Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2013 - 4 StR 338/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) wird das Urteil im Fall II. 1. b) aa) (5) der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren eingestellt;
b) wird das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 2. c) bb) (5) der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellungen fallen die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. 2. In den Fällen II. 1. b) bb) (2) und II. 2. b) bb) (2) der Urteilsgründe entfallen Schuld- und Strafausspruch. 3. Der Schuldspruch wird dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des Betruges in 30 Fällen schuldig ist. 4. Das vorgenannte Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben , soweit festgestellt ist, dass hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 20.000 € die Ansprüche Verletzter der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit- tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 34 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und angeordnet, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer sieben Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als verbüßt gelten. Außerdem hat es festgestellt , dass wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter nicht auf Verfall des Wertersatzes in Höhe von 20.000 € erkannt worden ist. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- 1. Der Senat stellt das Verfahren im Fall II. 1. b) aa) (5) der Urteilsgründe wegen eines von Amts wegen zu beachtenden, in der Revisionsinstanz nicht behebbaren Verfahrenshindernisses entsprechend § 206a StPO ein.
- 3
- Im Fall II. 1. b) aa) (5) hat das Landgericht gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 103 Abs. 3 GG verstoßen. Es hat den Angeklagten in den Fällen II. 1. b) aa) (4) und II. 1. b) aa) (5) der Urteilsgründe jeweils wegen Betruges verurteilt, insoweit jedoch – wohl versehentlich – identische Feststellungen getroffen. Gegenstand beider Verurteilungen ist dieselbe, in der Anklageschrift als Fall 4 aufgeführte prozessuale Tat. Infolgedessen war der Fall II. 1. b) aa) (5) der Urteilsgründe entsprechend § 206a StPO einzustellen und der Schuldspruch entsprechend abzuändern. Über Fall 5 (Fallakte 121 zu 35 Js 214/06) der Anklage ist demgemäß bislang nicht entschieden worden.
- 4
- 2. Darüber hinaus stellt der Senat das Verfahren im Fall II. 2. c) bb) (5) der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Feststellungen des Landgerichts – anders als in dem Parallelfall II. 2. c) bb) (4) – eine Tatbeteiligung des Angeklagten nicht tragen. Infolge der Verfahrenseinstellung entfällt der Schuldspruch im Fall II. 2. c) bb) (5) der Urteilsgründe.
- 5
- 3. Des Weiteren hält die Annahme des Landgerichts, zwischen den Taten II. 1. b) bb) (1) und II. 1. b) bb) (2) sowie zwischen den Taten II. 2. b) bb) (1) und II. 2. b) bb) (2) bestehe Tatmehrheit, sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat zu Recht ausgeführt, dass auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen jeweils die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit und somit jeweils nur einer Tat im materiellen Sinne naheliegt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2013 – 2 StR 537/12).
- 6
- In den Fällen II. 2. b) bb) (1) und II. 2. b) bb) (2) dienten beide Betrugshandlungen des Angeklagten der Deckung eines bestimmten Finanzbedarfs des in die Taten eingebundenen Leasingnehmers. Der Angeklagte hatte deshalb nicht nur die Leasingobjekte bestellt, sondern diese zugleich auch der Firma des früheren Mitangeklagten B. in Rechnung gestellt. Es ist deshalb zugunsten des Angeklagten von einer einheitlichen Willensentschließung auszugehen. Gleiches gilt für die Fälle II. 1. b) bb) (1) und II. 1. b) bb) (2). Die diesen Taten zugrunde liegenden Leasingverträge und Übernahmebestätigungen wurden zeitgleich abgeschlossen. Noch am selben Tag stellte der Angeklagte beide Kopiergeräte der Deutschen Leasing AG in Rechnung.
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- Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung ergänzende , die Annahme von Tatmehrheit rechtfertigende Feststellungen getroffen werden können. Der Schuldspruch ist deshalb entsprechend abzuändern.
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- 4. Die vom Landgericht gemäß § 111i Abs. 2 StPO getroffene Feststellung , dass einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz Ansprüche Dritter in Höhe von 20.000 € entgegenstehen, hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
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- a) Die Regelung des § 111i Abs. 2 StPO ist erst durch das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 (BGBl. I 2350) geschaffen worden und am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Ihrer Anwendung auf bereits zuvor beendigte Taten steht § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB entgegen. Für diese Fälle gilt das mildere alte Recht, das eine derartige Anordnung ausschließt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 1 StR 535/08, NStZ-RR 2009, 56; Urteil vom 17. Juni 2009 – 2 StR 195/09; Beschluss vom 18. Dezember 2008 – 3 StR 460/08, wistra 2009, 241, 242).
- 10
- Das Landgericht hat die Feststellung hier nicht erkennbar auf das aus den nach dem 1. Januar 2007 beendeten Taten Erlangte beschränkt. Die Urteilsausführungen lassen insoweit vielmehr besorgen, dass die Strafkammer auch die bereits in den Jahren 2004 und 2005 beendeten Taten – sämtliche Fälle zu II. 1. und zu II. 2. b) – in die Entscheidung einbezogen hat. Da der Angeklagte bei diesen Taten erhebliche Beträge erlangt hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sich dieser Rechtsfehler zu seinem Nachteil ausgewirkt hat.
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- b) Über die Anordnung des Auffangrechtserwerbs des Staates ist deshalb neu zu entscheiden. Dabei wird der neue Tatrichter auch zu berücksichtigen haben, dass bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern, auch wenn die Feststellungen in verschiedenen Urteilen getroffen werden, eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht kommt, wenn und soweit sie zumindest Mitverfügungsgewalt an den aus den Taten erzielten Vermögenswerten hatten (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45).
II.
- 12
- Infolge der erforderlichen Schuldspruchänderung entfallen die Einzelstrafen von acht Monaten im Fall II. 1. b) aa) (5) der Urteilsgründe, von je sechs Monaten in den Fällen II. 1. b) bb) (2) und II. 2. b) bb) (2) der Urteilsgründe und von einem Jahr und drei Monaten im Fall II. 2. c) bb) (5) der Urteilsgründe. Einer Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es nicht. Der Senat kann angesichts der verbleibenden Einzelstrafen – 13 Einzelstrafen von sechs Monaten, zwei Einzelstrafen von sieben Monaten, eine Einzelstrafe von acht Monaten, drei Einzelstrafen von einem Jahr, vier Einzelstrafen von einem Jahr und drei Mona- ten sowie sieben Einzelstrafen von einem Jahr und neun Monaten – ausschließen , dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
Bender Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.
(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.
(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.