Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 586/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision. Ferner beantragt er Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist. Der Wiedereinsetzungsantrag hat in vollem Umfang, die Revision des Angeklagten hat dagegen lediglich hinsichtlich der Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt Erfolg.
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- 1. Dem Wiedereinsetzungsantrag ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 2. Februar 2016 dargelegten Gründen zu entsprechen.
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- 2. Zur Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat der Generalbundesanwalt Folgendes ausgeführt: „Die Ablehnung der Anordnung einer Unterbringungdes Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB [hält] rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat festgestellt, dass bei dem drogenabhängigen Angeklagten ein Hang zur Einnahme von berauschenden Mitteln im Übermaß vorliegt. Es hat gleichwohl von der Unterbringung abgesehen , weil sich ein symptomatischer Zusammenhang zwischen diesem Hang und den Taten nicht feststellen lasse. Der Angeklagte sei erst im Zusammenhang mit der ersten Tat wieder zum Konsum von Amphetamin und später auch Kokain gelangt. Der Drogenhandel habe in erster Linie zur Finanzierung seines gehobenen Lebensstandards gedient.
Drogen auch mit dem Gewinn aus dem Drogenhandel finanziert (UA S. 13). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).“
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- Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Zwar muss der für eine Anordnung nach § 64 StGB erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und der bzw. den Anlasstaten sicher feststehen (BGH, Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 572/13, juris Rn. 4) und es bedarf hierfür bei Taten, die nicht auf die Erlangung von Rauschmitteln selbst oder von Geld zu deren Beschaffung abzielten, besonderer, diese Feststellung begründender Umstände (BGH aaO, juris Rn. 6 mwN). Auch hält der Senat daran fest, dass es an einem solchen Zusammenhang fehlt, wenn die Taten allein zur Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2) oder zur Gewinnerzielung bestimmt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, juris Rn. 10, 18). Da der Angeklagte – abgesehen von einer Umschulung – seit mehreren Jahren arbeitslos ist und zuletzt Sozialleistungen bezog, kann der Senat indes nicht völlig ausschließen, dass die Taten – jedenfalls ab der Tat II. 2 der Urteilsgründe – nicht mehr ausschließlich der Finanzierung des Lebensbedarfs, sondern auch der seines Drogenkonsums dienten (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2012 – 5 StR 545/12, juris Rn. 2).
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- 3. Zu den weiteren Ausführungen des Revisionsführers – auch im Schriftsatz vom 18. Februar 2016 – bemerkt der Senat ergänzend zu den Darlegungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 2. Februar 2016:
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- Hinsichtlich der als Aufklärungsrüge erhobenen Verfahrensrüge war die Mitteilung der polizeilichen Aussagen der Zeugen zur Erfüllung der sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Anforderungen schon deshalb unerlässlich , weil sie für die Prüfung von Bedeutung ist, ob sich dem Tatrichter die Vernehmung der Zeugen trotz des Geständnisses des Angeklagten und der zur Schätzung des Wirkstoffgehalts in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen (vgl. UA S. 10) aufgedrängt hat. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte in der tatrichterlichen Hauptverhandlung nicht nur die von seinem Verteidiger abgegebene Erklärung als „seine Einlassung“ bestätigt, sondern sich – wie sich nicht nur aus dem Revisionsvorbringen, sondern zudem aus dem Urteil ergibt (UA S. 9) – darüber hinaus selbst „ergänzend“ zur Sache geäußert hat. Aufgrund dessen bestehen – unter Berücksichtigung der Ausführungen des Generalbundesanwalts – ebenfalls keine rechtlichen Bedenken dagegen , dass die Strafkammer in den Fällen II. 4 bis 6 keine Bewertungseinheit angenommen hat.
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- Soweit die Strafkammer dem Angeklagten auch hinsichtlich der Tat II. 3 der Urteilsgründe strafschärfend angelastet hat, dass er (auch) diese Tat „unter laufender Bewährung“ begangen hat (UA S. 14), trifft dies zwar ersichtlich nicht zu (vgl. UA S. 5 unten). Jedoch schließt der Senat im Hinblick darauf, dass die Bewährungsstrafe jedenfalls noch nicht erlassen war, aus, dass die schon angesichts der Menge (4 kg Amphetamin) maßvolle Einzelstrafe hierauf beruht. Ebenso schließt der Senat hinsichtlich der für die weiteren Taten verhängten – milden – Einzelstrafen, diein den Fällen II. 4 bis 6 der Urteilsgründe sogar unterhalb der gesetzlichen Strafrahmenuntergrenze liegen, aus, dass diese oder die Gesamtfreiheitsstrafe bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt geringer ausgefallen wären.
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- 4. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass infolge der Aufhebung nur der die (Nicht-)Anordnung der Maßregel des § 64 StGB betreffenden Feststellung unter anderem bindend feststeht, dass der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis 3 mit den jeweiligen Gesamtmengen Handel getrieben hat. Dies gilt auch im Fall II. 1 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte 1 kg Amphetamin ankaufte, um es gewinnbringend weiterzuverkaufen. Denn damit war das unerlaubte Handeltreiben mit dieser nicht geringen Menge unabhängig davon bereits vollendet , dass er sich später entschloss, einen Teil dieser Betäubungsmittel selbst zu konsumieren.
Mutzbauer Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.