Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2005 - 4 StR 399/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Der Angeklagte wurde am 15. März 2005 u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Ihm wurde mündlich eine Rechtsmittelbelehrung erteilt. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit Schreiben vom 17. März 2005, das beim Landgericht am 21. März 2005 einging, Revision ein. Mit dem Hinweis, dass die förmliche Urteilszustellung an seinen Pflichtverteidiger erfolge, wurde dem Angeklagten eine Urteilsabschrift übersandt. Seinem Pflichtverteidiger wurde das Urteil am 21. April 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit Beschluss vom 27. Mai 2005 verwarf das Landgericht die Revision, weil innerhalb der Begründungsfrist Revisionsanträge und deren Begründung nicht angebracht worden waren (§ 345 Abs. 1 StPO). Gemäß der Verfügung vom 31. Mai 2005, die am 1. Juni 2005 ausgeführt wurde, wurde dem Angeklagten unter Übersendung einer Beschlussabschrift mitgeteilt, dass die förmliche Zustellung des Beschlusses an seinen Pflichtverteidiger erfolgt. Diesem wurde der Beschluss am 6. Juni 2005 gegen Empfangsbekenntnis mit Rechtsmittelbelehrung
zugestellt. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2005 zeigte der jetzige Verteidiger des Angeklagten an, dass er diesen vertrete. Dem Schriftsatz war ein mit der Überschrift "Vollmacht" versehenes Schreiben des Angeklagten vom 13. Juni 2005 beigefügt, mit dem der Angeklagte seinen jetzigen Verteidiger um ein Gespräch gebeten hatte. Dieser begründete die Revision mit Schriftsatz vom 27. Juni 2005 und beantragte, dem Angeklagten nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Generalbundesanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt:
"Der Wiedereinsetzungsantrag des jetzigen Verteidigers ist unzulässig, da bereits die formalen Voraussetzungen für die sachliche Prüfung des Wiedereinsetzungsantrags gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist fehlen (BGHR StPO § 44 Abs. 1 Verhinderung 11). Der Antrag des Verteidigers verhält sich nicht dazu, wann das Hindernis, das einer rechtzeitigen Revisionsbegründung entgegenstand, wegfiel. Zwar hat der Verteidiger vorgetragen, die Versäumnis sei dem Verurteilten erstmals durch die formlose Mitteilung des Verwerfungsbeschlusses vom 27. Mai 2005 zur Kenntnis gelangt. Entscheidend für den Fristbeginn der Wochenfrist für die Wiedereinsetzung ist nämlich der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten und nicht der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den vormaligen Pflichtverteidiger, zumal dieser nicht mit dem Betreiben einer Revision beauftragt war (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 1992 - 2 StR 114/92; Meyer-Goßner, StPO 48. Auflage, § 45 Rdnr. 3). Wann dem Verurteilten der Verwerfungsbeschluss letztlich bekannt gegeben wurde, teilt der Wiedereinsetzungsantrag nicht mit. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (BGH, Beschluss vom 8. Januar 1997 - 3 StR 539/96; BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 7 m.w.N.).
Bedenken bestehen auch im Hinblick auf eine ausreichende Glaubhaftmachung. Denn die eigene eidesstattliche Versicherung des Verurteilten ist kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Glaubhaftmachung 1). Die hierin zu sehende schlichte Erklärung des Verurteilten reicht zur Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht aus. Zwar stehen andere Beweismittel nicht zur Verfügung, es handelt sich aber gerade nicht um einen nahe liegenden Versäumnisgrund (KKMaul , StPO, 5. Aufl. § 45 Rdnr. 13)."
Dem tritt der Senat bei, zumal eine unverschuldete Fristversäumnis vom Antragsteller nicht vorgetragen wird.
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible
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Annotations
(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.
(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.
(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.
(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.
(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.