Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2017 - 4 StR 358/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:061217B4STR358.17.0
bei uns veröffentlicht am06.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 358/17
vom
6. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Hehlerei u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:061217B4STR358.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 21. März 2017
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und
b) dahin geändert, dass die Erklärung der Erledigung der mit Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 angeordneten Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 13 Fällen sowie wegen „besonders schweren Fall(s) des Diebstahls“ in zwei Fällen unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 und unter Einbeziehung der dort festgesetzten Einzelstrafen sowie unter Einbeziehung der Strafen aus den Strafbefeh- len des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 12. Januar 2016 und vom 23. September 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die in dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt.
2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision und erhebt die nicht näher ausgeführte Sachrüge. Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat weder zum Schuldspruch noch hinsichtlich der vom Landgericht verhängten Einzelstrafen einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch kann der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben (1.). Darüber hinaus hat die Erklärung der Erledigung der im Urteil des Amtsgerichts Halle vom 3. Mai 2016 angeordneten Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu entfallen (2.).
4
1. Die vom Landgericht vorgenommene Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 sowie aus den Strafbefehlen dieses Gerichts vom 12. Januar 2016 und vom 23. September 2016 begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
Der Angeklagte wurde u.a. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Eisleben vom 14. August 2015 wegen gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Landgericht konnte nicht sicher feststellen, ob diese Geldstrafe bei Erlass des angefochtenen Urteils bereits vollständig vollstreckt war. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass diesem Strafbefehl mit Blick auf die hier einbezogenen Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 – jedenfalls teilweise – zäsurbildende Wirkung zukommt. Denn das Urteil vom 3. Mai 2016 hatte (auch) fünf Taten zum Gegenstand, die der Angeklagte vor Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Eisleben vom 14. August 2015 beging.
6
Der Angeklagte kann durch einen möglichen Rechtsfehler in der Gesamtstrafenbildung hier beschwert sein. Bei der unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) vorzunehmenden Bildung der neuen Gesamtstrafe werden auch mit Blick auf die nach den bisher getroffenen Feststellungen ebenfalls noch nicht erledigten Verurteilungen des Angeklagten durch das Amtsgericht Halle (Saale) vom 12. Januar 2016 und vom 23. September 2016 gegebenenfalls weitere Zäsuren zu prüfen sein.
7
2. Das Landgericht hat ferner die in dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu Unrecht für erledigt erklärt.
8
Die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB), wonach dem Angeklagten der Vorteil der Gesamtstrafe in demselben Umfang gewährt werden soll, wie er ihn bei gemeinsamer Aburteilung aller Taten im ersten Urteil gehabt hätte, finden gemäß § 55 Abs. 2 StGB auch auf eine in dem früheren Urteil erkannte Maßregel Anwendung und haben Vorrang vor § 67f StGB (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1981 – 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305, 307; Urteil vom 11. September 1997 – 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4; Beschluss vom 8. November 1991 – 2 StR 409/91). Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nicht erneut über die Verhängung der Maßregel sachlich zu entscheiden ist, sondern die frühere Maßregelanordnung aufrechterhalten bleiben muss (BGH, jeweils aaO). Die Entscheidung, diese Maßregel mangels fortbestehender Erfolgsaussicht für erledigt zu erklären, obliegt allein der Strafvollstreckungskammer (§ 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a StPO).
9
Die Anordnung des Landgerichts, die Maßregel im vorliegenden Fall für erledigt zu erklären, muss daher entfallen. Die nach § 55 Abs. 2 StGB erforderliche Entscheidung wird im Rahmen der erforderlichen Neubeurteilung der Gesamtstrafenlage zu treffen sein.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts


(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte z

Strafgesetzbuch - StGB | § 67f Mehrfache Anordnung der Maßregel


Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt.

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.