Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2019 - 5 StR 220/19

bei uns veröffentlicht am05.06.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 220/19
vom
5. Juni 2019
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:050619B5STR220.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2018, soweit dieser Angeklagte betroffen ist, 1. im Schuld- und Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen der Tat gemäß B.II.1 der Urteilsgründe der Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung (statt der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Nötigung) schuldig und insoweit zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt ist; 2. im Einziehungsausspruch dahin geändert, dass
a) hinsichtlich des Geldbetrages von 4.051,69 € die erweiterte Einziehung von Taterträgen angeordnet ist;
b) der Angeklagte in Bezug auf die Einziehung des ihm gehörenden „Laptops Acer“ angewiesen wird, auf der Festplatte dieses Com- puters vorhandene und mit dem durch ihn betriebenen Drogenhandel in Zusammenhang stehende Dateien unbrauchbar zu machen und die Unbrauchbarmachung der Strafvollstreckungsbehörde gegenüber in geeigneter Form nachzuweisen; bis zu diesem Nachweis bleibt die Einziehung vorbehalten.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Teilfreispruch im Übrigen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen sowie wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die gegen die Verurteilung gerichtete und auf Verfahrensrügen sowie die Beanstandung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie in Einklang mit den Ausführungen des Generalbundesanwalts unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
3
1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Nötigung wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach war vom Vorstellungsbild des Angeklagten lediglich umfasst, dass der Zeuge S. dem Zeugen L. eine „Abreibung verpassen“ bzw. diesen „schlagen“ werde. Dass der Angeklagte damit rechnete und billigend in Kauf nahm, der Zeuge S. werde dem Opfer Tritte gegen den Kopf versetzen, die den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB erfüllen würden , ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen und versteht sich auch nicht von selbst. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob namentlich die durch das Landgericht vorgenommene Wertung der Haupttat als das Leben gefährdende Handlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) rechtlicher Überprüfung standhalten würde (vgl. zu den Voraussetzungen etwa BGH, Urteil vom 29. April 2004 – 4 StR 43/04, NStZ 2004, 618 mwN). Die Revision weist ferner mit Recht darauf hin, dass auch ein zumindest bedingter Gehilfenvorsatz in Bezug auf die Nötigung zur Zahlung einer Geldschuld nicht festgestellt ist.
4
Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können , die die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Verurteilung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Nötigung rechtfertigen würden. Er korrigiert daher den Schuldspruch für die genannte Tat – in Übereinstimmung mit dem durch das Landgericht erteilten rechtlichen Hinweis – in der aus der Beschlussformel ersichtlichen Weise.
5
Damit ist der Freiheitsstrafe von sechs Monaten die Grundlage entzogen. Um jegliche Benachteiligung des Angeklagten zu vermeiden, setzt der Senat für die Tat die Mindeststrafe von einem Monat Freiheitsstrafe fest (§ 38 Abs. 2 StGB, § 354 Abs. 1 StPO). Angesichts des Tatbildes sowie der Vielzahl und Schwere der durch den Angeklagten ansonsten begangenen Straftaten kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine Geldstrafe verhängt hätte.
6
Die Gesamtfreiheitsstrafe hat angesichts der daneben verbleibenden Einzelstrafen von drei Jahren, zweimal einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und drei Monaten sowie dreimal vier Monaten trotz der Verminderung der genannten Einzelstrafe Bestand.
7
2. Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass das im Renault Laguna und in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte Bargeld aus den verfahrensgegenständlichen Taten herrührt. Rechtsfehlerfrei hat es sich jedoch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe die Überzeugung verschafft, dass der Angeklagte das Geld durch die Begehung anderer Straftaten im Zuge des von ihm schon vor August 2016 begonnenen und bis 21. Juni 2017 andauernden Drogenhandels erlangt hat. Damit liegen die Voraussetzungen des § 73a Abs. 1 StGB vor. Der Senat hat die Urteilsformel entsprechend § 354 Abs. 1 StPO korrigiert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
8
3. Die Einziehungsentscheidung hält betreffend den „Laptop Acer“ recht- licher Überprüfung nicht stand. Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 70 zur Sicherungseinziehung) macht der Senat von der Möglichkeit einer Anordnung gemäß § 74b Abs. 2 StGB Gebrauch. Danach bleibt die Einziehung des Computers bis zum Nachweis der Unbrauchbarmachung der Festplatte durch den Angeklagten vorbehalten. Wegen der insoweit gegebenenfalls erforderlichen gerichtlichen Entscheidungen verweist der Senat auf § 462 Abs. 1 Satz 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11).
9
4. Trotz des Teilerfolges der Revision hält es der Senat nicht für unbillig, den Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Mutzbauer Sander Schneider
König Köhler

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafgesetzbuch - StGB | § 73a Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. (2) Hat sich de

Strafgesetzbuch - StGB | § 38 Dauer der Freiheitsstrafe


(1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht. (2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.

Strafgesetzbuch - StGB | § 74b Sicherungseinziehung


(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn 1. der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2012 - 4 StR 612/11

bei uns veröffentlicht am 11.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 612/11 vom 11. Januar 2012 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführer

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Apr. 2004 - 4 StR 43/04

bei uns veröffentlicht am 29.04.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 43/04 vom 29. April 2004 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. 6. wegen Landfriedensbruchs u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. April 2004, an der teilgenommen

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 43/04
vom
29. April 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen Landfriedensbruchs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. April
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Sinan Y. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Tamer A. ,
Rechtsanwältin
für den Angeklagten Jasher M. E. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Emrullah A. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Tuncer A. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Mazlum Yi.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
für den Nebenkläger Antar Z. ,
Rechtsanwalt
für den Nebenkläger Abdel H. A. -H.
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. , der Staatsanwalt- schaft sowie der Nebenkläger Antar Z. und Abdel H. A. -H. gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. Juni 2003 werden verworfen.
2. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. die Kosten und Auslagen ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen. Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Die in dem Revisionsverfahren gegen den Angeklagten Jashar M. E. entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte. Die in den Revisonsverfahren gegen die Angeklagten Tamer A. , Emrullah A. und Mazlum Yi. entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und der Nebenkläger Abdel H. A. -H. je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Den Ange-
klagten Sinan Y. hat es unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Vorverur- teilung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten Tamer A. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten Jashar M. E. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren, den Angeklagten Emrullah A. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten Tuncer A. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und den Angeklagten Mazlum Yi. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagten Tamer A. , Tuncer A. und den Angeklagten Mazlum Yi. verhängten Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt.
Die Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. rügen mit ihren Revisionen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, eine Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten Totschlags. Sie beanstandet ferner, daß die Schuldsprüche nicht auch auf den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gestützt worden sind, und wendet sich gegen die Strafzumessung. Die Nebenkläger rügen die Verletzung sachlichen Rechts. Sie erstreben eine Verurteilung des Angeklagten Jashar M. E. , der Nebenkläger Abdel H. A. -H. darüber hinaus auch der Angeklagten Tamer A. , Emrullah A. und Mazlum Yi. , wegen versuchten Totschlags und beanstanden die Strafzumessung.
Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


Die Angeklagten sind Asylbewerber. Sie wohnten Ende Juni 2002 mit weiteren Landsleuten ("Gruppe der Kurden") in der Landeswohnsiedlung in L. , in der neben anderen nichtkurdischen Asylbewerbern die aus Algerien stammenden Abdel H. A. -H. , Antar Z. und Najib B. ("Gruppe der Araber") wohnten. Zwischen beiden Gruppen kam es häufig zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen, die auch zu Polizeieinsätzen führten. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 2002 wurde der Angeklagte Jashar M. E. von algerischen Asylbewerbern angegriffen und verletzt. 30 bis 40 kurdische Asylbewerber, die sich danach auf dem Gelände der Landeswohnsiedlung versammelt hatten, beschlossen, angestachelt von dem Angeklagten Jashar M. E. , sich „wegen der vorgefallenen Auseinandersetzungen an den Arabern zu rächen.“ Sie wollten "den Arabern gehörige Angst einjagen, sie verprügeln und krankenhausreif schlagen.“ Angeführt von dem Angeklagten Jashar M. E. , begaben sich 25 bis 30 Kurden, die sich mit Stöcken und Holzknüppeln bewaffnet hatten, zu dem Wohnblock, in dem arabische Asylbewerber untergebracht waren. Der Angeklagte Emrullah A. führte für alle sichtbar ein Messer mit sich. Ohne Vorwarnung drangen die Angeklagten sowie weitere Kurden in das Zimmer des Antar Z. ein, in dem sich auch Abdel H. A. -H. und Najib B. aufhielten. Der Angeklagte Jashar M. E. zeigte auf Antar Z. und sagte auf arabisch: "Heute bringen wir euch/dich um" bzw. "erledigen wir euch/dich". Danach wurde mit Fäusten und mit Knüppeln massiv auf Antar Z. und Abdel H. A. - H. eingeschlagen. Der Angeklagte Emrullah A. schlug mit einem Stuhlbein einen der Nebenkläger, zielte mit seinem Messer auf das Gesicht von Najib B. und machte dabei eine Bewegung von unten nach oben, „als
wolle er ihn stechen.“ Wer Antar Z. im Verlauf der Auseinandersetzung die Schnittverletzung an der linken Hand zufügte, die zur Durchtrennung einer Sehne führte, konnte nicht geklärt werden. Antar Z. , Abdel H. A. -H. und Najib B. flüchteten schließlich durch das Fenster.
Der Nebenkläger Antar Z. wurde von einer Gruppe von etwa 10 bis 14 Kurden, unter ihnen die Angeklagten Jashar M. E. , Tamer A. und Sinan Y. in einem Gebüsch entdeckt und umzingelt. Jashar M. E. , der Antar Z. aus dem Gebüsch gezogen hatte, und Tamer A. schlugen auf Antar Z. ein. Als dieser auf dem Boden lag, trat Sinan Y. ihn mit den beschuhten Füßen. Von weiteren Kurden wurde Antar Z. mit Stöcken geschlagen.
Neben der Schnittverletzung an der Hand erlitt Antar Z. durch die Schläge und Tritte eine Vielzahl von Verletzungen am gesamten Körper, insbesondere im Bereich des Kopfes, des Halses und des Rumpfes. "Die Gewalt war fast ausschließlich gegen lebenswichtige Körperbereiche gerichtet". Ein massiver Fußtritt, der geeignet war, lebensgefährliche Verletzungen am Kehlkopf hervorzurufen, zeichnete sich am vorderen Hals im Bereich des Kehlkopfs ab.
Der Nebenkläger Abdel H. A. -H. fiel bei seiner Flucht auf den Boden und wurde mit Stöcken geschlagen und mit einem Messer angegriffen. Er erlitt eine Vielzahl von Schürfungen, insbesondere im Bereich der Extremitäten , sowie zwei lebensgefährliche Stichverletzungen im Rücken. Wer Abdel H. A. -H. die Stichverletzungen beibrachte, konnte nicht geklärt werden.

II.


1. Die Revisionen der Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. sind unbegründet.

a) Die Verfahrensrügen sind unzulässig; im übrigen wären sie auch unbegründet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 11. Februar 2004 verwiesen.

b) Die Überprüfung des Urteils auf die Sachbeschwerden hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer ergeben.
Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei, auch soweit sie die Mittäterschaft des bei den Gewalttätigkeiten in dem Zimmer des Nebenklägers Antar Z. anwesenden Angeklagten Tuncer A. betrifft. Sie weist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten keine Widersprüche, Lücken oder Verstöße gegen die Denkgesetze auf.
Auch die Schuldsprüche wegen Landfriedensbruchs (§§ 125 Abs. 1 Nr. 1, 125 a StGB) begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten Tuncer A. steht der Annahme des Landgerichts, daß sich die Beschwerdeführer im Sinne dieser Vorschrift als Mittäter an Gewalttätigkeiten beteiligt haben, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise begangen worden sind, nicht entgegen, daß sich die Gewalttätigkeiten allein gegen Abdel H. A. - H. , Antar Z. und Najib B. richteten. Sind die Tathandlungen des
§ 125 Abs. 1 StGB gegen bestimmte Personen gerichtet oder tritt nur an einzelnen Schaden ein, so genügt es, wenn diese als Repräsentanten eines Personenkreises angegriffen werden, weil solche Gewalthandlungen nicht nur das Sicherheitsgefühl der unmittelbar betroffenen, sondern einer Vielzahl von Personen beeinträchtigen und zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen (vgl. BGH NStZ 1993, 538; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 125 Rdn. 9, jew. m. w. N.). So liegt es hier. Zwar war Auslöser der Gewalttätigkeiten letztlich der Überfall mehrerer Araber auf Jashar M. E. . Die "Gruppe der Kurden" wollte sich aber nach dem Tatplan wegen der zwischen Kurden und Arabern „vorgefallenen Auseinandersetzungen an den Arabern" rächen. Die Tatopfer wurden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, als Vertreter ihrer Volksgruppe angegriffen. Durch die aus der unter anderem mit Knüppeln bewaffneten Gruppe von mindestens 30 Kurden begangenen Gewalttätigkeiten wurde demgemäß das Sicherheitsgefühl nicht nur der Tatopfer, sondern einer unbestimmten Vielzahl von Personen „der Volksgruppe der Araber“ beeinträchtigt.
2. Auch die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind unbegründet. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen die Angeklagten begünstigenden oder – was der Senat gemäß § 301 StPO zu prüfen hat – benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Handeln der Angeklagten mit (bedingtem) Tötungsvorsatz verneint hat und mit denen es davon ausgegangen ist, daß die Angeklagten ihrem Tatplan entsprechend, „den Arabern gehörig Angst einzujagen, sie zu verprügeln und krankenhausreif zu
schlagen,“ während des gesamten Tatgeschehens lediglich mit Körperverletzungsvorsatz handelten, lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Annahme, daß die Angeklagten entgegen ihrer Einlassung mit direktem Tötungsvorsatzes handelten, ließe sich, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, nach den zum äußeren Tatgeschehen getroffenen Feststellungen allenfalls damit begründen, daß der Angeklagte Emrullah A. , was auch die anderen Angeklagten wußten, ein Messer mit sich führte und daß der Angeklagte Jashar M. E. beim Eindringen in das Zimmer auf arabisch rief: „Heute bringen wir euch/dich um“ oder „erledigen wir euch/dich.“ Das Landgericht hat eine Tötungsabsicht der Angeklagten unter anderem deshalb verneint, weil der Angeklagte Jashar M. E. selbst – ungeachtet seiner Äußerung - nur mit den Händen zuschlug, die anderen Angeklagten nicht arabisch sprechen und auch die von diesen Angeklagten eigenhändig begangenen Tathandlungen nicht auf eine Tötungsabsicht schließen lassen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Daß einer oder mehrere der an den Gewalttätigkeiten Beteiligten Antar Z. eine Schnittverletzung an der Hand und Abdel H. A. -H. zwei lebensgefährliche Stichverletzungen zufügten, hat das Landgericht zu Recht keinem der Angeklagten als versuchte Tötungshandlung zugerechnet. Zwar legt insbesondere die Schwere der Abdel H. A. -H. zugefügten Stichverletzungen die Annahme nahe, daß der nicht ermittelte Täter , der Abdel H. A. -H. die Stiche in den Rücken versetzte, mit direktem oder zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Nach § 25 Abs. 2 StGB könnten aber den Angeklagten diese Tathandlungen nur dann zugerechnet werden, wenn auch solche von anderen Tatbeteiligten begangenen Handlungen vom gemeinsamen Tatplan umfasst waren oder jedenfalls nachträglich gebilligt worden wären. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft führt
aber weder die Tatsache, daß der Angeklagte Emrullah A. mit einem Messer , andere Mittäter mit Knüppeln bewaffnet waren, noch der Umstand, daß auf die Tatopfer mit beschuhten Füßen eingetreten wurde, zwangsläufig zu der Annahme, daß sich die Angeklagten mit Tötungsabsicht an den Gewalttätigkeiten beteiligt oder daß sie jedenfalls im Verlauf der Auseinandersetzung mit tödlichen Verletzungen der Tatopfer gerechnet und solche gebilligt haben.

b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet allerdings zu Recht, daß das Landgericht die Schuldsprüche wegen gefährlicher Körperverletzung lediglich auf § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB, nicht aber auch auf Nr. 5 dieser Vorschrift (Begehung der Tat mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) gestützt hat. Nach den Feststellungen haben die Angeklagten auch diesen Tatbestand verwirklicht. Nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB braucht die Behandlung das Leben nicht konkret zu gefährden; es genügt, daß die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalles dazu geeignet ist (vgl. BGHSt 2, 160, 163; BGHR § 223a I (a.F.) Lebensgefahr 1; BGH NStZ-RR 1997, 67). Tritte mit dem beschuhten Fuß und Schläge mit Knüppeln gegen den Kopf und den Oberkörper stellen eine das Leben gefährdende Behandlung dar, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können (vgl. BGHSt 2, 160, 162 f.; 19, 352). Die Umstände , aus denen sich die Lebensgefährdung des von den Angeklagten nach den Feststellungen gebilligten Einsatzes jedenfalls der von Tatbeteiligten mitgeführten Knüppel ergibt, waren den Angeklagten bekannt.
Der Senat schließt jedoch aus, daß das Landgericht höhere Strafen verhängt hätte, wenn es nicht übersehen hätte, dass die Angeklagten sich jeweils auch nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 strafbar gemacht haben; denn es hat bei der
Strafzumessung die enorme Gewaltbereitschaft und die durch Tritte und Schläge mit Knüppeln verursachten schweren Verletzungen strafschärfend berücksichtigt und damit im Ergebnis auch dem Schuldgehalt des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB Rechnung getragen.

c) Die Strafzumessung ist auch im übrigen rechtsfehlerfrei. Insbesondere weist sie entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft keinen die Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 11. Februar 2004.
3. Die Revisionen der Nebenkläger sind unzulässig (§ 400 Abs. 1 StPO), soweit sie sich gegen die Strafzumessung wenden; zu den Schuldsprüchen sind sie aus den oben genannten Gründen unbegründet.

III.


Bei den Angeklagten Sinan Y. , Jashar M. E. und Tuncer A. hat der Senat von der Auferlegung der Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel abgesehen (§ 74 Abs. 2 JGG). Da die gegenläufigen Revisionen des Angeklagten Jashar M. E. und der Nebenkläger ohne Erfolg geblieben sind, findet eine Überbürdung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger auf
den Angeklagten nicht statt (vgl. BGH NStZ 1993, 230). Hinsichtlich des weiteren Kostenausspruchs wird auf die Entscheidungen des BGH vom 10. April 2003 – 4 StR 73/03, vom 10. Juli 2003 - 3 StR 130/03 und vom vom 20. Dezember 1957 - 1 StR 33/57 (BGHSt 11, 189) verwiesen.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht.

(2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn

1.
der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld gehandelt hat oder
2.
die Gegenstände einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 wird der andere aus der Staatskasse unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des eingezogenen Gegenstandes angemessen in Geld entschädigt. Das Gleiche gilt, wenn der eingezogene Gegenstand mit dem Recht eines anderen belastet ist, das durch die Entscheidung erloschen oder beeinträchtigt ist.

(3) Eine Entschädigung wird nicht gewährt, wenn

1.
der nach Absatz 2 Entschädigungsberechtigte
a)
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen ist, oder
b)
den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, in verwerflicher Weise erworben hat oder
2.
es nach den Umständen, welche die Einziehung begründet haben, auf Grund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts zulässig wäre, dem Entschädigungsberechtigten den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand ohne Entschädigung dauerhaft zu entziehen.
Abweichend von Satz 1 kann eine Entschädigung jedoch gewährt werden, wenn es eine unbillige Härte wäre, sie zu versagen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 612/11
vom
11. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. Januar 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. August 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass, soweit die Einziehung des dem Angeklagten gehörenden Computers (Midi–Tower) der Marke „M. “ angeord- net worden ist, der Angeklagte angewiesen wird, die auf der Festplatte dieses Computers befindliche Bilddatei „T- “ mit der Bezeichnung „P. .mpg“ unbrauchbar zu machen und die Unbrauchbarmachung der Strafvollstreckungsbehörde gegenüber in geeigneter Form nachzuweisen. Bis zu diesem Nachweis bleibt die Einziehung vorbehalten. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 40 Fällen, je- weils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften hat es eine Einzelgeldstrafe verhängt und die Einziehung des sichergestellten Personal-Computers angeordnet.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung im Ausspruch über die Anordnung der Einziehung. Im Übrigen hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Nach den Feststellungen speicherte der Angeklagte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt eine Videodatei mit kinderpornographischem Inhalt auf seinem Personal-Computer, die er sich vermutlich durch Datenübertragung im Internet verschafft hatte. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 18. Februar 2011 wurde der Computer mit der fraglichen Datei sichergestellt.
4
2. a) Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen , dass mit der Verurteilung des Angeklagten die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen. Rechtsgrundlage für die Einziehungsanordnung ist bei einer Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften hinsichtlich der Beziehungsgegenstände, im vorliegenden Fall also für die Festplatte des Computers als Speichermedium, § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB als spezielle Vorschrift; der Rechner als solcher nebst Zubehör unterliegt im vorliegenden Fall als Tatwerkzeug der Einziehung nach den §§ 74, 74a in Verb. mit § 184b Abs. 6 Satz 3 StGB (HansOLG Hamburg, Beschluss vom 3. Mai 1999 – 1 Ss 39/99, NStZ- RR 1999, 329, Tz. 21; LK-StGB/Laufhütte/Roggenbuck, 12. Aufl., § 184b Rn. 20).
5
b) Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 70 zur Sicherungseinziehung) macht der Senat von der Möglichkeit einer Anordnung gemäß § 74b Abs. 2 StGB Gebrauch, zumal die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht erkennen lassen, ob sich das Landgericht der Wechselwirkung zwischen der Höhe der verhängten Strafe und der Einziehung bewusst war. Danach bleibt die Einziehung des Computers insgesamt bis zum Nachweis der Unbrauchbarmachung der Festplatte durch den Angeklagten vorbehalten. Wegen der insoweit gegebenenfalls erforderlichen gerichtlichen Entscheidungen weist der Senat auf § 462 Abs. 1 Satz 2 StPO hin (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 74b Rn. 5).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.