Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2015 - I ZB 54/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Gläubigerin als Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des früheren Gläubigers einen von der Schuldnerin gemäß § 87c Abs. 2 HGB erstellten Buchauszug im Wege der Ersatzvornahme auf Kosten der Schuldnerin ergänzen lassen kann. Das Landgericht hat den Antrag des früheren Gläubigers, über dessen Vermögen seinerzeit noch nicht das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, zurückgewiesen. Dagegen hat der frühere Gläubiger die sofortige Beschwerde eingelegt. Nach Aufnahme des zunächst gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Beschwerdeverfahrens durch die Gläubigerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Landgerichts teilweise abgeändert und der Gläubigerin unter Zurückweisung ihres weitergehenden Vollstreckungsantrags gestattet, den dem früheren Gläubiger erteilten Buchauszug der Schuldnerin auf deren Kosten im Wege der Ersatzvornahme durch einen von ihr zu beauftragenden vereidigten Buchsachverständigen oder Wirtschaftsprüfer ihrer Wahl um bestimmte Angaben ergänzen zu lassen, und die Schuldnerin verpflichtet, der Gläubigerin auf die voraussichtliche Vergütung des zu beauftragenden Buchsachverständigen oder Wirtschaftsprüfers einen Vorschuss in Höhe von 2.016,05 € zu zahlen. Weiterhin hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde beschränkt auf die von der Schuldnerin zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung und die damit in Zusammenhang stehende Rechtsfrage eines etwaigen Aufrechnungsverbots zugelassen.
- 2
- Die Gläubigerin hat vor dem Bundesgerichtshof zunächst im Verfahren I ZB 24/15 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Der Senat hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Personen sei es zuzumuten, die Vorschüsse auf die Prozesskosten aufzubringen (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - I ZB 24/15, juris Rn. 2). Nachdem ihr dieser Beschluss am 29. Juni 2015 zugestellt worden war, hat die Gläubigerin am 8. Juli 2015 gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Rechtsbeschwerde eingelegt. Zugleich hat sie beantragt , ihr gegen die Versäumung der am 17. März 2015 abgelaufenen Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
- 3
- II. Der von der Gläubigerin gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Gläubigerin war nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die von ihr versäumte Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten (§ 233 Satz 1 ZPO).
- 4
- 1. Eine Partei, die - wie im Streitfall die Gläubigerin - vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist bis zur Entscheidung über diesen Antrag so lange als ohne ihr Verschulden an der Fristwahrung verhindert anzusehen, als sie sich vernünftigerweise für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten darf. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Partei erkennen kann, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskos- tenhilfe nicht gegeben sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - XI ZR 161/01, BGHZ 148, 66, 69; Beschluss vom 17. Juli 2013 - XII ZB 174/10, FamRZ 2013, 1720 Rn. 16; Beschluss vom 13. Januar 2015 - VI ZB 61/14, NJW-RR 2015, 703 Rn. 8; Beschluss vom 25. März 2015 - XII ZB 96/14, FamRZ 2015, 1103). So verhält es sich in der vorliegenden Sache.
- 5
- 2. Die als Rechtsanwältin sowie aufgrund ihrer Stellung als Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des vormaligen Gläubigers sachund fachkundige Gläubigerin hatte aus dem Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht, in dem dieses einen von ihr gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe am 27. Oktober 2014 mit der entsprechenden Begründung zurückgewiesen hat, Kenntnis von den Umständen, im Hinblick auf die dann auch der Senat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren mit dem Beschluss vom 9. Juni 2015 - I ZB 24/15, juris Rn. 2 unter Hinweis auf § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO zurückgewiesen hat. Sie musste daher damit rechnen, dass ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus diesen Gründen erfolglos bleiben würde. Die Gläubigerin durfte dementsprechend nicht - wie sonst eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann - darauf vertrauen, dass ihr Prozesskostenhilfe bewilligt werde, weil die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung - schon im Hinblick auf die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht - hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und auch nicht mutwillig erschien. Sie hätte bei diesen Gegebenheiten daher die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde innerhalb der dafür laufenden Frist einlegen müssen.
- 6
- 3. Der im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin vom 6. Oktober 2015 enthaltene Vortrag, bei einer zu erwartenden Insol- venzquote von knapp über einem Prozent sei auch den "größeren" Gläubigern eine Prozessfinanzierung nicht zuzumuten, da die von ihnen im Erfolgsfalle zu erwartende zusätzliche Ausschüttung deutlich unter den Prozesskosten liege, rechtfertigt keine der Gläubigerin günstigere Entscheidung. Die Gläubigerin hat insoweit nicht lediglich ihren bisherigen Vortrag ergänzt oder erläutert, sondern zu ihrer bisherigen, in sich geschlossenen und nicht ergänzungsbedürftig erscheinenden Sachdarstellung neue Tatsachen nachgeschoben. Dies war nach Ablauf der Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 234 Abs. 1 ZPO unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - XII ZB 47/10, NJW-RR 2013, 1393 Rn. 14; Beschluss vom 1. Juli 2013 - VI ZB 18/12, NJW 2013, 3081 Rn. 14; Beschluss vom 19. März 2014 - I ZB 32/13, GRUR-RR 2014, 470 Rn. 8, jeweils mwN). Büscher Schaffert Löffler Schwonke Feddersen
LG Hannover, Entscheidung vom 09.06.2011 - 25 O 21/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.02.2015 - 11 W 43/11 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Der Unternehmer hat über die Provision, auf die der Handelsvertreter Anspruch hat, monatlich abzurechnen; der Abrechnungszeitraum kann auf höchstens drei Monate erstreckt werden. Die Abrechnung hat unverzüglich, spätestens bis zum Ende des nächsten Monats, zu erfolgen.
(2) Der Handelsvertreter kann bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 Provision gebührt.
(3) Der Handelsvertreter kann außerdem Mitteilung über alle Umstände verlangen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind.
(4) Wird der Buchauszug verweigert oder bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszuges, so kann der Handelsvertreter verlangen, daß nach Wahl des Unternehmers entweder ihm oder einem von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher oder die sonstigen Urkunden so weit gewährt wird, wie dies zur Feststellung der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszugs erforderlich ist.
(5) Diese Rechte des Handelsvertreters können nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag
- 1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen; - 2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.