Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08

bei uns veröffentlicht am20.05.2009
vorgehend
Landgericht Saarbrücken, 12 O 345/06, 22.02.2007
Landgericht Saarbrücken, 4 U 188/07, 05.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 2/08
vom
20. Mai 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Absender eines fristgebundenen Schriftsatzes darf auf die angegebenen Leerungszeiten
des von ihm benutzten Briefkastens vertrauen.
BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und die
Richterin Harsdorf-Gebhardt
am 20. Mai 2009

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 5. Dezember 2007 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückverwiesen , dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt.
Beschwerdewert: 25.564,60 €

Gründe:


1
I. Der Kläger erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Er hat gegen das ihm am 1. März 2007 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist erst am 3. Mai 2007 und damit einen Tag nach Fristablauf bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Darauf hat das Oberlandesgericht den Kläger mit Verfügung vom 6. September 2007 hingewiesen. Mit einem am 26. September 2007 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger beantragt , ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Kläger vorgetragen und glaubhaft gemacht: Seine Prozessbevollmächtigte habe die Berufungsbegründung am Morgen des 30. April 2007 verfasst und kurz nach der Mittagspause zusammen mit anderer Post in einen in Kanzleinähe gelegenen Briefkasten, der um 14.30 Uhr geleert werde, eingeworfen. Auf Anfrage des Oberlandesgerichts hat der Kläger ergänzend mitgeteilt und glaubhaft gemacht: Seine Prozessbevollmächtigte sei am 30. April 2007 gegen 14.00 Uhr zu Fuß zu dem nahe gelegenen Briefkasten, der werktags um 14.30 Uhr geleert werde, gegangen. Der Weg von der Kanzlei zu dem Briefkasten dauere etwa sieben bis acht Gehminuten.
3
Oberlandesgericht Das hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Prozessbevollmächtigte des Klägers habe es versäumt, sich vor Ablauf der Frist bei Gericht nach dem rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung zu erkundigen. Zwar könne sich der Absender grundsätzlich auf die Zuverlässigkeit der Postdienste verlassen. Werfe er einen Brief in einen Briefkasten ein, so müsse er die darauf angeschlagenen Leerungszeiten beachten. Die Prozessbevollmächtigte des Klä- gers habe den Briefkasten allenfalls kurz vor der angeschlagenen Leerungszeit erreicht. In dieser Situation habe es nicht fern gelegen, dass die tägliche Leerung bereits stattgefunden gehabt habe. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Prozessbevollmächtigte den Brief mit der Berufungsbegründung erst nach der angegebenen Leerungszeit eingeworfen habe. Sie habe den genauen Zeitpunkt des Briefeinwurfs nicht benennen können. Zunächst habe sie diesen Zeitpunkt in recht vager Weise ("kurz nach der Mittagspause") beschrieben und sich dann auf einen Zeitraum festgelegt, der gegen 14.00 Uhr beginne und vor 14.30 Uhr ende. Der eidesstattlichen Versicherung sei nicht zu entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte vor dem Briefeinwurf die Uhrzeit noch einmal überprüft habe. Überdies lasse der tatsächliche Eingang der Berufungsbegründung am 3. Mai 2007 darauf schließen, dass der Brief erst nach der Leerung, die nach Auskunft der Deutschen Post AG am 30. April 2007 um 14.49 Uhr vorgenommen worden sei, in den Briefkasten gelangt sei. Zwar könne der verspätete Zugang auch auf eine Verzögerung im Verantwortungsbereich der Post zurückzuführen sein; dies sei jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Träfe die Darstellung des Klägers zu, so müsste zumindest eine der zusammen mit der Berufungsbegründung eingeworfenen weiteren Briefsendungen bereits am 2. Mai 2007 beim jeweiligen Empfänger eingegangen sein.
4
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
5
II.DieRechtsbeschwer de hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
1. Die nach den §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Denn die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie steht zudem nicht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt.
8
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , des Bundesgerichtshofs und der anderen Obersten Gerichtshöfe dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden. Ein Versagen dieser Vorkehrungen darf dem Bürger im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als Verschulden angerechnet werden, weil er darauf keinen Einfluss hat. Im Verantwortungsbereich einer Partei, die einen fristgebundenen Schriftsatz auf dem Postweg befördern lässt, liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - NJW 2007, 2778 Tz. 13; vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 unter III 2 c aa; BVerfG NJW 2003, 1516; 2001, 1566; 1995, 1210, 1211, jeweils m.w.N.). Dabei darf eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 aaO). Das gilt selbst dann, wenn - etwa vor Feiertagen - allgemein mit erhöhtem Postaufkommen zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2004 aaO; BVerfG NJW 2001 aaO; 1995 aaO, jeweils m.w.N.). Daran hat sich durch den Erlass der Postuniversaldienstleistungsverordnung vom 15. Dezember 1999 (PUDLV) nichts geändert. Danach sind die regelmäßigen Postlaufzeiten sogar als Mindeststandards verbindlich vorgegeben. Nach § 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV müssen die Deutsche Post AG und andere Unternehmen, die Universaldienstleistungen im Briefverkehr anbieten, sicherstellen, dass sie an Werktagen aufgegebene Inlandsendungen im gesamten Bundesgebiet im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80% am ersten und zu 95% am zweiten Tag nach der Einlieferung ausliefern. Diese Quoten lassen die Einhaltung der Postlaufzeiten erwarten. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2004 aaO).
9
Davon b) ist das Berufungsgericht im Ansatz ausgegangen. Zu Recht hat es dem Absender eines fristgebundenen Schriftsatzes abverlangt , auf die angegebenen Leerungszeiten des von ihm benutzten Briefkastens zu achten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 1993 - II ZB 18/92 - NJW 1993, 1333 unter II). Das Vertrauen in den üblichen Postlauf ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht schutzwürdig, wenn der Absender erkennen kann, dass der Briefkasten am selben Tag nicht mehr geleert und die Sendung daher erst am nächs- ten Tag befördert wird. Zu weit geht allerdings die Forderung des Berufungsgerichts , dass der Absender schon dann nicht mehr auf die gewöhnlichen Postlaufzeiten vertrauen dürfe, sondern weitergehende Maßnahmen für den rechtzeitigen Zugang des Schriftsatzes treffen müsse, wenn er die Postsendung erst kurz vor der angeschlagenen Leerungszeit in den Briefkasten einwerfe. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht die Zeitangabe "kurz vorher" nicht konkretisiert hat, weicht es damit von dem Grundsatz ab, dass der Absender nur dafür sorgen muss, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann. Beachtet er dabei die von der Deutschen Post AG angegebenen Leerungszeiten des von ihm benutzten Briefkastens, so hat er alles getan, was in seinem Verantwortungsbereich liegt. Auch der Einwurf einer Postsendung wenige Minuten vor der angeschlagenen Leerungszeit eines Briefkastens ist ausreichend. Der Absender darf auf die angegebenen Leerungszeiten vertrauen und muss nicht mit einer möglicherweise früheren Leerung des Briefkastens rechnen. Letzteres wäre ein dem Verantwortungsbereich der Deutschen Post AG zuzuordnender Umstand, der dem Absender nicht als Verschulden angerechnet werden dürfte. Im Übrigen ist ein Fall, in dem der Absender einen Brief erst kurz vor der angegebenen Leerungszeit in den Briefkasten einwirft, nicht mit einer Konstellation vergleichbar , in der konkrete Anhaltspunkte längere Postlaufzeiten erwarten lassen. Dazu zählen nur Umstände außerhalb des Verantwortungsbereichs des Absenders. Auf die Einhaltung der angegebenen Beförderungszeiten darf der Postkunde in der Regel so lange vertrauen, bis die Post selbst eine mögliche Verzögerung - etwa infolge eines Streiks der Postmitarbeiter - bekannt gibt oder erhebliche Verzögerungen offenkundig sind (BVerfG NJW 1995 aaO).

10
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt der von dem Kläger glaubhaft gemachte Sachverhalt, um ein für die Verspätung ursächliches Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers auszuschließen. Diese hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung zwar nicht den genauen Zeitpunkt des Briefeinwurfs genannt. In ihrer ergänzenden Stellungnahme hat sie aber die Einwurfzeit so konkretisiert, dass sie "gegen" 14.00 Uhr ihre Kanzlei verließ, nach einem Fußweg von sieben bis acht Minuten den Briefkasten erreichte und dort unter anderem die Berufungsbegründungsschrift einwarf. Selbst unter Berücksichtigung geringfügiger Verzögerungen auf dem Weg zum Briefkasten lässt sich aus dieser Darstellung bei lebensnaher Betrachtung entnehmen, dass der fragliche Brief deutlich vor der angegebenen Leerungszeit um 14.30 Uhr und jedenfalls vor der tatsächlichen Leerung um 14.49 Uhr in den Briefkasten eingeworfen wurde.
11
Einen Rückschluss auf einen Einwurf des Schriftsatzes erst nach der Leerung des Briefkastens ermöglicht nicht die Auskunft der Deutschen Post AG, wonach ein Brief, wenn er am 30. April 2007 nach 14.49 Uhr in den betreffenden Briefkasten eingeworfen worden sei, üblicherweise am 3. Mai 2007 beim Empfänger zugestellt worden sei. Diese Auskunft verhält sich nur zu dem - hier nicht gegebenen - Fall, in dem ein Briefeinwurf nach 14.49 Uhr feststeht. Hingegen erlaubt der tatsächliche Eingang am 3. Mai 2007 nicht die Schlussfolgerung, dass die Berufungsbegründung in den Briefkasten erst nach der tatsächlichen Leerung am 30. April 2007 gelangte.
12
d) Der rechtzeitig gestellte Wiedereinsetzungsantrag des Klägers ist somit begründet. Darüber kann der Senat gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf. Das Berufungsgericht wird nunmehr in der Sache über die Berufung des Klägers zu entscheiden haben.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 22.02.2007 - 12 O 345/06 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 05.12.2007 - 4 U 188/07-62- -

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 32/07
vom
18. Juli 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 B, E, Fd, 520 Abs. 2

a) Der Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle
fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist,
nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen
, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt
ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (im Anschluss
an die Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ
2005, 1534 und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104).

b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle kann sich entweder
aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder aus einer konkreten Einzelanweisung
ergeben. Fehlt es an einer entsprechenden allgemeinen Kanzleianweisung
, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per
Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die
Ausgangskontrolle erstrecken.

c) Ein früheres Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten
schließt die Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit
durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes
Ereignis entfällt (sog. überholende Kausalität).

d) Dem Rechtsmittelführer dürfen Verzögerungen der Briefbeförderung oder
Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet
werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten
werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt
werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück
so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen
und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den
Empfänger fristgerecht erreichen kann (im Anschluss an BGH Beschluss
vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f.
BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - OLG Köln
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Februar 2007 aufgehoben. Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 4.226 €.

Gründe:


I.

1
Auf Antrag der Klägerin verurteilte das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von Trennungsunterhalt. Gegen das am 15. September 2006 zugestellte Urteil legte der Beklagte rechtzeitig Berufung ein. Die Frist zur Begründung der Berufung wurde auf seinen Antrag bis zum 15. Dezember 2006 (Freitag ) verlängert. Erst am 18. Dezember 2006 (Montag) gingen beim Berufungsgericht ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die Berufungsbegründung und ein weiterer Schriftsatz ein, in dem beantragt wurde, zunächst über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden, "bevor das Berufungsverfahren seinen Fortgang nimmt". Auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 11. Januar 2007, dass die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag verspätet eingegangen seien, beantragte der Beklagte mit einem am 29. Januar 2007 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Berufung erneut.
2
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und dem Beklagten die begehrte Prozesskostenhilfe versagt, weil die Fristversäumung auf ein - dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares - Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen sei. Der Prozessbevollmächtigte habe weder durch eine allgemeine Kanzleianweisung noch durch seine Einzelanweisung eine ausreichende Postausgangs- und Fristwahrungskontrolle sichergestellt. Deswegen sei es zur Löschung der Frist gekommen, noch bevor sich die Kanzleiangestellte anhand des Sendeprotokolls von der ordnungsgemäßen Übermittlung der Berufungsbegründung überzeugt habe. Der Prozessbevollmächtigte habe den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung oder des Prozesskostenhilfeantrags auch nicht durch andere organisatorische Maßnahmen sichergestellt. Zwar habe die Kanzleiangestellte in ihrer eidesstattlichen Versicherung erklärt, sie habe am 13. Dezember 2006 (Mittwoch) auf dem Heimweg mit der übrigen Post auch diese Schriftsätze vom gleichen Tage in den Briefkasten geworfen. Dabei sei allerdings offen geblieben, wann dies geschehen sein soll, um welchen Briefkasten es sich gehandelt habe und vor allem , zu welchem Zeitpunkt die nächste Leerung erfolgen sollte. Diese Unklarheit spreche dafür, dass die erst am folgenden Montag beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung zu spät zur Post gegeben worden sei. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 533 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
4
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N.) dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
5
1. Allerdings kann es den Beklagten nicht entlasten, dass die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag ursprünglich schon am 13. Dezember per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt werden sollten. Denn insoweit geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass die unterlassene Übermittlung per Telefax auf ein dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen ist.
6
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermitt- lung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1005 f.; BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 27/05 - NJW 2007, 601 f.). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung , einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden , in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen. Eine diesen Anforderungen genügende Anordnung der Ausgangskontrolle hat weder der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch dessen Kanzleiangestellte vorgetragen oder glaubhaft gemacht. Denn eine Anweisung, die Frist im Kalender erst nach einer Überprüfung des Sendeberichts zu löschen, ergibt sich hier nach dem Vortrag des Beklagten weder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung noch aus einer konkreten Anweisung seines Prozessbevollmächtigten.
7
b) Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sich auf eine ausdrücklich erteilte Einzelanweisung beruft, hätte er außerdem dafür sorgen müssen , dass diese nicht vergessen wird.
8
Zwar erstreckte sich die Einzelanweisung des Prozessbevollmächtigten darauf, den Berufungsschriftsatz und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorab per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt auch darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Die Anweisung sollte aber nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Beklagten nicht unverzüglich, sondern lediglich im Laufe desselben Tages ausgeführt werden. In solchen Fällen kann die Einzelanweisung auch wegen der Gefahr des Vergessens eine wirksame Ausgangskontrolle nicht ersetzen.
9
Denn wenn eine Einzelanweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittelbegründungsfrist betrifft, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anordnung in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel (BGH Beschlüsse vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - FamRZ 2007, 1007, vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711, 1362 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689; vgl. auch Senatsbeschluss vom 13. September 2006 - XII ZB 103/06 - FamRZ 2006, 1663).
10
2. Dem Beklagten ist allerdings gleichwohl Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, weil das Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden ist. Denn nach dem an Eides statt versicherten Vortrag des Beklagten erstreckte sich die konkrete Einzelanweisung seines Prozessbevollmächtigten auch darauf, die Berufungsbegründung und den Prozesskostenhilfeantrag nebst den entsprechenden Unterlagen noch am 13. Dezember 2006 auf den Postweg zu bringen. Entsprechend hat die Kanzleiangestellte die Schriftsätze nach dem Inhalt ihrer eidesstattlichen Versicherung noch am Abend des 13. Dezember 2006 kuvertiert , frankiert und in einen Postbriefkasten eingeworfen.
11
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt dieser glaubhaft gemachte Sachverhalt, um ein für die Verspätung ursächliches Verschul- den des Prozessbevollmächtigten des Beklagten auszuschließen. Denn ein früheres Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten schließt die Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis entfällt (sog. überholende Kausalität). So liegt der Fall auch hier.
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b) Die Berufungsbegründung ist durch die Kanzleiangestellte des Prozessbevollmächtigten des Beklagten noch am 13. November 2006 zur Post gegeben worden. Damit scheidet ein Verschulden aus, auch wenn die Schriftsätze erst verspätet beim Berufungsgericht eingegangen sind. Der Beklagte und sein Prozessbevollmächtigter waren nicht verpflichtet, die Berufungsschrift zu einem früheren Zeitpunkt zur Post zu geben, sondern berechtigt, die Frist bis zum letzten möglichen Zeitpunkt auszunutzen. Sie mussten lediglich dafür Sorge tragen, dass die Berufungsbegründung so rechtzeitig zur Post gegeben wurde, dass sie bei einer normalen Bearbeitung der Postsendungen noch fristgerecht beim Berufungsgericht einging (BGH Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f.). Weil das hier geschehen ist, kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Frist bis zum letzten möglichen Moment ausgenutzt wurde.
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aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein Verschulden des Beklagten oder seines Prozessbevollmächtigten auch nicht darin, dass die Berufungsbegründung erst am Abend des 13. November 2006 zur Post gegeben wurde. Denn nach ständiger Rechtsprechung dürfen dem Rechtsmittelführer Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann. Dabei darf eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass werktags im Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden. Anders liegt es nur, wenn konkrete Umstände vorliegen, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH Beschlüsse vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f. und vom 15. April 1999 - IX ZB 57/98 - NJW 1999, 2118). Weil die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag hier schon am Abend des 13. Dezember 2006 eingeworfen wurden, war die Versendung spätestens mit Leerung des Briefkastens am 14. Dezember 2006 sichergestellt. Dann durften der Beklagte und sein Prozessbevollmächtigter darauf vertrauen, dass die Schriftsätze am Folgetag, dem 15. Dezember 2006, bei dem nahe gelegenen Oberlandesgericht eingehen werden.
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bb) Selbst wenn dem Berufungsgericht weitere Unklarheiten oder Zweifel zum konkreten Ablauf verblieben wären, hätte es die Berufung nicht verwerfen dürfen, sondern den Beklagten nach § 139 ZPO zur Konkretisierung seines Vortrags auffordern müssen. Die weitere Konkretisierung des im Wiedereinsetzungsverfahren rechtzeitig eingegangenen Vortrags des Beklagten, wie er jetzt im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt ist, hätte das Berufungsgericht dann bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen. Das gilt insbesondere für die Tatsache, dass die Kanzleiangestellte am 13. Dezember 2006 bis 18.35 Uhr arbeitete und die Schriftsätze sodann in der etwa drei Gehminuten von der Kanzlei entfernten Hauptpost eingeworfen habe, wo die Briefkästen stündlich bis 19.00 Uhr geleert werden.
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c) Wegen der überholenden Kausalität bei der Versendung der Schriftsätze im Postweg entfällt somit ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Auf den rechtzeitig eingegangenen Antrag ist ihm deswegen die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen. Über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird das Berufungsgericht erneut unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten und der Erfolgsaussicht der Berufung zu befinden haben.
Hahne Sprick Wagenitz Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 25.08.2006 - 28 F 27/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 13.02.2007 - 10 UF 168/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 62/03
vom
13. Mai 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Das Verschulden einer Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten schließt die
Wiedereinsetzung nicht aus, wenn die Partei alle erforderlichen Schritte unternommen
hat, die bei einem im übrigen normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung
geführt hätten (hier: Fehlschlagen einer beschleunigten Absendung bei
gleichwohl rechtzeitiger Absendung).

b) Eine Partei darf (auch) nach Erlaß der Postuniversaldienstleistungsverordnung
vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 4218) darauf vertrauen, daß werktags im
Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet
ausgeliefert werden. Anders liegt es nur, wenn konkrete Umstände vorliegen
, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen.
BGH, Beschl. v. 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - OLG Frankfurt/Main
LG Darmstadt
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. Mai 2004 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Oktober 2003 aufgehoben.
Den Klägern wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 210.000 €

Gründe


Mit ihnen am 27. Juni 2003 zugestelltem Urteil vom 17. Juni 2003 entschied das Landgericht Darmstadt zum Nachteil der Kläger. Gegen das Urteil legten die Kläger mit einem am 18. Juli 2003 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung ein. Ihr Prozessbevollmächtigter stellte die Berufungsbegründung am 25. August 2003 fertig und legte sie in den Postausgangskorb seiner Kanzlei. Entgegen seiner allgemeinen Anweisung an seine
Kanzleikräfte, wonach Schriftsätze an Darmstädter Gerichte nicht mit der Post zu versenden, sondern bei Gericht abzugeben sind, wurde die Berufungsbegründung am 26. August 2003 zur Post gegeben. Sie erreichte das Berufungsgericht am 28. August 2003.
Die Kläger haben am 5. September 2003 Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Sie haben vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe durch seine erwähnte allgemeine Anweisung an seine Kanzleikräfte die erforderlichen Vorkehrungen für die Einhaltung der Berufungsfrist getroffen. Jedenfalls habe er aber auf die Einhaltung des üblichen Postlaufs vertrauen dürfen, der im Nahbereich von Darmstadt einen Tag betrage.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.


Das Berufungsgericht meint, die Berufungsbegründungsfrist sei nicht ohne Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger versäumt worden. Die Anweisung, Schriftsätze an Darmstädter Gerichte bei diesen abzugeben, sei zwar sachgerecht. Die Einlassung der zuständigen Kanzleikraft belege indessen , daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger diese Kanzleikraft nicht ausreichend habe einweisen oder überwachen lassen. Die Nichtbeachtung dieser Anweisung sei auch ursächlich gewesen. Eine allgemeine Anweisung, fristgebundene Schriftsätze im Nahverkehr von Darmstadt gegebenenfalls erst am
am Tage vor Fristablauf mit der Post zu versenden, und der Vollzug einer solchen Anweisung seien mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten nicht zu vereinbaren gewesen. Auf einen Postlauf von einem Tag habe sich der Prozeßbevollmächtigte der Kläger auch im Nahbereich von Darmstadt nicht verlassen dürfen; er habe mit Verzögerungen rechnen müssen.

III.


Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des § 233 ZPO die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlaßt haben muß, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, unzulässig überspannt (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533, 534; Senatsbeschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368). Mit seiner Würdigung hat das Berufungsgericht der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221, 227; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388; Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts , der Prozeßbevollmächtigte der Kläger habe der im anwaltlichen Verkehr mit dem Gericht erforderlichen Sorgfalt zur Wahrung einer Berufungsbegründungsfrist durch die der zuständigen Kanzleikraft erteilten allgemeine Weisung, Post an Darmstädter Gerichte nicht mit der Post zu verschicken, sondern bei Gericht abzugeben, im Grundsatz entsprochen. Diese Anweisung war sachgerecht , weil Schriftsätze Darmstädter Gerichte so am schnellsten erreichen können. Die Einhaltung von Fristen konnte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit einer solchen Anweisung aber nur sicherstellen, wenn er oder die von ihm hiermit beauftragten Mitarbeiter die zuständigen Kanzleikräfte in der gebotenen Weise einwiesen und die Einhaltung der Anweisung auch überwachten. Daran haben es der Prozessbevollmächtigte der Kläger und seine von ihm hiermit beauftragten Mitarbeiter im Falle der für die vorliegende Sache zuständigen Kanzleikraft fehlen lassen. Diese hat nach ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht gewußt, daß zu den „Darmstädter Gerichten“ im Sinne der Anweisung auch der entscheidende, in Darmstadt ansässige, Senat des Berufungsgerichts gehört. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Angaben der Kanzleikraft auf eine unzureichende Überwachung schließen lassen. Diese hat nämlich nach eigenen Angaben an den Darmstädter Senat des Berufungsgerichts gerichtete Schriftsätze der Kanzlei entgegen der Anweisung stets mit der Post versandt und nicht bei Gericht abgegeben oder abgeben lassen.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war dieser Fehler aber nicht ursächlich für die Versäumung der Berufungsfrist. Zwar wäre ohne Überwachungsverschulden der Schriftsatz entsprechend der Büroanweisung recht-
zeitig bei Gericht abgegeben worden. Das Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten schließt die Wiedereinsetzung aber dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis verliert (sog. überholende Kausalität, Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rdn. 22a). So ist eine Wiedereinsetzung beispielsweise dann gewährt worden, wenn eine rechtzeitige Fehlerkorrektur infolge eines Fehlers des Gerichts unterblieben ist (BGH, Beschl. v. 12. Dezember 1984, IVb ZB 103/84, NJW 1985, 1226, 1227; Beschl. v. 20. Januar 1997, II ZB 12/96, NJW-RR 1997, 1020; Beschl. v. 26. September 2002, III ZB 44/02, NJW 2002, 3636, 3637) oder wenn die Partei alle erforderlichen Schritte unternommen hat, die bei einem im übrigen normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung geführt hätten (BGH, Beschl. v. 28. November 1962, IV ZB 251/62, NJW 1963, 253, 254; Beschl. v. 29. Mai 1974, IV ZB 6/74, VersR 1974, 1001, 1002; BAG, NJW 1972, 735; BVerwG, NVwZ 1998, 1075, 1076). So liegt es hier. Die Berufungsschrift ist nach Fertigstellung am 26. August 2003 zur Post gegeben worden. Die Kläger und ihr Prozeßbevollmächtigter waren nicht verpflichtet, die Berufungsschrift zu einem früheren Zeitpunkt zur Post zu geben oder bei Gericht abzugeben. Sie waren vielmehr berechtigt, die Frist bis zum letzten möglichen Zeitpunkt auszunutzen (BVerfG, NJW 1995, 2546, 2547; BGH, Beschl. v. 26. November 1962, IV ZB 251/62, NJW 1963, 253, 254; Beschl. v. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118; BVerwG, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 166). Sie mußten nur dafür Sorge tragen, daß die Berufungsbegründungsschrift so rechtzeitig zur Post gegeben wurde, daß sie bei einer normalen Bearbeitung der Postsendungen noch fristgerecht beim Berufungsgericht einging. Das ist hier geschehen. Dann aber kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen sie die Frist bis zum letzten möglichen Moment ausgenutzt hat (BGH, Beschl. v. 28. November 1962 aaO.). Einer Prüfung, ob eine
allgemeine Anweisung, fristgebundene Schriftsätze im Nahverkehr erst am Tage vor Fristablauf mit der Post zu versenden, den anwaltlichen Sorgfaltspflichten entsprechen würde, bedarf es nicht. Eine solche Anweisung hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger seinem Personal nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gerade nicht erteilt.

c) Ein Verschulden der Kläger oder ihres Prozeßbevollmächtigten liegt schließlich auch nicht darin, daß die Berufungsbegründung erst am 26. August 2003 zur Post gegeben worden ist.
aa) Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1992, 1952; 1994, 244, 245 und 1854; 1995, 1210, 1211 und 2546, 2547; NJW-RR 2000, 726; NJW 2001, 744, 745 und 1566), des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 7. April 1993, XII ZB 38/93, VersR 1994, 495, 496; Beschl. v. 22. April 1993, VII ZB 2/93, DtZ 1993, 283; Beschl. 28. April 1993, VIII ZB 15/93, VersR 1994, 496, 497; Beschl. v. 26. Januar 1994, IV ZB 19/93, insoweit in BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 18 nicht abgedruckt; Beschl. v. 9. Februar 1998, II ZB 15/97, NJW 1998, 1870; Beschl. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118; Beschl. v. 5. Juli 2001, VII ZB 2/00, bislang veröff. nur bei juris; Beschl. v. 30. September 2003, VI ZB 60/02, BGH-Report 2004, 124) und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes (BAG, NJW 1995, 548, 549 und 2575; BFH, NJW 1991, 1704; BSG, Urt. v. 30. September 1996, 10 RAr 1/96, veröff. bei juris; BVerwG Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 154, 166; NJW 1990, 2639, 2640) dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Der Bürger darf vielmehr darauf vertrauen, daß die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutsche Post AG für den Nor-
malfall festgelegt werden. Ein Versagen dieser Vorkehrungen darf dem Bürger im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als Verschulden angerechnet werden, weil er darauf keinen Einfluß hat. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß (BAG, NJW 2000, 1669, 1670; BVerwG, NJW 1990, 1747) aufzugeben, daß es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutsche Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (BVerfG, NJW 2001, 1566, 1567; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 1995, III ZR 226/95, veröff. bisher nur bei juris). Das gilt selbst dann, wenn allgemein mit erhöhtem Postaufkommen zu rechnen ist (BVerfG, NJW 2001, 1566). Anders liegt es nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß im Einzelfall mit längeren Postlaufzeiten zu rechnen ist (BVerfG, NJW 1995, 1210; BGH, Beschl. v. 9. Dezember 1992, VIII ZB 30/92, NJW 1993, 1332; Beschl. v. 25. Januar 1993, II ZB 18/92, NJW 1993, 1333, 1334). Daran hat sich durch Erlaß der Postuniversaldienstleistungsverordnung vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 4218 – PUDLV, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 30. Januar 2002, BGBl. I S. 572) im Ergebnis nichts geändert. Anders als bisher können die Deutsche Post AG und andere Unternehmer, die Universaldienstleitungen im Briefverkehr anbieten, die Postlaufzeiten nicht mehr selbst frei festlegen. Sie sind ihnen vielmehr etwas über dem bisherigen Niveau als Mindeststandards für den Normalfall verbindlich vorgegeben. Nicht neu ist auch, daß die bisher freiwillig angestrebten und jetzt gesetzlich vorgeschriebenen Postlaufzeiten in einem gewissen Prozentsatz verfehlt werden. Wie bisher kommt es aber entscheidend darauf an, ob die Postlaufzeiten in einem Umfang eingehalten werden, der bei dem Bürger das berechtigte Vertrauen in die Einhaltung der Postlaufzeiten begründet. Das ist der Fall. Nach § 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV müssen die Unternehmen sicherstellen, daß sie an Werktagen aufgegebene Inlandssendungen im gesamten Bundes-
gebiet im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80% am ersten und zu 95% am zweiten Tag nach der Einlieferung ausliefern. Diese Quoten lassen die Einhaltung der Postlaufzeiten erwarten. Ohne konkrete Anhaltspunkte muß ein Bürger deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH, Beschl. v. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118).
bb) Die Kläger haben vorgetragen, daß die normale Postlaufzeit im Nahbereich von Darmstadt einen Tag beträgt. Unter Zugrundelegung dieser Postlaufzeit war die Absendung der Berufungsbegründungsschrift am 26. August 2003 rechtzeitig, da sie bei normalem Postlauf am 27. August 2003 und damit rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen wäre. Ihre Angabe zur normalen Postlaufzeit im Nahbereich von Darmstadt haben die Kläger nicht durch eine Auskunft der Deutsche Post AG belegt. Das brauchten sie auch nicht, weil diese Erwartung schon nach den gesetzlich bestimmten Quoten begründet war und das Berufungsgericht bei etwaigen Zweifeln an der Verläßlichkeit der von ihm selbst zugrunde gelegten Postlaufzeit von einem Tag von Amts wegen eine Auskunft der Post hätte einholen müssen (BVerfG, NJW 2001, 1566, 1567).

d) Ist dem Wiedereinsetzungsantrag der Kläger stattzugeben, darf ihre Berufung auch nicht als unzulässig verworfen werden.
Wenzel Tropf Lemke
Gaier Schmidt-Räntsch

Für den Universaldienst im Bereich der Briefdienstleistungen gelten die folgenden Qualitätsmerkmale:

1.
Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein, in denen Verträge über Briefbeförderungsleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abgeschlossen und abgewickelt werden können. Die Anforderung nach Satz 1 wird bis zum 31. Dezember 2007 unter Berücksichtigung der Nachfrage überprüft. Bis zum 31. Dezember 2007 müssen mindestens 5.000 stationäre Einrichtungen mit unternehmenseigenem Personal betrieben werden. In allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern muss mindestens eine stationäre Einrichtung vorhanden sein; dies gilt in der Regel auch für Gemeinden, die gemäß landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben. In Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern und Gemeinden, die gemäß landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben, ist grundsätzlich zu gewährleisten, dass in zusammenhängend bebauten Gebieten eine stationäre Einrichtung in maximal 2.000 Metern für die Kunden erreichbar ist. Bei Veränderungen der stationären Einrichtungen ist frühzeitig, mindestens zehn Wochen vor der Maßnahme, das Benehmen mit der zuständigen kommunalen Gebietskörperschaft herzustellen. Daneben muss in allen Landkreisen mindestens je Fläche von 80 Quadratkilometern eine stationäre Einrichtung vorhanden sein. Alle übrigen Orte müssen durch einen mobilen Postservice versorgt werden. Die Einrichtungen müssen werktäglich nachfragegerecht betriebsbereit sein.
2.
Briefkästen müssen so ausreichend vorhanden sein, dass die Kunden in zusammenhängend bebauten Wohngebieten in der Regel nicht mehr als 1.000 Meter zurückzulegen haben, um zu einem Briefkasten zu gelangen. Briefkästen sind jeden Werktag sowie bedarfsgerecht jeden Sonn- und Feiertag so zu leeren, dass die in Nummer 3 bestimmten Qualitätsmerkmale eingehalten werden können. Dabei sind die Leerungszeiten der Briefkästen an den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens zu orientieren; die Leerungszeiten und die nächste Leerung sind auf den Briefkästen anzugeben. Briefkästen im Sinne der Sätze 1 und 2 sind auch andere zur Einlieferung von Briefsendungen geeignete Vorrichtungen.
3.
Von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen müssen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 vom Hundert an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 vom Hundert bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden. Im grenzüberschreitenden Briefverkehr mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die im Anhang der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. EG 1998 Nr. L 15 S. 14) festgelegten Qualitätsmerkmale. Wird der Anhang der Richtlinie geändert, so gelten die Qualitätsmerkmale in der geänderten Fassung vom ersten Tage des dritten auf die Veröffentlichung der Änderung folgenden Monats an.
4.
Briefsendungen sind zuzustellen, sofern der Empfänger nicht durch Einrichtung eines Postfaches oder in sonstiger Weise erklärt hat, dass er die Sendungen abholen will. Die Zustellung hat an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch Einwurf in eine für den Empfänger bestimmte und ausreichend aufnahmefähige Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen oder durch persönliche Aushändigung an den Empfänger zu erfolgen. Kann eine Sendung nicht gemäß Satz 2 zugestellt werden, ist sie nach Möglichkeit einem Ersatzempfänger auszuhändigen, soweit keine gegenteilige Weisung des Absenders oder Empfängers vorliegt. Ist die Wohn- oder Geschäftsadresse des Empfängers nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erreichen oder fehlt eine geeignete und zugängliche Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen, kann der Empfänger von der Zustellung ausgeschlossen werden. Der Betroffene ist von dem beabsichtigten Ausschluss zu unterrichten.
5.
Die Zustellung hat mindestens einmal werktäglich zu erfolgen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.