Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2007 - IV ZR 288/06

bei uns veröffentlicht am20.06.2007
vorgehend
Landgericht Köln, 16 O 772/05, 31.03.2006
Oberlandesgericht Köln, 15 U 70/06, 07.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 288/06
vom
20. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert
, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. November 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 958.507,99 €

Gründe:


1
Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben.
2
I. Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung nach § 597 Abs. 1 ZPO getroffen und ein Sachurteil erlassen. Auf die besonderen Verfahrensvoraussetzungen des § 597 Abs. 2 ZPO und die hierauf bezogenen Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde kommt es mithin nicht an.
3
Eine Verletzung von Hinweispflichten durch das Berufungsgericht ist nicht erkennbar. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Klägerin vom 29. September 2006 zeigt, dass seitens des Berufungsgerichts zutreffende Hinweise (§ 139 Abs. 1 ZPO) gegeben worden sind, auf die die Klägerin mit entsprechendem Vortrag reagiert hat, den das Berufungsgericht berücksichtigt, indes als nicht entscheidungserheblich angesehen hat. Die weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandungen hat der Senat - auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG - geprüft und als nicht durchgreifend erachtet.
4
II. Auch im Übrigen erweist sich das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis als richtig. Die Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist durch die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs geklärt. Die Gesellschafter der beschränkt rechtsfähigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften kraft Gesetzes für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich und mit ihrem gesamten Privatvermögen (BGHZ 142, 315, 318; 146, 341, 350). Ein einseitiger Ausschluss oder eine einseitige Beschränkung dieser gesetzlichen Haftung durch eine dahingehende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag ist - auch wenn damit eine entsprechende Beschränkung der Vertretungsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers verbunden sein soll - grundsätzlich ausgeschlossen ; es bedarf vielmehr einer ausdrücklichen individualvertraglichen Vereinbarung mit dem Gläubiger (BGHZ 150, 1, 3; 142 aaO, 319 ff.), an der es hier ersichtlich fehlt. Fragen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht stellen sich somit nicht, da der Gesellschafter B. in Ausübung seiner organschaftlichen (Allein-)Vertretungsmacht gehandelt hat, die auf die Gesellschaft zugeschnitten und zu der die Haftung der Gesellschafter entsprechend § 128 HGB lediglich Annex ist. Jedoch sind die Voraussetzungen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht gegeben, deren Grundsätze auch für die organschaftliche Vertretung gelten (vgl. nur PWW/Frensch, BGB 2. Aufl. § 164 Rdn. 68). Da der für die Zedentin handelnde Geschäftsführer unstreitig den Inhalt des Gesellschaftsvertrages und insbesondere die Regelungen unter § 8 kannte, waren ihm - ebenso wie dem für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelnden Gesellschafter B. - die für das Innenverhältnis geltenden Einschränkungen positiv bekannt, der Missbrauch der Vollmacht durch den Abschluss des Darlehensvertrages, ohne zugleich eine Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen herbeizuführen, mithin evident.
5
III. Ein zustimmender Gesellschafterbeschluss, der die erforderliche Genehmigung des schwebend unwirksamen Geschäftes (§ 177 Abs. 1 BGB; BGHZ 141, 357, 364) beinhalten könnte, ist nicht vorgetragen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe den Darlehensvertrag gekannt und - in Ersetzung eines ausdrücklichen Gesellschafterbeschlusses - gebilligt, sei unsubstantiiert , ist nicht zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung von Hinweispflichten kann dahinstehen, weil kein erheblicher Vortrag dargetan wird, den die Klägerin auf einen unterstellten gerichtlichen Hinweis hin nachgeschoben hätte. Eine konkludente Billigung durch den Beklagten ist schließlich nicht in der Unterzeichnung der Jahresabschlüsse der Gesellschaft zu sehen, in denen zwar Verbindlichkeiten der Zedentin gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgewiesen sind, aber nicht als (umgewandelte) Darlehensverbindlichkeiten erkennbar werden. Die Klägerin kann auch nicht damit argumentieren, der Beklagte habe die Geschäfte über Jahre "laufen lassen" und alles dem Gesellschafter B. überantwortet. Das bedeutet zwar, dass der Beklagte sei- ne Alleinvertretungsbefugnis, wie sie für ihn gemäß § 8 des Gesellschaftsvertrages bestand, nicht ausgeübt hat, lässt aber nicht zugleich den Schluss zu, der Beklagte habe sich der in § 8 enthaltenen, für das Innenverhältnis geltenden Schutzmechanismen begeben wollen.
6
Weiter ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, dass sich der Vortrag der Klägerin zu den umgewandelten Verbindlichkeiten nicht ansatzweise nachvollziehen lässt. Er erlaubt keine Feststellungen darüber, der Beklagte habe dem Gesellschafter B. - in einer die Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs ausräumenden Weise - zugestanden, über die aus § 8 des Gesellschaftsvertrages ersichtlichen Beschränkungen hinaus Verbindlichkeiten zu Lasten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und - vor allem - zu Lasten seines privaten Vermögens zu begründen.
7
IV. Nicht zuzustimmen ist der Nichtzulassungsbeschwerde zudem darin, das Berufungsgericht habe sich "in unhaltbarer Weise" einer Prüfung bereicherungsrechtlicher Ansprüche entzogen. Das streitbefangene Darlehen ist der Klägerin zufolge das Ergebnis einer Umwandlung bestehender Verbindlichkeiten gemäß den §§ 488 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB. Ist die Umwandlung unwirksam, leben die umgewandelten Verbindlichkeiten wieder auf. Das Vorbringen der Klägerin unterstellt, resultieren diese aus "Finanzspritzen" und Ablösungen anderweit bestehender Verbindlichkeiten. Im Innenverhältnis der Zedentin zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts liegt dem ein Auftrag oder eine Geschäftsbesorgung zugrunde , denn die Klägerin behauptet nicht, die Zedentin habe sich ungefragt in Angelegenheiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemischt. Die daraus folgenden Aufwendungsersatzansprüche könnten nur Erfolg haben, wenn nachvollziehbarer Vortrag zu den "Finanzspritzen" bzw. den abgelösten Verbindlichkeiten vorläge. Davon ist jedoch - wie dargelegt - nicht auszugehen. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 31.03.2006 - 16 O 772/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 07.11.2006 - 15 U 70/06 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 488 Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag


(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit da

Handelsgesetzbuch - HGB | § 128


Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 177 Vertragsschluss durch Vertreter ohne Vertretungsmacht


(1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab. (2) Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Gene

Zivilprozessordnung - ZPO | § 597 Klageabweisung


(1) Insoweit der in der Klage geltend gemachte Anspruch an sich oder infolge einer Einrede des Beklagten als unbegründet sich darstellt, ist der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen. (2) Ist der Urkundenprozess unstatthaft, ist insbesondere ein dem

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Insoweit der in der Klage geltend gemachte Anspruch an sich oder infolge einer Einrede des Beklagten als unbegründet sich darstellt, ist der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen.

(2) Ist der Urkundenprozess unstatthaft, ist insbesondere ein dem Kläger obliegender Beweis nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt, so wird die Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft abgewiesen, selbst wenn in dem Termin zur mündlichen Verhandlung der Beklagte nicht erschienen ist oder der Klage nur auf Grund von Einwendungen widersprochen hat, die rechtlich unbegründet oder im Urkundenprozess unstatthaft sind.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.

(1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab.

(2) Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) Die vereinbarten Zinsen sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuzahlen ist, bei der Rückzahlung zu entrichten.

(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.