Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2018 - IV ZR 229/18

published on 21/11/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2018 - IV ZR 229/18
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Landgericht Neubrandenburg, 4 O 87/14, 15/03/2017
Oberlandesgericht Rostock, 3 U 32/17, 18/12/2017

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 229/18
vom
21. November 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:211118BIVZR229.18.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann am 21. November 2018
beschlossen:
Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 18. Dezember 2017 gewährt.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die Revision gegen den vorgenannten Beschluss zugelassen , soweit mit ihr der Antrag auf Stundung des Pflichtteils weiterverfolgt wird.
Der vorgenannte Beschluss wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihres Antrags auf Stundung des Pflichtteils zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 11.800 €

Gründe:


1
I. Die Kläger nehmen als Pflichtteilsberechtigte nach ihrem am 11. September 2012 verstorbenen Vater die Beklagte, dessen Enkelin und Alleinerbin, auf Zahlung in Anspruch.
2
Wesentlicher Vermögenswert des Nachlasses ist ein bebautes Grundstück, das nunmehr durch die Beklagte und ihre Familie zu Wohnzwecken genutzt wird. Mit ihrer Klage haben die Kläger unter anderem ihren Pflichtteil aus dem Wert des Grundstücks verlangt. Die Beklagte hat Klageabweisung und hilfsweise Stundung des Pflichtteils beantragt.
3
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage unter anderem dazu verurteilt, an die beiden Kläger je- weils 29.500 € als Pflichtteilzu zahlen, sowie den Antrag der Beklagten auf Stundung des Pflichtteils abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es, soweit es den Stundungsantrag betrifft, ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Stundung der Pflichtteilsansprüche nach § 2331a BGB nicht vorlägen. Unter Abwägung der jeweiligen Parteiinteressen hätte die Beklagte, die bei Eintritt der Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs noch nicht in dem Objekt gewohnt habe, dieses gegebenenfalls verwerten müssen, um die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche sicherzustellen, zumal ihr unstreitig ein seriöses und über dem sachverständig ermittelten Sachwert des Objekts liegendes Kaufangebot vorgelegen habe.
4
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten , mit der sie entsprechend der eingeschränkten Prozesskostenhilfe- bewilligung aus dem Senatsbeschluss vom 12. September 2018 nur noch den Stundungsantrag weiterverfolgt.
5
II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren, weil sie nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat fristgerecht sowohl die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt als auch begründet hat (§§ 233, 234 Abs. 1 und 2 ZPO).
6
2. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit darin die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihres Stundungsantrags zurückgewiesen worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht einen Teil des Beklagtenvortrags übergangen und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
7
a) Das Berufungsgericht begründet seine Ansicht, dass die Beklagte das Nachlassgrundstück zur Erfüllung der Pflichtteilsansprüche hätte verwerten müssen, auch damit, dass ihr unstreitig ein seriöses und über dem sachverständig ermittelten Sachwert des Objekts liegendes Kaufangebot vorgelegen habe. Die Beklagte hat jedoch die entsprechende Behauptung der Kläger zu diesem Kaufangebot bereits in ihrer Klageerwiderung (dort Seite 6) bestritten. Zuletzt hat sie das Bestreiten in ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts (dort Seite
4) wiederholt. Dies hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, son- dern seiner Entscheidung den bestrittenen Klägervortrag zugrunde gelegt.
8
b) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Berufungsgericht gemäß § 2331a Abs. 1 BGB vorgenommene Interessenabwägung zwischen Erbin und Pflichtteilsberechtigten ohne die vermeintlich unstreitige Verwertungsmöglichkeit für das Nachlassgrundstück zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 15.03.2017- 4 O 87/14 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 18.12.2017- 3 U 32/17 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Der Erbe kann Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.

(2) Für die Entscheidung über eine Stundung ist, wenn der Anspruch nicht bestritten wird, das Nachlassgericht zuständig. § 1382 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend; an die Stelle des Familiengerichts tritt das Nachlassgericht.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Erbe kann Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.

(2) Für die Entscheidung über eine Stundung ist, wenn der Anspruch nicht bestritten wird, das Nachlassgericht zuständig. § 1382 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend; an die Stelle des Familiengerichts tritt das Nachlassgericht.