Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2008 - III ZR 216/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Beschwerderechtszuges werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte zu 2 jeweils die Hälfte.
Der Beklagte zu 2 trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1.
Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Streitwert: 1.928.015,47 €.
Gründe:
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- 1. Der Kläger hat den erstbeklagten Landkreis (im Folgenden: Beklagter zu 1) als Baugenehmigungsbehörde und das zweitbeklagte Land Brandenburg, vertreten durch das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung, als oberste Bauaufsichtsbehörde (im Folgenden: Beklagter zu 2) wegen Amts- und Staatshaftung auf Ersatz der Schäden in Anspruch genommen, die ihm durch die verzögerte Erteilung einer Baugenehmigung für ein Krematorium entstanden sein sollen. Das Landgericht hat die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen; auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Klageabweisung gegen den Beklagten zu 1 bestätigt, jedoch festgestellt, dass der Beklagte zu 2 dem Kläger den Schaden zu ersetzen habe, der ihm aus dem Bescheid des Beklagten zu 1 vom 18. August 1998 seit dem 16. September 1998 entstanden sei. Hiergegen richten sich die Nichtzulassungsbeschwerden des Klägers und des Beklagten zu 2. Der Kläger verfolgt seinen Anspruch gegen den Beklagten zu 1 als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 2 weiter; der Beklagte zu 2 begehrt die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage.
- 2
- 2. Einer Zulassung der Revisionen bedarf es nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
- 3
- a) Die Beschwerde des Klägers:
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- aa) Das Berufungsgericht verneint Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 1 sowohl nach der bundesrechtlichen Anspruchsgrundlage der Amtshaftung (§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG) als auch nach den landesrechtlichen Anspruchsgrundlagen des § 1 des in Brandenburg fortgeltenden DDR-StHG und des § 38 des brandenburgischen Ordnungsbehördengesetzes mit der Begründung, den Beklagten zu 1 treffe keine haftungsrechtliche Verantwortung dafür, dass er die vom Kläger beantragte Baugenehmigung aufgrund einer bindenden Weisung des Beklagten zu 2 als der übergeordneten Behörde zunächst abgelehnt habe. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerde des Klägers können keinen Erfolg haben.
- 5
- bb) Die Frage, ob ein Beamter, der aufgrund einer ihn bindenden Weisung einer vorgesetzten Stelle eine - objektiv - rechtswidrige Maßnahme trifft, amtspflichtwidrig handelt, wird vom Bundesgerichtshof durchgängig verneint (st. Rspr. seit dem Senatsurteil vom 21. Mai 1959 - III ZR 7/58 = NJW 1959, 1629 f; siehe auch Staudinger/Wurm, BGB [Neubearbeitung 2007] § 839 Rn. 66 m.w.N.). Das geltende Recht bindet den Amtsträger grundsätzlich auch dann an die Weisung seines Vorgesetzten, wenn die Verwirklichung dieses Befehls eine Außenpflicht des Staates verletzt, ausgenommen den - hier evident nicht vorliegenden - Fall, dass die Ausführung erkennbar den Strafgesetzen zuwiderlaufen würde. Befolgt der Angewiesene die ihn bindende Anordnung, so verletzt er seine Amtspflichten nicht. Mit der Weisung geht ein Stück Zuständigkeit und ein Teil von Amtspflichten, die generell bei einem bestimmten Beamten liegen, auf die anweisende Behörde - und für die Anwendbarkeit des § 839 BGB - auf einen Beamten dieser Behörde über. Deswegen liegt insoweit auch keine Amtshilfe vor (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG). Diese Entlastung des angewiesenen Beamten ist keine Frage fehlenden Verschuldens, sondern eine solche der objektiven Haftungszurechnung (Senatsurteil aaO). Dementsprechend haftet dem Außenverhältnis zum Geschädigten allein die anweisende Behörde (Staudinger/Wurm aaO).
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- Die cc) gleichen Grundsätze gelten im Anwendungsbereich der verschuldensunabhängigen Polizei- und Ordnungsbehördenhaftung nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NRW (OLG Düsseldorf VersR 1994, 1065 und BADKInformation 2004, 147, 148; Staudinger/Wurm aaO und Rn. 650). Das Berufungsgericht hat sie mit Recht auch auf die verschuldensunabhängige Haftung nach § 1 DDR-StHG übertragen. In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt , dass die zur verschuldensunabhängigen Behördenhaftung nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NRW ergangene Rechtsprechung auch für die Integration des DDR-StHG in das bestehende System der Amts- und Staatshaftung heranzuziehen ist (insbesondere Senatsurteile BGHZ 166, 22, 24 f Rn. 9; 142, 259, 273 ff). Dieser Haftungsverlagerung auf die anweisende Behörde steht der im Senatsurteil BGHZ 166, 22, 26 Rn. 12 formulierte Grundsatz nicht entgegen, dass es bei der betreffenden behördlichen Maßnahme - hier der Ablehnung des Bauantrages des Klägers durch den Bescheid des Beklagten zu 1 vom 18. August 1998 - nicht auf ein etwa fehlendes Handlungsunrecht, sondern auf das Ergebnis, nämlich den Erlass eines objektiv als rechtswidrig zu beurteilenden Verwaltungsakts ankommt. Dies wird nämlich durch die Haftungsverlagerung nicht in Frage gestellt. Es wird lediglich bewirkt, dass der rechtswidrige Erfolg nicht der angewiesenen, sondern der anweisenden Behörde haftungsrechtlich zugerechnet wird.
- 7
- dd) In rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die in dem "Ergebnisprotokoll" des Beklagten zu 1 vom 30. Juli 1998 (über eine Dienstbesprechung im Ministerium) festgehaltene enthaltene Anordnung, den Vorbescheid zurückzunehmen und den Bauantrag zu versagen, eine "Weisung" dargestellt hat. Dies hat auch der Beklagte zu 2 so gesehen: In seinem Bescheid vom 28. Mai 2001 hat er nämlich die von ihm selbst als solche bezeichnete Weisung der obersten Bauaufsichtsbehörde vom 30. Juli 1998 aufgehoben.
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- b) Die Beschwerde des Beklagten zu 2:
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- Die aa) Weisung des Beklagten zu 2 war - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei feststellt - spätestens ab dem angesetzten Stichzeitpunkt (16. September 1998), als durch den Gemeinderatsbeschluss die planungsrechtlichen Grundlagen für das Krematorium geschaffen worden waren, rechtswidrig geworden. Der Senat hat die gegenteilige Argumentation des Beklagten zu 2 gewürdigt, hält sie aber nicht für durchgreifend.
- 10
- bb) Dementsprechend trifft den Beklagten zu 2 als die anweisende Behörde hier die verschuldensunabhängige Haftung § 1 Abs. 1 DDR-StHG. Der hieraus resultierende Schadensersatzanspruch ist - entgegen der Auffassung der Beschwerde - auch nicht verjährt.
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- (1) Zu Recht hat das Berufungsgericht insbesondere angenommen, dass die vom Kläger gegen den sein Baugesuch zurückweisenden Bescheid des beklagten Landkreises vom 18. August 1998 ergriffenen verwaltungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfe des Primärrechtsschutzes (Widerspruch und Untätigkeitsklage) verjährungsunterbrechende Wirkung auch hinsichtlich des Staatshaftungsanspruchs gegen den Beklagten zu 2 entfaltet haben. Da die Weisung als Verwaltungsinternum nicht selbständig anfechtbar war, stellte die Anfechtung des ablehnenden Bescheides der Bauaufsichtsbehörde für den Kläger die einzige rechtliche Möglichkeit dar, auch im Verhältnis zu der anweisenden Behörde Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Insoweit lassen sich die Grundsätze, die der Senat zur Versagung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB entwickelt hat (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 118, 253, 263), auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation übertragen. Der Umstand, dass hier - anders als dort - die anweisende Behörde nicht notwendig beizuladen ist (vgl. dazu Wurm in Festschrift Boujong [1996] S. 687, 699), stellt keinen entscheidenden Hinderungsgrund gegen die Übertragbarkeit dieser Grundsätze dar.
- 12
- (2) Die Unterbrechung endete mit der schließlichen Erteilung der Baugenehmigung am 16. November 2001. Rechtzeitig innerhalb der in § 4 Abs. 1 DDR-StHG festgesetzten Jahresfrist hat der Kläger bei dem Beklagten zu 2 Antrag auf Schadensersatz gestellt und damit eine erneute Unterbrechung der Verjährung nach § 4 Abs. 3 DDR-StHG herbeigeführt. Diese Unterbrechung hat bis zur Klageerhebung angedauert, da der Beklagte zu 2 unstreitig nicht über den Antrag entschieden hat. Von einem Stillstand des Verfahrens, der die Unterbrechung (bzw. Hemmung) der Verjährung hätte enden lassen können, kann keine Rede sein, da die Nichtbescheidung des Antrags ausschließlich in den eigenen Verantwortungsbereich des Beklagten zu 2 fiel.
- 13
- 3. Der Senat hat auch die sonstigen verfahrens- und materiell-rechtlichen Rügen beider Parteien geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer weiteren Begründung wird abgesehen.
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 15.03.2006 - 11 O 471/04 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 17.07.2007 - 2 U 26/06 -
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Annotations
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.
(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.