Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 586/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:030316B4STR586.15.0
03.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 586/15
vom
3. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:030316B4STR586.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 10. Juli 2015 gewährt. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 10. Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision. Ferner beantragt er Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist. Der Wiedereinsetzungsantrag hat in vollem Umfang, die Revision des Angeklagten hat dagegen lediglich hinsichtlich der Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt Erfolg.
2
1. Dem Wiedereinsetzungsantrag ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 2. Februar 2016 dargelegten Gründen zu entsprechen.
3
2. Zur Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat der Generalbundesanwalt Folgendes ausgeführt: „Die Ablehnung der Anordnung einer Unterbringungdes Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB [hält] rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat festgestellt, dass bei dem drogenabhängigen Angeklagten ein Hang zur Einnahme von berauschenden Mitteln im Übermaß vorliegt. Es hat gleichwohl von der Unterbringung abgesehen , weil sich ein symptomatischer Zusammenhang zwischen diesem Hang und den Taten nicht feststellen lasse. Der Angeklagte sei erst im Zusammenhang mit der ersten Tat wieder zum Konsum von Amphetamin und später auch Kokain gelangt. Der Drogenhandel habe in erster Linie zur Finanzierung seines gehobenen Lebensstandards gedient.
Damit hat das Landgericht zu hohe Anforderungen an die Annahme einer Symptomtat gestellt. Für die Bejahung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Tat und Hang im Sinne des § 64 StGB ist es ausreichend , dass der Hang - gegebenenfalls neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat. Ein solcher Zusammenhang ist typischerweise gegeben, wenn die Straftat unmittelbar oder - wie hier - mittelbar auch der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum dient (vgl. BGH 3 StR 38/08 und 275/08). Der Angeklagte hat ab der zweiten Tat die zur Befriedigung seiner Sucht erforderlichen
Drogen auch mit dem Gewinn aus dem Drogenhandel finanziert (UA S. 13). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).“
4
Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Zwar muss der für eine Anordnung nach § 64 StGB erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und der bzw. den Anlasstaten sicher feststehen (BGH, Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 572/13, juris Rn. 4) und es bedarf hierfür bei Taten, die nicht auf die Erlangung von Rauschmitteln selbst oder von Geld zu deren Beschaffung abzielten, besonderer, diese Feststellung begründender Umstände (BGH aaO, juris Rn. 6 mwN). Auch hält der Senat daran fest, dass es an einem solchen Zusammenhang fehlt, wenn die Taten allein zur Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2) oder zur Gewinnerzielung bestimmt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, juris Rn. 10, 18). Da der Angeklagte – abgesehen von einer Umschulung – seit mehreren Jahren arbeitslos ist und zuletzt Sozialleistungen bezog, kann der Senat indes nicht völlig ausschließen, dass die Taten – jedenfalls ab der Tat II. 2 der Urteilsgründe – nicht mehr ausschließlich der Finanzierung des Lebensbedarfs, sondern auch der seines Drogenkonsums dienten (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2012 – 5 StR 545/12, juris Rn. 2).
5
3. Zu den weiteren Ausführungen des Revisionsführers – auch im Schriftsatz vom 18. Februar 2016 – bemerkt der Senat ergänzend zu den Darlegungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 2. Februar 2016:
6
Hinsichtlich der als Aufklärungsrüge erhobenen Verfahrensrüge war die Mitteilung der polizeilichen Aussagen der Zeugen zur Erfüllung der sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Anforderungen schon deshalb unerlässlich , weil sie für die Prüfung von Bedeutung ist, ob sich dem Tatrichter die Vernehmung der Zeugen trotz des Geständnisses des Angeklagten und der zur Schätzung des Wirkstoffgehalts in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen (vgl. UA S. 10) aufgedrängt hat. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte in der tatrichterlichen Hauptverhandlung nicht nur die von seinem Verteidiger abgegebene Erklärung als „seine Einlassung“ bestätigt, sondern sich – wie sich nicht nur aus dem Revisionsvorbringen, sondern zudem aus dem Urteil ergibt (UA S. 9) – darüber hinaus selbst „ergänzend“ zur Sache geäußert hat. Aufgrund dessen bestehen – unter Berücksichtigung der Ausführungen des Generalbundesanwalts – ebenfalls keine rechtlichen Bedenken dagegen , dass die Strafkammer in den Fällen II. 4 bis 6 keine Bewertungseinheit angenommen hat.
7
Soweit die Strafkammer dem Angeklagten auch hinsichtlich der Tat II. 3 der Urteilsgründe strafschärfend angelastet hat, dass er (auch) diese Tat „unter laufender Bewährung“ begangen hat (UA S. 14), trifft dies zwar ersichtlich nicht zu (vgl. UA S. 5 unten). Jedoch schließt der Senat im Hinblick darauf, dass die Bewährungsstrafe jedenfalls noch nicht erlassen war, aus, dass die schon angesichts der Menge (4 kg Amphetamin) maßvolle Einzelstrafe hierauf beruht. Ebenso schließt der Senat hinsichtlich der für die weiteren Taten verhängten – milden – Einzelstrafen, diein den Fällen II. 4 bis 6 der Urteilsgründe sogar unterhalb der gesetzlichen Strafrahmenuntergrenze liegen, aus, dass diese oder die Gesamtfreiheitsstrafe bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt geringer ausgefallen wären.
8
4. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass infolge der Aufhebung nur der die (Nicht-)Anordnung der Maßregel des § 64 StGB betreffenden Feststellung unter anderem bindend feststeht, dass der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis 3 mit den jeweiligen Gesamtmengen Handel getrieben hat. Dies gilt auch im Fall II. 1 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte 1 kg Amphetamin ankaufte, um es gewinnbringend weiterzuverkaufen. Denn damit war das unerlaubte Handeltreiben mit dieser nicht geringen Menge unabhängig davon bereits vollendet , dass er sich später entschloss, einen Teil dieser Betäubungsmittel selbst zu konsumieren.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 586/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 586/15

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 586/15 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 586/15 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 586/15 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2012 - 5 StR 545/12

bei uns veröffentlicht am 27.11.2012

5 StR 545/12 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 27. November 2012 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2012 beschloss

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2008 - 5 StR 472/08

bei uns veröffentlicht am 28.10.2008

5 StR 472/08 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 28. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008 beschlossen: D

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 1 StR 482/15

bei uns veröffentlicht am 10.11.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 482/15 vom 10. November 2015 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß § 349 Abs
6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 586/15.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2019 - 2 StR 331/19

bei uns veröffentlicht am 18.12.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 331/19 vom 18. Dezember 2019 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2019:181219U2STR331.19.0 Der 2. Str

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2019 - 2 StR 331/19

bei uns veröffentlicht am 18.12.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 331/19 vom 18. Dezember 2019 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2019:181219B2STR331.19.0 Der 2. Strafsenat des Bunde

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2017 - 5 StR 606/16

bei uns veröffentlicht am 22.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 606/16 vom 22. Februar 2017 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:220217B5STR606.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtsh

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2018 - 1 StR 132/18

bei uns veröffentlicht am 13.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 132/18 vom 13. Juni 2018 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls u.a. ECLI:DE:BGH:2018:130618B1STR132.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

5 StR 472/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. Mai 2008 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Betrug, mit gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Sache an das Landgericht zurück zu verweisen, um über die Verhängung einer Maßregel nach § 64 StGB neu zu befinden. Diesem Antrag folgt der Senat nicht.
3
1. Der Angeklagte, ein Algerier, gegen den – allerdings unter befristeter Duldung – eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung besteht, hat nach den Feststellungen des Landgerichts betrügerisch von einem Kokainhändler mindestens 200 g Kokain erlangt und sich später durch Sprühen mit Reizgas und mit Gewalt im Besitz des Rauschgifts gehalten. Bei der gesamten Tatausführung stand er – so die Urteilsgründe – unter dem Einfluss von Kokain. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung die Frage einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht erörtert.
4
2. Dies nötigt bei der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht zu einer Aufhebung des Urteils in diesem Punkt.
5
a) Schon das Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB ist zweifelhaft. Das Landgericht geht zwar rechtsfehlerfrei davon aus, dass bei dem Angeklagten ein übermäßiger Rauschmittelkonsum gegeben ist, weil er seit zwei Jahren regelmäßig Kokain konsumiert. Gleichwohl hat die Tat damit nicht zwingend einen symptomatischen Bezug zu dem Betäubungsmittelabusus des Angeklagten, wie das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten unterstellt hat. Diese Tat, mag sie auch unter Kokaineinfluss begangen worden sein, lässt sich in ihrer Größenordnung und in der uneingeschränkte Leistungsfähigkeit offenbarenden Raffinesse der Tatausführung nicht ohne weiteres als Beschaffungsdelikt charakterisieren, das auf die Befriedigung seiner Sucht zielte. Insoweit steht das Betäubungsmitteldelikt weniger in einer inneren Beziehung zur Sucht, sondern ist vielmehr Mittel zur Erlangung erheblicher wirtschaftlicher Werte. Ein im Sinne des § 64 StGB erforderlicher symptomatischer Zusammenhang zwischen Betäubungsmittelabhängigkeit und Tat kann nämlich auch bei Betäubungsmittelstraftaten fehlen, wenn sie allein der Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs (und damit mittelbar auch des Betäubungsmittelkonsums) dienen (vgl. BGHR StGB § 64 Hang 2, Zusammenhang symptomatischer 2). Dies liegt bei der abgeurteilten Tat zumindest nicht fern.
6
b) Das Landgericht hätte aber angesichts der Besonderheiten in der Person des Angeklagten von einer Anordnung nach § 64 StGB absehen dürfen. Durch die Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) wurde die ursprünglich zwingend vorgeschriebene Rechtsfolge der Unterbringung in eine Soll-Vorschrift umgestaltet. Die gesetzliche Neuregelung räumt dem Tatrichter die Möglichkeit ein, von einer Unterbringung nach § 64 StGB in Ausnahmefällen abzusehen. Nach der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf sollte nämlich gerade bei ausreisepflichtigen Ausländern die Möglichkeit eröffnet werden, von einer Unterbringung nach § 64 StGB Abstand zu nehmen (BT-Drucks 16/5137 S. 10). Dies gilt insbesondere dann, wenn noch erhebliche sprachliche Verständigungsprobleme hinzukommen und auch eine Erfolg versprechende Therapie schon aufgrund der unzulänglichen Kommunikationsgrundlage mit den Therapeuten kaum vorstellbar wäre (BT-Drucks aaO).
7
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Allerdings weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, dass die Entscheidung über die Anwendung des § 64 StGB im (eingeschränkten) Ermessen des Tatrichters steht, der seine Ermessensentscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar darstellen muss. Das landgerichtliche Urteil, das § 64 StGB gänzlich unerörtert gelassen hat, entspricht diesen Vorgaben nicht. Der Senat sieht aber bei der hier gegebenen besonderen Sachverhaltskonstellation davon ab, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, weil eine andere Entscheidung in der Sache praktisch ausgeschlossen erscheint. Im Übrigen hat der Angeklagte die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich beanstandet.
8
3. Ungeachtet des Aufhebungsantrags des Generalbundesanwalts hinsichtlich der Nichtverhängung der Maßregel nach § 64 StGB kann der Senat nach § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss entscheiden und die Revision insgesamt verwerfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2008 – 5 StR 423/08). Eine Anordnung der Maßregel würde nämlich nicht allein zu Gunsten des Angeklagten wirken (BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 3).
Basdorf Raum Brause Schaal Dölp

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

10
Die Strafkammer hat auch den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und der begangenen Tat bejaht und ist auch hier vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass bei einem erst Ende 2011 erfolgten Rückfall anzunehmen sei, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, um sich Drogen und finanzielle Mittel für den Eigenkonsum zu beschaffen, sondern aus anderen Motiven, zum Beispiel aus Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich sei das erworbene Heroin zum Weiterverkauf und nicht zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt gewesen. Dagegen begründet die Kammer den symptomatischen Zusammenhang mit der Überlegung, dass der Angeklag- te, der seine Heroinlieferanten dem Gericht nicht genannt hatte, „ohne Zweifel seine Kenntnisse und Kontakte zu seinen früheren Lieferquellen nutzte, um sich auch dieses Kilogramm Heroin zu beschaffen“.
2
1. Das Absehen von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist nicht tragfähig begründet. Das Landgericht hat aufgrund der Polytoxikomanie des Angeklagten zwar einen Hang im Sinne des § 64 StGB bejaht, jedoch einen symptomatischen Zusammenhang zwischen der Tat und diesem Hang mit der Begründung verneint, dass der Verkauf von Betäubungsmitteln „hier ausschließlich der Finanzierung des Lebensbedarfs“ des Angeklagten diente (UA S. 21); ein Beschaffungsdelikt wird verneint. Dass der Betäubungsmittelhandel, den der Angeklagte nach Überzeugung der Strafkammer „bereits über einen längeren Zeitraum und in einem erheblichem Umfang“ betrieb, für ihn „sehr gewinnbringend“ war und er „somit bei der Begehung der konkreten Tathandlung ausschließlich aus Gewinnsucht“ handelte (UA S. 21, 22), steht in Widerspruch zu den von der Strafkammer unwiderlegt hingenommenen Angaben des Angeklagten, sein Krankenversicherungsverhältnis sei wegen Beitragsrückständen beendet worden und er habe Mietschulden in Höhe von 1.700 €. Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte über legale Einkünfte verfügte, die ihm die Finanzierung seines Drogenkonsums ermöglicht hätten. Im Übrigen erscheint es naheliegend, dass bereits der tägliche Konsum von Haschisch und Crystal zu einer Einbindung des Angeklagten in Erwerbsvorgänge geführt hat, welche die Aufnahme und Aufrechterhaltung seiner auf eben diese Drogen bezogenen Handelstätigkeit begünstigt hat.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.