Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2013 - 4 StR 28/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) der Vorwurf der Bedrohung nach § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen;
b) das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und das bei der Tat verwendete Messer eingezogen.
- 2
- 1. Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf der Bedrohung nach § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen , weil er neben der begangenen gefährlichen Körperverletzung nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Da die tateinheitlich begangene Bedrohung vom Landgericht bei der Strafbemessung nicht zum Nachteil des Angeklagten herangezogen worden ist, kann der Senat ausschließen, dass eine noch mildere Freiheitsstrafe verhängt worden wäre.
- 3
- 2. Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die Feststellungen zum Alkoholkonsum des Angeklagten drängten zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB gegeben sind.
- 4
- Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 52 Jahre alte Angeklagte trinkt hauptsächlich am Wochenende Bier und Wodka. Seit acht Jahren ist er überwiegend arbeitslos und lebt von öffentlicher Unterstützung. Er hat bereits mehrfach in alkoholisiertem Zustand die Kontrolle über sich verloren und ist aggressiv geworden. Dabei geriet er sowohl mit seiner Lebensgefährtin, als auch mit Dritten aneinander (UA 3). Seiner Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung im Jahr 2005 lag ein in alkoholisiertem Zustand begangener Übergriff zugrunde. Bei der abgeurteilten Tat, einer Körperverletzung unter Verwendung eines Messers, war der Angeklagte erheblich alkoholisiert (Tatzeit-BAK: 2,48 Promille). Das Landgericht hat deshalb die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht ausschließbar für gegeben erachtet (UA 9). Vor der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte für eine Alkoholtherapie in eine Tagesklinik begeben (UA 4).
- 5
- Diese Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB hat, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2012 – 4 StR 253/12, Rn. 2; Beschluss vom 6. November 2003 – 1 StR 406/03, NStZ-RR 2004, 39, 40) und die abgeurteilte Tat hierauf zurückgeht (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NJW 1990, 3282, 3283). Die mitgeteilte Vorstrafe und das in der Vergangenheit zu beobachtende aggressive Verhalten nach dem Konsum von Alkohol deuten darauf hin, dass ihm auch die für eine Maßnahme nach § 64 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose zu stellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1993 – 1 StR 572/93, NStZ 1994, 280). Die freiwillige Aufnahme einer Alkoholtherapie kann Ausdruck eines gefestigten Therapiewillens sein und für die Annahme einer positiven Behandlungsprognose im Sinne des § 64 Satz 2 StGB sprechen.
- 6
- Eine Erörterung des § 64 StGB ist hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ein be- grenztes Ermessen („soll“) eingeräumt ist. Will der Tatrichter von einer Maß- regel nach § 64 StGB in Ausübung seines Ermessens absehen, muss er die dafür maßgeblichen Gründe mitteilen und seine Ermessensentscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar machen (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – 4 StR 99/11).
- 7
- Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
- 8
- Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung eine geringere Strafe verhängt hätte. Die Sache wird an eine allgemeine Strafkammer zurückverwiesen, weil der die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründende Tatvorwurf weggefallen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11, Rn. 9).
- 9
- Der Schriftsatz des Verteidigers des Angeklagten vom 5. März 2013 hat vorgelegen.
Bender Quentin
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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.