Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Apr. 2001 - BLw 22/00

bei uns veröffentlicht am27.04.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
BLw 22/00
vom
27. April 2001
in der Landwirtschaftssache
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 27. April
2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein sowie die ehrenamtlichen Richter Dahm und
Schroth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. August 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1 bis 3 tragen die gerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerde und die der Beteiligten zu 4 außergerichtlich entstandenen Kosten.
Der Beschwerdewert beträgt 52.000 DM.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind Eigentümer eines im Grundbuch von H. eingetragenen Grundstücks. Das Grundstück besteht aus den Flurstücken 107, 130 und 229 b der Gemarkung G. Die insgesamt 51.532 qm großen Flurstücke grenzen nicht aneinander. Sie werden von der Agrargenossenschaft H. eG (im folgenden: Agrargenossenschaft) aufgrund von Pachtverträgen vom 1. Oktober 1992 genutzt. Die Flurstücke 107 und 130 werden nach gegenwärtigem Pla-
nungsstand zum überwiegenden Teil für den Bau der Autobahn Dresden-Prag in Anspruch genommen werden.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29. März 1999 verkauften die Beteiligten zu 1 und 2 das Grundstück für 52.000 DM an den Beteiligten zu 3, der Nichtlandwirt ist. Am 8. April 1999 beantragte die beurkundende Notarin die Genehmigung der Veräußerung bei dem zuständigen Amt für Landwirtschaft in S. Mit Zwischenbescheid vom 20. April 1999 verlängerte das Amt die Entscheidungsfrist auf drei Monate, um der S. L. M. GmbH, der Beteiligten zu 4, Gelegenheit zu geben, sich zur Ausübung ihres Vorkaufsrechts zu erklären. Mit Schreiben vom 18. Juni 1999 an das Amt erklärte die Beteiligte zu 4, das Vorkaufsrecht auszuüben. Den Beteiligten zu 1 bis 3 wurde diese Entscheidung am 25. bzw. 26. Juni 1999 zugestellt.
Die Beteiligten zu 1 und 2 halten die Ausübung des Vorkaufsrechts für unwirksam. Sie haben Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 10 RSG gestellt. Der Beteiligte zu 3 ist dem Antrag beigetreten. Das Landwirtschaftsgericht hat die Ansicht vertreten, das Vorkaufsrecht sei nicht wirksam ausgeübt, weil die Genehmigung zum Erwerb des Grundstücks durch das Amt für Landwirtschaft als erteilt gelte. Das Oberlandesgericht hat der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Beteiligten zu 4 stattgegeben und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3.

II.


Das Beschwerdegericht meint, die Frist zur Genehmigung des Vertrages vom 29. März 1999 sei durch den Zwischenbescheid vom 20. April 1999 wirksam auf drei Monate verlängert worden, weil alle drei Flurstücke landwirtschaftlich genutzt würden und die Größe des Grundstücks insgesamt die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 SächsAGGrdstVG (SächsGVBl. 1994, 1252), § 2 der Verordnung über die Bestimmung der Freigrenze nach dem Landpachtverkehrsgesetz und der Mindestgröße der dem siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht unterliegenden Grundstücke (SächsGVBl. 1994, 689), in Sachsen geltende Mindestgröße von 0,5 ha übersteige. Der Ausübung des Vorkaufsrechts stehe auch nicht entgegen, daß die Flurstücke 107 und 130 zum größeren Teil für den Bau der Autobahn in Anspruch genommen werden. Der Erwerb des Grundstücks durch den Beteiligten zu 3 sei nicht genehmigungsfähig, weil die Agrargenossenschaft und andere Landwirte durch den Bau der Autobahn im Bereich von H. erhebliche Flächeneinbußen erlitten, die die Beteiligte zu 4 durch die Überlassung der nach dem Bau der Autobahn verbleibenden Restfläche der Flurstücke an die Agrargenossenschaft oder andere Landwirte teilweise ausgleichen wolle.
Das hält der Rechtsbeschwerde stand.

III.


Die Frist zur Genehmigung des Kaufvertrags und der Auflassung vom 29. März 1999 ist durch die Verfügung vom 20. April 1999 auf drei Monate
verlängert worden. Innerhalb der verlängerten Frist hat die Beteiligten zu 4 das ihr zustehende Vorkaufsrecht an dem Grundstück wirksam ausgeübt.
1. Der Kaufvertrag vom 29. März 1999 und die Auflassung des Grundstücks bedürfen nach § 2 GrdstVG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 SächsAGGrdstVG zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung. Die Fläche des Grundstücks übersteigt die nach § 2 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Bestimmungen der Freigrenzen nach dem Landverkehrsgesetz und der Mindestgröße der dem siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht unterliegenden Grundstücke für das Bestehen eines Vorkaufsrechts geltende Mindestgröße von 0,5 ha. Auch nach Inanspruchnahme von Teilen der Flurstücke 107 und 130 wird es nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hierbei verbleiben. Schon deshalb ist die mit dem Bau der Autobahn verbundene Verkleinerung des Grundstücks für das Bestehen des Vorkaufsrechts der Beteiligten zu 4 und die Wirksamkeit seiner Ausübung ohne Bedeutung.
2. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 4 erstrecke sich nicht auf das Flurstück 229 b. Für die Beantwortung der Frage, ob verschiedene Flurstücke ein Grundstück im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes bilden, ist der wirtschaftliche Grundstücksbegriff maßgeblich (Senat, BGHZ 94, 299, 304 f). Hierzu hat das Beschwerdegericht festgestellt, daß alle drei Flurstücke, aus denen das Grundstück besteht, als landwirtschaftliche Nutzflächen an die Agrargenossenschaft verpachtet und daher wirtschaftlich als ein Grundstück zu betrachten sind. Soweit die Rechtsbeschwerde ausführt, bei dem Flurstück 229 b handele es sich um eine Hangfläche , die im Gegensatz zu den Flurstücken 107 und 130 von der Agrargenos-
senschaft nur als Schafweide genutzt werde, führt dies schon deshalb nicht weiter, weil die landwirtschaftliche Nutzung des Flurstücks 229 b hierdurch nicht in Frage gestellt ist.
3. Die Rechtsbeschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen die Feststellung des Beschwerdegerichts wendet, die Veräußerung des Grundstücks an den Beteiligten zu 3 sei wegen des Interesses der Beteiligten zu 4 an dessen Erwerb nicht genehmigungsfähig.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG darf die Genehmigung zum Verkauf eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks nur versagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß die Veräußerung eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden bedeutet. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Veräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht (§ 9 Abs. 2 GrdstVG). So verhält es sich bei der Veräußerung eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks an einen Nichtlandwirt, sofern ein hauptberuflicher Landwirt willens und in der Lage ist, das Grundstück zu erwerben, oder wenn sich aus bestimmten Tatsachen ergibt, daß der Eigentumserwerb konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur zuwiderläuft, die die zuständigen Stellen bereits unternommen haben oder beabsichtigen.
So liegt der Fall hier: Von dem Bau der Autobahn werden nicht nur die Flurstücke 107 und 130 der Gemarkung G., sondern schon in deren näherem Umfeld landwirtschaftliche Nutzflächen in Anspruch genommen, die insgesamt um ein Vielfaches größer sind als die Flurstücke 107 und 130. Die Beeinträchtigung der Agrargenossenschaft und weiterer landwirtschaftlicher Betriebe durch den Bau der Bundesautobahn liegt auf der Hand. Auch wenn die
Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, daß den vorgelegten schriftlichen Ä ußerungen der Agrargenossenschaft nicht zu entnehmen ist, daß sie das nach dem Bau der Autobahn verbleibende Grundstück erwerben will, berührt dies das konkrete Interesse der Beteiligten zu 4 an dessen Erwerb nicht. Sie ist vom Staatlichen Amt für landwirtschaftliche Neuordnung in K. angewiesen, wegen des mit dem Bau der Autobahn verbundenen Verbrauchs landwirtschaftlicher Nutzflächen in größtmöglichem Umfang Ersatzflächen zu erwerben und diese nach Abschluß der Baumaßnahmen den von dem Bau betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben anzudienen.

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 44, 45 LwVG.
Wenzel Krüger Klein

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(1) Die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag hierüber bedürfen der Genehmigung. Ist ein schuldrechtlicher Vertrag genehmigt worden, so gilt auch die in Ausführung des Vertrages vorgenommene Auflassung als genehmigt. Die Genehmigung kann auch vor der Beurkundung des Rechtsgeschäfts erteilt werden.

(2) Der Veräußerung eines Grundstücks stehen gleich

1.
die Einräumung und die Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück;
2.
die Veräußerung eines Erbanteils an einen anderen als an einen Miterben, wenn der Nachlaß im wesentlichen aus einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb besteht;
3.
die Bestellung des Nießbrauchs an einem Grundstück.

(3) Die Länder können

1.
die Vorschriften dieses Abschnitts auf die Veräußerung von grundstücksgleichen Rechten, die die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks zum Gegenstand haben, sowie von selbständigen Fischereirechten für anwendbar erklären;
2.
bestimmen, daß die Veräußerung von Grundstücken bis zu einer bestimmten Größe keiner Genehmigung bedarf;
3.
bestimmen, dass in bestimmten Teilen des Landesgebietes die Genehmigung eines nach Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfts über die in § 9 genannten Gründe hinaus versagt oder mit Nebenbestimmungen nach § 10 oder § 11 versehen werden kann, soweit dies in dem betroffenen Teil des Landesgebietes zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die Agrarstruktur zwingend erforderlich ist.

(1) Die Genehmigung darf nur versagt oder durch Auflagen (§ 10) oder Bedingungen (§ 11) eingeschränkt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß

1.
die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet oder
2.
durch die Veräußerung das Grundstück oder eine Mehrheit von Grundstücken, die räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängen und dem Veräußerer gehören, unwirtschaftlich verkleinert oder aufgeteilt würde oder
3.
der Gegenwert in einem groben Mißverhältnis zum Wert des Grundstücks steht.

(2) Eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 liegt in der Regel dann vor, wenn die Veräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.

(3) Eine unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 liegt in der Regel dann vor, wenn durch Erbauseinandersetzung, Übergabevertrag oder eine sonstige rechtsgeschäftliche Veräußerung

1.
ein selbständiger landwirtschaftlicher Betrieb seine Lebensfähigkeit verlieren würde;
2.
ein landwirtschaftliches Grundstück kleiner als ein Hektar wird;
3.
ein forstwirtschaftliches Grundstück kleiner als dreieinhalb Hektar wird, es sei denn, daß seine ordnungsgemäße forstliche Bewirtschaftung gewährleistet erscheint;
4.
in einem Flurbereinigungsverfahren zugeteilte oder anläßlich einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Aufstockung oder Aussiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebes erworbene Grundstücke in der Weise geteilt werden, daß die Teilung diesen Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.

(4) Wird das Grundstück für andere als land- oder forstwirtschaftliche Zwecke veräußert, so darf die Genehmigung aus Absatz 1 Nr. 3 nicht versagt werden.

(5) Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz ausgeübt werden kann, so darf, wenn das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird, die Genehmigung aus Absatz 1 Nr. 1 nur versagt oder durch Auflagen oder Bedingungen eingeschränkt werden, falls es sich um die Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes handelt.

(6) Bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag muß auch allgemeinen volkswirtschaftlichen Belangen Rechnung getragen werden, insbesondere wenn Grundstücke zur unmittelbaren Gewinnung von Roh- und Grundstoffen (Bodenbestandteile) veräußert werden.

(7) Die Genehmigung soll, auch wenn ihr Bedenken aus den in Absatz 1 aufgeführten Gründen entgegenstehen, nicht versagt werden, wenn dies eine unzumutbare Härte für den Veräußerer bedeuten würde.