Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2009 - I ZB 101/08
Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 307,38 € festgesetzt.
Gründe:
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- I. Der Verfügungskläger, ein Rechtsanwalt, hat gegen die Verfügungsbeklagten , eine in B. geschäftsansässige Gesellschaft bürgerlichen Rechts und deren Gesellschafter, vor dem Landgericht Darmstadt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen wettbewerbswidriger Verbreitung rechtlicher Informationen beantragt. Die Verfügungsbeklagten ließen sich in diesem Verfahren von Rechtsanwalt S. aus München vertreten, der auch die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Darmstadt wahrnahm. Das Landgericht wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück und gab dem Verfügungskläger die Kosten des Verfahrens auf. Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Verfügungsbeklagten unter anderem Reisekosten ihres Verfahrens- bevollmächtigten von München nach Darmstadt sowie ein Abwesenheitsgeld von mehr als acht Stunden in Höhe von 60 € zur Kostenausgleichung angemeldet. Sie haben dazu ausgeführt, zwischen ihnen und ihrem Verfahrensbevollmächtigten bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis, weil er seit bald fünf Jahren ihr anwaltlicher Berater sei und sämtliche technischen und juristischen Hintergründe sowie die Personalstruktur der beklagten Gesellschaft kenne. Insbesondere halte er Kontakt zu deren Inkassoanwalt und wichtigen Mitarbeitern.
- 2
- Das Landgericht hat lediglich Reisekosten auf der Grundlage der Entfernung zwischen B. und Darmstadt anerkannt und das Abwesenheitsgeld auf 20 € festgesetzt.
- 3
- Die von den Verfügungsbeklagten hiergegen erhobene, auf Berücksichtigung des Unterschiedsbetrags gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben.
- 4
- Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Verfügungsbeklagten ihr in den Vorinstanzen erfolgloses Kostenfestsetzungsbegehren weiter.
- 5
- Der Verfügungskläger hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.
- 6
- II. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
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- 1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 8
- Die Einschaltung eines auswärtigen Rechtsanwalts sei zwar als zweckentsprechende Rechtsverteidigung dann gerechtfertigt, wenn die unternehmensinterne Bearbeitung an dem Ort stattfinde, an dem der beauftragte Rechtsanwalt ansässig sei. Dies gelte auch dann, wenn das Unternehmen an diesem Ort weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhalte. Die unternehmensinterne Bearbeitung am auswärtigen Ort könne auch durch einen Rechtsanwalt erfolgen. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Rechtsverfolgung bei Beauftragung eines Rechtsanwalts, der weder am Sitz der Partei noch am Sitz des Prozessgerichts ansässig sei, könne aber nur ausnahmsweise dann bejaht werden, wenn die Partei dem Anwalt als "ausgelagertem Hausanwalt" alle ihre Verfahren zur weiteren selbständigen Bearbeitung ohne weitere Instruktionen überlasse. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn ein Unternehmen nebeneinander einen Inkassoanwalt zum außergerichtlichen Forderungseinzug und einen anderen Rechtsanwalt zur gerichtlichen Vertretung in sonstigen streitigen Fällen beauftrage.
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- 2. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat die Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten von München nach Darmstadt und ein entsprechend berechnetes Abwesenheitsgeld im Ergebnis mit Recht als nicht erstattungsfähig erachtet.
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- a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für eine Partei, die an ihrem eigenen Gerichtsstand verklagt wird, die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts grundsätzlich nur dann als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden kann, wenn besondere Umstände die Einschaltung des auswärtigen Rechtsanwalts geboten erscheinen lassen (BGH, Beschl. v. 12.12.2002 - I ZB 29/02 = NJW 2003, 901, 902 f. = WRP 2003, 391 - Auswärtiger Rechtsanwalt I; Beschl. v. 22.2.2007 - VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071 Tz. 10; Beschl. v. 20.5.2008 - VIII ZB 92/07, NJW-RR 2009, 283 Tz. 6 = WRP 2008, 1120).
- 11
- Solche besonderen Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn die dem Rechtsstreit vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache an einem Ort stattgefunden hat, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält (BGH, Beschl. v. 23.1.2007 - I ZB 42/06, GRUR 2007, 726 Tz. 14 = WRP 2007, 957 - Auswärtiger Rechtsanwalt VI; BGH NJW-RR 2009, 283 Tz. 7). In diesem Fall sind die Reisekosten, die dem Unternehmen durch die Beauftragung eines am Ort der Bearbeitung ansässigen Rechtsanwalts entstanden sind, nach denselben Grundsätzen zu erstatten wie sonst im Falle der Beauftragung eines am Sitz des Unternehmens ansässigen Rechtsanwalts. Denn für die Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation eines an einem Rechtsstreit beteiligten Unternehmens an und nicht darauf, welche Unternehmensorganisation unter Erstattungsgesichtspunkten zweckmäßiger oder günstiger gewesen wäre (BGH GRUR 2007, 726 Tz. 14 - Auswärtiger Rechtsanwalt VI).
- 12
- Im Hinblick auf die gewählte Betriebsorganisation hat es der Bundesgerichtshof für die Erstattung der Kosten des auswärtigen Rechtsanwalts auch ausreichen lassen, wenn ein Versicherer bei streitig werdenden Leistungsablehnungen die Sache nicht mehr im eigenen Unternehmen weiterbearbeitet, sondern sie zur selbständigen Bearbeitung an einen externen Rechtsanwalt übergibt, der bei Fehlschlagen einer außergerichtlichen Klärung auch die Prozessführung übernimmt (BGH, Beschl. v. 28.6.2006 - IV ZB 44/05, NJW 2006, 3008 Tz. 9 ff.). Dagegen ist es für sich allein noch nicht als ausreichender Grund zur Beauftragung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten angesehen worden, wenn eine am Sitz des Prozessgerichts oder in dessen Nähe an- sässige Partei einen auswärtigen Rechtsanwalt nur deshalb wählt, weil sie mit ihm durch eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit verbunden ist. Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn Besonderheiten in der Sache selbst oder ihrer Bearbeitung die Annahme rechtfertigen, dass am Ort des Prozessgerichts oder am Sitz der Partei keine zur sachangemessenen Prozessvertretung geeigneten Rechtsanwälte niedergelassen sind (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1071 Tz. 11, 13 f.; NJW-RR 2009, 283 Tz. 8).
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- b) Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht im Streitfall besondere Umstände verneint, die es rechtfertigen könnten, die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts durch die an ihrem Geschäfts- oder Wohnsitz verklagte Partei als notwendig erscheinen zu lassen. Dabei bedarf keiner Entscheidung , ob der Ansicht des Beschwerdegerichts zu folgen ist, dass die erforderlichen besonderen Umstände stets bereits dann ausscheiden, wenn eine Partei außer dem mit der Prozessführung betrauten Anwalt noch einen "Inkassoanwalt" beschäftigt. Das erscheint im Hinblick auf den anzuerkennenden Gestaltungsspielraum bei der Betriebsorganisation nicht zweifelsfrei. Entscheidend gegen die Notwendigkeit der Beauftragung des auswärtigen Rechtsanwalts spricht im Streitfall aber bereits der Umstand, dass nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts die unternehmensinterne Organisation der Verfügungsbeklagten zu 1 keine regelmäßige vorprozessuale Bearbeitung von Streitfällen, wie sie typischerweise Aufgabe der Rechtsabteilung eines Unternehmens ist, am Kanzleisitz des auswärtigen Rechtsanwalts vorsieht. Vielmehr haben die Verfügungsbeklagten vorgetragen , ihrem Anwalt sämtliche eingehende "Gerichtspost" zuzuleiten und zur weiteren alleinigen, weitgehend eigenverantwortlichen Sachbearbeitung zu überlassen. Da von "Gerichtspost" nur im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren gesprochen werden kann, ergibt sich daraus keine außerge- richtliche Tätigkeit, die der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten regelmäßig anstelle einer eigenen Rechtsabteilung wahrnimmt. Folgen die für die Notwendigkeit der Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts erforderlichen besonderen Umstände - wie hier - nicht aus der Natur des Streitfalls, so setzen sie aber jedenfalls voraus, dass die außergerichtliche Bearbeitung der Sache aufgrund einer allgemeinen Maßnahme der Betriebsorganisation und nicht nur im Einzelfall für die Partei an dem Ort erfolgt, an dem der auswärtige Rechtsanwalt seine Kanzlei hat.
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- III. Danach ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 19.11.2007 - 22 O 438/07 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 10.11.2008 - 12 W 80/08 -
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)