vorgehend
Amtsgericht Mannheim, 7 M 20/14, 06.10.2014
Landgericht Mannheim, 10 T 133/14, 27.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 36/15
vom
10. Februar 2016
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
ECLI:DE:BGH:2016:100216BIZB36.15.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen

beschlossen:
Die Schuldnerin hat die Kosten des Erinnerungs-, Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegenstandswert: 265,95 €

Gründe:


I. Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist die unter der Be1 zeichnung "Südwestrundfunk" tätige Landesrundfunkanstalt in den Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Er betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge.
2
Am 6. Juni 2014 ging beim Amtsgericht Mannheim - Gerichtsvollzieherverteilerstelle - ein als "Vollstreckungsersuchen" bezeichnetes Schreiben vom 1. Juni 2014 ein, in dessen Briefkopf sich die nachfolgenden Angaben befanden : Südwestrundfunk ARD ZDF Deutschlandradio BEITRAGSSERVICE.

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Die Gestaltung des Briefkopfs entsprach derjenigen der Vollstreckungsersuchen , die in den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 2015 (I ZB 64/14, K&R 2015, 577), 8. Oktober 2015 (VII ZB 11/15, WM 2015, 2374) und 21. Oktober 2015 (I ZB 6/15, juris) abgebildet waren. Das Vollstreckungsersuchen enthielt ferner die Schlussformel "Mit freundlichen Grüßen Südwestrundfunk" und eine "Aufstellung der rückständigen Forderungen" und den vorangestellten Hinweis: "Dem Beitragsschuldner sind bereits Gebühren-/Beitragsbescheide und Mahnungen mit folgenden Daten zugesandt worden:" Die Seite endet mit dem Hinweis: "Dieses Vollstreckungsersuchen ist von einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage gefertigt und ohne Unterschrift und Dienstsiegel wirksam." Der beizutreibende Betrag war mit 265,95 € beziffert.
4
Nachdem der Gerichtsvollzieher die Schuldnerin erfolglos zur Zahlung aufgefordert hatte, bestimmte er einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft. Gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung legte die Schuldnerin Erinnerung ein.
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Mit Beschluss vom 6. Oktober 2014 hat das Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen für unzulässig erklärt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Zurückweisung der Erinnerung der Schuldnerin weiter.
6
Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2015 hat der Gläubiger das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, weil die Schuldnerin die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Forderung beglichen hat. Die Schuldnerin hat sich zu der Erledigungserklärung nicht geäußert.
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II. Das Beschwerdegericht ist von der Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde des Schuldners ausgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
8
Das Vollstreckungsersuchen des Gläubigers habe die Voraussetzungen der Vollstreckung gemäß § 15a Abs. 4 LVwVG-BW nicht erfüllt. Weder lasse sich mit hinreichender Deutlichkeit die Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde entnehmen, noch sei der zu vollstreckende Verwaltungsakt ausreichend genau bezeichnet.
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III. Die Schuldnerin hat die Kosten des Erinnerungs-, Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
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1. Die Erledigung der Hauptsache kann noch in der Rechtsmittelinstanz (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 - I ZR 154/08, WRP 2010, 759 Rn. 8 - Bundesdruckerei, mwN), auch noch während des Rechtsbeschwerdeverfahrens erklärt werden (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, NJW 2007, 2993 Rn. 6 ff.). Nachdem die auf die Zustimmungsfiktion des § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO hingewiesene Schuldnerin der Erledigungserklärung des Gläubigers nicht innerhalb der Notfrist gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO widersprochen hat, ist über alle bisher entstandenen Kosten des Vollstreckungsverfahrens einschließlich der Kosten der Vorinstanzen gemäß der auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde geltenden Vorschrift des § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu berücksichtigen.
11
2. Nach diesen Grundsätzen hat die Schuldnerin die Kosten zu tragen, da die Rechtsbeschwerde des Gläubigers Erfolg gehabt hätte. Die Beschwerde des Gläubigers war begründet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts erfüllt das beanstandete Vollstreckungsersuchen die Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 15a LVwVG-BW. Der Senat nimmt zur Begründung Bezug auf seinen Beschluss vom 11. Juni 2015 (I ZB 64/14, K&R 2015, 577 Rn. 16 ff.), dem sich der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs angeschlossen hat (Beschluss vom 8. Oktober 2015 - VII ZB 11/15, juris Rn. 16 ff.). Im Streitfall sind keine Umstände ersichtlich, die eine davon abweichende Beurteilung rechtfertigen.
Büscher Koch Löffler
Schwonke Feddersen
Vorinstanzen:
AG Mannheim, Entscheidung vom 06.10.2014 - 7 M 20/14 -
LG Mannheim, Entscheidung vom 27.03.2015 - 10 T 133/14 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


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II. Die Beschwerde des Schuldners ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts genügte der Beschluss des Vollstreckungsgerichts den Anforderungen an eine wirksame Parteibezeichnung (dazu unter II. 1). Es lagen außerdem die besonderen verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen der Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vor (dazu unter II. 2).
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II. 1. Die Erledigung der Hauptsache kann noch in der Rechtsmittelinstanz , auch noch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde , erklärt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.2003 - VII ZR 121/02, BauR 2003, 1075, 1076; Beschl. v. 30.9.2004 - I ZR 30/04, WRP 2005, 126; Beschl. v. 1.3.2007 - I ZR 249/02, GRUR 2007, 448 Tz. 12). Da durch die übereinstimmenden Erklärungen der Parteien der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist, ist über alle bisher entstandenen Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Vorinstanzen gemäß der auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geltenden Vorschrift des § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Beschwerde- und gegebenenfalls des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen (BGH WRP 2005, 126).
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b) Über die Kosten besonderer Rechtsbehelfe im Zwangsversteigerungsverfahren ist demgegenüber grundsätzlich nicht gemäß § 788 ZPO, sondern nach den insoweit spezielleren Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden (ebenso Stöber, ZVG, 18. Aufl., Einl. 39.10; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 99 Rdn. 9; Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., Vorbem zu § 95 Rdn. 8 a.E.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rdn. 7; OLG Karlsruhe Rpfleger 1995, 472, 473; OLG Bremen JurBüro 1985, 776; OLG Hamm Rpfleger 1976, 146, 148; für das Vollstreckungsverfahren allgemein: BGH, Beschl. v. 29. September 1988, I ARZ 589/88, NJW-RR 1989, 125; OLG Hamburg JurBüro 1995, 547; Zöller /Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 788 Rdn. 12; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rdn. 20; Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 788 Rdn. 6).

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

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II. Die Beschwerde des Schuldners ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts genügte der Beschluss des Vollstreckungsgerichts den Anforderungen an eine wirksame Parteibezeichnung (dazu unter II. 1). Es lagen außerdem die besonderen verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen der Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vor (dazu unter II. 2).
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(1) Dem Wortlaut des § 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LVwVG BW lässt sich nicht entnehmen, dass die vom Beschwerdegericht für eine eindeutige Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde geforderte ausdrückliche Angabe der Eigenschaft als Gläubiger und Vollstreckungsbehörde sowie weitere Angaben zur Rechtsform, zu den Vertretungsverhältnissen und die Mitteilung der Anschrift erforderlich sind. Auch der Sinn und Zweck der Bestimmung erfordert diese Angaben im Streitfall nicht. Die in § 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LVwVG BW für notwendig erachtete Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde dient ersichtlich dazu, den Gerichtsvollzieher in die Lage zu versetzen, das konkrete Vollstreckungsersuchen einer bestimmten Vollstreckungsbehörde - gemäß § 4 Abs. 1 LVwVG BW ist das die Behörde, die den zu vollstreckenden Verwaltungsakt erlassen hat - eindeutig zuzuordnen. Daraus ergibt sich, dass Angaben zur Gläubigerstellung oder gar die Angabe als "Vollstreckungsbehörde" nicht erforderlich sind. Diese Eigenschaften ergeben sich ohne weiteres bereits aus dem Umstand, dass die im Vollstreckungsersuchen bezeichnete Behörde die Zwangsvollstreckung betreibt. Aus dem Zweck der Vorschrift folgt ferner, dass die Vollstreckungsbehörde bereits dann hinreichend eindeutig bezeichnet ist, wenn sich ihre Identität bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts aus der Sicht des Empfängers ergibt (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - I ZB 64/14, juris Rn. 31).