Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2017 - 3 StR 542/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
a) Der Angeklagte wird verurteilt, an den Adhäsionskläger 261,94 € zu zahlen.
b) Der Angeklagte wird verurteilt, an den Adhäsionskläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zu zahlen.
c) Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger sämtliche künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 16. März 2016 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Neben- und Adhäsionskläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger 261,94 € Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zu zahlen, und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "dem Adhäsionskläger sämtliche vergangenen, gegenwärtigen und zukünftig entstehenden Schäden aus der Straftat vom 16. März 2016 zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind." Seine dagegen gerichtete Revision hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet.
- 2
- 1. Die Überprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 3
- 2. Der Adhäsionsausspruch hat indes nicht in vollem Umfang Bestand.
- 4
- a) Als rechtsfehlerfrei erweist sich die Zuerkennung des Schmerzensgeldes und - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch diejenige des materiellen Schadensersatzanspruchs. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Zuerkennung des Zahlungsanspruchs über 261,94 € für eine Eigenanteilrechnung, eine Pati- entenzuzahlung für den stationären Klinikaufenthalt und die Zuzahlung für Medikamente nicht allein auf einem zivilprozessualen Geständnis im Sinne des § 288 ZPO beruht, sondern die gebotene Überprüfung nach strafprozessualen Maßstäben vom Landgericht durchgeführt worden ist (vgl. LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 20 mwN). Der Senat kann ungeachtet des Antrages des Generalbundesanwalts durch Beschluss entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2007 - 3 StR 92/07, juris Rn. 5).
- 5
- b) Dagegen erweist sich die in Ziffer II. 3. des Urteilstenors getroffene Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen , teilweise als rechtsfehlerhaft.
- 6
- aa) Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger die bereits entstandenen und gegenwärtigen Schäden zu erstatten.
- 7
- Die Auslegung des diesbezüglichen Antrages des Adhäsionsklägers, "festzustellen, dass die dem Herrn R. aus der Straftat entstehenden Folgen zu ersetzen sind, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind", ergibt, dass sein Feststellungsbegehren nicht auf die bereits entstande- nen (und mit 261,94 € bezifferten), sondern allein auf die "entstehenden" zu- künftigen Folgeschäden gerichtet ist. Damit hat das Landgericht entgegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO etwas zugesprochen, was nicht beantragt ist.
- 8
- Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin: Soweit das Landgericht den Feststellungsantrag als auf die bereits entstandenen Schäden bezogen angesehen hat, hätte es insoweit gleichwohl von einer Entscheidung absehen müssen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO), da das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse fehlt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 - 4 StR 471/13, StV 2014, 269; vom 24. Februar 2015 - 4 StR 444/14, juris Rn. 3). Denn der Adhäsionskläger hat weder geltend gemacht, noch ist sonst aus seinem Vortrag ersichtlich, welche weiteren Schäden bereits entstanden sein könnten und warum er nicht in der Lage ist, diese schon jetzt zu beziffern.
- 9
- bb) Dagegen ist hinsichtlich der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden ein Feststellungsinteresse durch die Urteilsfeststellungen , das rechtsmedizinische Gutachten und die vorgelegten Arztbriefe hinreichend belegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2013 - 2 StR 306/13, juris Rn. 12).
- 10
- 3. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den vollen Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.
(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.
(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.
(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.
(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.
(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.
(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.