Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2019 - IV ZR 190/18

bei uns veröffentlicht am08.05.2019
vorgehend
Landgericht Köln, 19 O 124/17, 14.12.2017
Oberlandesgericht Köln, 21 U 66/17, 02.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 190/18
vom
8. Mai 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:080519BIVZR190.18.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Lehmann und Dr. Götz am 8. Mai 2019
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Juli 2018 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe:


1
I. Der Kläger ist praktischer Arzt. Am 5. Mai 1995 beantragte er bei der P. N. L. AG (im Folgenden kurz: der Versicherer) den Abschluss einer so genannten Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung seiner bei ihm angestellten Lebenspartnerin als versicherter Person (im Folgenden kurz: die Versicherte). Nach dem Antrag sollte im Erlebensfall die Versicherte und im Falle ihres Todes ihre Tochter aus erster Ehe bezugsberechtigt sein.
2
Unter dem 23. Oktober 1995 gaben der Kläger und die Versicherte gegenüber dem Versicherer eine vorformulierte Erklärung zum Bezugsrecht ab. Nach deren Inhalt sollte der versicherte Arbeitnehmer sowohl für den Erlebensfall als auch für den Todesfall unwiderruflich bezugsberechtigt sein und die Versicherungsleistung im Todesfall in erster Linie "an den überlebenden Ehegatten" zu zahlen sein. Am 2. November 1995 heirateten der Kläger und die Versicherte.
3
Das Arbeitsverhältnis der Versicherten in der Praxis des Klägers endete im Jahre 2001. Die Ehe wurde 2009 geschieden. Am 14. Juli 2010 schlossen die geschiedenen Eheleute eine notarielle Scheidungsvereinbarung , in der u.a. geregelt ist, dass der Kläger sämtliche Versicherungsprämien bis zur Fälligkeit der Betriebsrente weiter trägt und die Versicherte die ihr als Versicherungsnehmerin bei Fälligkeit zustehenden Rechte an den Kläger überträgt.
4
Im Mai 2016 heiratete die Versicherte den Beklagten; sie verstarb am 5. Dezember 2016.
5
Der Versicherer zahlte die Versicherungsleistung in Höhe von 47.036,78 € im April 2017 an den Beklagten aus, da er diesen als bezugsberechtigt ansah.
6
Der Kläger meint, er sei bezugsberechtigt gewesen, und nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung auf Auskehrung der Versicherungsleistung in Anspruch.
7
Das Landgericht hat der Klage, gestützt auf § 816 Abs. 2 BGB, bis auf einen Teilbetrag von 365,55 €, hinsichtlich dessen der Entreiche- rungseinwand Erfolg habe, stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
8
II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Bestimmung des Bezugsrechts vom 23. Oktober 1995 sei so zu verstehen, dass mit "überlebender Ehegatte" der Ehemann der Versicherten zum Todeszeitpunkt gemeint sei.
9
Zwar mögen der Kläger und die Versicherte subjektiv angesichts ihrer geplanten und neun Tage später vollzogenen Eheschließung die Vorstellung gehabt haben, hiermit den Kläger zu begünstigen. Das sei dem Versicherer aber nicht erkennbar gemacht worden. Vielmehr seien im Versicherungsantrag jeweils zutreffend der Familienstand des Klägers mit "ledig" und der der Versicherten mit "geschieden" angegeben. Dass der Versicherer von der bevorstehenden Heirat gewusst habe, behaupte der Kläger selbst nicht.
10
Außerdem hätten sich beide gegenüber dem Versicherer niemals als Ehepaar, sondern als Arbeitgeber und Arbeitnehmerin im Rahmen einer Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung erklärt. Bei einer solchen Versicherung liege aus dem objektiven Empfängerhorizont des Versicherers nahe, dass der Arbeitgeber mit der Versicherung zugunsten des Arbeitnehmers soziale Zwecke verfolge und regelmäßig das Versorgungsinteresse der Hinterbliebenen des Arbeitnehmers schützen wolle.
11
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
12
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
13
1. Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass es sich bei der Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung um eine solche handelt, die von den Umständen des Einzelfalles abhängig ist. Entgegen seiner Auffassung bedarf es aber auch keiner weiteren "Klarstellung der maßgeblichen Auslegungsgrundsätze" zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Diese Grundsätze sind durch die Senatsurteile vom 14. Februar 2007 (IV ZR 150/05, VersR 2007, 784) und 22. Juli 2015 (IV ZR 437/14, VersR 2015, 1148) hinreichend geklärt. Sie sind vom Berufungsgericht auch ohne Abweichung im Grundsätzlichen angewendet worden. Eine darüber hinausgehende Klärung ist weder erforderlich noch möglich, da die Frage, ob Umstände vorliegen, die eine Abweichung von der nach den Senatsentscheidungen regelmäßig gebotenen Auslegung gebieten, jeweils nur aufgrund einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles erfolgen kann. Diese obliegt dem Tatrichter.
14
Sonstige Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO sind ebenfalls nicht ersichtlich.
15
2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Revisionsrechtlich beachtliche Auslegungsfehler des Berufungsgerichts liegen nicht vor.
16
Es hat seiner Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung zutreffend zugrunde gelegt, dass es für diese Auslegung auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung und auf den dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachten Willen des Versicherungsnehmers ankommt (Senatsurteil vom 22. Juli 2015 aaO Rn. 14 m.w.N.).
17
Des Weiteren ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zur Ermittlung des zum Ausdruck gebrachten Willens auch den Charakter der Versicherung als betriebliche Altersvorsorge berücksichtigt hat (vgl. auch Senatsurteil vom 29. Januar 1981 - IVa ZR 80/80, BGHZ 79, 295 juris Rn. 20). Gerade wegen dieses Zwecks der Versicherung liegt es ausgesprochen nahe, dass mit dem "überlebenden Ehegatten" der Ehegatte im Zeitpunkt des Todes der Versicherten gemeint sein sollte, wenn es - wie im Streitfall und anders als in dem Fall, der dem Senatsurteil vom 22. Juli 2015 zugrunde lag - im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung einen Ehegatten nicht gibt. Entgegen der Auffassung der Revision erschließt sich auch nicht, warum der im Todeszeitpunkt vorhandene Ehegatte nicht als Hinterbliebener des Arbeitnehmers anzusehen sein soll, dessen Versorgung durch die Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung auch gesichert werden sollte. Auch im Sozialrecht haben Witwer nach dem Tod der versicherten Ehefrau grundsätzlich Anspruch entweder auf die kleine oder große Witwerrente (§ 46 Abs. 1 und 2 SGB VI). Dass dieser Anspruch in der Regel ausgeschlossen ist, wenn die Ehe noch kein Jahr bestanden hat (§ 46 Abs. 2a SGB VI; vgl. auch Senatsurteil vom 22. Juli 2015 aaO Rn. 22), ändert an dem grundsätzlichen Zweck einer Hinterbliebenenversorgung durch die Versicherung - wie er bei ihrem Abschluss beabsichtigt war- nichts.
18
Ebenso rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, dass ein abweichender Wille der Versicherten dahin, mit der Bezugsrechtsbestimmung gleichwohl nur eine ganz bestimmte Person, nämlich den Kläger, zu begünstigen, weil die Eheschließung mit ihm unmittelbar bevorstand, für den Versicherer nicht erkennbar war. Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre gegenteilige Auffassung auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm in VersR 2018, 596. Denn in jenem Fall war die Klägerin bei Abgabe der Erklärung - anders als im Streitfall - mit dem Versicherungsnehmer verheiratet.
Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
Lehmann Dr. Götz

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 14.12.2017- 19 O 124/17 -
OLG Köln, Entscheidung vom 02.07.2018 - 21 U 66/17 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 46 Witwenrente und Witwerrente


(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 816 Verfügung eines Nichtberechtigten


(1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so triff

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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so trifft die gleiche Verpflichtung denjenigen, welcher auf Grund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt.

(2) Wird an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.