Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2011 - IV ZR 166/10

bei uns veröffentlicht am27.06.2011
vorgehend
Landgericht Hannover, 23 O 98/07, 22.04.2009
Oberlandesgericht Celle, 8 U 97/09, 01.07.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 166/10
vom
27. Juni 2011
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, die Richterinnen
Harsdorf-Gebhardt und Dr. Brockmöller
am 27. Juni 2011

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 1. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der durch die Nichtzulassungsbeschwerde verursachten Kosten der Streithelfer der Beklagten zu tragen.
Gegenstandswert: bis 125.000 €

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
2
1. Die von ihr aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen zur Reichweite des Versicherungsschutzes und der damit in Zusammenhang stehenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind durch das Se- natsurteil vom 25. Mai 2011 (IV ZR 117/09, veröffentlicht in juris), dem derselbe Versicherungsvertrag zugrunde lag, geklärt.
3
Danach ist nur Bargeld - nicht hingegen Buch- oder Giralgeld - gegen typische Transportrisiken bei und während des Werttransports bis zu dessen Abschluss versichert. Eingeschlossen werden zwar Verluste und Schäden, die aus einer Unterschlagung im Sinne von § 246 Abs. 1 StGB oder einer Veruntreuung im Sinne von § 246 Abs. 2 StGB (veruntreuende Unterschlagung) folgen. Nicht versichert sind dagegen Schäden, die lediglich aus einer Untreue nach § 266 StGB resultieren. Ebenso wenig ist die vertragliche Haftung für den gesamten Transportbetrieb der Versicherungsnehmerin im Sinne einer Haftpflichtversicherung vom Versicherungsschutz umfasst (Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 31 ff., 35 ff.). Das vorliegende Verfahren gibt insofern keinen Anlass für Abweichungen oder Ergänzungen.
4
2. Da die Revision im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Blick auf die vom Senat erst danach geklärten Rechtsfragen noch hätte zugelassen werden müssen, waren die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision auch im Übrigen zu prüfen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02, VersR 2005, 809 unter II 2 m.w.N.), jedoch zu verneinen, weil das angefochtene Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin enthält.
5
a) Das Beschwerdevorbringen zur Reichweite des Versicherungsschutzes und zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast kann aus den im Senatsurteil vom 25. Mai 2011 (IV ZR 117/09 aaO Rn. 21 f., 41 ff.) genannten Gründen keinen Erfolg haben. Verfahrensgrundrechte der Beschwerdeführerin (insbesondere aus Art. 103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht insoweit nicht verletzt.
6
b) Einen Bargeldverlust im versicherten Zeitraum (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 50) hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
7
aa) Der Behauptung der Beklagten, das transportierte Bargeld sei auftragsgemäß bei einer Filiale der Deutschen Bundesbank abgeliefert und dort auf ein für die Versicherungsnehmerin geführtes Konto eingezahlt worden, hat die Klägerin nicht substantiiert widersprochen. Sie hat nur dargelegt, das betreffende Bargeld sei der Versicherungsnehmerin zum Transport übergeben worden, und sich im Übrigen darauf beschränkt , den Vortrag der Beklagten zum weiteren Ablauf - zum Teil mit Nichtwissen - zu bestreiten. Ergänzend hat die Klägerin lediglich die Vermutung geäußert, das Geld könne bereits vor der Einzahlung auf ein Konto der Versicherungsnehmerin verschwunden sein. Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügt.
8
bb) Ein den Versicherungsfall begründender Verlust des Transportguts lässt sich nicht feststellen.
9
Ebenso wie in der durch das Senatsurteil vom 25. Mai 2011 entschiedenen Sache ergibt auch die vom Berufungsgericht ohne Rechtsfehler vorgenommene Auslegung der hier maßgeblichen Bedingungen des Transportvertrages zwischen der Klägerin und der Versicherungsnehmerin , dass es Letzterer nicht untersagt war, transportiertes Geld im so genannten kontogebundenen Überweisungsverfahren (Pooling-Ver- fahren) zunächst auf ein für sie bei der Deutschen Bundesbank eingerichtetes Konto verbuchen zu lassen.
10
Der von der Klägerin behauptete Verlust ist erst dadurch eingetreten , dass nachfolgend anstehende Überweisungen auf ihr Konto pflichtwidrig unterblieben sind. Darin liegt aber kein stofflicher Zugriff auf transportiertes Bargeld, sondern lediglich ein treuwidriger Umgang mit - nach Ende des Versicherungsschutzes nicht mehr versichertem - Buchgeld.
11
cc) Ob ein Versicherungsfall auch deshalb zu verneinen gewesen wäre, weil nach der Behauptung der Beklagten das von der Versicherungsnehmerin praktizierte Pooling-Verfahren von der Klägerin über eine längere Zeit hingenommen wurde, kann offen bleiben.
12
c) Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin auch nicht aufgrund der von der Beklagten abgegebenen Versicherungsbestätigungen zu (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 aaO Rn. 68).
13
d) Einen eigenständigen Schadensersatzanspruch der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der von der Beklagten ausgestellten Versicherungsbestätigungen , mit vertretbarer Begründung abgelehnt. Anhaltspunkte für eine willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG) oder unter Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) getroffene Entscheidung bestehen nicht.
14
e) Auf die von der Beklagten erklärte Arglistanfechtung kommt es nach allem nicht mehr an.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 22.04.2009- 23 O 98/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 01.07.2010 - 8 U 97/09 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2011 - IV ZR 166/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2011 - IV ZR 166/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2011 - IV ZR 166/10 zitiert 6 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 246 Unterschlagung


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Ist in

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2011 - IV ZR 166/10 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2011 - IV ZR 166/10 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Mai 2011 - IV ZR 117/09

bei uns veröffentlicht am 25.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 117/09 Verkündetam: 25.Mai2011 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AVB.

Referenzen

21
1. Durch den Vertrag über eine Valorenversicherung ist nur das von der H. -Gruppe transportierte Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers; nicht vom Versicherungsschutz erfasst ist dagegen Buch- oder Giralgeld. Das folgt, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, aus einer Zusammenschau der Versicherungsbedingungen (zu vergleichbaren Bedingungen: Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.).

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

21
1. Durch den Vertrag über eine Valorenversicherung ist nur das von der H. -Gruppe transportierte Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers; nicht vom Versicherungsschutz erfasst ist dagegen Buch- oder Giralgeld. Das folgt, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, aus einer Zusammenschau der Versicherungsbedingungen (zu vergleichbaren Bedingungen: Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.).

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.