Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2007 - II ZR 226/06

published on 16.07.2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2007 - II ZR 226/06
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Previous court decisions
Landgericht Wuppertal, 2 O 284/00, 25.02.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf, 4 U 68/05, 05.09.2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 226/06
vom
16. Juli 2007
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 16. Juli 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Reichart
gemäß § 544 Abs. 7 ZPO beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. September 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 1.197.764,12 €

Gründe:

1
1. Das angefochtene Urteil beruht auf einer entscheidungserheblichen Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, soweit die auf Insolvenzverschleppung (§ 130 a Abs. 3 Satz 1, § 177 a HGB) gestützte Forderung des Klägers in Höhe von 1.197.764,12 € gegen den Beklagten zu 1 abgewiesen wurde.
2
a) Der Kläger hat - wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht beanstandet - zum Nachweis einer Überschuldung der Insolvenzschuldnerin nicht schlicht die Handelsbilanz vorgelegt, sondern zu ihr in der gebotenen Form erläuternd Stellung genommen und deutlich gemacht, dass deren Wertansätze für die insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung korrigiert werden müssen. Danach besteht eine Überschuldung in Höhe von mindestens 6 Mio. DM. Dieses substantiierte entscheidungserhebliche und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vorbringen hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht zur Kenntnis genommen. Die Zurückverweisung ist notwendig, um die beantragte Beweiserhebung durchführen zu können.
3
b) Der Gehörsverstoß ist nicht mangels Entscheidungserheblichkeit unschädlich. Denn die zweite von dem Berufungsgericht für seine Entscheidung gegebene Begründung ist rechtsfehlerhaft. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von einem fehlenden Verschulden des Beklagten zu 1 ausgegangen, sofern er nach Eintritt der Insolvenz tatsächlich zum Nachteil der Insolvenzschuldnerin Zahlungen geleistet haben sollte. Zwar verletzt ein organschaftlicher Vertreter seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft, wenn er den Rat eines unabhängigen , fachlich qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle entsprechend dem Inhalt der ihm erteilten Antwort von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht (Sen.Urt. v. 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Tz. 15 ff.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht einmal vorgetragen, geschweige denn festgestellt, weil dem um Rat ersuchten Kläger nach dem Inhalt der Urteilsgründe keine näheren "Details" über die Vermögenslage der Insolvenzschuldnerin mitgeteilt wurden. Sollte sich der Vortrag des Klägers - seine Richtigkeit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht geprüft - als zutreffend erweisen, dass er nur zu einer bestimmten Forderung um Rat gefragt worden ist, die Insolvenzreife der Schuldnerin aber gar nicht Gegenstand der Anfrage war, als zutreffend erwiesen, kann erst recht nicht von einem fehlenden Verschulden ausgegangen werden.
4
2. Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob dem Kläger gegen den Beklagten zu 1 wegen der an die Rodewald GmbH bewirkten Zahlung gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 787.900,79 € (1.541.000,00 DM) zusteht.
5
Kann - wovon das Berufungsgericht bisher ausgeht - nicht festgestellt werden, ob eine Forderung der Rodewald GmbH gegen die Insolvenzschuldnerin bestand, kann das Urteil mit der bisherigen Begründung nicht bestehen bleiben. Denn die GmbH trifft - was das Berufungsgericht erkannt hat - im Schadensersatzprozess gegen ihren Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbH nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre (BGHZ 152, 280, 284). Darum ist es Sache des Beklagten , den Vorwurf, auf eine tatsächlich nicht bestehende Rechnung Zahlung geleistet zu haben, zu entkräften.
6
3. Sofern gegen den Beklagten zu 1 Ansprüche aus § 130a Abs. 3, § 177a HGB bzw. § 43 GmbHG begründet sein sollten, kommt auch eine Haftung der Beklagten zu 2 bis 5 aus § 826 BGB in Betracht, weil sie möglicher- weise an dem Versuch des Beklagten zu 1, das pfändbare Vermögen der Insolvenzschuldnerin dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, mitgewirkt haben (vgl. BGHZ 130, 314, 331).
Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Reichart
Vorinstanzen:
LG Wuppertal, Entscheidung vom 25.02.2005 - 2 O 284/00 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.09.2006 - I-4 U 68/05 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
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published on 14.05.2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 48/06 Verkündet am: 14. Mai 2007 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

§ 125a gilt auch für die Gesellschaft, bei der ein Kommanditist eine natürliche Person ist. Der in § 125a Absatz 1 Satz 2 für die Gesellschafter vorgeschriebenen Angaben bedarf es nur für die persönlich haftenden Gesellschafter der Gesellschaft.

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.