuldner, der zu einem nicht näher mitgeteilten Zeitpunkt zu Beginn des Jahres 2011 umgezogen ist, hat sich erst im Dezember 2011 beim Insolvenzgericht gemeldet, nachdem der weitere Beteiligte zu 2 über einen Arbeitskollegen Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. In der Zwischenzeit hatte nicht nur der weitere Beteiligte zu 2 vergeblich Nachforschungen am früheren Wohnsitz und an der Arbeitsstelle des Schuldners angestellt. Auch mehrere Beschlüsse des Insolvenzgerichts konnten nicht zugestellt werden. Eine Anfrage des Insolvenzgerichts beim Einwohnermeldeamt war erfolglos geblieben, so dass schließlich die öffentliche Zustellung der Beschlüsse angeordnet werden musste. Eine Versagung der Restschuldbefreiung ist unter diesen Umständen nicht unverhältnismäßig.
Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Mühlhausen, Entscheidung vom 05.07.2012 - 8 IN 41/07 -
LG Mühlhausen, Entscheidung vom 08.10.2012 - 2 T 178/12 -
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Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wirdauf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 6, 7 aF, § 300 Abs. 3 Satz 2 InsO, Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft, aber nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert. Die Rechtsbeschwerdebegründung deckt einen solchen Zulässigkeitsgrund nicht auf.
- 2
- 1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kommt es auf die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Fragestellung, ob der Gläubigerin das erfor- derliche Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen ist, weil sie ihre Forderung trotz Erteilung der Restschuldbefreiung gegen den Schuldner nach § 302 Nr. 1 InsO durchsetzen könne, nicht an. Der Schuldner hat dem Forderungsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung widersprochen; dieser Widerspruch des Schuldners wurde in der Insolvenztabelle vermerkt. Solange der Widerspruch nicht beseitigt ist, ist die Forderung der Gläubigerin wie eine nicht ausgenommene Forderung zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, NZI 2007, 416 Rn. 11; vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 41/10, ZInsO 2011, 39 Rn. 7 f; Pape in Pape/Uhländer, InsO, § 302 Rn. 29).
- 3
- 2. Das Beschwerdegericht hat auch nicht die von der Rechtsprechung geforderte Prüfung versäumt, ob die Versagung der Restschuldbefreiung unverhältnismäßig ist. Allerdings führen ganz geringfügige Pflichtverletzungen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung. Dies wird regelmäßig dann angenommen, wenn der Schuldner die unterlassene Auskunft von sich aus nachholt, bevor sein Fehlverhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 142/11, ZInsO 2011, 1223 Rn. 5). Der Schuldner hat die Sachverhalte, wegen derer ihm die Restschuldbefreiung versagt worden ist, jedoch nicht selbst offenbart. Die Existenz der Lebensversicherungen hat der Insolvenzverwalter selbst ermittelt, das Bankschließfach wurde dem Insolvenzverwalter durch den Hinweis eines Insolvenzgläubigers bekannt (vgl. BGH, aaO Rn. 7). Damit scheidet eine Heilung des Verstoßes aus, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch kein wirksamer Versagungsantrag gestellt war (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - IX ZB 99/09, ZInsO 2011, 447 Rn. 2; vom 10. März 2011 - IX ZB 198/09, nv Rn. 3).
- 4
- 3. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 4 InsO, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Hechingen, Entscheidung vom 29.03.2011 - 10 IN 147/04 - IN 152/04 -
LG Hechingen, Entscheidung vom 29.06.2011 - 3 T 31/11 -
(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.
(2) Der Schuldner hat den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen.
(3) Der Schuldner ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen.
(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn
- 1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, - 2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, - 3.
(weggefallen) - 4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat, - 5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, - 6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, - 7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.
(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.