Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Sept. 2012 - 4 StR 253/12

bei uns veröffentlicht am27.09.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 253/12
vom
27. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. September 2012
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. Februar 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweifachen versuchten Diebstahls, wegen Diebstahls, wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls sowie wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das Landgericht eine Anordnung nach § 64 StGB nicht getroffen hat; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 30. Juli 2012 ausgeführt: „Zu Recht rügt der Beschwerdeführer, dass sich das Landgericht bei der Beurteilung, ob bei dem Angeklagten ein ‚Hang‛ im Sinne des § 64 StGB vorliegt, zu sehr auf den behaupteten Konsum von Heroin – den das Gericht als zumindest weit überhöht bewertet – fokussiert und dabei den auch von der Kammer nicht in Frage gestellten Missbrauch von Kokain aus den Augen verloren hat.
a) Die Kammer stellt ausdrücklich fest – und hat insoweit keine Bedenken , den Angaben des Angeklagten zu folgen – , dass der Angeklagte ‚beinahe täglich‛ Kokain konsumierte (UA S. 5), ‚langjährig‛ Marihuana und Kokain zu sich nahm (UA S. 17), auch während der Tatzeiten ‚Kokain konsumierte‛ (UA S. 17) und er ‚die wirtschaftlichen Vorteile aus den Straftaten … zum Ankauf von Betäubungsmitteln einzusetzen‛ gedachte (UA S. 11).
b) Die Annahme eines ‚Hangs‛ im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel zu sich zu nehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011, 3 StR 421/11 mwN). Dem Umstand, dass durch den Rauschgiftgebrauch bereits die Gesundheit, sowie Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind – worauf die Kammer in ihrem Urteil abstellt (UA S. 34) – kommt für das Vorliegen eines Hangs zwar eine wichtige indizielle Bedeutung zu, das Fehlen dieser Beeinträchtigungen schließt indes nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (Senat, Beschluss vom 1. April 2008, 4 StR 56/08 = NStZ-RR 2008, 198). Ausreichend ist es bereits, wenn der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint, was insbesondere bei sogenannter Beschaffungskriminalität zu bejahen ist (BGH, Beschluss vom 27. März 2008, 3 StR 38/08).

c) Hieran gemessen drängt sich die Annahme auf, dass bei dem Angeklagten ein Hang zum übermäßigen Konsum von Kokain vorhanden ist.
d) Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 StGB ist, sind – gerade im Hinblick auf die Feststellung, dass die Taten der Finanzierung des Betäubungsmittelkonsums dienten – nicht ersichtlich. …“
3
Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Der Senat kann ausschließen , dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung geringere Einzelstrafen oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Reiter

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 421/11
vom
20. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag -
am 20. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Verden vom 7. Juli 2011

a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte
wegen räuberischer Erpressung in drei tateinheitlichen Fällen
und wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe verurteilt
ist;

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine
Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "räuberischer Erpressung und wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen nötigte der Angeklagte die drei Geschädigten durch eine einheitliche Bedrohung mit Körperverletzungshandlungen jeweils zur Herausgabe von Bargeld. Damit hat er sich - wie das Landgericht in den Urteilsgründen zutreffend darlegt - der räuberischen Erpressung in drei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1999 - 5 StR 207/99, NStZ 1999, 618, 619). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
3
2. Keinen Bestand haben kann das angefochtene Urteil, soweit es das Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist.
4
a) Nach den getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte seit dem Jahr 2000 Haschisch; binnen zwei Jahren steigerte er den Konsum bis hin zum täglichen Gebrauch. Hinzu kam erstmals im Jahr 2002 Alkohol, den der Angeklagte vermehrt nach Ende der zweiten Inhaftierung im Januar 2008 trank. Soweit er einer Arbeit nachging, konnte er den Alkoholkonsum jedoch unterlas- sen. Eine kurze Zeit lang injizierte er in geringen Mengen Heroin, ließ hiervon jedoch ohne therapeutische oder medikamentöse Unterstützung während seiner ersten Inhaftierung ab. Er konsumiert derzeit täglich bis zu drei "6er-Träger" Bier über den Tag verteilt und "gelegentlich bis zu ca. 2 Gramm Haschisch, wobei ihm ein täglicher Konsum aufgrund seiner finanziellen Situation aber nicht möglich ist. Dazu kommt gelegentlicher Kokainkonsum, wenn ihm diese Droge angeboten wird oder er finanziell zum Erwerb in der Lage ist."
5
Im Jahr 2003 wurde der Angeklagte u.a. wegen mehrfacher Raub-, Erpressungs - und Diebstahlsdelikte zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Taten hatte er zur Finanzierung seines Haschischkonsums begangen. Im September 2008 wurde gegen den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt. Auch hier sollte der Beuteerlös zum Erwerb von Drogen verwendet werden.
6
Vor den hier abgeurteilten Taten konsumierte der Angeklagte zunächst seit dem Nachmittag im Verlauf mehrerer Stunden zwei bis drei Bier á 0,5 Liter sowie ca. eine halbe Flasche Wodka. Am Abend trank er in einer Diskothek nicht näher feststellbare Mengen Bier und Wodka, rauchte zwei Joints und "zog sich 1-2 'Nasen' Kokain". Auf dem Heimweg beging er die Erpressungen. Mit dem erbeuteten Bargeld begab er sich unmittelbar in eine benachbarte Tankstelle und kaufte dort u.a. einen "6er-Träger Bier". Eine im Rahmen der anschließenden Festnahme durchgeführte Atemalkoholmessung ergab einen Wert von 1,78 Promille. Nachdem der Angeklagte die Nacht in der Ausnüchterungszelle verbracht hatte, wurde er am frühen Morgen des 6. Dezember 2009 entlassen. Anschließend trank er im Verlauf des Tages weiter Alkohol in nicht näher feststellbarer Menge. Als er wegen des Waffendelikts am selben Tag erneut festgenommen worden war, wurde bei einem nochmaligen Atemalkohol- test ein Wert von 1,82 Promille festgestellt. Das Landgericht ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Erpressungstaten infolge vorangegangenen Alkoholkonsums erheblich vermindert war. Eine Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung hat es u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Lebensverhältnisse des Angeklagten seit den Taten nicht entscheidend verändert haben, er nach wie vor arbeitslos sei und auch weiterhin Drogen konsumiere.
7
b) Vor diesem Hintergrund hätte sich das Landgericht gedrängt sehen müssen zu prüfen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist (§ 64 StGB); denn die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang zum übermäßigen Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum hat, die Erpressungen von ihm im Rausch begangen wurden oder zumindest auf seinen Hang zurückgehen und die Gefahr besteht, dass er infolge des Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
8
Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung , immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 mwN). Ein solches Verhalten belegen die Urteilsfeststellungen. Der Angeklagte konsumiert bereits seit über zehn Jahren nach Möglichkeit täglich Haschisch , zudem mehrere Liter Bier und anderen Alkohol sowie nach Verfügbarkeit auch Kokain; die Veränderung von Lebensumständen vermag ihn davon nicht abzuhalten. Dass es dem Angeklagten in früheren Zeiten gelungen ist, den kurzzeitig betriebenen geringen Heroinkonsum ohne therapeutische Hilfe einzustellen, kann zwar indiziell gegen einen Hang sprechen. Für sich betrachtet führt dieser Umstand jedoch nicht dazu, eine Abhängigkeit oder Neigung des Angeklagten hinsichtlich der anderen von ihm konsumierten Rauschmittel zu verneinen.
9
Die Umstände legen auch nahe, dass der Angeklagte Alkohol und Drogen im Übermaß konsumiert. Denn ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 mwN). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelgenuss bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sind, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen; das Fehlen dieser Beeinträchtigungen schließt indes nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198). Dass der Angeklagte im Falle einer Beschäftigung in der Lage war, seinen Alkoholkonsum zu unterlassen, steht daher dem Vorliegen eines Hangs nicht entgegen, zumal der Angeklagte nach den Feststellungen bislang im Wesentlichen ohne Arbeit ist. Nahe liegt demgegenüber ein Hang insbesondere bei Beschaffungskriminalität (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210), die hier jedenfalls bei den zwei Vorstrafen vom 11. Juni 2003 und vom 17. September 2008 festgestellt wurde. Auch mit den hier abgeurteilten Erpressungen wollte sich der Angeklagte Geld beschaffen , um sich Alkohol und Marihuana besorgen zu können.
10
Die Erpressungen beging der Angeklagte unter dem Einfluss von Rauschmitteln und durch diese enthemmt. Das erbeutete Geld setzte er unver- züglich noch vor Ort in Alkohol um. Es liegt daher nahe, dass er diese Taten im Rausch beging oder sie zumindest auf einen Hang zum Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum zurückgingen. Im Hinblick auf seine - auch einschlägigen - früheren Straftaten liegt es auch nicht fern, dass die von § 64 Satz 1 StGB vorausgesetzte Gefahr erheblicher künftiger Taten infolge eines Hanges vorliegt.
11
Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten von seinem Hang zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (BVerfG, Beschluss vom 16. März 1994 - 2 BvL 3/90 u.a., NStZ 1994, 578), zumal das Landgericht bislang nicht zu klären vermochte, weshalb eine Drogentherapie in früherer Zeit unterblieben ist.
12
c) Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5), er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
13
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 38/08
vom
27. März 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 1. und 2. b) auf dessen Antrag - am
27. März 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. August 2007 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. a) Auf die Revision des Angeklagten P. wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgelehnt wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

b) Die weitergehende Revision des Angeklagten P. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten P. in einer Entziehungsanstalt hat es abgelehnt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen. Beide Angeklagte rügen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte P. beanstandet zusätzlich das Verfahren. Die Revision des Angeklagten K. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel des Angeklagten P. führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht die Anordnung einer Maßregel gemäß § 64 StGB gegen diesen Angeklagten abgelehnt hat; im Übrigen ist es ebenfalls offensichtlich unbegründet.
2
1. Ohne Erfolg rügt die Revision des Angeklagten P. insbesondere, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 261 StPO der Verurteilung dessen (geständige) Einlassung zugrunde gelegt, obwohl er sich in der Hauptverhandlung nicht (selbst) eingelassen habe. Nach dem insoweit maßgeblichen Inhalt des Protokolls hat die Instanzverteidigerin des Angeklagten nach dessen Erklärung , er sei zur Äußerung bereit, "für ihren Mandanten" eine Einlassung abgegeben , deren schriftliche Fassung sie sodann überreicht hat; das Schriftstück ist als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen worden. Nach der Vernehmung von Zeugen und dem Verzicht auf die Einvernahme weiterer Zeugen hat der Angeklagte geäußert, dass er sich der Erklärung seiner Verteidigerin anschließe. Der Einwand der Revision in der Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts, dieser Anschluss habe sich nicht - wie vom General- bundesanwalt dargelegt - auf die vor der Beweisaufnahme abgegebene Erklärung der Verteidigerin, sondern auf den der Äußerung des Angeklagten unmittelbar vorausgegangenen Verzicht auf die Vernehmung weiterer Zeugen bezogen , überzeugt nicht: Zwar spricht für die Auffassung der Revision die zeitliche Abfolge der Verfahrensvorgänge und der sich hieraus ergebende beträchtliche Abstand zwischen der Verteidigererklärung und dem Anschluss des Angeklagten. Indes ist nach dem Protokollinhalt auf die Vernehmung weiterer Zeugen "allseits" verzichtet worden, demnach auch durch den Angeklagten. Einer (zusätzlichen ) Anschlusserklärung des Angeklagten an den auch von seiner Verteidigerin erklärten Verzicht hat es angesichts dessen in diesem Zusammenhang nicht bedurft. Dies legt nahe, dass sich die dem Verzicht unmittelbar nachfolgende Äußerung des Angeklagten tatsächlich auf die frühere, für den Angeklagten abgegebene Verteidigererklärung bezogen hat. Danach ist der behauptete Verfahrensverstoß zumindest nicht erwiesen.
3
2. Die Ablehnung der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten P. in einer Entziehungsanstalt hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Das Landgericht hat diese Entscheidung damit begründet, dass zum einen bereits keine Anhaltspunkte dafür bestünden, der Angeklagte habe den Hang, andere berauschende Mittel (Kokain) im Übermaß zu sich zu nehmen. Denn der Angeklagte habe weder ein Rauscherlebnis noch Entzugserscheinungen oder tatsächliche Beeinträchtigungen seiner Leistungsfähigkeit im alltäglichen Leben geschildert. Zum anderen handele es sich bei der vorliegenden Straftat nicht um eine sogenannte Anlasstat, also um eine Tat, die der Angeklagte im Rausch begangen habe oder die auf seinen Hang im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB zurückzuführen sei. Die Tat sei in Bereicherungsabsicht nach ei- nem Tipp, demzufolge viel Geld seinen Besitzer wechseln sollte, verübt worden. Es habe ein sorgfältiger Tatplan mit entsprechender Vorbereitung - Sturmhauben, Reizgas - zugrunde gelegen. Ein Symptomwert der Tat lasse sich daher nicht feststellen.
5
b) Diese Begründung lässt vom Landgericht getroffene andere, in diesem Zusammenhang bedeutsame Feststellungen außer Betracht.
6
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte bereits ab dem Jahre 1996 an den Wochenenden regelmäßig Kokain konsumierte und im Jahre 1998 nach Odessa fuhr, um eine Therapie zu absolvieren, die aus einer Entgiftung sowie Hypnose bestehen sollte und auf eine Dauer von vier Monaten angelegt war; der Angeklagte konnte diese Behandlung indes wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht beenden. Nach einer mehrjährigen Drogenabstinenz konsumierte der Angeklagte ab Mai 2005 erneut Drogen. Er rauchte Haschisch und Marihuana und nahm jeden Tag Kokain zu sich. Die gegenständliche Tat hat der Angeklagte begangen, weil er aufgrund seines Drogenkonsums Schulden hatte. Vor der Tat hat er ein Gramm Kokain zu sich genommen. Bei der Beweiswürdigung hat die Strafkammer im Rahmen ihrer Erörterung der - schließlich verneinten - Frage einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgeführt, dass Drogenabhängigkeit allein eine solche Annahme nicht begründe. Abschließend hat das Landgericht dargelegt , dass gegebenenfalls im Rahmen des Strafvollzugs dem Wunsch des Angeklagten entsprechend nach § 35 BtMG verfahren werden möge.
7
Diese Feststellungen und Erwägungen hat die - nicht durch einen Sachverständigen beratene - Strafkammer ersichtlich nicht in die insoweit gebotene Gesamtwürdigung (vgl. BGH, Beschl. vom 11. Januar 2005 - 3 StR 474/04) einbezogen. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht bereits deshalb bei der Beurteilung, ob bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 64 StGB vorliegt, zu einem rechtlich unzutreffenden Ergebnis gelangt ist (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 64 Rdn. 10 f., 13 f.).
8
Dies gilt insbesondere auch für die Bewertung des Kokainkonsums des Angeklagten, die das Landgericht vorgenommen hat. Bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sowie bei der Befürwortung eines Vorgehens nach § 35 BtMG geht es von einer Drogenabhänigkeit des Angeklagten aus. Dies ist mit der Verneinung eines Hangs des Angeklagten, im Sinne des § 64 StGB Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht vereinbar.
9
c) Aber auch im Übrigen ist die Ablehnung der Maßregelanordnung rechtlich nicht tragfähig begründet. Denn die Strafkammer hat bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen für sich gesehen unzutreffende Maßstäbe angelegt.
10
Dies gilt zunächst, soweit sie einen Hang des Angeklagten zu übermäßigem Kokainkonsum unter Hinweis darauf abgelehnt hat, der Angeklagte habe keine Entzugserscheinungen geschildert. Das Fehlen von Entzugserscheinungen ist im Hinblick auf den Kokainkonsum des Angeklagten für das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB nur begrenzt aussagefähig; denn bei reiner Kokainabhängigkeit treten nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnis körperliche Entzugserscheinungen kaum auf (vgl. BGH, Beschl. vom 30. Januar 2001 - 1 StR 542/00 m. w. N.). Im Übrigen kennzeichnen beim Absetzen eines Rauschmittels auftretende Entzugserscheinungen die physische Abhängigkeit. Diesen Grad der Neigung zum Rauschmittelmissbrauch muss der Täter für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aber nicht erreicht haben (vgl. van Gemmeren in MünchKomm § 64 Rdn. 19).
11
Ferner kommt auch dem weiteren zur Begründung herangezogenen Umstand , dass der Angeklagte keine Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit im alltäglichen Leben geschildert hat, für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen keine tragfähige Bedeutung zu. Denn ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist es bereits, dass der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH NStZ 2005, 210). Dies kommt - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit oder Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BGH NStZ 2004, 384; NStZ-RR 2003, 106 f. jew. m. w. N.), sondern unabhängig hiervon auch bei so genannter Beschaffungskriminalität.
12
Insoweit hat das Landgericht bei seiner Beurteilung, das gegenständliche Delikt sei nicht als "Anlasstat" im Sinne des § 64 StGB anzusehen und ein Symptomwert der Tat für den Hang lasse sich nicht feststellen, nicht bedacht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat Geld zur Tilgung von Schulden aus seinem Kokainkonsum verschaffen wollte. Unabhängig davon, dass die vom Landgericht als Argument für seine Ansicht herangezogene sorgfältige Planung der Tat jedenfalls für sich nicht gegen das Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der Tat und einem Hang im Sinne des § 64 StGB spricht, ist für die Bejahung eines solchen Zusammenhangs ausreichend, dass der Hang - gegebenenfalls neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat. Ein solcher Zusammenhang ist typischerweise bei der so genannten Beschaffungskriminalität von Rauschgiftsüchtigen gegeben, wenn also die Straftat unmittelbar oder - wie hier - mittelbar der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum dient (vgl. van Gemmeren aaO § 64 Rdn. 32 f.).
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d) Schließlich konnte die Ablehnung der Unterbringungsanordnung auch nicht tragfähig damit begründet werden, dass - dem Wunsche des Angeklagten entsprechend - die Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG in Betracht gekommen ist. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht dieser dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltenen Maßnahme vor; von der Anordnung der Unterbringung darf daher nicht abgesehen werden, weil eine Entscheidung nach § 35 BtMG ins Auge gefasst ist (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 7 und 8; BGH StraFo 2003, 100 m. w. N.). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI I 1327) grundsätzlich nichts geändert (vgl. Fischer aaO § 64 Rdn. 23,

26).


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3. Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5; BGH NStZ-RR 2008, 107). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
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Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
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4. Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen. RiBGH Dr. Miebach ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert Becker Becker Pfister Hubert Schäfer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.