Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Apr. 2017 - 4 StR 61/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:270417B4STR61.17.0
bei uns veröffentlicht am27.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 61/17
vom
27. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum versuchten Raub u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:270417B4STR61.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. September 2016, soweit es ihn betrifft , mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 3 der Urteilsgründe verurteilt ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und im Maßregelausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen Beihilfe zum versuchten Raub, Beihilfe zum Diebstahl und Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein einge- zogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Gefährdung des Straßenverkehrs im Fall II. 3 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte am 7. März 2015 mit einem Pkw Audi A 3 ohne Abblendlicht und „mit deutlich über- höhter Geschwindigkeit“ auf der A. straße in B. . Dabei missachtete er eine Rechts-vor-Links-Regelung und nahm dem Polizeibeamten D. , der mit seinem Dienstfahrzeug die R. straße befuhr, die Vorfahrt. Polizeiobermeister D. erkannte das Fahrzeug des Angeklagten „in letzter Sekunde“ und leiteteeine Gefahrenbremsung ein. Anschließend nahm er die Verfolgung des Angeklagten auf. Als der Angeklagte das ihm folgende Polizeifahrzeug bemerkte, vermutete er, dass ein zuvor von seinen Mitfahrern verübter Diebstahl, dessen Beute sich noch im Fahrzeug befand, entdeckt worden sei und befürchtete seine Festnahme. Um dieser zu entgehen, entschloss er sich zu einer „riskanten Fahrweise“, indem er mit ca. 80 km/h und weiterhin ohne Licht die A. straße befuhr. Dabei nutzte er die gesamte Breite der Straße einschließlich der Gegenfahrbahn. Polizeiobermeister D. folgte dem Angeklagten, wobei er ihn mit eingeschalteter „Licht- und Zeichenanlage“ zum Anhalten aufforderte. Im weiteren Verlauf der Fahrt überholte der Angeklagte in der Or. straße mehrere Fahrzeuge auf dem Gegenfahrstreifen und scherte kurz vor diesen wieder ein. Die entgegenkommenden Fahrzeuge „mussten dadurch stark abbremsen, um einen Aufprall zu vermeiden“. In einem Kreisver- kehr verlor er für einen kurzen Moment die Kontrolle über sein Fahrzeug, das „ausbrach“. Als Polizeiobermeister D. den Pkw des Angeklagten links überholen wollte, drängte der Angeklagte das Polizeifahrzeug „durch eine Lenkbewegung nach links ab“, sodass Polizeiobermeister D. eineKollision mit dem Fahrzeug des Angeklagten oder am Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugen nur durch ein starkes Abbremsen verhindern konnte. Schließlich konnte das Fahrzeug des Angeklagten gestoppt werden.
4
Das Landgericht ist ohne Darstellung der Subsumtion davon ausgegangen , dass sich der Angeklagte aufgrund des geschilderten Sachverhalts wegen „Gefährdung des Straßenverkehrs“ strafbar gemacht habe. Im Rahmen der Strafzumessung wird § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB in den Begehungsformen der Buchstaben a, b und d angeführt.
5
b) Die Urteilsgründe tragen die Annahme einer Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht, weil sich aus ihnen nicht ergeben , dass es infolge eines dieser Vorschrift unterfallenden Verkehrsverstoßes zu einer konkreten Gefährdung eines der bezeichneten Rechtsgüter gekommen ist.
6
aa) § 315c Abs. 1 StGB setzt voraus, dass eine der dort genannten Tathandlungen über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Verkehrssituation geführt hat, in der die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Erforderlich ist ein „Beinahe-Unfall“, also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, „das sei noch einmal gut gegangen“ (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2011 – 4 StR 522/11, NZV 2012, 249; Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131, 3132; Ernemann in: SSW-StGB, 3. Aufl., § 315c Rn. 22 mwN).
7
bb) Ein diesen Vorgaben entsprechender Verkehrsvorgang wird durch die Feststellungen nicht belegt.
8
Hinsichtlich der ersten, für eine Strafbarkeit nach § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB in Betracht kommenden Verkehrssituation (Missachtung der Vorfahrt des Polizeibeamten D. , Gefahrenbremsung zur Kollisionsvermeidung) verhält sich das Urteil weder zu der von dem Polizeifahrzeug gefahrenen Geschwindigkeit noch zu der Intensität der „Gefahrenbremsung“ (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2013 – 4 StR 187/13, NStZ-RR 2013, 320, 321; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289). Soweit davon die Rede ist, dass der Angeklagte „mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit“ gefahren sei, handelt es sich um eine Wertung, für die sich in den Urteilsgründen keine Tatsachengrundlage findet. Um eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert bejahen zu können, hätte es zudem bestimmter Angaben zum Wert des gefährdeten Polizeifahrzeugs und zur Höhe des drohenden Schadens (berechnet anhand der am Marktwert zu messenden Wertminderung) bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215, 216; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289).
9
Gleiches gilt, soweit Überholvorgänge geschildert werden, bei denen entgegenkommende Fahrzeuge „stark abbremsen“ mussten, „um einen Aufprall zu vermeiden“. Zwarmag dies dafür sprechen, dass der Angeklagte im Sinne von § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB, § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO falsch überholt hat. Ob in dieser Situation der Eintritt einer Rechtsgutsverletzung nur noch vom Zufall abhing, kann der Senat aber nicht beurteilen. Einzelheiten zur Art der konkreten Begegnung der Fahrzeuge sind nicht festgestellt.
10
Auch hinsichtlich des Abdrängens des überholenden Polizeifahrzeugs (§ 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB) fehlt es an einer Darlegung der konkreten Umstän- de. Dass Polizeiobermeister D. eine Kollision mit dem Fahrzeug des Angeklagten oder am Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugen nur durch ein starkes Abbremsen verhindern konnte, vermag einen „Beinahe-Unfall“ nicht ausreichend zu belegen.
11
In welcher Verkehrssituation das Landgericht § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB verwirklicht gesehen hat, bleibt gänzlich unklar.
12
2. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 3 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe und der an diese Verurteilung anknüpfenden Maßregel gemäß §§ 69, 69a StGB nach sich. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

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(1) Es ist links zu überholen. (2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als de

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 522/11
vom
22. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. November 2011
gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 15. Juli 2011
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung schuldig ist,
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit (vorsätzlichem) gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und gegen ihn Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Auf- hebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch hält der Überprüfung nicht stand, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde.
3
a) Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die Strafbarkeit nach § 315b Abs. 1 StGB bei einem sog. verkehrsfeindlichen Inneneingriff, wie ihn das Landgericht hier festgestellt hat, voraus, dass zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es der Täter mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz - etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug - missbraucht. Erst dann liegt eine - über den Tatbestand des § 315c StGB hinausgehende und davon abzugrenzende - verkehrsatypische "Pervertierung" eines Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen "Eingriff" in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2010 - 4 StR 556/09, NStZ 2010, 391, 392; vom 16. März 2010- 4 StR 82/10 jeweils mwN).
4
Ferner erfordert ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr , dass durch eine der in den Nummern 1 bis 3 des § 315b Abs. 1 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert verdichtet hat. Dabei muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicher- heit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Beschlüsse vom 3. November 2009 - 4 StR 373/09; vom 10. Dezember2009 - 4 StR 503/09, NStZ-RR 2010, 120 jeweils mwN).
5
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen weder einen bedingten Schädigungsvorsatz beim Zufahren des Angeklagten auf den Zeugen S. , noch eine konkrete Gefahr für diesen Zeugen.
6
Zwar fuhr der Angeklagte zunächst "mit Vollgas an", er hielt jedoch in einer Entfernung von eineinhalb bis zwei Meter vor dem Zeugen an, als dieser auf den Transporter zuging. Anschließend gab er erneut Vollgas, ließ aber "die Kupplung schleifen und bewegte sich ruckelnd auf den Geschädigten S. zu", um ihn dazu "zu bewegen, aus dem Weg zu gehen". Als sich diesem das Fahrzeug bis auf "maximal einen weiteren halben Meter genähert" hatte, also mindestens noch einen bis eineinhalb Meter von ihm entfernt war, "machte der Geschädigte … einen Ausfallschritt zur Seite" und ließ das Fahrzeug passieren (UA S. 7 f.; ferner UA S. 37: "Ausweichbewegung" des Zeugen nicht durch einen "Sprung", sondern durch einen "Ausfallschritt").
7
Ein Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen ist, also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen", lässt sich dem nicht entnehmen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. August 1986 - 4 StR 359/86). Auch der vom Landgericht allein aus dem objektiven Hergang gezogene Schluss auf das Vorliegen des Schädigungsvorsatzes bei dem die Tatbegehung bestreitenden Angeklagten wird von diesen Feststellungen nicht getragen.
8
2. Da die vom Landgericht getroffenen Feststellungen auch den Vorsatz in Bezug auf die versuchte gefährliche Körperverletzung nicht belegen, ändert der Senat den Schuldspruch ab und lässt die Verurteilung wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und versuchter gefährlicher Körperverletzung entfallen. Er schließt im Hinblick auf die rechtsfehlerfrei in einer ersichtlich vollständigen Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen und die im Übrigen sorgfältige Beweiswürdigung durch die Strafkammer - mit dem Generalbundesanwalt - aus, dass in einer neuen Verhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung auch nach § 315b, §§ 224, 22 StGB tragen würden.
9
3. Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs zur Folge. Denn das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 315b Abs. 3 StGB entnommen (UA S. 43) und ersichtlich auch bei der Bemessung der Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auf seine Bewertung der Tat als vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr abgestellt.
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 187/13
vom
2. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 21. Dezember 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er im Fall II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, im Maßregelausspruch , im Ausspruch über die Anordnung des Verfalls und im Ausspruch über die Einziehung. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe sowie Munition und in weiterer Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner wurde bestimmt, dass ein Jahr und sechs Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind, ein sichergestellter Geldbetrag in Höhe von 3.330 Euro verfallen ist und verschiedene Betäubungsmittel und Tabletten sowie eine VorderschaftRepetierflinte nebst Munition eingezogen werden. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verurteilung in den Fällen II. 3 und II. 4 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
1. Nach den Feststellungen überquerte der Angeklagte mit einem Pkw Suzuki Swift in Halle (Saale) aus der Straße kommend die in diesem Bereich vierspurige Straße, ohne die Geschwindigkeit zu verringern und die Vorfahrt zu beachten. Aufgrund dessen mussten die Lenker von zwei sich auf der bevorrechtigten Straße von links annähernden Pkw Gefahrenbremsungen durchführen, um mit dem von dem Angeklagten geführten Pkw nicht zu kollidieren. Einer der beiden Pkw war ein ziviles Dienstfahrzeug der Polizei, das mit zwei Beamten besetzt war. Der Angeklagte war aufgrund zuvor konsumierten Kokains nicht mehr fahrtüchtig. Dies hätte er erkennen können und müssen. Ihm war bekannt, dass er nicht über die erforder- liche Fahrerlaubnis verfügte und das von ihm geführte Fahrzeug nicht haftpflichtversichert war (Fall II. 3 der Urteilsgründe).
4
Der Angeklagte verwahrte in dem von ihm gelenkten Pkw 308,1 Gramm „cannabishaltige Substanzen“ mit einem THC-Anteil von 13,5 Gramm und 25 Gramm „Amphetamin“ mit einer Wirkstoffmenge von 0,2 Gramm Amphetaminbase , um diese gewinnbringend weiterzuverkaufen. Dabei führte er in einer Sporttasche auf der Rückbank des Pkw eine funktionstüchtige und schussbereite so genannte Pumpgun der Marke Deerfield, Modell 672 X, Kaliber 20/76 mit gekürztem Lauf und Hinterschaft und 44 Schrotpatronen im Kaliber 20/70 bei sich, ohne über die für die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über diese Gegenstände erforderliche Berechtigung zu verfügen. Eine Patrone be- fand sich im Lauf (Patronenlager) der „Pumpgun“ und vier weitere Patronenin deren Magazin. In der Sporttasche verwahrte der Angeklagte außerdem zwei Kunststoffdosen mit jeweils 100 Tabletten, die die Bezeichnung „Androlic“ trugen und einen Wirkstoffanteil von 9.921 mg Oxymetholon aufwiesen. Diese Tabletten wollte der Angeklagte selbst konsumieren, um eine sportliche Leistungssteigerung zu erzielen (Fall II. 4 der Urteilsgründe). Ferner führte der Angeklagte in seiner Hosentasche (UA 10 und 12) insgesamt 3.330 Euro bei sich, die aus dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln stammten (UA 23 f.).
5
Das Landgericht hat die Taten im Fall II. 3 der Urteilsgründe als vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (§§ 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) in Tateinheit mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz (§§ 1, 6 Abs. 1 PflVG) und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB) und im Fall II. 4 der Urteilsgründe als „unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schusswaffe“ (§§ 1, 3, 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit unerlaub- tem Besitz einer Schusswaffe (§ 51 Abs. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2), unerlaubtem Besitz von Munition (§ 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1) und einem Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (§ 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG i.V.m. Nr. I.1.a) der Anlage zur DmMV) gewertet. Beide Taten stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit , weil allein die Gleichzeitigkeit zweier Handlungen noch keine Tateinheit begründen könne (UA 19).
6
2. Die Verurteilung im Fall II. 3 der Urteilsgründe war aufzuheben, weil die Feststellungen die für einen Schuldspruch nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB erforderliche Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert nicht belegen.
7
Für die Annahme, dass Leib oder Leben der Insassen des Polizeifahrzeugs oder des anderen die Straße befahrenden Pkw konkret gefährdet waren, fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage, weil sich das Urteil weder zu den gefahrenen Geschwindigkeiten, noch zu der Intensität der Gefahrenbremsungen verhält (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289). Um eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert bejahen zu können, hätte es bestimmter Angaben zum Wert der gefährdeten Fahrzeuge und zur Höhe des drohenden Schadens (berechnet anhand der am Marktwert zu messenden Wertminderung ) bedurft (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215, 216; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289).
8
3. Die Verurteilung im Fall II. 4 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil sich aus den getroffenen Feststellungen nicht ergibt, dass es sich bei der sichergestellten „Pumpgun“ um eine verbotene Waffe gemäß § 51 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 WaffG Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 gehandelt hat.
9
Nach Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 (Waffenliste) zu § 2 Abs. 3 WaffG unterfällt der Umgang mit einer Vorderschaftrepetierflinte nur dann § 51 Abs. 1 WaffG, wenn anstelle des Hinterschafts ein Kurzwaffengriff vorhanden ist oder die Waffengesamtlänge in der kürzest möglichen Verwendungsform weniger als 95 cm oder die Lauflänge weniger als 45 cm beträgt. Damit wollte der Gesetzgeber nur solche Vorderschaftrepetierflinten verbieten, die so verändert (eingekürzt ) sind, dass sie verdeckt geführt und im Nahbereich eingesetzt werden können, wodurch sie sich für kriminelle Verwendungen besonders eignen (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28. Januar 2008, BT-Drucks. 16/7717, S. 25; Heinrich in Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, 9. Aufl., § 2 WaffG Rn. 6b; Hinze/Runkel, Waffenrecht, 55. Aktualisierung Okt. 2008, § 2 WaffG Rn. 56a). Die Urteilsgründe bezeichnen die von dem Angeklagten mitgeführte Vorderschaftrepetierflinte lediglich nach Marke, Modell und Kaliber. Außerdem wird mitgeteilt, dass Lauf und Hinterschaft gekürzt sind (UA 8). Aus der Beweiswürdigung ergibt sich lediglich, dass es sich hierbei um nachträgliche Veränderungen handelt (UA 14). Ob diese Veränderungen dazu geführt haben, dass eines der in Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 der Waffenliste angeführten äußeren Merkmale erfüllt ist, kann den Urteilsgründen dagegen nicht entnommen werden. Die Bezeichnung als „Pumpgun“ vermag diese Angaben nicht zu ersetzen, da es sich hierbei nur um einen umgangssprachlichen Namen für Vorderschaftrepetierflinten handelt, der nichts über die hier maßgeblichen weiteren Eigenschaften aussagt (vgl. Hinze/Runkel, Waffenrecht, 55. Aktualisierung Okt. 2008, § 2 WaffG Rn. 56; Heller/Soschinka, Waffenrecht, 2. Aufl., Rn. 274; Busche, Waffenrecht, 7. Aufl., S. 88).
10
Sollte der neue Tatrichter Feststellungen treffen können, die belegen, dass der Angeklagte in dem von ihm geführten Pkw eine Vorderschaftrepetierflinte verwahrt hat, die eine der in Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 (Waffenliste) zu § 2 Abs. 3 WaffG benannten Voraussetzungen erfüllt, wird er auch zu prüfen haben, ob anstelle einer Verurteilung wegen Besitzes einer verbotenen Waffe eine solche wegen Führens einer verbotenen Waffe nach § 51 Abs. 1 WaffG in Betracht kommt.
11
4. Schließlich halten auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme einer Tatmehrheit (§ 53 StGB) zwischen den zueinander in Tateinheit stehenden Verstößen gegen § 315c Abs. 1 StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und § 6 PflVG (Fall II. 3 der Urteilsgründe) einerseits und § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 51 Abs. 1 WaffG, § 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG und § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG (Fall II. 4 der Urteilsgründe) andererseits begründet hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Zwar vermögen – was das Landgericht nicht verkannt hat – ein einheitliches Motiv, eine Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen oder eine MittelZweck -Verknüpfung eine Tateinheit nicht zu begründen (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 4 StR 78/99, NStZ 2000, 85; Beschluss vom 25. November 1997 – 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 319 mwN). Mehrere strafbare Gesetzesverstöße stehen aber zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB), wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Pkw befördert (Einfuhrfahrt, Transport- fahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu Abnehmern etc.) durch das Führen des Transportfahrzeuges weitere Gesetzesverstöße, so stehen diese nach den genannten Grundsätzen zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB). Denn ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 209/11, NZV 2012, 250 zu § 24a Abs. 2 StVG und § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; Beschluss vom 11. Dezember 2008 – 3 StR 533/08, BGHR StVG § 24a Abs. 2 Konkurrenzen 1 zu § 24a Abs. 2 StVG und § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG; offengelassen in BGH, Beschluss vom 5. März 2009 – 3 StR 566/08, NStZ 2009, 705 Rn. 8; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 316 Rn. 57; MünchKommStGB/Kotz, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1210).
13
Nach den Feststellungen waren die im Fahrzeug des Angeklagten verwahrten Betäubungsmittel für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. Das bei ihm sichergestellte Bargeld stammte aus dem Handeltreiben mit diesem Rauschgift und wurde deshalb nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB und nicht nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für verfallen erklärt. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte vor seiner Kontrolle bereits Rauschgift verkauft hatte und es sich bei den sichergestellten Betäubungsmitteln nur um den Rest einer größeren zum Teil bereits verkauften Menge handelte. Unter diesen Umständen hätte erörtert werden müssen, ob die dem Angeklagten unter II. 3 der Urteilsgründe angelasteten Gesetzesverletzungen bei einer Fahrt begangen wurden, die dem Transport des im Pkw befindlichen Rauschgifts zu Handelszwecken (etwa zu weiteren Abnehmern oder ins Depot) diente und deshalb Tateinheit mit dem Betäubungsmittelhandel und den weiteren unter II. 4 ausgeurteilten Delikten anzunehmen ist.

II.


14
Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden tateinheitlichen Verurteilungen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Fahrens ohne Versicherungsschutz im Fall II. 3 der Urteilsgründe und wegen bewaffneten Betäubungsmittelhandels (zur Tenorierung vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2006 – 3 StR323/06), unerlaubten Besitzes von Munition und Besitzes von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken (zur Tenorierung vgl. Körner/ Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 95 AMG Rn. 70) im Fall II. 4 der Urteilsgründe (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276).
15
Die Aufhebung des Schuldspruchs für die Taten zu II. 3 und II. 4 zieht neben der Aufhebung der Gesamtstrafe auch die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, der Verfallsanordnung und der Einziehungsanordnung nach sich, weil diese Entscheidungen an die Verurteilung wegen der Tat unter II. 4 der Urteilsgründe anknüpfen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 617/07
vom
29. April 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 29. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 2. April 2007 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte Abil C. in den Fällen II. 1, 3 und 8 der Urteilsgründe,
b) der Angeklagte Servet C. in den Fällen II. 4 und 9 der Urteilsgründe,
c) der Angeklagte Fuat C. in den Fällen II. 2, 5, 7, 10 und 11 der Urteilsgründe wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden sind, mit den jeweils zur Gefährdung anderer Personen, zum Wert der durch die jeweiligen Verkehrsunfälle gefährdeten fremden Sachen und zu den insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen; die übrigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle durch die Angeklagten bleiben jedoch aufrechterhalten;
d) im Ausspruch über die gegen die vorbezeichneten Angeklagten verhängten Gesamtstrafen mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, und zwar die Angeklagten Abil C. und Servet C. jeweils in drei Fällen und den Angeklagten Fuat C. in fünf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Ferner hat es gegen die Angeklagten Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg ; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilungen der Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen II. 1 bis 5 und 7 bis 11 der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
3
a) Zwar haben die Angeklagten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verkehrsunfälle jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB) und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs entweder durch Hindernisbereiten (§ 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB) oder durch einen "ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB) beeinträchtigt (vgl. BGHSt 48, 233; BGH NZV 1992, 157). Der Straftatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB setzt darüber hinaus aber voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden.
4
b) Dass in den genannten Fällen Leib oder Leben eines anderen Menschen konkret gefährdet worden sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Die zu den einzelnen Unfällen getroffenen Feststellungen geben hierfür keinen hinreichenden Anhalt, insbesondere fehlen Angaben zu den eingehaltenen Geschwindigkeiten und der Intensität des Aufpralls zwischen den beteiligten Fahrzeugen. Ersichtlich sind bei unfallbeteiligten Dritten auch keine Verletzungen eingetreten. Die Gefährdung von Teilnehmern an der Tat genügt nicht (vgl. BGH NStZ 1992, 233 f.; StV 1999, 317).
5
c) Aber auch die konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist nicht belegt.
6
aa) Hierbei muss über den Gesetzeswortlaut hinaus der fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht haben (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - 4 StR 1/07 - insoweit in BGH NStZRR 2008, 83 nicht abgedruckt). Es sind daher stets zwei Prüfschritte erforderlich , zu denen im Strafurteil entsprechende Feststellungen zu treffen sind: Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert handelt, was etwa bei älteren oder bereits vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der maßgebliche Gefährdungsschaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrswert (BGH NStZ 1999, 350, 351), die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung (BGH aaO) zu berechnen. Der Grenzwert für Sachwert und Schadenshöhe ist einheitlich zu bestimmen und lag hier zu den Gefährdungszeitpunkten bei mindestens 750 € (BGHSt 48, 14, 23).
7
bb) Ob in den genannten Fällen nach Maßgabe dieser Grundsätze den geschädigten Unfallopfern ein Schaden in Höhe von mindestens 750 € drohte, kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht nachprüfen. Angaben zu den Fahrzeugen der Geschädigten, die den verlässlichen Schluss rechtfertigen könnten, dass ihr Verkehrswert zum Unfallzeitpunkt zumindest den Grenzwert erreichte, fehlen bereits weitgehend. Im Übrigen kann der Senat weder anhand der mitgeteilten Schadensbilder noch aufgrund der Feststellungen zu den einzelnen Unfallabläufen beurteilen, ob den Fahrzeugen der Geschädigten infolge der von den Angeklagten provozierten Verkehrsunfälle ein Schaden von mindestens 750 € drohte. Zu keinem der betroffenen Fälle wird die Höhe eines eventuell tatsächlich entstandenen Schadens mitgeteilt. Allein aus der Höhe der von den Angeklagten bei den gegnerischen Haftpflichtversicherern für die Beschädigung der eigenen Fahrzeuge betrügerisch erlangten oder geforderten Beträge kann nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass den jeweils beteiligten Fahrzeugen der anderen Unfallbeteiligten ein bedeutender Sachschaden drohte. Dies gilt hier umso mehr, als die Angeklagten für die provozierten Unfällen teilweise innerhalb weniger Tage dieselben Fahrzeuge eingesetzt (vgl. die Fälle II. 4 und 5 sowie 8 und 9) und damit Schadensersatz für vorgeschädigte Fahrzeuge verlangt haben.
8
2. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den genannten Fällen lässt jedoch die Verurteilung der Angeklagten wegen der zum Nachteil der Haftpflichtversicherungen der jeweiligen Unfallgegner begangenen Betrugstaten unberührt. Sie zieht nur die Aufhebung der zur Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen, zur Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert und der insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen nach sich. Im Übrigen halten die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle und zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten rechtlicher Nachprüfung stand und können deshalb bestehen bleiben.
9
3. Mit den Teilaufhebungen entfällt auch die Grundlage für die gegen die Angeklagten jeweils verhängten Gesamtstrafen. Die Maßregelaussprüche können hingegen bestehen bleiben, da sie durch die aufrechterhaltenen Feststellungen zu den Unfallgeschehen und die Verurteilung wegen der übrigen, durch die Urteilaufhebung nicht betroffenen Taten getragen werden.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 245/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 3. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in sieben Fällen, wegen Sachbeschädigung in 14 Fällen, wegen Betruges in 26 Fällen und wegen versuchten Betruges in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt; außerdem hat es eine Maßregel nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf nur die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen II. 7, II. 19, II. 50 und II. 60 der Urteilsgründe.
3
1. Nach den hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte im Zeitraum von September 2007 bis September 2008 vier Verkehrsunfälle jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) und die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er einen "ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen hat. Dabei sind an den Fahrzeugen der Unfallgegner Schäden in Höhe von 1.062,11€, 792,30 €, 800 € bzw. 885,84 € verursacht worden; dass ein darüber hinausgehender Sachschaden oder sogar ein Personenschaden konkret gedroht haben, ist in keinem dieser Fälle festgestellt.
4
2. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Gefährdung für fremde Sachen von bedeutendem Wert im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB zur Tatbestandserfüllung nur ausreicht, wenn auch der konkret drohende Schaden bedeutenden Umfangs war (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - 4 StR 1/07, NStZ-RR 2008, 83 m.w.N.), und hat diese Voraussetzung in den fraglichen vier Fällen als erfüllt angesehen. Dabei hat es sich an der Rechtsprechung des Senats ausgerichtet, wonach die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert bei mindestens 750 € liegt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 121; Beschlüsse vom 27. September 2007 - 4 StR 1/07; vom 29. April 2008 - 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289; vom 20. Oktober 2009 - 4 StR 408/09, NZV 2010, 261). Gegenstand der letztgenannten Entscheidung war unter anderem ein Unfallgeschehen vom Januar 2008.
5
3. Für eine Anhebung dieser Wertgrenze sieht der Senat keinen Anlass.
6
a) Allerdings wird in der Literatur teilweise eine höhere Wertgrenze von bis zu 1.300 € angenommen, die der Grenze des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB angeglichen ist (vgl. Heine, in: Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., Vorbem. zu §§ 306 ff. Rn. 15; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 315 Rn. 16a; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 21. Aufl., § 315c StGB Rn. 7; MünchKommStGB/Barnickel § 315 Rn. 69: ca. 850 € für Januar 2006; wie die Senatsrechtsprechung dagegen: König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 95; SSW-StGB/Ernemann § 315c Rn. 25; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 315c Rn. 24).
7
Vereinzelt haben auch Oberlandesgerichte eine Wertgrenze von 1.300 € für die konkrete Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert angenommen. Das Thüringer OLG hat dies mit der Angleichung an die Grenze zum bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB begründet (Beschluss vom 17. September 2008 - 1 Ss 167/08, OLGSt StGB § 315c Nr. 16); das OLG Hamm hat ohne weitere Begründung lediglich auf die Kommentierung von Fischer, StGB, 55. Aufl., § 315 Rn. 16a verwiesen (Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 4 Ss 466/08, NStZ-RR 2009, 185, 186).
8
b) Eine Angleichung an die Wertgrenze des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nicht angezeigt, weil die Vorschriften unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen.
9
Der Schadensbegriff des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nach dem Normzweck des § 142 StGB zu bestimmen, der dem Interesse der Unfallbeteiligten an der Aufklärung der Unfallursachen zur Klarstellung der privatrechtlichen Verantwortlichkeit und damit an der Sicherung bzw. Abwehr zivilrechtlicher Ersatzansprüche dient (vgl. Geppert in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 69 Rn. 84, § 142 Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder aaO § 142 Rn. 1a m.w.N.). Maßgeblich ist daher nicht der reine Sachschaden, sondern der Geldbetrag, der erforderlich ist, den Geschädigten so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (vgl. MünchKommStGB/Athing § 69 Rn. 70 m.w.N.). Deswegen sind neben den Reparaturkosten auch Bergungsund Abschleppkosten einzubeziehen.
10
Bei §§ 315b, 315c StGB ist demgegenüber allein auf den (drohenden) Schaden an der Sache selbst abzustellen, wobei der Wert der Sache nach deren Verkehrswert, die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 - 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289 m.w.N.; vgl. auch König aaO § 315 Rn. 82a, 90). Die Vorschriften bezwecken den Schutz des Allgemeininteresses an der Sicherheit des Straßenverkehrs, der in ihnen verwirklichte Schutz auch des Einzelnen ist nur eine Nebenwirkung (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 - 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 15. Dezember 1998 - 4 StR 576/98, NStZ-RR 1999, 120). Das Schwergewicht der Vorwerfbarkeit liegt dementsprechend - ungeachtet der Ausgestaltung der Straftatbestände als Erfolgsdelikte (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119) - in der besonderen Gefährlichkeit der Tathandlung für die Allgemeinheit und damit im Handlungsunrecht; der Erfolgsunwert - der Niederschlag der abstrakten Gefährdung in einer konkreten Gefahr für Individualrechtsgüter - hat lediglich strafbarkeitsbegrenzende Funktion (vgl. König aaO § 315 Rn. 5), der auch die weitere Einschränkung des bedeutenden Wertes dient (vgl. Barnickel aaO § 315 Rn. 69). Insofern rechtfertigt der Schutzzweck der §§ 315b, 315c StGB die Bestimmung eines niedrigeren Grenzwertes als bei § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auch losgelöst von der unterschiedlichen Berechnungsgrundlage (zur Abhängigkeit verschiedener Wertgrenzen vom jeweiligen Norm- zweck vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02, BGHSt 48,

14).


11
c) Schließlich gebietet auch die in den letzten Jahren eingetretene wirtschaftliche Entwicklung eine Anhebung des Grenzwertes für Sachwert und Schadenshöhe nicht. Bei der Wertgrenze handelt es sich zwar um eine veränderliche Größe, die maßgeblich von der Entwicklung der Preise und Einkommen abhängig ist (vgl. König aaO § 315 Rn. 94). Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestandsbestimmtheit, kommt eine Anhebung der Wertgrenze aber nur bei einer grundlegenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht. Eine derartige Veränderung vermag der Senat nicht zu erkennen.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 617/07
vom
29. April 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 29. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 2. April 2007 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte Abil C. in den Fällen II. 1, 3 und 8 der Urteilsgründe,
b) der Angeklagte Servet C. in den Fällen II. 4 und 9 der Urteilsgründe,
c) der Angeklagte Fuat C. in den Fällen II. 2, 5, 7, 10 und 11 der Urteilsgründe wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden sind, mit den jeweils zur Gefährdung anderer Personen, zum Wert der durch die jeweiligen Verkehrsunfälle gefährdeten fremden Sachen und zu den insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen; die übrigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle durch die Angeklagten bleiben jedoch aufrechterhalten;
d) im Ausspruch über die gegen die vorbezeichneten Angeklagten verhängten Gesamtstrafen mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, und zwar die Angeklagten Abil C. und Servet C. jeweils in drei Fällen und den Angeklagten Fuat C. in fünf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Ferner hat es gegen die Angeklagten Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg ; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilungen der Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen II. 1 bis 5 und 7 bis 11 der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
3
a) Zwar haben die Angeklagten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verkehrsunfälle jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB) und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs entweder durch Hindernisbereiten (§ 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB) oder durch einen "ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB) beeinträchtigt (vgl. BGHSt 48, 233; BGH NZV 1992, 157). Der Straftatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB setzt darüber hinaus aber voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden.
4
b) Dass in den genannten Fällen Leib oder Leben eines anderen Menschen konkret gefährdet worden sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Die zu den einzelnen Unfällen getroffenen Feststellungen geben hierfür keinen hinreichenden Anhalt, insbesondere fehlen Angaben zu den eingehaltenen Geschwindigkeiten und der Intensität des Aufpralls zwischen den beteiligten Fahrzeugen. Ersichtlich sind bei unfallbeteiligten Dritten auch keine Verletzungen eingetreten. Die Gefährdung von Teilnehmern an der Tat genügt nicht (vgl. BGH NStZ 1992, 233 f.; StV 1999, 317).
5
c) Aber auch die konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist nicht belegt.
6
aa) Hierbei muss über den Gesetzeswortlaut hinaus der fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht haben (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - 4 StR 1/07 - insoweit in BGH NStZRR 2008, 83 nicht abgedruckt). Es sind daher stets zwei Prüfschritte erforderlich , zu denen im Strafurteil entsprechende Feststellungen zu treffen sind: Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert handelt, was etwa bei älteren oder bereits vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der maßgebliche Gefährdungsschaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrswert (BGH NStZ 1999, 350, 351), die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung (BGH aaO) zu berechnen. Der Grenzwert für Sachwert und Schadenshöhe ist einheitlich zu bestimmen und lag hier zu den Gefährdungszeitpunkten bei mindestens 750 € (BGHSt 48, 14, 23).
7
bb) Ob in den genannten Fällen nach Maßgabe dieser Grundsätze den geschädigten Unfallopfern ein Schaden in Höhe von mindestens 750 € drohte, kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht nachprüfen. Angaben zu den Fahrzeugen der Geschädigten, die den verlässlichen Schluss rechtfertigen könnten, dass ihr Verkehrswert zum Unfallzeitpunkt zumindest den Grenzwert erreichte, fehlen bereits weitgehend. Im Übrigen kann der Senat weder anhand der mitgeteilten Schadensbilder noch aufgrund der Feststellungen zu den einzelnen Unfallabläufen beurteilen, ob den Fahrzeugen der Geschädigten infolge der von den Angeklagten provozierten Verkehrsunfälle ein Schaden von mindestens 750 € drohte. Zu keinem der betroffenen Fälle wird die Höhe eines eventuell tatsächlich entstandenen Schadens mitgeteilt. Allein aus der Höhe der von den Angeklagten bei den gegnerischen Haftpflichtversicherern für die Beschädigung der eigenen Fahrzeuge betrügerisch erlangten oder geforderten Beträge kann nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass den jeweils beteiligten Fahrzeugen der anderen Unfallbeteiligten ein bedeutender Sachschaden drohte. Dies gilt hier umso mehr, als die Angeklagten für die provozierten Unfällen teilweise innerhalb weniger Tage dieselben Fahrzeuge eingesetzt (vgl. die Fälle II. 4 und 5 sowie 8 und 9) und damit Schadensersatz für vorgeschädigte Fahrzeuge verlangt haben.
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2. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den genannten Fällen lässt jedoch die Verurteilung der Angeklagten wegen der zum Nachteil der Haftpflichtversicherungen der jeweiligen Unfallgegner begangenen Betrugstaten unberührt. Sie zieht nur die Aufhebung der zur Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen, zur Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert und der insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen nach sich. Im Übrigen halten die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle und zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten rechtlicher Nachprüfung stand und können deshalb bestehen bleiben.
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3. Mit den Teilaufhebungen entfällt auch die Grundlage für die gegen die Angeklagten jeweils verhängten Gesamtstrafen. Die Maßregelaussprüche können hingegen bestehen bleiben, da sie durch die aufrechterhaltenen Feststellungen zu den Unfallgeschehen und die Verurteilung wegen der übrigen, durch die Urteilaufhebung nicht betroffenen Taten getragen werden.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Es ist links zu überholen.

(2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.

(3) Das Überholen ist unzulässig:

1.
bei unklarer Verkehrslage oder
2.
wenn es durch ein angeordnetes Verkehrszeichen (Zeichen 276, 277) untersagt ist.

(3a) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t führt, darf unbeschadet sonstiger Überholverbote nicht überholen, wenn die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m beträgt.

(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Stillstand gekommen sind. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.

(4a) Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen sind rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.

(5) Außerhalb geschlossener Ortschaften darf das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden. Wird mit Fernlicht geblinkt, dürfen entgegenkommende Fahrzeugführende nicht geblendet werden.

(6) Wer überholt wird, darf seine Geschwindigkeit nicht erhöhen. Wer ein langsameres Fahrzeug führt, muss die Geschwindigkeit an geeigneter Stelle ermäßigen, notfalls warten, wenn nur so mehreren unmittelbar folgenden Fahrzeugen das Überholen möglich ist. Hierzu können auch geeignete Seitenstreifen in Anspruch genommen werden; das gilt nicht auf Autobahnen.

(7) Wer seine Absicht, nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, ist rechts zu überholen. Schienenfahrzeuge sind rechts zu überholen. Nur wer das nicht kann, weil die Schienen zu weit rechts liegen, darf links überholen. Auf Fahrbahnen für eine Richtung dürfen Schienenfahrzeuge auch links überholt werden.

(8) Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Rad Fahrende und Mofa Fahrende die Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.