Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10

bei uns veröffentlicht am29.06.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 241/10
vom
29. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Diebstahls
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat zu 2. auf Antrag, im Übrigen nach
Anhörung des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 29. Juni 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. Februar 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, soweit eine Entscheidung über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist.
3
Nach den Feststellungen kam der Angeklagte bereits frühzeitig mit Drogen in Kontakt. Er konsumierte ab seinem vierzehnten Lebensjahr Haschisch. Erstmals im Jahr 1991 kam der Angeklagte mit Heroin in Berührung, das er zunächst rauchte und später spritzte. Zuletzt lag sein Bedarf bei 0,4 Gramm pro Tag. Die abgeurteilte Tat beging der Angeklagte zur Finanzierung seines Heroinkonsums.
4
Angesichts dieser Feststellungen liegt es nahe, dass die abgeurteilte Tat auf einen Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH, Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08 m.w.N.). Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Die vom Landgericht unterlassene Prüfung erweist sich auch nicht deshalb als entbehrlich, weil nach § 64 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) die Maßregel nicht mehr zwingend angeordnet werden muss (BGH, Beschl. vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09; Beschl. vom 13. November 2007 - 3 StR 452/07, NStZ-RR 2008, 73; Beschl. vom 31. März 2010 - 2 StR 76/10). Denn das Gericht "soll" die Unterbringung anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen darf es von der Unterbringungsanordnung absehen (BTDrucks. 16/5137, S. 10; 16/1344, S. 12). Bei der ausdrücklich erklärten Therapiebereitschaft des Angeklagten ist nicht anzunehmen, dass es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB) fehlt (vgl. BGH, Beschl. vom 5. Mai 1995 - 2 StR 150/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 6).
5
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
6
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit. Der Strafausspruch wird von der Teilaufhebung nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung eine geringere Strafe verhängt hätte.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck RiBGH Dr. Franke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2009 - 4 StR 375/09

bei uns veröffentlicht am 17.11.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 375/09 vom 17. November 2009 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Üb

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2008 - 4 StR 257/08

bei uns veröffentlicht am 07.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 257/08 vom 7. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwal
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2018 - 4 StR 54/18

bei uns veröffentlicht am 01.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 54/18 vom 1. August 2018 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. ECLI:DE:BGH:2018:010818B4STR54.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nac

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2017 - 4 StR 124/17

bei uns veröffentlicht am 06.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 124/17 vom 6. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR124.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juli 2017, an

Bundesgerichtshof Urteil, 03. März 2016 - 4 StR 497/15

bei uns veröffentlicht am 03.03.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 497/15 vom 3. März 2016 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2016:030316U4STR497.15.0 Der 4. Strafsenat des B

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2014 - 4 StR 577/13

bei uns veröffentlicht am 26.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR577/13 vom 26. Februar 2014 in der Strafsache gegen wegen Brandstiftung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2014 gemäß §

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 257/08
vom
7. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Oktober 2008 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt , soweit der Angeklagte im Fall II. 14 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Februar 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass er des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, bb) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 14 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Dies führt zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten.
3
2. Das Urteil kann ferner nicht bestehen bleiben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Durchgreifende Bedenken bestehen jedoch, soweit es das Landgericht unterlassen hat, die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu prüfen. Nach den Feststellungen kam der Angeklagte bereits frühzeitig mit Drogen in Kontakt. Vorrangig konsumierte er Haschisch, kam jedoch während seiner Strafhaft in anderer Sache vor einigen Jahren mit Kokain in Berührung. Nach seiner Entlassung konsumierte er regelmäßig, zunächst in einem mäßigen Umfang, Kokain. Der Konsum steigerte sich jedoch zunehmend. Etwa ab Juni 2007 nahm der Angeklagte nahezu täglich größere Mengen zu sich, zuletzt teilweise bis zu 5 Gramm (UA S. 5). Der Angeklagte beging einen Großteil der verurteilten Taten, um auf diese Weise den eigenen beträchtlichen Kokainkonsum zu finanzieren (UA S. 10, 20). Im Zeitpunkt seiner Festnahme in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Tat II 13 (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) wies sein Blutwert von 548,0 ng/ml Benzoylecgonin auf einen erheblichen Kokainkonsum hin (UA S. 17). Aufgrund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liegt es nahe, dass die abgeurteilten Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 452/07; Senat, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 4 StR 36/08; Senat, Beschluss vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08). Anhaltspunkte dafür, dass eine stationäre Therapie bei dem vergleichsweise jungen und bislang noch nicht behandelten Angeklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 Satz 2 StGB), oder dass andere Voraussetzungen der Maßregelanordnung offensichtlich nicht vorliegen, geben die bisherigen Feststellungen nicht. Erwägungen zu einer Anordnung nach § 64 StGB konnten auch nicht vor dem Hintergrund unterbleiben, dass die Strafkammer - rechtsfehlerfrei - von der uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Eine suchtbedingte Abhängigkeit kann auch dann die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB begründen , wenn sie nicht den Schweregrad einer seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB erreicht (vgl. Senat, Be- schluss vom 22. Februar 2007 - 4 StR 26/07; Fischer, StGB, 55. Auflage, § 64 Rdnr. 7 m.w.N.). Die vom Landgericht unterlassene Prüfung erweist sich auch nicht deshalb als entbehrlich - was auch der Teilaufhebung nicht entgegensteht -, weil nach § 64 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) die Maßregel nicht mehr zwingend angeordnet werden muss. Denn das Gericht 'soll' die Unterbringung anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen darf es von der Unterbringungsanordnung absehen (vgl. BGH und Senat a.a.O.). Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH a.a.O. m.w.N.). Der Revisionsführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch die Strafkammer nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Die Frage nach der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf mithin unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Dieses wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten haben".
4
Dem schließt sich der Senat an.
5
3. Der Senat hebt auch den Ausspruch über die Gesamtstrafe auf, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne die im Fall II. 14 verhängte Einzelstrafe und bei Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Maatz Kuckein Athing Ernemann Mutzbauer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 375/09
vom
17. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Übrigen nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 17. November 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21. Januar 2009, soweit es den Angeklagten L. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben, soweit eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das Landgericht eine Anordnung nach § 64 StGB nicht getroffen hat; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. Oktober 2009.
3
2. Dagegen hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen.
4
Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit 1997 Heroin bis zu 3 g täglich. Im Dezember 2001 absolvierte er in einem russischen Krankenhaus eine dreiwöchige Entziehungsbehandlung. Danach wurde er wieder rückfällig. Im Rahmen der Vollstreckung einer längeren Freiheitsstrafe aus einer einschlägigen Verurteilung wurde die Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 35 BtMG zurückgestellt. Der Angeklagte absolvierte von November 2003 bis Mai 2004 eine stationäre Entwöhnungsbehandlung. Im Jahr 2007 wurde der Angeklagte jedoch erneut rückfällig und konsumiert seither wiederum täglich 2 g Heroin. Die abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten beging der Angeklagte auch zur Finanzierung seines Heroinkonsums.
5
Das Landgericht hat eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB als "nicht mehr angebracht" erachtet. Zur Begründung hat es lediglich darauf verwiesen, die stationäre Entwöhnungsbehandlung 2003/2004 sei ordnungsgemäß verlaufen, bis zum Straferlass im Jahr 2007 sei ein Konsum von illegalen Drogen nicht bekannt geworden, jedoch sei der Angeklagte seitdem erneut rückfällig geworden. Diese Begründung trägt - wie die Revision zu Recht beanstandet - die Ablehnung einer Anordnung nach § 64 StGB nicht.
6
Dass der Angeklagte einen Hang im Sinne dieser Vorschrift zum übermäßigen Drogenkonsum hat, versteht sich nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils von selbst. Ebenso steht danach der für eine Anordnung nach § 64 StGB vorausgesetzte symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten außer Frage. Schließlich liegt - schon angesichts der einschlägigen Vorverurteilung - hier auch eine negative Legalprognose nahe. Unter diesen Umständen lagen die Voraussetzungen vor, unter denen unbeschadet der Neufassung des § 64 Satz 1 StGB als "Soll"-Vorschrift (vgl. dazu Fischer StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 22, 23) nur im Ausnahmefall von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen werden durfte, sofern - was der neue Tatrichter unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben wird (§ 246 a StPO) - bei dem Angeklagten eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu bejahen ist.
7
Für den Fall, dass der neue Tatrichter eine Anordnung nach § 64 StGB trifft, wird er auch die voraussichtliche Dauer der Therapie festzustellen und dies bei der Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB n.F. zu berücksichtigen haben.
8
3. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhebung des Urteils wegen der unterbliebenen Anordnung nach § 64 StGB und die Zurückverweisung der Sache insoweit an das Landgericht nicht (BGHSt 37, 5).
9
Die Aufhebung wegen der unterbliebenen Anordnung nach § 64 StGB lässt den Strafausspruch unberührt. Denn der Senat schließt hier einen Zusammenhang zwischen der Straffestsetzung und einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB aus. Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Franke

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.