Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 488/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2011

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. September 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; die Maßregelanordnung entfällt.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
3. Die Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten wegen zu Unrecht erlittener einstweiliger Unterbringung bleibt dem Landgericht vorbehalten.
4. Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Braunschweig vom 16. März 2011 wird aufgehoben. Der Angeklagte ist in dieser Sache sofort aus der einstweiligen Unterbringung zu entlassen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Betruges in fünf Fällen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hebt der Senat die Maßregelanordnung auf; diese entfällt.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 3) leidet der An- geklagte bereits seit dem Jahr 2003 an einer „chronifizierten Schizophrenie am ehesten in der Subklassifizierung als undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10: F 20.3)“. Insbesondere ist er wahnhaft der Auffassung, dass er aufgrund einer nach seiner Ansicht unrechtmäßigen Kündigung seines früheren Arbeitsverhältnisses durch die V. AG von dieser bis zu 1,6 Mio. € zu erhalten habe und auch erhalten werde. Vor diesem Hintergrund hält sich der Angeklagte unkorrigierbar für einen „reichen Mann“ (UA S. 4). Tatsächlich lebt er in sehr beschränkten finanziellen Verhältnissen.
3
Zu den Taten, die der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit beging, kam es zwischen September 2007 und Oktober 2008:
4
Der Angeklagte ist Eigentümer eines leerstehenden baufälligen „Woh- nensembles“ in Rottmersleben. Nachdem im März 2007 für das Wohnhaus eine Abrissverfügung erlassen und schließlich die Ersatzvornahme angedroht worden war, entschloss sich der Angeklagte, zunächst das Dach und den Dachstuhl des Gebäudes abtragen und neu errichten zu lassen. In diesem Zusammenhang beauftragte er zwei Handwerksbetriebe, die die vereinbarten Werkleistungen im Vertrauen auf die Zahlungsfähigkeit des Angeklagten erbrachten. Die Rechnungen in Höhe von insgesamt rund 19.000 € blieben unbezahlt.
5
Nachdem sich die Baubehörde mit der Durchführung der genannten Arbeiten zufrieden gegeben hatte, entschloss sich der Angeklagte, das Objekt weiter zu sanieren. In der Folgezeit beauftragte er in drei weiteren Fällen Handwerksbetriebe mit der Erbringung von Werkleistungen. Zwei Rechnun- gen in Höhe von insgesamt 14.000 € blieben wiederum unbezahlt. In einem weiteren Fall kam es nicht zu dem von dem Angeklagten in Auftrag gegebenen Einbau von Fenstern und einer Haustür, nachdem eine Nachbarin den Handwerker gewarnt hatte, dass der Angeklagte „bekanntermaßen zah- lungsunfähig“ sei. Der Auftragnehmer erlitt jedoch gleichwohl einen Schaden von rund 2.000 €.
6
Bei der Begehung aller Taten ging der Angeklagte infolge seines Wahns davon aus, dass er die entsprechenden Rechnungen zeitnah würde bezahlen können, da er „beinahe täglich“ mit einem erheblichen Geldeingang seitens der V. AG rechnete.
7
2. Der Maßregelausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus liegen nicht vor.
8
Zwar begegnet die Annahme der fehlenden Einsichtsfähigkeit des Angeklagten keinen rechtlichen Bedenken. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht ferner davon ausgegangen, dass die weitere Voraussetzung eines fortdauernden Zustandes nach § 20 StGB beim Angeklagten gegeben ist. Indes tragen die Urteilsfeststellungen nicht die für die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08, Rn. 5; vom 16. Juli 2008 – 2 StR 161/08, Rn. 7; jeweils mwN). Die bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2008 – 2 StR 291/08, Rn. 7; vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, Rn. 10, NStZ-RR 2009, 198).
10
b) Diese Anordnungsvoraussetzungen liegen hier nicht vor.
11
Das sachverständig beratene Landgericht geht – insoweit nachvollziehbar – davon aus, dass der in der Vergangenheit bereits wiederholt mit geringeren Delikten strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte aufgrund seiner chronifizierten psychischen Erkrankung auch weiterhin Strafta- ten begehen wird. Soweit es Bedrohungstaten und „kleinere Zechprellereien“ erwartet, kommt es mit Recht zu dem Ergebnis, dass diese auch in ihrer Gesamtheit keine erheblichen Taten im Sinne von § 63 StGB darstellen.
12
Die Strafkammer nimmt indes „mit erhöhter Wahrscheinlichkeit“ an, dass der Angeklagte infolge seiner Wahnvorstellung, ein reicher Mann zu sein, bei gleichzeitig tatsächlich sehr beschränkten finanziellen Verhältnissen und weiterhin bestehender Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes in Rott- mersleben zukünftig „weitere erhebliche Betrugsstraftaten ähnlich den hier verfahrensgegenständlichen Anlasstaten“ begehen wird (UA S. 45). Diese Gefahr vermag jedoch die Maßregelanordnung nicht zu begründen.
13
Die Frage, ob von den künftig zu erwartenden Straftaten schwere Störungen des Rechtsfriedens ausgehen, kann nicht allein mit dem – hier ohnehin nicht herausragenden – Gewicht des gesetzlichen Straftatbestandes beantwortet werden. Vielmehr kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1StR 153/08; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Für etwa konkret existenzbedrohende Schädigungen besteht hier kein Anhalt. Hinweise darauf, dass der Angeklagte in anderen Zusammenhängen als der Sanierung des Gebäudes in Rottmersleben erhebliche Betrugsstraftaten begehen wird, ergeben sich nicht. Aus dem von der Strafkammer insoweit ergänzend herangezogenen Umstand, dass sich der Angeklagte in Helmstedt zwei Häuser (von außen) angeschaut hat, weil er sehen wollte, „was er mit seinem Geld machen werde“ (UA S. 46), können solche Anhalts- punkte für Gefahren der Verursachung erheblicher Vermögensschäden durch Betrugshandlungen des Angeklagten jedenfalls nicht entnommen werden.
14
Hinzu kommt, dass die Feststellungen des Landgerichts auch nicht die Annahme einer „erhöhten Wahrscheinlichkeit“ einer Begehung ähnlicher Straftaten tragen. Die angeklagten Taten wurden aus einer besonderen Situation heraus – Abrissverfügung der Baubehörde – begangen. Dass der Angeklagte auch nach Zufriedenstellung der Behörde weitere Sanierungsleistungen in Auftrag gab, ändert nichts daran, dass der Anlass für die Taten maßgeblich von außen gesetzt wurde und sie nicht etwa allein durch den Wahn des Angeklagten ausgelöst wurden. Weder vor noch nach diesen Taten hat der Angeklagte Betrügereien vergleichbarer Art begangen. Eine Vorstrafe wegen Betruges bezieht sich auf die Erschleichung von Sozialleistungen. Auch die weitere durch Strafbefehl des Amtsgerichts Helmstedt vom 29. Februar 2008 geahndete Betrugstat steht in keinem erkennbaren Zusammenhang zu dem Wahn des Angeklagten.
15
c) Ohne dass es nach dem Ausgeführten noch darauf ankommt, weist der Senat abschließend darauf hin, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gegenüber wirksamen milderen Maßnahmen subsidiär ist. Im vorliegenden Fall wäre insbesondere zu prüfen, ob der von dem Angeklagten ausgehenden Gefahr durch Bestellung eines Betreuers begegnet werden kann.
16
3. Der Senat schließt aus, dass sich noch weitergehende Feststellungen treffen lassen, die die Gefährlichkeit des Angeklagten belegen könnten. Er hebt daher den Maßregelausspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf und lässt die Maßregel entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2005 – 4 StR 85/03, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Sachentscheidung

8).


17
4. Mit dem Maßregelausspruch ist auch die Grundlage für die einstweilige Unterbringung weggefallen (§ 126a Abs. 2 Satz 1, § 126 Abs. 3 StPO).
18
5. Die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffende Entscheidung über eine Entschädigung des Angeklagten wegen zu Unrecht erlittener einstweiliger Unterbringung bleibt dem Landgericht vorbehalten.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

5
b) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betreffende infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Davon ist das Landgericht ausgegangen, indem es gemeint hat, die künftig zu erwartenden Strafen würden sich "nicht auf Übergriffe der verfahrensgegenständlichen Art beschränk(en), sondern auch auf körperliche Aggressionen erstrecken, sobald der Angeklagte eindeutige Ablehnung erfahre" (UA 17). Das Landgericht durfte bei dieser Einschätzung grundsätzlich auf die den Vorverurteilungen zu Grunde liegenden Tatgeschehen zurückgreifen. Allerdings lagen jene Vorfälle, bei denen der Angeklagte die Frauen, mit denen er in Beziehung stand, mit Fäusten geschlagen hatte, mittlerweile neun bzw. zuletzt viereinhalb Jahre zurück. Weitere aggressive Übergriffe des Angeklagten ergeben sich aus dem Urteil nicht. Auch gegen die nunmehr Geschädigte ist der Angeklagte nicht gewalttätig geworden. Das hat das Landgericht zwar nicht verkannt. Dass dies aber - wie das Landgericht ersichtlich gemeint hat - allein darauf zurückzuführen ist, dass die Geschädigte dem Angeklagten gegenüber fortdauernd ihre Zuneigung zum Ausdruck gebracht habe, wird jedoch nicht allen Umständen gerecht, die hier gegen die angenommene Gefährlichkeitsprognose sprechen. Denn auch wenn die Geschädigte dem Angeklagten weiterhin Verständnis entgegengebracht hat, hatte sie sich doch jedenfalls bereits Anfang des Jahres 2006 endgültig von ihm distanziert und sogar im Gerichtswege eine Unterlassungsverfügung gegen ihn erwirkt. Wenn der Angeklagte gleichwohl bei späteren Zusammentreffen mit ihr nicht gewalttätig geworden ist, sondern sich darauf "beschränkte", ihr - vergleichbar dem "stalking" (nunmehr seit dem 31. März 2007 strafbar nach § 238 StGB) - nachzustellen, spricht das eher dafür, dass der Angeklagte ungeachtet seiner narzisstischen Kränkbarkeit selbst dann nicht ohne Weiteres impulsiv aggressiv reagiert, wenn er bei seiner jeweiligen Bezugsperson Ablehnung erfährt. Auch wenn die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht grundsätzlich voraussetzt, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind (vgl. BGH NStZ 1986, 237), hätte es jedenfalls eingehenderer Darlegung bedurft, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten von erheblichem Gewicht zu erwarten sind, die die Anordnung einer zeitlich nicht befristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermögen (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Dezember 1999 – 4 StR 485/99).

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 140/08
vom
12. Juni 2008
in dem Strafverfahren/Sicherungsverfahren
gegen
wegen Bedrohung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat nach Verbindung zweier Strafverfahren und eines Sicherungsverfahrens gegen den Angeklagten bzw. Beschuldigten (im Folgenden : Beschuldigten) sowohl im Strafverfahren als auch im Sicherungsverfahren verhandelt. Es hat den Beschuldigten von den mit den Anklageschriften vom 16. Juni 2006 und 18. August 2006 erhobenen Vorwürfen, soweit es die Vorwürfe der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung und einer weiteren Beleidigung zum Nachteil des Zeugen S. betrifft, wegen Schuldunfähigkeit, im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und den im Sicherungs- verfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Mit ihrer zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB abgelehnt hat. Ferner beanstandet sie, dass eine Entscheidung über die Einziehung der bei dem Angeklagten sichergestellten, die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 2 Nr. 8 WaffG betreffenden Gegenstände unterblieben ist.

I.


2
1. Nach den Feststellungen leidet der nunmehr 43 Jahre alte Beschuldigte an einer erstmals im Jahr 1990 diagnostizierten chronischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Im selben Jahr unternahm er einen Suizidversuch , bei dem er sich die Pulsadern öffnete und seine Wohnung in Brand steckte. Mit Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln vom 10. Oktober 1990 wurde ihm die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition untersagt. Das Ermittlungsverfahren wegen schwerer Brandstiftung wurde im Dezember 1990 von der Staatsanwaltschaft Köln wegen Schuldunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt. Nach einem weiteren Suizidversuch im Jahre 1997, den er ebenso wie den vorangegangenen unternommen hatte, weil er glaubte, er solle ermordet werden, ließ sich der Beschuldigte freiwillig 19 Monate lang in einem psychiatrischen Krankenhaus behandeln und wurde danach weiter ambulant psychiatrisch behandelt. Die über mehrere Jahre eingenommenen Medikamente setzte der Beschuldigte ab und nahm seitdem lediglich das Medikament Diazepam.
3
Zu den dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Anklageschrift vom 16. Juni 2006:
5
Am 27. November 2005 kam es in dem Mietshaus in Gelsenkirchen, in dem auch der Beschuldigte wohnte, zu folgenden Vorfällen:
6
Als der Zeuge S. , nachdem er einen dumpfen Knall gehört hatte , die Wohnungstür öffnete, stand der Beschuldigte, der einen Baseballschläger in der Hand hielt, im Flur und sagte: "Wir müssen was klären". Der Zeuge schloss die Wohnungstür und informierte die Polizei. Danach klopfte der Beschuldigte an die Tür der Wohnung des Zeugen P. . Als dieser die Tür öffnete , schlug der Beschuldigte mit seinem Baseballschläger in die eigene Handfläche und sagte: "Jetzt ist es soweit. Komm' raus!" Der Zeuge P. fürchtete, geschlagen zu werden und schloss die Tür. Als der Zeuge S. die inzwischen erschienenen Polizeibeamten in seine Wohnung einließ, kam der Beschuldigte hinzu, beleidigte den Zeugen und rief ihm zu: "Wenn ich in den Knast komme, mach' ich Euch beide kalt!"
7
b) Anklageschrift vom 18. August 2006:
8
Am 17. Juli 2006 belegte der Beschuldigte den Zeugen S. im Treppenhaus des vorgenannten Mietshauses erneut mit üblen Schimpfworten. Dabei hielt er ein Klappmesser in der Hand. Der Zeuge S. zog aus Angst vor Übergriffen des Beschuldigten in eine andere Wohnung um.
9
c) Antragsschrift vom 5. Juni 2007:
10
Am 23. Februar 2007 kam es gegen Abend zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und anderen Mitbewohnern des Mietshauses, in deren Verlauf der Beschuldigte schließlich aus seiner Wohnung ein etwa 50 cm langes Messer holte und mit dem Messer in der Hand durch den Flur zu der Wohnung der Zeugin A. lief, was bei der Zeugin panische Angst auslöste. Unter welchen Umständen der Beschuldigte dann wieder in seine Wohnung gelangte , hat das Landgericht nicht aufzuklären vermocht. Der Zeuge W. hielt die Tür der Wohnung des Beschuldigten bis zum Eintreffen der von einem Mitbewohner alarmierten Polizeibeamten zu. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten wurden neben zahlreichen Messern u.a. ein Bogen mit Köcher und sechs gespitzten Pfeilen, ein Baseballschläger, ein Tomahawk, sieben Bajonette, verschiedene Bauteile, Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, ein mit einem "F" im Fünfeck gekennzeichnetes Luftgewehr , sieben Handgranaten ohne Zünder und eine Mörsergranate sichergestellt.
11
2. Das Landgericht hat hinsichtlich der Vorfälle am 27. November 2005 eine rechtswidrige Tat gemäß §§ 185, 241 Abs. 1, 52 StGB bejaht und die Äußerungen des Beschuldigten gegenüber dem Zeugen S. am 17. Juli 2006 als rechtswidrige Tat im Sinne des § 185 StGB gewertet. Hinsichtlich der dem Beschuldigten mit der Antragsschrift vom 5. Juni 2007 im Sicherungsverfahren zur Last gelegten Taten hat das Landgericht lediglich eine von dem Beschuldigten durch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über das bei ihm sichergestellte Luftgewehr und "diverse Munitions- und Schusswaffenteile" entgegen der Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln begangene rechtswidrige Tat im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG als erwiesen angesehen. Dagegen habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Beschuldigte im Verlauf der Auseinandersetzung am 23. Februar die ihm ferner zur Last gelegten beiden Bedrohungen , eine vorsätzliche Körperverletzung sowie eine versuchte gefährliche Körperverletzung begangen habe.
12
Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich der festgestellten rechtwidrigen Taten die Schuldfähigkeit des Beschuldigten verneint, weil eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zu allen Tatzeitpunkten mit Sicherheit zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt habe. Die Hauptsymptome der chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis , an der der Beschuldigte leide, bestünden in formalen und inhaltlichen Denkstörungen, die sich in zerfahrenen Gedankenabläufen bzw. Wahnvorstellungen und Verfolgungs-, Beeinträchtigungs- und Beziehungsideen äußerten. Das Wahnerleben des Beschuldigten beziehe sich auf dessen gesamtes personelles Umfeld, das ihn nach seiner Wahrnehmung ständig bedrohe, bespitzele und beleidige. Damit einher gehe eine affektive Störung, die sich in erhöhter Reizbarkeit, gesteigertem Antrieb und verminderter Impulskontrolle äußere.
13
Die Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht verneint , weil die hierfür erforderliche erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten aus dem mittleren Kriminalitätsbereich nicht erkennbar sei. Die zur Anklage gebrachten Taten seien "von vornherein nicht von einem derartigen kriminellen Gewicht" gewesen. Die festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. genügten ebenso wenig wie der Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG für die Annahme einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger erheblicher Straftaten. Zwar bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit künftigen strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschuldigten. Diese erhöhte Wahrscheinlichkeit sei aber auf die Begehung gleichartiger Straftaten wie Beleidigungen und Bedrohungen beschränkt, was für die Anordnung der Maßregel nicht ausreiche. Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten, etwa von Körperverletzungsdelikten, sei dagegen nicht anzunehmen. Soweit der Beschuldigte ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges im Jahre 2003 wegen einer im Jahre 2001 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass diese Tat bereits eine erhebliche Zeitspanne zurückliege. Die schwere Brandstiftung im Zusammenhang mit dem Suizidversuch im Jahre 1990 habe der Beschuldigte zudem in einer Ausnahmesituation begangen. Soweit es die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG betreffe, bestehe "derzeit" keine erhöhte Wahrscheinlichkeit weiterer vergleichbarer Taten des Beschuldigten, weil sämtliche erlaubnispflichtigen oder auf Grund der Verfügung des Polizeipräsidenten Köln verbotenen Waffen „eingezogen“ worden seien.

II.


14
Die Staatsanwaltschaft hat den Freispruch des Beschuldigten von den ihm in den hinzu verbundenen Strafverfahren zur Last gelegten Taten von dem Revisionsangriff ausgenommen. Diese Beschränkung des Rechtsmittels ist zulässig (vgl. BGH NStZ 1995, 609, 610; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 318 Rdn. 24; Frisch in SK-StPO § 344 Rdn. 21, jew. m.w.N.).
15
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat. Im Übrigen ist sie unbegründet.
16
1. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB wegen der im Strafverfahren festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. und der im Sicherungsverfahren festgestellten rechtswidrigen Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der für den Beschuldigten günstigen Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegende Gesamtwürdigung weist Wertungsfehler auf. Sie ist zudem lückenhaft und lässt deshalb die gebotene umfassende revisionsrechtliche Überprüfung der Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und der Taten nicht zu.
17
a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nur schwere Störungen des Rechtsfriedens , die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (vgl. BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 2008, 210, 212 m.w.N.). Die Annahme des Landgerichts , die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig rechtswidrige Taten wie die festgestellten Anlasstaten zum Nachteil des Zeugen S. im Sinne der §§ 185 und 241 StGB begehen werde, vermöge seine Unterbringung nach § 63 StGB nicht zu rechtfertigen, weil die festgestellten Anlasstaten nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichten, lässt zwar entgegen der Auffassung der Revision nicht besorgen, dass das Landgericht verkannt haben könnte, dass die Anlasstat selbst grundsätzlich nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB sein muss (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Vielmehr hat das Landgericht trotz der Verneinung der Erheblichkeit dieser Anlasstaten auch geprüft, ob eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Delikte gegeben ist, und dies verneint (UA S. 22). Durchgreifenden Bedenken begegnet aber die Gewichtung der festgestellten Bedrohung und damit auch der zu erwartenden gleichartigen Taten des Beschuldigten als nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB.
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Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 228; BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 14). Das bedeutet, dass auch Bedrohungen im Sinne des § 241 StGB nicht von vornherein als unerheblich im Sinne des § 63 StGB angesehen werden können. Todesdrohungen, die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen, stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und sind nicht bloße Belästigungen. Schon im Hinblick auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63 StGB ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 11). Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Bedrohung des Zeugen S. aus dessen Sicht die Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trug. Dies liegt nach den Feststellungen nahe, denn der Bedrohung und Beleidigung des Zeugen war vorausgegangen, dass der Beschuldigte den Zeugen mit einem Baseballschläger aufgesucht und damit ein erhebliches Drohpotential aufgebaut hatte, was den Zeugen veranlasst hatte, sofort die Wohnungstür zu schließen und die Polizei zu informieren.
19
b) Soweit der Beschuldigte die tatsächliche Gewalt über die bei ihm sichergestellten Gegenstände ausgeübt hat, hat das Landgericht verkannt, dass er damit nach den bisherigen Feststellungen, jedenfalls soweit es die sichergestellten Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, die Mörsergranate und - möglicherweise - die Handgranaten ohne Zünder betrifft (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 1 KWKG Nr. 29 c, 46, 49, 50), auch den Verbrechenstatbestand des § 22 a Abs. 1 Nr. 6 a KWKG und damit eine schon vom Deliktstyp her im Sinne des § 63 StGB erhebliche Tat verwirklicht haben könnte. Hierzu hätte es näherer Feststellungen zur Beschaffenheit der vorgenannten Gegenstände bedurft. Selbst wenn diese tatsächlich, etwa im Wege der außergerichtlichen Einziehung , eingezogen worden sein sollten, spräche dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entscheidend gegen die Gefährlichkeit des Beschuldigten , weil dieser, womit sich das Landgericht hätte auseinandersetzen müssen, nach den Feststellungen ein „besonderes Interesse an Waffen aller Art“ hat. Es liegt daher nicht fern, dass er sich erneut solche beschaffen kann und wird.
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c) Zudem fehlt eine Gesamtschau der konkreten Tatumstände der rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. , die ebenfalls für die Gefährlichkeit des Beschuldigten sprechen können, wie das Mitführen eines Baseballschlägers oder eines Messers. Ebenso hätte in die Gesamtschau einbezogen werden müssen, dass der Beschuldigte, wie das Herbeiholen eines 50 cm langen Messers im Verlauf der – nicht ausgeurteilten - Auseinandersetzung am 23. Februar 2007 belegt, aufgrund seines Zustandes dazu neigt, sich mit einem Messer oder anderen gefährlichen Werkzeugen zu bewaffnen. Dies kann vor dem Hintergrund der krankheitsbedingt verminderten Impulskontrolle und erhöhten Reizbarkeit dafür sprechen, dass künftig auch mit Aggressionsdelikten des Beschuldigten zu rechnen ist, zumal die Erkrankung des Beschuldigten nach den Ausführungen des Sachverständigen mangels fachpsychiatrischer und medikamentöser Behandlung einen progredienten, chronischen Verlauf nimmt.
21
Soweit das Landgericht den früheren Taten des Beschuldigten wegen des Zeitablaufs keine indizielle Bedeutung beigemessen hat, hätte es gleichwohl der Mitteilung der Hintergründe dieser Taten bedurft, weil auch länger zurückliegende Taten eine, wenn auch eingeschränkte indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose haben können. Dies gilt namentlich für die gefährliche Körperverletzung vom 1. November 2001, aber auch für die nach Auffassung des Landgerichts in einer „Ausnahmesituation“ im Jahre 1990 begangene schwere Brandstiftung, bei deren Begehung der Beschuldigte schuldunfähig gewesen ist. Der Mitteilung bedurft hätten auch die Gründe der auf § 40 WaffG gestützten Untersagungsverfügung. Unter den hier gegebenen Umständen hätte es schließlich näherer Darlegung des vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens bedurft, zumal nach den Urteilsausführungen unklar bleibt, zu welcher Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschuldigten der Sachverständige in der Hauptverhandlung gelangt ist.
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2. Soweit die Revision beanstandet, dass eine Entscheidung über die Einziehung der das Waffendelikt betreffenden sichergestellten Gegenstände unterblieben ist, lässt sie außer acht, dass im Sicherungsverfahren nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden dürfen. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO). Der danach erforderliche gesonderte Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) ist hier nicht gestellt worden, so dass es für eine Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03).

III.


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Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit dieses angefochten ist. Die infolge der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels eingetretene Rechtskraft des Freispruchs bewirkt nur, dass der Beschuldigte vor einer Bestrafung wegen der Taten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind, geschützt ist. Auch hinsichtlich dieser Taten muss der neue Tatrichter ebenso wie zu den Taten, die Gegenstand des Sicherungsverfahrens sind, als Grundlage für eine etwaige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eigene Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand sowie zur Schuldfähigkeit treffen.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 85/03
vom
31. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 31. Mai 2005 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Oktober 2002 im Maßregelausspruch aufgehoben; der Ausspruch entfällt. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 75 Fällen, versuchten Betrugs und gewerbsmäßiger Hehlerei unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg.
1. Der Senat hat mit Urteil vom 6. Juli 2004 (NJW 2004, 2686, zum Abdruck in BGHSt 49, 209 vorgesehen) die Revision des Angeklagten, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, verworfen und die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten gegen die in dem angefochtenen Urteil angeordnete Maßregel sowie über die Kosten der Revisi-
on einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Mit Beschluß vom 26. August 2004 (NJW 2004, 3497) hat er dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus der Tat ergibt, wenn ein spezifischer Zusammenhang zwischen Anlaßtat und Verkehrssicherheit besteht. Der Große Senat für Strafsachen hat mit Beschluß vom 27. April 2005 - GSSt 2/04 - in diesem Sinne entschieden. Danach setzt die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs voraus, daß die Anlaßtat tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.
2. Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs käme beim Angeklagten die Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, wenn sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dafür aus den Anlaßtaten erkennbar gewordenen Anknüpfungstatsachen die Überzeugung verschaffen könnte, daß der Angeklagte bereit ist, sich zur Erreichung seiner kriminellen Ziele über die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Für diese Prognose könnte es genügen, daß der Angeklagte im Zusammenhang mit den Anlaßtaten naheliegend mit einer Situation gerechnet hat oder rechnen mußte, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte, wobei auch sein in der einbezogenen Vorverurteilung gezeigtes Verhalten (riskante Fluchtfahrt aus Angst vor Entdeckung) zu berücksichtigen wäre. Insofern bedürfte es weiterer Aufklärung (vgl. BGH NStZ 2004, 86, 88 f. [Anfragebeschluß des Senats]).
Nachdem nunmehr seit Begehung der abgeurteilten Taten fast vier Jahre vergangen sind, ist es allerdings wenig wahrscheinlich, daß ergänzende, die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigende Tatsachen noch getroffen werden können. Jedenfalls erscheint es dem Senat ausgeschlossen, daß nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache ein ursprünglicher Eignungsmangel noch im Zeitpunkt der neuen tatrichterlichen Entscheidung fortbesteht (vgl. hierzu BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4; Athing in MünchKomm StGB § 69 Rdn. 61 m.w.N.). Er hebt daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Maßregelausspruch auf und läßt die Maßregel entfallen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 5 entspr. StPO.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.

(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.

(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

(1) Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte

1.
die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt worden ist, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat oder weil ein Verfahrenshindernis bestand.

(2) Die Entschädigung für eine Freiheitsentziehung kann ferner ganz oder teilweise versagt werden, wenn das Gericht die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften anwendet und hierbei eine erlittene Freiheitsentziehung berücksichtigt.