Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 307/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2012

beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 14. Februar 2012 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten T. wird gemäß § 349 Abs. 4 StPO das genannte Urteil
a) in den Einzelstrafaussprüchen hinsichtlich der Betrugsfälle (Fälle II.4 bis II.18) und
b) im Gesamtstrafausspruch gegen diesen Angeklagten aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten T. , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Lübeck zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in zwei Fällen, vorsätzlichen Bankrotts und Betrugs in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verurteilungen wegen Betrugs in 15 Fällen halten rechtlicher Überprüfung zwar im Schuldspruch, nicht aber im Strafausspruch stand. Die Erwägung des Landgerichts, ohne die Täuschungshandlung hätte die Bank den Darlehensbetrag nicht ausbezahlt, belegt lediglich die Kausalität zwischen Irrtumserregung und Vermögensverfügung, nicht aber das Ausmaß des Vermögensschadens. Dieser ist vielmehr durch eine vergleichende Bewertung von eingegangener Verpflichtung und erlangtem Anspruch zu bestimmen , wobei der Vermögensschaden konkret zu beziffern ist (BVerfG NJW 2012, 907, 916). Deshalb hat der Bundesgerichtshof im Anschluss an die vorzitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verlangt, dass vom Tatgericht eine Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts vorgenommen wird (BGH, Beschluss vom 13. April 2012 – 5 StR 442/11, NJW 2012, 2370 Rn. 7 ff.).
3
In diesem Zusammenhang tritt allerdings noch eine Besonderheit hinzu : Der Angeklagte hat auch hinsichtlich der Erfüllung des Darlehens Täuschungshandlungen begangen, indem er den Weiterverkauf der Autos der finanzierenden Bank erst verspätet mitgeteilt hat und so die eingenommenen Gelder länger einbehalten und für sich verwenden konnte. Dieses Vorgehen hatte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts bereits bei Abschluss der Finanzierungsgeschäfte beabsichtigt. Die hierdurch für die Bank bewirkte zusätzliche Risikoerhöhung durch die verspätete Mitteilung ist in die vorzunehmende Schadensbewertung einzubeziehen. Es handelt sich jeweils um einheitliche Betrugsdelikte, weil die späteren tatbestandsmäßigen Handlungen im Stadium der Erfüllung den Vermögensschaden lediglich vertiefen (vgl. BVerfG aaO).

II.


4
Dieser Rechtsfehler betrifft nur den angenommenen Schuldumfang der Betrugstaten. Vor dem Hintergrund der rechtsfehlerfrei festgestellten Überschuldung und der verspäteten Mitteilung der Verkäufe an die finanzierende Bank kann hier freilich ausgeschlossen werden, dass in einem der ausgeurteilten Fälle überhaupt kein Schaden entstanden ist. Da der Fehler allein in einer unterlassenen Schadensbezifferung liegt, können die getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Das neue Tatgericht ist jedoch nicht gehindert, weitere, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen zu treffen; zur Schadenshöhe sind ergänzende Feststellungen geboten.
Basdorf Raum Schneider Dölp Bellay

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 5 StR 307/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 5 StR 307/12

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 5 StR 307/12 zitiert 1 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 5 StR 307/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 5 StR 307/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2012 - 5 StR 442/11

bei uns veröffentlicht am 13.04.2012

Nachschlagewerk: ja BGHSt : nein Veröffentlichung : ja StGB § 263 Schadensberechnung bei täuschungsbedingt gewährtem Darlehen. BGH, Beschluss vom 13. April 2012 – 5 StR 442/11 LG Berlin – BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 13. April 201
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 5 StR 307/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2013 - 2 StR 422/12

bei uns veröffentlicht am 29.01.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 422/12 vom 29. Januar 2013 in der Strafsache gegen wegen Betrugs Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. Januar 2013 gemäß § 349 Abs. 2

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2014 - 4 StR 143/14

bei uns veröffentlicht am 20.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 S t R 1 4 3 / 1 4 vom 20. Mai 2014 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Betrug Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Mai

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2014 - 5 StR 510/13

bei uns veröffentlicht am 19.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR510/13 vom 19. Februar 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betruges Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2014 beschlossen : Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Lan

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

7
1. Unter Beachtung des – nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen – Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011 (NJW 2012, 907 ff.) bedarf es im Falle der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden. Da speziell beim Eingehungsbetrug die Schadenshöhe entscheidend von der Wahrscheinlichkeit und vom Risiko eines zukünftigen Verlusts abhängt, setzt die Bestimmung eines Mindestschadens voraus, dass die Verlustwahrscheinlichkeit tragfähig eingeschätzt wird (BVerfG aaO, 915 ff.). Hierbei können die banküblichen Bewertungsansätze für Wertberichtigungen Anwendung finden (vgl. § 253 Abs. 4; § 340f HGB). Denn ist aufgrund der fehlenden Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten konkret erkennbar, dass mit einem teilweisen Forderungsausfall zu rechnen ist, müssen entsprechende bilanzielle Korrekturen vorgenommen werden, die ihrerseits – ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten ihrer Ermittlung – auch im Rahmen der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden können (vgl. auch BVerfGE 126, 170, 226 ff.).