Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2007 - IV ZB 13/07

bei uns veröffentlicht am05.09.2007
vorgehend
Landgericht Dortmund, 12 O 208/02, 26.10.2006
Oberlandesgericht Hamm, 10 U 169/06, 24.04.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 13/07
vom
5. September 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch
am 5. September 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. April 2007 wird auf Kosten der Beklagten verworfen.
Streitwert: 400 €

Gründe:


1
I. Das Landgericht Dortmund hat die Beklagten durch Teilurteil vom 26. Oktober 2006 als Gesamtschuldner verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses der am 25. Mai 2001 verstorbenen E. B. und über den Verbleib der Nachlassgegenstände.
2
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Beschluss vom 13. März 2007 den Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz gemessen am für die Auskunftserteilung erforderlichen Zeit- und Kostenaufwand der Beklagten auf 400 € festgesetzt.
3
Durch Beschluss vom 24. April 2007 hat das Berufungsgericht die dagegen erhobene Gegenvorstellung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehren die Beklagten die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.
6
Die Streitwertfestsetzung verletzt die Beklagten weder in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch ist sie - weil ohne Schätzungsgrundlagen - objektiv willkürlich (Artt. 20 Abs. 3, 3 Abs. 1 GG) oder nachhaltig rechtsfehlerhaft erfolgt.
7
1. Das Berufungsgericht hat seiner gemäß § 3 ZPO zu treffenden freien Ermessensentscheidung in Übereinstimmung mit dem Beklagtenvorbringen zugrunde gelegt, dass der für den Gegenstandswert maßgebliche Aufwand ganz wesentlich in der Sichtung und Zusammenstellung von Hausratsgegenständen aus den nunmehr vom Beklagten zu 3 bewohnten Räumlichkeiten besteht. Dabei hat es - ausweislich der Beschlussgründe - dem von den Beklagten hervorgehobenen Ermittlungsaufwand , der sich vor allem aus der Größe des Anwesens und unzurei- chender eigener Kenntnisse über die Zuordnung von Gegenständen zu ihrer Stiefmutter, der Erblasserin, und ihrem Vater ergeben soll, bestehende Zweifel entgegengehalten, dass insoweit eine aufwändige Inanspruchnahme sachkundigerer Dritter erforderlich sei. Damit hat es gerade nicht, wie die Rechtsbeschwerde geltend machen möchte, Vortrag der Beklagten unbeachtet gelassen und damit einen Gehörsverstoß begangen , sondern es hat ihm lediglich nicht die von ihnen gewünschte Bedeutung beigemessen.
8
Zu weitergehenden Ausführungen war das Berufungsgericht nicht verpflichtet. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet den Gerichten lediglich, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, was hier geschehen ist. Hingegen ist es nicht erforderlich, auf den Parteivortrag in allen Einzelheiten einzugehen (vgl. BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - VI ZR 89/04 - WuM 2005, 475).
9
2. Gleiches gilt im Ergebnis für den erhobenen Willkürvorwurf. Die Rechtsbeschwerde bezieht sich insoweit auf bloße Vermutungen der Beklagten über Vermögensumschichtungen der Erblasserin und das Schicksal daraus herrührender Surrogate sowie auf allgemeine Erwägungen zur Stundenzahl und zum Stundensatz des Ermittlungsaufwandes. Auch diesen Erwägungen brauchten die Tatrichter, ohne damit gegen Verfahrensgrundrechte zu verstoßen, nicht das von den Beklagten erhoffte Gewicht beizumessen. Es fehlt schon an substantiiertem Vorbringen, das auf einen auch nur annäherungsweise zu bestimmenden zeitlichen und in Geld bewertbaren höheren Aufwand schließen lassen könnte. Abgesehen davon haben die Beklagten bereits mit Schriftsatz vom 26. Juni 2002 selbst darauf hingewiesen, dass ihre Stiefmutter in ein auf höchstem Niveau ausgestattetes Haus eingezogen sei und selbst keine Habe in den Hausstand eingebracht habe. Zudem hat der Kläger eingeräumt, dass dem Inventarverzeichnis vom 21. Juni 1999 im Umkehrschluss zu entnehmen sei, was dem Vater und was der Stiefmutter zuzuordnen sei. Angesichts dessen bedeutete es keinen willkürlichen Schluss des Berufungsgerichts , wenn es den Aufwand für Aufnahme von Gegenständen aus dem Haus des Beklagten zu 3, über die auch noch eine Einzelbilddokumentation zwei Tage nach dem Tod der Erblasserin erstellt worden ist, einschließlich etwaiger zusätzlicher Erkundigungen und die dann zu erteilenden Auskünfte mit 400 € bewertet, ohne im Einzelnen darzulegen, von welcher dafür anzusetzenden Stundenzahl zu welchen Stundensätzen auszugehen sei. Dafür fehlte es an einer genaueren Schätzungsgrundlage , die zunächst von den Beklagten darzulegen gewesen wäre.
10
Damit entfällt zugleich der von der Rechtsbeschwerde erhobene Vorwurf einer zulassungswürdigen rechtsfehlerhaften Wertfestsetzung.
11
Die Verwerfung der Berufung ist zwangsläufige Folge der insgesamt nicht zu beanstanden Festsetzung des Rechtsmittelstreitwertes.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 26.10.2006 - 12 O 208/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.04.2007 - 10 U 169/06 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2005 - VI ZR 89/04

bei uns veröffentlicht am 10.05.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 89/04 vom 10. Mai 2005 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr beschlossen:
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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2009 - IV ZB 35/08

bei uns veröffentlicht am 21.01.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 35/08 vom 21. Januar 2009 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch am 21. Januar 20

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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 89/04
vom
10. Mai 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge
und Stöhr

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Kläger vom 23. März 2005 gegen den Senatsbeschluß vom 1. März 2005 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe:

Die gemäß § 321 a ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluß vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04 - zur Veröffentlichung bestimmt). Der Senat
hat bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde das mit der Anhörungsrüge der Kläger wiederholte Vorbringen in vollem Umfang geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr