Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2014 - 4 StR 27/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Bean- standung der Anwendung des materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Sie hat hinsichtlich der angeordneten Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt Erfolg.
- 2
- 1. Das Rechtsmittel der Angeklagten ist unbegründet, soweit es sich gegen die Schuld- und Strafaussprüche richtet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 3
- 2. Es hat jedoch mit einer Verfahrensrüge Erfolg, soweit die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet ist. Eines Eingehens auf die allein hierzu erhobenen weiteren Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.
- 4
- Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass sie weder in der Anklageschrift noch im Eröffnungsbeschluss auf die Möglichkeit ihrer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hingewiesen worden ist und dass auch in der Hauptverhandlung ein solcher Hinweis gemäß § 265 Abs. 2 StPO nicht erfolgt ist.
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- a) Der Hinweis nach § 265 Abs. 2 StPO ist eine wesentliche Verfahrensförmlichkeit (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2005 - 1 StR 386/05, NStZ 2006, 181) und muss, wenn er seine Funktion erfüllen soll, einem Angeklagten in einer solchen Form erteilt werden, dass er eindeutig erkennen kann, dass und gegebenenfalls auf welche Maßregel das Gericht zu erkennen gedenkt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2002 - 4 StR 316/02, StV 2003, 151 mwN). Er kann daher nicht dadurch ersetzt werden, dass Verfahrensbeteiligte die Frage einer Unterbringung ansprechen (BGH aaO) und sich etwa der Sachverständige (BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - 2 StR 529/07, StV 2008, 344, 345 mwN), der Staatsanwalt und/oder der Verteidiger zu der Maßregel äußern (BGH, Beschluss vom 28. April 2009 - 4 StR 544/08 [juris, Rn. 3]; zu § 265 Abs. 1 StPO auch Beschluss vom 10. Juni 2005 - 2 StR 206/05, NStZ-RR 2005, 376, 377; zum Fehlen des Beruhens auf den Hinweis, wenn der Verteidiger - anders als hier - im Schlussvortrag die Voraussetzungen der Maßregelanordnung bejaht: BGH, Beschluss vom 9. Juli 2008 - 1 StR 280/08, NStZ-RR 2008, 316).
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- b) Daran gemessen ist die Angeklagte vor und in der Hauptverhandlung nicht in ausreichender Weise auf die mögliche Maßregelanordnung hingewiesen worden.
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- Auch dem der Angeklagten übersandten Auszug aus der Ladungsverfügung lässt sich ein solcher Hinweis nicht entnehmen. Dort wurde die Sachverständige zwar mit dem Hinweis geladen, dass "ein Gutachten ohne vorherige [von der Angeklagten verweigerte] Exploration allein aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung erstattet werden" soll. Schon dass sich dieses Gutachten neben den Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB auch mit denen des § 64 StGB befassen soll, lässt sich dem jedoch nicht entnehmen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - 4 StR 568/08, NStZ 2009, 468).
- 8
- Schließlich wurde der Hinweis gemäß § 265 Abs. 2 StGB auch nicht dadurch entbehrlich, dass der Vorsitzende der Strafkammer - wie sich aus der von ihm in Zusammenhang mit der Vorlage des Rechtsmittels abgegebenen dienstlichen Erklärung ergibt - vor der Hauptverhandlung § 64 StGB "telefonisch mit dem Verteidiger thematisiert" hat. Denn die Hinweispflicht dient vorrangig dem schutzwürdigen Verteidigungsinteresse des Angeklagten; Zweck des § 265 StPO ist es, dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf bzw. der drohenden Maßregel zu verteidigen, und ihn vor Überraschungen zu schützen (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10, NJW 2011, 1301, 1302 [zu § 265 Abs. 1 StPO]). Allein der Hinweis an den Verteidiger genügt daher nicht (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2012 - 1 StR 158/12, BGHSt 56, 121, 125 [Rn. 11 aE]; vgl. auch § 234a StPO).
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- c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die Angeklagte bei prozessordnungsmäßigem Verfahrensablauf anders verteidigt hätte. Denn es besteht die Möglichkeit, dass die Angeklagte die Verweigerung der Exploration überdacht und aufgegeben hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die Anordnung der Maßregel droht. Zweifelsfrei auszuschließen vermag der Senat dagegen, dass - etwa aufgrund eines ergänzenden Sachverständigengutachtens nach einer Exploration der Angeklagten - die Voraussetzungen des § 20 StGB bejaht werden könnten.
Mutzbauer Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Wer eine gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite schafft oder einem anderen überläßt, um sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Findet die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten statt, so genügt es, wenn die nach § 265 Abs. 1 und 2 erforderlichen Hinweise dem Verteidiger gegeben werden; das Einverständnis des Angeklagten nach § 245 Abs. 1 Satz 2 und nach § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 ist nicht erforderlich, wenn ein Verteidiger an der Hauptverhandlung teilnimmt.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.