Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 5 StR 152/19

bei uns veröffentlicht am07.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 152/19
vom
7. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:070519B5STR152.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2018 in der Weise abgeändert , dass der Adhäsionsausspruch
a) unter Ziffer 4 folgende Fassung erhält: „Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Taten vom 1. und 8. Oktober 2017 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte , insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind.“,
b) dahin ergänzt wird, dass im Übrigen von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die der Neben- und Adhäsionsklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen und die im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und schwerer Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung des Adhäsionsausspruchs. Im Übrigen ist sie entsprechend den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat Folgendes ausgeführt: „Die Adhäsionsentscheidung kann nur teilweise Bestand haben. Der Angeklagte hat die von der Adhäsionsklägerin geltend gemachten Ansprüche gemäß § 406 Abs. 2 StPO anerkannt (vgl. UA S. 3, 32; Protokollband Bl. 20). Freilich entbindet sein in der Hauptverhandlung erklärtes Anerkenntnis das Tatgericht nicht von der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Februar 2019 – 5 StR 53/19, juris Rdnr. 3). Ausgehend hiervon ist die Feststellung, dass der Angeklagte sich verpflichtet, der Adhäsionsklägerin auch sämtliche bereits entstandenen materiellen und immateriellen Schäden aus den zur Aburteilung gelangten Taten zu ersetzen, rechtsfehlerhaft. Insoweit mangelt es der Feststellungsklage an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2017 – 4 StR 414/16, StraFo 2017, 196). Weder durch die Urteilsfeststellungen noch durch die den Adhäsionsantrag begründenden Schriftsätze (Sonderband Adhäsion Bl. 1 bis 8, 11 bis 18) wird belegt, welche über die geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche hinausgehenden Schäden bereits entstanden sind und weshalb die Adhäsionsklägerin nicht in der Lage ist, diese schon jetzt zu beziffern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. September 2017 – 1 StR 365/17, juris Rdnr. 3; und vom 6. April 2017 – 3 StR 542/16, juris Rdnr. 8).
3
Dem tritt der Senat bei und ändert den Adhäsionsausspruch entsprechend ab.
Sander König Berger
Mosbacher Köhler

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 5 StR 152/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 5 StR 152/19

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 5 StR 152/19 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung


(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 5 StR 152/19 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 5 StR 152/19 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2019 - 5 StR 53/19

bei uns veröffentlicht am 19.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 53/19 vom 19. Februar 2019 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2019:190219B5STR53.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und de

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - 1 StR 365/17

bei uns veröffentlicht am 19.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 365/17 vom 19. September 2017 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:190917B1STR365.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anh

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2017 - 3 StR 542/16

bei uns veröffentlicht am 06.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 542/16 vom 6. April 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060417B3STR542.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Genera

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2017 - 4 StR 414/16

bei uns veröffentlicht am 13.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 414/16 vom 13. April 2017 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:130417B4STR414.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesa

Referenzen

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 53/19
vom
19. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:190219B5STR53.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Februar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 13. August 2018 wird
a) das oben bezeichnete Urteil im Adhäsionsausspruch unter Ziffer 1 dahin abgeändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Tat vom 1. September 2017 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger , übergegangen sind;
b) im Übrigen von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die der Neben- und Adhäsionsklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen und die im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und Sachbeschädigung, schuldig gesprochen und im Übrigen freigesprochen. Es hat gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verhängt. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Tat vom 1. September 2017 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Träger der Sozialversicherung oder sonstige Dritte übergegangen sind. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der genannten Tat zu ersetzen, hält rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand. Sie ist rechtsfehlerhaft, soweit hierdurch auch Ansprüche der Adhäsionsklägerin erfasst werden, die bereits entstanden sind. Durch die Urteilsfeststellungen wird nicht belegt, inwiefern die Adhäsionsklägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung auch ihrer bereits entstandenen Ansprüche hat und gegenwärtig noch nicht in der Lage ist, diese zu beziffern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2015 – 4 StR 444/14 und vom 13. August 2014 – 4 StR 211/14). Das in der Hauptverhandlung erklärte Anerkenntnis des Angeklagten entbindet nicht von der Prüfung der Sachur- teilsvoraussetzungen (Scheckenberger, in: Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens , 2. Aufl., VIII. Rn. 163).
4
Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den vollen Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Köhler

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 414/16
vom
13. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:130417B4STR414.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 27. April 2016 wird dieses im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr durch die in dem Zeitraum vom 17. Juli bis 31. Dezember 2014 von ihm begangenen verfahrensgegenständlichen Straftaten entstehen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen; im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen sowie die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr durch die verfahrensgegenständlichen Straftaten entstanden sind oder noch entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Adhäsionsentscheidung.
2
1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Der Erörterung bedarf insoweit lediglich das Folgende:
3
a) Die erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO dadurch , dass das Landgericht sich mit dem verlesenen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder auf deren Mutter im Urteil nicht auseinandergesetzt hat, greift nicht durch. Das Landgericht hat die Mutter der Geschädigten, die Verfasserin des Antragsschreibens war, in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommen. Dass sie in einem wesentlichen Punkt etwas anderes bekundet hat, als sich aus dem Antragsschreiben ergibt, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Der Senat schließt aus, dass die Beweiswürdigung auf der von der Revision geltend gemachten unterbliebenen Erörterung des Schreibens beruht.
4
Auch soweit die Revision die Erörterung von in dem Antragsschreiben angeführten Umständen bei der Strafzumessung vermisst, liegt ein Rechtsfehler nicht vor. Der Tatrichter muss nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240). Gemessen hieran sind die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts nicht zu beanstanden.
5
b) Die Rüge, mit der eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung geltend gemacht wird, ist schon nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision versäumt es, wesentliche Verfahrensvorgänge mitzuteilen: Die Anklage vom 18. Februar 2015 wurde zunächst zum Jugendschöffengericht Soest erhoben, dessen Vorsitzender nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten unter dem 2. April 2015 die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens angeordnet hat. Das schriftliche Gutachten ging am 22. Juni 2015 bei dem Schöffengericht ein, das am 15. Juli 2015 die Akten mit der Bitte an die Staatsanwaltschaft übersandte, sie gemäß § 209 Abs. 2 StPO dem Landgericht Arnsberg vorzulegen. Durch eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans am 7. Oktober 2015 ging beim Landgericht die Zuständigkeit für das Verfahren auf eine andere Strafkammer über. Im Übrigen steht bereits die Gesamtdauer des Verfahrens – Tatzeiten zwischen dem 7. Juli 2014 und dem 31. Dezember 2014, Anzeigeerstattung am 2. Januar 2015, Urteil vom 27. April 2016 – der Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung entgegen.
6
2. Die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
7
Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die weiteren bereits entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten. Insofern hat die Adhäsionsklägerin weder geltend gemacht noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sind und warum sie nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher insoweit am Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2016 – 4 StR 330/16, NStZ-RR 2017, 23, 24; vom 15. Dezember 2016 – 2 StR 380/16, jeweils mwN), zumal eine Fallgestaltung derart, dass bereits ein Feststellungsurteil – etwa wegen Beteiligung einer Versicherung oder der öffentlichen Hand auf Schuldnerseite – zu endgültiger Streitbeilegung führen würde (vgl. Zöller/ Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 8 mwN), im vorliegenden Fall weder dargetan noch sonst ersichtlich ist.
8
3. Der Senat hat im Hinblick auf den nur geringen Erfolg der Revision keinen Anlass, den Angeklagten teilweise von den Kosten und Auslagen des Rechtsmittels zu entlasten (§ 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 365/17
vom
19. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:190917B1STR365.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 20. Februar 2017 im Adhäsionsausspruch aufgehoben, soweit die Verpflichtung des Angeklagten festgestellt ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche aufgrund der Taten vom 11. Juli 2015, 6. August 2015, 6. Dezember 2015 und vom 23. Februar 2016 entstandenen materiellen Schäden zu ersetzen; auch insoweit wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch der Neben- und Adhäsionsklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen , jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihn im Rahmen einer Adhäsionsentscheidung unter anderem dazu verpflichtet, der Adhäsionsklägerin sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus den abgeurteilten Straftaten erwachsen sind oder zukünftig erwachsen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
2
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt lediglich hinsichtlich der Feststellung des Landgerichts , dass auch die bereits erwachsenen materiellen Schäden der Adhäsionsklägerin zu ersetzen sind, einen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung zutreffend ausgeführt: „Keinen Bestand kann hingegen die Feststellung haben, dass der An- geklagte verpflichtet ist, der Geschädigten sämtliche Schäden zu ersetzen , die ihr aus den abgeurteilten Straftaten vom 11. Juli 2015, 6. August 2015, 6. Dezember 2015 und vom 23. Februar 2016 erwachsen sind, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Hinsichtlich bereits entstandener materieller Schäden hat die Adhäsionsklägerin weder geltend gemacht noch ist aus ihrem Vortrag sonst ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sein könnten und warum sie nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern (vgl. Adhäsionsantrag vom 9. Februar 2017, SA Bd. V, Bl. 879 ff.). Für die Feststellungsklage fehlt es daher insoweit an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 2 StR 257/15; Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 169/15 m.w.N.).“
4
Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit sämtlichen Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Raum Jäger Bellay
Fischer Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 542/16
vom
6. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060417B3STR542.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 20. September 2016 im Adhäsionsausspruch abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:
a) Der Angeklagte wird verurteilt, an den Adhäsionskläger 261,94 € zu zahlen.
b) Der Angeklagte wird verurteilt, an den Adhäsionskläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zu zahlen.
c) Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger sämtliche künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 16. März 2016 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Neben- und Adhäsionskläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger 261,94 € Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zu zahlen, und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "dem Adhäsionskläger sämtliche vergangenen, gegenwärtigen und zukünftig entstehenden Schäden aus der Straftat vom 16. März 2016 zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind." Seine dagegen gerichtete Revision hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Die Überprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
2. Der Adhäsionsausspruch hat indes nicht in vollem Umfang Bestand.
4
a) Als rechtsfehlerfrei erweist sich die Zuerkennung des Schmerzensgeldes und - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch diejenige des materiellen Schadensersatzanspruchs. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Zuerkennung des Zahlungsanspruchs über 261,94 € für eine Eigenanteilrechnung, eine Pati- entenzuzahlung für den stationären Klinikaufenthalt und die Zuzahlung für Medikamente nicht allein auf einem zivilprozessualen Geständnis im Sinne des § 288 ZPO beruht, sondern die gebotene Überprüfung nach strafprozessualen Maßstäben vom Landgericht durchgeführt worden ist (vgl. LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 20 mwN). Der Senat kann ungeachtet des Antrages des Generalbundesanwalts durch Beschluss entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2007 - 3 StR 92/07, juris Rn. 5).
5
b) Dagegen erweist sich die in Ziffer II. 3. des Urteilstenors getroffene Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen , teilweise als rechtsfehlerhaft.
6
aa) Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger die bereits entstandenen und gegenwärtigen Schäden zu erstatten.
7
Die Auslegung des diesbezüglichen Antrages des Adhäsionsklägers, "festzustellen, dass die dem Herrn R. aus der Straftat entstehenden Folgen zu ersetzen sind, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind", ergibt, dass sein Feststellungsbegehren nicht auf die bereits entstande- nen (und mit 261,94 € bezifferten), sondern allein auf die "entstehenden" zu- künftigen Folgeschäden gerichtet ist. Damit hat das Landgericht entgegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO etwas zugesprochen, was nicht beantragt ist.
8
Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin: Soweit das Landgericht den Feststellungsantrag als auf die bereits entstandenen Schäden bezogen angesehen hat, hätte es insoweit gleichwohl von einer Entscheidung absehen müssen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO), da das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse fehlt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 - 4 StR 471/13, StV 2014, 269; vom 24. Februar 2015 - 4 StR 444/14, juris Rn. 3). Denn der Adhäsionskläger hat weder geltend gemacht, noch ist sonst aus seinem Vortrag ersichtlich, welche weiteren Schäden bereits entstanden sein könnten und warum er nicht in der Lage ist, diese schon jetzt zu beziffern.
9
bb) Dagegen ist hinsichtlich der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden ein Feststellungsinteresse durch die Urteilsfeststellungen , das rechtsmedizinische Gutachten und die vorgelegten Arztbriefe hinreichend belegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2013 - 2 StR 306/13, juris Rn. 12).
10
3. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den vollen Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Becker Schäfer Spaniol Tiemann Hoch