Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2019 - 4 StR 56/16

bei uns veröffentlicht am15.01.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 56/16
vom
15. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:150119B4STR56.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2019 beschlossen :
Der Antrag der Neben- und Adhäsionsklägerin S. auf Ergänzung des Senatsbeschlusses vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Der Senat hat mit Beschluss vom 17. März 2016 auf die Revision der Angeklagten das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 16. November 2015 im Adhäsionsausspruch ergänzt, die weiter gehende Revision als unbegründet verworfen und der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittels auferlegt. Mit Schriftsatz ihres Vertreters vom 3. Dezember 2018 beantragt die Neben- und Adhäsionsklägerin S. , den Senatsbeschluss vom 17. März 2016 dahin zu ergänzen, dass die Angeklagte auch die Kosten der Nebenklägerin zu tragen hat.
2
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
3
Bei seiner Entscheidung über die Revision der Angeklagten hat es der Senat versehentlich versäumt, der Angeklagten auch die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionsklägerin aufzuerlegen. Dieser Fehler, der die Entscheidung selbst und nicht nur deren Verlautbarung betrifft, ist einer Berichtigung nicht zugänglich (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Januar 1999 – 1 StR 577/98, NStZ-RR 2000, 39; vgl. Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Eine nachträgliche inhaltliche Änderung der Kostenentscheidung des – grundsätzlich nicht abänderbaren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2015 – 4 StR 24/15, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Beschluss 6 mwN) – Senatsbeschlusses vom 17. März 2016 ist rechtlich ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2012 – 4 StR 631/11, NStZ-RR 2012, 159; vom 24. Juli 1996 – 2 StR 150/96, NStZ-RR 1996, 352; vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 464 Rn. 8, 12 mwN).
Sost-Scheible Cierniak Bender
Feilcke Paul

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2012 - 4 StR 631/11

bei uns veröffentlicht am 25.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 631/11 vom 25. Januar 2012 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Januar 2012 gemäß § 349

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2015 - 4 StR 24/15

bei uns veröffentlicht am 10.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 24/15 vom 10. September 2015 BGHSt: nein BGHR: nein Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––- StPO § 349 Abs. 2 und 4 Zu den Wirkungen einer im Beschlusswege erfolgten, i

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 24/15
vom
10. September 2015
BGHSt: nein
BGHR: nein
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Zu den Wirkungen einer im Beschlusswege erfolgten, irrtümlichen Entscheidung
des Revisionsgerichts über einen bloßen Urteilsentwurf des Tatrichters.
BGH, Beschluss vom 10. September 2015 – 4 StR 24/15 – LG Bochum
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer
Menge)
ECLI:DE:BGH:2015:100915B4STR24.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. September 2015 beschlossen:
Der Beschluss des Senats vom 24. März 2015, durch den das Urteil des Landgerichts Bochum vom 3. November 2014 auf die Revision des Angeklagten mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen wurde, wird aufgehoben. Das Verfahren wird fortgesetzt.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 15.000 € angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts gerügt hatte, hatte der Senat das Urteil insgesamt mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

I.


2
1. Eine erneute Hauptverhandlung hat bislang nicht stattgefunden. Vielmehr hat die Staatsanwaltschaft dem Senat die Akten durch Vermittlung des Generalbundesanwalts erneut zugeleitet und bittet um (deklaratorische) Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 24. März 2015.
3
Dem liegt Folgendes zugrunde:
4
Die vom Berichterstatter der Strafkammer des Landgerichts auf der Grundlage der Beratung verfasste, fünfzehn Seiten umfassende und zur Zustellung an die Verfahrensbeteiligten bestimmte Urteilsurkunde wurde von den berufsrichterlichen Mitgliedern der Strafkammer unterschrieben und gelangte am 26. November 2014 und damit rechtzeitig zur Geschäftsstelle. Aus nicht mehr aufklärbaren Gründen verblieb neben dieser Urteilsfassung auch ein lediglich neun Seiten umfassender – nicht handschriftlich unterschriebener – Urteilsentwurf im Protokoll- und Urteilsband der Sachakten. Entgegen der Zustellungsverfügung des Vorsitzenden vom 26. November 2014 wurde dem Verteidiger nicht die fünfzehnseitige Urteilsurkunde, sondern der neunseitige Urteilsentwurf, der als Ausfertigung nicht als Entwurf erkennbar war, zugestellt. Nach Eingang der Revisionsbegründung, mit der der Verteidiger sachlich-rechtliche Fehler des ihm zugestellten „Urteils“ beanstandete, gelangte – aus ebenfalls nicht mehr aufklärbaren Gründen – auch nur die neunseitige Fassung als „beglaubigte Ab- lichtung“, versehen mit den Unterschriften der mitwirkenden Berufsrichter in Maschinenschrift, zum Senatsheft sowie zu den Handakten des Generalbundesanwalts. Auf dieser Grundlage stellte der Generalbundesanwalt seinen auf § 349 Abs. 4 StPO gestützten Aufhebungsantrag, dem der Senat gefolgt ist.
5
Eine nachträgliche Überprüfung beim Landgericht ergab ausweislich eines Vermerks des Vorsitzenden der Strafkammer vom 29. April 2015, dass in dem von den Gerichten in Nordrhein-Westfalen benutzten Textverarbeitungs- system „Judica“ lediglich der erwähnte Urteilsentwurf, nicht jedoch die unter- schriebene Endfassung des Urteils abgespeichert war, weshalb versehentlich der Urteilsentwurf und nicht das Originalurteil zur Zustellung gelangte und zur Grundlage der Revisionsakten wurde.
6
2. Der Generalbundesanwalt regt nunmehr an, durch Beschluss des Senats klarzustellen, dass es mit der aufhebenden Entscheidung des Senats in seinem Beschluss vom 24. März 2015 sein Bewenden habe. Zwar sei dieser Beschluss auf einer falschen Tatsachengrundlage ergangen, das mache ihn aber weder unwirksam noch nichtig. Es bedürfe daher einer Aufhebung des Beschlusses durch den Senat. Dafür fehle es indes an einer rechtlichen Grundlage. Da die Staatsanwaltschaft die Aufhebung begehre, seien die §§ 33a und 356a StPO nicht anwendbar. Ein Wiederaufnahmegrund sei ebenso wenig ersichtlich wie ein – ohnehin nur ausnahmsweise, etwa wegen Willkür, in Betracht kommender – übergesetzlicher Aufhebungsgrund.

II.


7
Der Beschluss des Senats vom 24. März 2015 ist aufzuheben, das Verfahren ist fortzusetzen.
8
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Entscheidungen des Revisionsgerichts grundsätzlich weder aufgehoben noch abgeändert werden. Das gilt nicht nur für nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene Beschlüsse über die Verwerfung der Revision, durch die das Verfahren wie durch ein Verwerfungsurteil (§ 349 Abs. 5 StPO) rechtskräftig abgeschlossen wird (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 1962 – 4 StR 392/61, BGHSt 17, 94, 95, und vom 24. März 2011 – 4 StR 637/10, StraFo 2011, 218; vgl. auch Beschluss vom 4. April 2006 – 5 StR 514/04, wistra 2006, 271 für Entscheidungen nach § 349 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 StPO). Auch ein allein nach § 349 Abs. 4 StPO gefasster Beschluss, mit dem die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Tatrichter zurückverwiesen wird und der deshalb lediglich formelle Rechtskraft erlangt, ist regelmäßig nicht abänderbar und kann nicht aufgehoben werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1991 – 5 StR 449/91; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 349 Rn. 34; KK-StPO/ Gericke, 7. Aufl., § 349 Rn. 40; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 349 Rn. 41; einschränkend SSW-StPO/Widmaier/Momsen, 2. Aufl., § 349 Rn. 40 ff. mwN). Das Bedürfnis der Rechtspflege und der Allgemeinheit nach Rechtssicherheit verbietet es auch im Revisionsverfahren, einen Eingriff in die Rechtskraft einer gerichtlichen Sachentscheidung zuzulassen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1962 aaO), es sei denn, die Voraussetzungen der speziell für diesen Verfahrensabschnitt geltenden Ausnahmevorschrift des § 356a StPO wären erfüllt, wonach die Entscheidung des Revisionsgerichts unter Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör zustande gekommen ist (zur Aufhebung von Amts wegen bei versehentlicher Stattgabe des Rechtsmittels des Nebenklägers durch Beschluss vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 1994 – 3 StR 628/93; zur Aufhebung eines im Revisionsverfahren gefassten Einstellungsbeschlusses nach § 206a Abs. 1 StPO wegen Täuschung durch den Beschwerdeführer vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2007 – 2 StR 485/06, BGHSt 52, 119, 121 f.).
9
b) So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der Senat hat über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers auf der Grundlage eines bloßen Urteilsentwurfs des Landgerichts entschieden und von diesem Umstand erst nach Erlass seiner Entscheidung Kenntnis erlangt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat indes von jeher in Fällen, in denen eine Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision lediglich infolge Unregelmäßigkeiten bzw. Versehen oder wegen der Gegebenheiten des gerichtlichen Geschäftsgangs auf unvollständiger oder unzutreffender tatsächlicher Grundlage getroffen wurde und sich dies erst nachträglich herausstellt, das Bedürfnis nach einer Korrektur der getroffenen, formell bzw. materiell rechtskräftigen Entscheidung anerkannt. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gebieten es in einem solchen Fall, den Widerspruch zwischen der auf einer unzutreffenden Grundlage ergangenen Entscheidung und der abweichenden Tatsachenlage zu beseitigen; der damit verbundene Eingriff in die Rechtskraft wiegt hier weniger schwer. Dies hat die Rechtsprechung etwa in dem Fall der irrtümlichen Annahme der Mitwirkung eines funktionell unzuständigen Urkundsbeamten bei der Anbringung der Revisionsanträge mit der Folge der Verwerfung der Revision nach § 349 Abs. 1 StPO angenommen (vgl. RG, Beschluss vom 13. November 1925 – I 512/25, RGSt 59, 419, 420). Ebenso wird verfahren, wenn die Entscheidung des Revisionsgerichts zu einem Zeitpunkt ergeht, indem das Rechtsmittel bereits wirksam zurückgenommen worden , die Rücknahmeerklärung aber noch nicht zu den Senatsakten gelangt ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. September 1991 – 2 StR 326/91, NStZ 1992, 225; Beschluss vom 28. Januar 1997 – 1 StR 456/96, NStZ 1998, 27, jeweils bei Kusch). Dies gilt auch dann, wenn die Unvollständigkeit der Senatsakten bei der Beschlussfassung nicht auf den zeitlichen Gesetzmäßigkeiten des gerichtlichen Geschäftsgangs nach Eingang der Rücknahmeerklärung beim Landgericht beruht, sondern auf einem Versehen bei der Zusammenstellung des für die Revisionsinstanz bestimmten Aktenkonvoluts (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 1997 – 1 StR 456/96, NStZ 1998, 27 bei Kusch; zur Verfahrenseinstellung bei nachträglich bekannt gewordenem Tod des Beschwerdeführers vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 1 StR 162/15, StraFo 2016, 25).
10
2. Im vorliegenden Fall hat der Senat über das Rechtsmittel des Angeklagten weder in Verkennung der prozessualen Lage noch aus Rechtsirrtum entschieden, sondern auf einer unzutreffenden tatsächlichen Grundlage, die ihren Grund allein in einer Unregelmäßigkeit im Geschäftsgang des Landgerichts hatte. Denn die dem Senat vorliegende Urteilsfassung, die lediglich einen Entwurf darstellte und die sich – anders als die Endfassung – auch im gerichtlichen Textverarbeitungssystem befand, wurde aus letztlich ungeklärten, im Geschäftsablauf des Landgerichts zu suchenden Gründen – entgegen der Anordnung des Vorsitzenden – dem Verteidiger des Angeklagten zugestellt, zu den Senatsakten genommen und so zur Grundlage der Senatsentscheidung.
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3. Der Senat hat daher seinen Beschluss vom 24. März 2015 aufgehoben. Da die Zustellung der neunseitigen Entwurfsfassung des landgerichtlichen Urteils an die Verfahrensbeteiligten die Revisionsbegründungsfrist nicht in Lauf setzen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 1981 – 4 StR 13/81, StV 1981, 170), ist dem Verfahren nunmehr durch Zustellung der richtigen Fassung Fortgang zu geben.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 631/11
vom
25. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Januar 2012 gemäß § 349
Abs. 2, § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 5. August 2011 wird verworfen. 2. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des vorgenannten Urteils wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittel.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zehn Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Des Weiteren hat es bestimmt, dass der Angeklagte die Gerichtskosten, soweit er verurteilt worden ist, sowie seine notwendigen Auslagen zu tragen hat. Hinsichtlich weiterer Anklagevorwürfe ist das Verfahren durch in der Hauptverhandlung vor den Schlussanträgen ergangenen Beschluss der Strafkammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
2
Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision gegen die Verurteilung. Des Weiteren hat er sofortige Beschwerde gegen die im Urteil getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung eingelegt. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
3
1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
4
2. Die nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO zulässige sofortige Beschwerde hat ebenfalls keinen Erfolg. Zwar hat das Landgericht Gegenstand und Reichweite der von ihm im Urteil zu treffenden Kosten- und Auslagenentscheidung falsch bestimmt. Die Kosten- und Auslagenentscheidung im angefochtenen Urteil erweist sich aber im Ergebnis als zutreffend.
5
a) Über die Pflicht zur Tragung von Verfahrenskosten und die Erstattung entstandener notwendiger Auslagen ist nach der gesetzlichen Regelung in § 464 Abs. 1 und 2 StPO in der das Verfahren beendenden Entscheidung zu befinden. Zu den verfahrensbeendenden Entscheidungen gehören auch Beschlüsse , durch die das Verfahren ganz oder teilweise nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 1996 – 1 StR 685/95, NStZ 1997, 249, 250; Schleswig-Holsteinisches OLG, SchlHA 2000, 149; OLG Düsseldorf , VRS 89, 202; MDR 1988, 164; Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 154 Rn. 45; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 464 Rn. 13; KK-Schoreit, StPO, 6. Aufl., § 154 Rn. 29; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 154 Rn. 18 und § 464 Rn. 6; KMR-Stöckel, StPO (Stand: Februar 2007), § 464 Rn. 12; a.A. SK-Degener, StPO (Stand: Juli 2003), § 464 Rn. 9; KK-Gieg, StPO, 6. Aufl., § 464 Rn. 2). Ungeachtet ihrer Bezeichnung als „vor- läufig“ in § 154 Abs. 2 StPO führt die Einstellung nach dieser Norm zur Beendi- gung der gerichtlichen Anhängigkeit des von ihr betroffenen Teils der Anklage und in diesem Umfang zu einem der weiteren Verfolgung entgegenstehenden Verfahrenshindernis (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 1981 – 3 StR 290/81, BGHSt 30, 197, 198; vom 18. April 2007 – 2 StR 144/07, NStZ 2007, 476). Die verfahrensabschließende Wirkung der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO wird durch die Möglichkeit, das Verfahren unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 154 Abs. 3 und 4 StPO durch Gerichtsbeschluss wieder aufzunehmen, nicht in Frage gestellt.
6
Eine im Einstellungsbeschluss nach § 154 Abs. 2 StPO unterbliebene Kosten- und Auslagenentscheidung kann von dem die Einstellung aussprechenden Gericht nicht nachgeholt werden (vgl. Hilger, aaO, Rn. 17, 28; MeyerGoßner , aaO, § 464 Rn. 8, 12 jeweils m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Strafkammer war daher eine Entscheidung über diejenigen Kosten und Auslagen , welche durch die im Wege der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erledigten Verfahrensteile veranlasst waren, im später erlassenen Urteil nicht mehr möglich. Über diese Kosten und Auslagen hätte vielmehr in dem in der Hauptverhandlung ergangenen Einstellungsbeschluss der Strafkammer erkannt werden müssen. Da der Einstellungsbeschluss nicht unmittelbar vor dem Urteil verkündet worden ist, stellen sich Beschluss und Urteil auch nicht als Teil einer einheitlichen gerichtlichen Endentscheidung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2001 – 4 StR 414/00, StV 2001, 437).
7
b) In der im Urteil zu treffenden Kosten- und Auslagenentscheidung hatte das Landgericht demnach ausschließlich über diejenigen Kosten und Auslagen zu entscheiden, welche durch die Verfahrensteile angefallen sind, die nach der Einstellung noch Gegenstand des Urteils waren. Bezogen auf diesen Entscheidungsgegenstand erweist sich die Kosten- und Auslagenentscheidung der Strafkammer im Ergebnis als zutreffend. Da der Angeklagte in vollem Umfange verurteilt worden ist, hat er die insoweit entstandenen Kosten zu tragen (§ 465 Abs. 1 StPO) und kommt eine Überbürdung notwendiger Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse nicht in Betracht.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Bender Quentin