Bundesgerichtshof Beschluss, 02. März 2017 - 4 StR 406/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:020317B4STR406.16.1
bei uns veröffentlicht am02.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 406/16
vom
2. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. März 2017 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bochum vom 21. April 2016 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2017:020317B4STR406.16.1

Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts ist anzumerken :
Die erhobene Inbegriffsrüge bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Verstoß gegen § 261 StPO mit den Mitteln des Revisionsverfahrens nicht nachweisbar ist. Aus dem Umstand, dass ein bestimmtes Beweisergebnis in den schriftlichen Urteilsgründen keine Erwähnung findet, kann nur dann auf die unterbliebene Berücksichtigung dieses Ergebnisses bei der tatrichterlichen Überzeugungsbildung geschlossen werden, wenn der Umstand nach der zum Zeitpunkt der Urteilsfindung gegebenen Beweislage erörterungsbedürftig gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 120/11, NStZ 2012, 49; Beschlüsse vom 27. Juli 2005 – 2 StR 203/05, NStZ 2006, 55 f.; vom 7. August 2007 – 4 StR 142/07; Frisch in SK-StPO, 4. Aufl., § 337 Rn. 77 f., 84 f. mwN; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 58 mwN). Ob die zum Gegenstand der Verfahrensrüge gemachte Passage aus der Niederschrift der polizeilichen Vernehmung des Zeugen I. in T. , die in der Hauptverhandlung auf Antrag der Verteidigung zur Ergänzung der Vernehmung des damaligen Vernehmungsbeamten auszugsweise verlesen worden ist, von der Strafkammer hätte erörtert werden müssen, hängt indes maßgeblich u.a. von der Aussage des Vernehmungsbeamten in der Hauptverhandlung ab, deren Inhalt für den Senat wegen des im Revisionsverfahren geltenden Verbots der Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweisaufnahme (vgl. Frisch aaO) nicht feststellbar ist.
Franke Roggenbuck Cierniak Bender Feilcke

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Aug. 2011 - 3 StR 120/11

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 120/11 vom 4. August 2011 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August 2011, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am B

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juli 2005 - 2 StR 203/05

bei uns veröffentlicht am 27.07.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 203/05 vom 27. Juli 2005 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Juli 2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Ri
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 02. März 2017 - 4 StR 406/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2019 - 5 StR 429/18

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 429/18 vom 19. März 2019 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Betrug ECLI:DE:BGH:2019:190319B5STR429.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2019 - 4 StR 459/18

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 459/18 vom 3. Juli 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schwerer Körperverletzung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 3

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 120/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung - ,
Staatsanwalt (GL)
- bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 3. November 2010 aufgehoben, soweit ein Gesamtstrafenausspruch unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Dessen Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat nur den aus der Urteilsformel ersichtlichen geringen Teilerfolg.
2
1. Keinen Bestand hat das Urteil, soweit ein Ausspruch über die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe unterblieben ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 StGB).
3
Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 5. Juni 2008, somit nach Begehung der hier abgeurteilten Tat, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ob diese Strafe nachträglich in die - in diesem Falle als Gesamtstrafe zu verhängende - lebenslange Freiheitsstrafe einzubeziehen ist, hat das Landgericht nicht geprüft. Der Senat kann eine Entscheidung nach § 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 StGB auch nicht gemäß § 354 Abs. 1 StPO nachholen, denn das Urteil verhält sich nicht zu der bestimmten Bewährungszeit. Sollte die zeitige Freiheitsstrafe danach zum Zeitpunkt des ersten hier ergangenen tatrichterlichen Urteils bereits erledigt gewesen sein, käme deren Einbeziehung in eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht mehr in Betracht; vielmehr hätte der Tatrichter die Gewährung eines Härteausgleichs nach der sog. Vollstreckungslösung zu prüfen (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 2 StR 403/09, BGHSt 55, 1).
4
2. Das weitergehende Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Ergänzend bemerkt der Senat:
5
a) Die auf § 261 StPO gestützte Rüge, das Landgericht habe bei der Würdigung der Beweise den laut Protokoll gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesenen Vermerk über eine polizeiliche Vernehmung des verstorbenen Zeugen S. vom 8. März 1983 nicht erörtert, bleibt ohne Erfolg.
6
Zwar verpflichtet § 261 StPO den Tatrichter, alle in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise erschöpfend zu würdigen und dem Urteil zu Grunde zu legen, sofern dem nicht ausnahmsweise ein Beweisverwertungsverbot entgegensteht (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 261 Rn. 6). Bleibt ein Beweismittel unerwähnt, ist hieraus aber nicht zu schließen, dass es übersehen worden ist, denn die Darstellung der Beweiswürdigung im Urteil dient nicht dazu, für alle Sachverhaltsfeststellungen einen Beleg zu erbringen oder mitzuteilen, welche Beweise in der Hauptverhandlung erhoben worden sind (Meyer-Goßner aaO § 267 Rn. 12 f. mwN). Wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur erschöpfenden Würdigung der Beweise lückenhaft und damit rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung deshalb nur dann, wenn das (etwa wie hier durch das Protokoll nachgewiesene) Ergebnis der Beweiserhebung eine andere Möglichkeit des Tathergangs nahe legt.
7
Nach diesen Maßstäben brauchte sich das Landgericht mit der Aussage des Zeugen S. nicht auseinanderzusetzen, denn sie deutet allenfalls entfernt auf die Möglichkeit hin, St. habe sich freiwillig auf sexuelle Kontakte zu dem ihr bis dahin fremden Angeklagten und unter den festgestellten äußeren Umständen eingelassen. Die Angaben des Zeugen, St. habe ihm gegenüber "ein übersteigertes sexuelles Verhalten gezeigt" und erkennen lassen, dass sie "bereits weitergehende Erfahrungen gemacht hatte", beruhen in erster Linie auf der persönlichen Bewertung einer sehr kurzen Beziehung , die er als ihr früherer Gitarrenlehrer mit ihr eingegangen war. Tragfähige Rückschlüsse auf das Verhalten von St. bei zufälligen Begegnungen mit Dritten, die das von der Mutter, der Zeugin D. , und der Freundin , der Zeugin A. , gezeichnete Persönlichkeitsbild erschüttern könnten, lassen sich daraus nicht ziehen.
8
b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts trägt noch die Feststellung, der Angeklagte habe das Tatopfer jedenfalls auch getötet, um eine andere Straftat zu verdecken (§ 211 Abs. 2 StGB).
9
aa) Der Angeklagte und die damals 21-jährige St. hielten sich in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1981 auf einer von der Kreisstraße K 15 zwischen N. und Sch. abgehenden Feldzufahrt auf. Der Angeklagte entschloss sich, dort an St. gegen ihren Willen sexuelle Handlungen vorzunehmen. Entweder veranlasste er sie durch Androhung körperlicher Gewalt, sich selbst zu entkleiden, oder er strangulierte sie bis zur Bewusstlosigkeit oder Widerstandsunfähigkeit, um ihr dann die Kleidung auszuziehen. Ob der Angeklagte danach tatsächlich sexuelle Handlungen an St. vornahm, hat das Landgericht nicht feststellen können. Aus ebenfalls nicht näher feststellbarem Anlass, aber ohne vorangegangene Provokation ihrerseits, fasste der Angeklagte schließlich den Entschluss, St. zu töten, und stach hierzu mit einem Messer von mindestens 8 cm Klingenlänge fortgesetzt auf ihren Oberkörper ein. Er handelte dabei "zumindest auch zur Verdeckung seines vorausgegangenen Verhaltens, welches zur Entkleidung des Opfers führte". Von Messerstichen des Angeklagten getroffen versuchte St. , über einen an der Feldzufahrt entlangführenden Wassergraben zu entkommen, rutschte aber von der gegenüberliegenden Böschung in den Graben zurück, wo sie in gekrümmter Bauchlage liegen blieb und schließlich verstarb. Zwei der ihr vom Angeklagten zugefügten insgesamt 63 Stichverletzungen - ein Durchstich des Herzens und eine Durchtrennung der Brustschlagader - waren jede für sich tödlich. Nach dem Stich durch das Herz hätte sich St. noch zwei bis drei Minuten bewegen können, während die Durchtrennung der Brustschlagader mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sofortige Bewegungsunfähigkeit zur Folge hatte. Den die Brustschlagader durchtrennenden Stich führte der Angeklagte ebenso wie 43 weitere, teils noch postmortale Stiche gegen den Rücken des Opfers; das Bild der hierdurch entstandenen Verletzungen lässt darauf schließen, dass es sich dabei in einer verhältnismäßig ruhigen Bauchlage befand.
10
bb) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die (alternativ) festgestellten, zur Entkleidung des Opfers führenden Tathandlungen des Angeklagten eine andere Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB darstellen. Zwar bewertet es dieses Geschehen rechtlich unzutreffend als (vollendete) sexuelle Nötigung nach § 178 StGB aF, denn sexuelle Handlungen des Angeklagten an St. konnte es gerade nicht feststellen. Jedoch hat sich der Angeklagte dadurch, dass er St. entweder durch körperliche Gewalt dazu zwang, ein Entkleiden zu dulden, oder sie durch entsprechende Drohungen veranlasste, sich selbst zu entkleiden, zumindest einer Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht. Dass er damit zugleich versucht hat, sein Opfer sexuell zu nötigen (§ 22 StGB), liegt nach dem festgestellten Geschehensablauf zwar nahe, kann indes offen bleiben.
11
cc) Zwar verhält sich das Landgericht bei der Würdigung der Beweise nicht ausdrücklich dazu, auf welcher tatsächlichen Grundlage es zu der Feststellung gelangt ist, der Angeklagte habe St. leitend auch in der Absicht getötet, diese Straftat zu verdecken. Hierin liegt indes kein durchgreifender Rechtsfehler, denn nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils erscheinen andere die Tat bestimmende Beweggründe des Angeklagten nur als theoretische Möglichkeiten, die so weit entfernt liegen, dass sich deren Erörterung nicht aufgedrängt hat. Unangreifbar (oben a) stellt das Landgericht fest, dass St. zu sexuellen Handlungen nicht bereit war und sich nicht freiwillig entkleidet hat. Eine Tötung im Affekt schließt das Landgericht sachverständig beraten trotz der Vielzahl der Messerstiche aus; ein die Tat provozierendes Verhalten des Opfers hält es ersichtlich für persönlichkeitsfremd. Hinzu kommt, dass der Angeklagte St. im Verlauf des Tatgeschehens zunächst stranguliert hat; die überwiegende Zahl der Stiche fügte er ihr erst zu, als sie bei ihrem Versuch, zu entkommen, verletzungsbedingt in eine Bauchlage gekommen war.

VRiBGH Becker befindet Pfister von Lienen sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Pfister Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 203/05
vom
27. Juli 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Juli 2005,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 13. Dezember 2004 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltig ung, sexueller Nötigung, Körperverletzung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Bedrohung und wegen versuchter Nötigung unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er Verfahrensrügen und die Sachrüge erhebt.
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte und die fünf Jahre jüngere, damals 15- jährige Nebenklägerin lernten sich 1995 kennen und verliebten sich ineinander. 1996 wurde die Nebenklägerin schwanger, im November 1996 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Obwohl der Angeklagte und die Nebenklägerin nicht zusammenzogen, setzten sie ihre Beziehung fort, in der der Angeklagte die
gen, setzten sie ihre Beziehung fort, in der der Angeklagte die zunächst noch sehr junge und selbstunsichere Nebenklägerin dominierte. Als die Nebenklägerin zunehmend selbstständiger wurde und eigene Wünsche äußerte, kam es seit Ende 1998 zu Gewalttätigkeiten des Angeklagten, der seinen Willen - auch in sexueller Hinsicht - gegenüber der ihm körperlich weit unterlegenen Nebenklägerin durchzusetzen suchte. So hat der Angeklagte im Jahre 1999 nach einem Streit mit der Nebenklägerin, die zu Fuß nach Hause laufen wollte, dieser im Laufen von der Seite derart in die Beine getreten, dass sie stürzte und sich verletzte (II. 1.). Ende 2000 setzte sich der Angeklagte auf den Oberkörper der Nebenklägerin, die den Geschlechtsverkehr verweigert hatte, masturbierte und ejakulierte in ihr Gesicht (II. 2.). Im April oder Mai 2001 erzwang der Angeklagte gegen den Willen der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr, indem er sie festhielt und würgte (II. 3.). Im November 2001 schlug er der Nebenklägerin während eines Streites ins Gesicht und stieß sie in den Rücken (II. 4.). Im Januar 2002 schlug er ihr mit der Faust mehrfach auf den Oberarm (II. 5.). Am 5. Juni 2002 schlug er auf die Nebenklägerin ein, versuchte sie mit einem Kabelbinder zu fesseln und drohte, dass er Stellen im Wald kenne, wo sie niemand finden werde (II. 6.). Am 7. Juli 2002 versuchte der Angeklagte die Nebenklägerin zu bewegen, abends zu ihm zu kommen. Als sie ablehnte, drohte er, er werde einen Schlussstrich ziehen, sie werde ihren 22. Geburtstag nicht erleben (II. 7.). Die Nebenklägerin geriet über die Drohung in große Angst. Nachdem sie dies zunächst - auch nach polizeilicher Beratung - abgelehnt hatte, erstattete sie am 8. Juli 2002 Strafanzeige und beantragte eine einstweilige Verfügung, nach der dem Angeklagten untersagt werden sollte, sich ihr zu nähern.
Das Landgericht hat den Angeklagten, der die Tatvorwür fe bestritten hat, insbesondere auf Grund der Angaben der Nebenklägerin für überführt angesehen. Die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sah es durch ein Glaubwürdigkeitsgutachten , das auch auf die "bemerkenswerte" Konstanz ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren - Vernehmungen am 8. Juli 2002, 30. Oktober 2002, 8. Dezember 2002 - und anlässlich der Explorationen am 21. Mai 2004 und 29. Juni 2004 verwies, bestätigt. Die Einholung des Gutachtens erachtete das Landgericht auf Grund der Besonderheiten des Falls für geboten, da die Nebenklägerin trotz der jahrelangen Misshandlungen und sexuellen Übergriffe eine endgültige Trennung von dem Angeklagten nicht durchsetzte und immer wieder zu ihm zurückkehrte. Im Anschluss an den Sachverständigen hat das Landgericht ausgeführt, dass auch die Regelung des Umgangsrechts des Angeklagten mit dem gemeinsamen Kind kein überzeugendes Motiv für eine Falschaussage der Nebenklägerin biete, da das Umgangsrecht geregelt sei und die Nebenklägerin gerade nicht bestrebt sei, dem Angeklagten das Kind vorzuenthalten.
2. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Eine Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge h at keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Verfahrensrüge , mit der ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot gerügt wird, ist aus den Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 11. Mai 2005 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Entscheidung des EGMR, StV 2005, 136 f. zu Art. 5 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 EMRK ist hier nicht einschlägig. Sie betrifft eine Haftsache, die mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist.

Näherer Erörterung bedarf jedoch die Verfahrensrüge, mit der die Revision eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten wegen der Sexualdelikte (II. 2. und II. 3.) behauptet.
a) Die Revision meint, das Gericht habe seine Aufklärung spflicht verletzt , weil es verschiedene Zeugen, die im Ermittlungsverfahren und in den beiden zivilrechtlichen Verfahren tätig geworden sind, nicht gehört und verschiedene Urkunden nicht eingeführt habe. Das Gericht wäre bei Erhebung dieser Beweise "zwingend" zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nebenklägerin wegen ihrer Misserfolge im Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts, im einstweiligen Verfügungsverfahren und im Ermittlungsverfahren den Angeklagten erstmals am 28. August 2002 auch sexueller Straftaten beschuldigt habe und eine Falschbelastung jedenfalls hinsichtlich der Sexualdelikte nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne.
Im Einzelnen hätten folgende Zeugen gehört werden m üssen:
- der POK B. : Dieser hätte bekunden können, dass die Nebenklägerin bei ihrer Anzeigeerstattung am 8. Juli 2002 nur Körperverletzungsdelikte nicht Sexualdelikte des Angeklagten angegeben habe, - die Rechtspflegerin S. : Sie hätte bekunden können, dass die Nebenklägerin ihren Antrag vom 8. Juli 2002 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Angeklagten, mit dem Ziel, dass dieser von ihr bis auf 50 m Abstand fern zu bleiben habe, nur mit dem Vorfall vom 7. Juli 2002 (Fall II. 7. der Urteilsgründe ) begründet habe,
- der Dipl. Sozialarbeiter U. : Über seine Stellungnahme vom 2. August 2002 im Streit um das Umgangsrecht des Angeklagten mit seiner Tochter, nach der als vorläufige Regelung an ein Besuchsrecht alle zwei Wochen samstags und einen Wochentag zwischendurch gedacht werden könne, - der Richter am Amtsgericht (Familiengericht) Se. : Dieser hätte bekunden können, dass er die vorerwähnte Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten der Nebenklägerin zustellen ließ und diese mit Schriftsatz vom 22. August 2002 einen zweimonatigen Ausschluss des Besuchsrechts für den Angeklagten und danach nur einen vom Jugendamt überwachten Kontakt vorgeschlagen habe. Die Nebenklägerin sei über die Entscheidung des Zeugen vom 26. August 2002, mit der diesem Antrag nicht voll gefolgt worden sei, erkennbar enttäuscht gewesen, - den Richter am Amtsgericht K. : Dieser hätte bekunden können, dass die Nebenklägerin die Aufrechterhaltung der erwähnten einstweiligen Verfügung bei der Verhandlung am 22. August 2002 energisch erstrebt habe und dem dann abgeschlossenen Vergleich nur zugestimmt habe, weil man sie darauf hingewiesen habe, dass die Anordnung eines Sicherheitsabstandes nicht in Betracht komme, - den Amtsanwalt G. : Dieser hätte bekunden können, dass er die Nebenklägerin für unglaubhaft gehalten habe und laut seinem Vermerk vom 26. August 2002 keinen hinreichenden Tatverdacht gesehen habe, - die Kriminalkommissarin Ke. : Diese hätte bekunden können, dass die Nebenklägerin bei ihrer Vernehmung am 30. Oktober 2002 die Fälle II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe nur knapp beschrieben habe und zum Fall II. 2. angegeben habe, dass der Angeklagte vor ihr, nicht jedoch auf ihrem Oberkörper sitzend masturbiert habe,
- den in der Hauptverhandlung nur als Sachverständigen, nicht als Zeugen vernommenen Prof.Dr. Sc. : Dieser hätte bekunden können, dass er bei Erstellung seines Gutachtens keine Kenntnis von den Akten des familiengerichtlichen Verfahrens über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Umgangsrecht und über das einstweilige Verfügungsverfahren hatte und auch in der Hauptverhandlung keine Angaben über den genauen Verlauf dieser Verfahren erhalten habe.
Die sich auf diese Zeugen bzw. auf die erwähnten Verfa hren beziehenden , von der Revision näher bezeichneten Urkunden hätten verlesen werden müssen. Sie seien auch sonst nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden.
Nach Auffassung der Revision hätten sich dem Landgericht d iese Beweiserhebungen aufdrängen müssen, wenn es die Koinzidenz zwischen dem relativen Misserfolg der Nebenklägerin in dem einstweiligen Verfügungsverfahren , dem Umgangsverfahren, dem Stand des Ermittlungsverfahrens, wie er sich Ende August 2002 darstellte, und der Erweiterung der Strafanzeige am 28. August 2002 durch die Nebenklägerin auf die bisher nicht erwähnten Sexualdelikte berücksichtigt hätte. Die Feststellung des Landgerichts im Urteil, das Umgangsrecht sei befriedigend für die Nebenklägerin geregelt und scheide deshalb als Motiv für eine mögliche Falschbelastung aus, treffe für den Zeitpunkt der Anzeigeerstattung und der Erweiterung der Anzeige nicht zu. In diesem Zusammenhang hätte das Landgericht, das in den Urteilsgründen von der Konstanz der Angaben der Nebenklägerin ausgegangen sei, den Widerspruch zwischen ihrer Erstaussage am 8. Juli 2002 bei ihrer polizeilichen Vernehmung sowie den Angaben im einstweiligen Verfügungsverfahren, bei denen sie je-
weils nur die Körperverletzungsdelikte angegeben habe, und der Erweiterung ihrer Anzeige auf die Sexualdelikte am 28. August 2002 klären müssen.

b) Die Rüge greift nicht durch.
aa) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge bestehen b ereits deswegen , weil die Revision zwar eine Vielzahl von Urkunden aus den verschiedenen Verfahren (Ermittlungsverfahren, Umgangsverfahren, einstweilige Verfügungsverfahren) vorgetragen hat, der Vortrag aber teilweise unvollständig, teilweise unzutreffend ist. So hatte der Sachverständige entgegen den schriftlichen Ausführungen der Revision die Beiakten 5 C AG Bitburg (einstweiliges Verfügungsverfahren) und 2 F AG Bitburg (Verfahren über das Umgangsrecht des Angeklagten mit der Tochter Natascha) zur Erstattung seines Gutachtens erhalten. Diese Akten, wie auch die Ermittlungsakten einschließlich der Vernehmungen der Nebenklägerin vom 8. Juli 2002 und 30. Oktober 2002, sind - wie auch von der Revision in der Revisionshauptverhandlung berichtigend klargestellt worden ist - von dem Sachverständigen zur Grundlage seines schriftlichen Gutachtens (vgl. Bl. 17 f. d. Gutachtens) gemacht und inhaltlich referiert worden. Weiter ist das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. Sc. nur auszugsweise - II Bl. 63/64 und 68 des Wortprotokolls zum Gutachten - vorgetragen und das Ergebnis des Sachverständigen zur Hypothese einer bewussten Falschaussage auf Grund der jedenfalls zunächst streitigen Regelung des Umgangsrechts des Angeklagten mit der Tochter in seinem schriftlichen Gutachten (Bl. 60 des Gutachtens) nicht mitgeteilt worden. Desgleichen hat die Revision die Ausführungen des Sachverständigen zur Konstanzprüfung nicht wiedergegeben. Aus ihnen ergibt sich aber, dass die Konstanz der Aussagen der Nebenklägerin in den gleichlautenden Schilderungen der jeweiligen Tat-
vorwürfe gesehen, nicht jedoch unter dem Gesichtspunkt untersucht wurde, ob in jeder Vernehmung oder Exploration jeweils alle Tatvorwürfe angegeben wurden.
Dass sich die vermisste zeugenschaftliche Vernehmung des Sachver - ständigen, der sein Gutachten u.a. auf der Grundlage vollständiger Aktenkenntnis erstattet hat, dem Landgericht nicht aufdrängen musste, hat die Revision in der Revisionshauptverhandlung selbst nicht mehr in Frage gestellt. Unter Berücksichtigung des genannten Umstands mussten sich aber auch die weiteren von der Revision vermissten Beweiserhebungen, mit denen in einer Gesamtschau die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin erschüttert werden soll, dem Landgericht nicht mehr aufdrängen. Der Sachverständige hat die Nebenklägerin auf der dargelegten Tatsachengrundlage für glaubhaft erachtet und einen Zusammenhang der Streitigkeiten über das Besuchsrecht mit ihrer den Angeklagten belastenden Aussage verneint. Zudem sind die Angaben der Nebenklägerin in weiteren Punkten durch Aussagen von unabhängigen Zeugen bestätigt worden. Auch die Verteidigung hat in der Hauptverhandlung keinen Anlass gesehen, entsprechende Beweisanträge zu stellen.
bb) Soweit beanstandet wird, die Strafkammer hätte zu r Frage der Konstanz der Aussagen der Nebenklägerin die polizeilichen Vernehmungsbeamten hören müssen, diesbezüglich seien der Nebenklägerin auch keine Vorhalte gemacht worden, ergibt sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll anderes, nämlich dass der Nebenklägerin bei ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung u.a. aus ihrer ersten Vernehmung vom 8. Juli 2002 Vorhalte gemacht worden sind. Unter diesen Umständen kann nicht nur nicht ausgeschlossen werden, sondern ist es sogar nahe liegend, dass die Nebenkläge-
rin in der Hauptverhandlung insbesondere auch Angaben zur Aussageentwicklung und der späten Anzeigeerstattung der Sexualdelikte gemacht und dies so begründet hat, dass sie für alle Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Entscheidung befriedigend geklärt war.
cc) Ob dies tatsächlich der Fall war, lässt sich zwar den Urt eilsfeststellungen nicht entnehmen. Aus dem Schweigen der Urteilsgründe zur Aussageentwicklung allein kann aber nicht geschlossen werden, dass die Strafkammer diesen Punkt als erörterungsbedürftig ansehen musste. War er zu ihrer Überzeugung geklärt, bestand kein Anlass, ihn als wesentlichen Punkt in der Beweiswürdigung abzuhandeln (vgl. auch BGH NJW 1992, 2838, 2840). Ein sachlich-rechtlicher Erörterungsmangel liegt ebenfalls nicht vor, weil sich aus dem Urteil selbst keine Lücke und keine Widersprüche ergeben.
Die Frage ließe sich deshalb nur durch eine Rekonstruktio n der Hauptverhandlung klären, die dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrt ist. Die Rüge läuft, auch wenn eine ausdrückliche Verknüpfung im Sinne einer Alternativität zwischen einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder einem Verstoß gegen § 261 StPO nicht vorgenommen worden ist, deshalb im Ergebnis auf die Rüge der "Aktenwidrigkeit" der Urteilsgründe hinaus, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich unzulässig ist (BGH NJW 1992, 2840; BGH NStZ 1997, 294; BGH NStZ 1999, 423; BGH NStZ 2000, 156; Meyer -Goßner, StPO 48. Aufl. § 337 Rdn. 15 a m.w.N.). Ein von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall (etwa bei wörtlich protokollierter Aussage) liegt nicht vor.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß

Roggenbuck Appl