Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2013 - 4 StR 180/13

bei uns veröffentlicht am04.06.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 180/13
vom
4. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2013 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 19. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgerichtskammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes (Mordmerkmal: Heimtücke) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte neben der Beweiswürdigung des Landgerichts vor allem die Annahme einer heimtückischen Tötung. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen verschaffte sich der Angeklagte bereits seit geraumer Zeit nicht geringe Einnahmen dadurch, dass er Frauen aus Osteuropa nach Deutschland einschleuste und hier der Prostitution zuführte. Dabei hatten die Frauen Teile ihrer Einnahmen an den Angeklagten abzuführen. Das spätere Tatopfer P. lernte der Angeklagte im Herbst 2007 in der Ukraine kennen. Sie kam im Dezember 2007 nach Deutschland, um hier für eine gewisse Zeit durch die Ausübung der Prostitution Geld zu verdienen und anzusparen. Nach ihrer Rückkehr wollte sie von den hier erworbenen Mitteln eine Eigentumswohnung kaufen. Kurze Zeit nachdem P. nach Deutschland gekommen war, begann zwischen ihr und dem Angeklagten eine sexuelle Beziehung , in deren Verlauf sie sich in den Angeklagten verliebte. Dabei war ihr bekannt, dass der Angeklagte verheiratet war und Kinder hatte. Gleichwohl wünschte sie sich eine feste Partnerschaft mit ihm.
3
In der Zeit vom 7. Februar 2008 bis zum 14. Dezember 2009 verbüßte der Angeklagte in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne, Außenstelle Herzebrock, eine Freiheitsstrafe aus einer Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern, Menschenhandel und anderem. Er war Freigänger und arbeitete bei einer Dachdeckerfirma, zu der er mit seinem Pkw fuhr. Im Februar 2009 war er nur wenige Tage an seiner Arbeitsstelle. Daneben suchte er Bordelle auf, in denen Frauen für ihn tätig waren, und führte seine Beziehung mit P. weiter.
4
Am Morgen des 19. Februar 2009 verließ der Angeklagte um 6.30 Uhr die Justizvollzugsanstalt. Nachdem er an einer Tankstelle gefrühstückt und sich Wodka gekauft hatte, suchte er die Räumlichkeiten eines Nachtclubs in S. auf, in dem sich zu dieser Zeit – wie der Angeklagte wusste – keine weiteren Personen aufhielten. Kurz nach 9.30 Uhr kam auch P. in den Club. Der Angeklagte hatte inzwischen 600 ml Wodka getrunken und eine Zigarette mit Cannabis geraucht. Beide hielten sich zunächst in der Küche des Clubs auf, tranken Kaffee und unterhielten sich. Schließlich gingen sie auf ein Zimmer, wobei P. annahm, dass es dort zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr kommen würde.
5
Spätestens jetzt entschloss sich der Angeklagte, P. zu töten. Das Motiv vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Es hält es für möglich, dass P. , die als Prostituierte gute Einnahmen erzielte, dem Angeklagten einen größeren Geldbetrag zur Aufbewahrung gegeben hatte und nun dessen Herausgabe forderte, um das Geld bei ihrer für März 2009 geplanten Heimreise mitzunehmen; der Angeklagte aber zur Rückgabe des Geldes entweder nicht imstande oder nicht willens war. Auch ist es für das Landgericht „denkbar“, dass der Angeklagte, der nur eine sexuelle Beziehung zu P. wollte, sich von ihr unter Druck gesetzt fühlte, weil sie möglicherweise von ihm erwartete, dass er sich von seiner Frau trennt. Vielleicht drohte P. dem Angeklagten auch,seine Frau von dem Verhältnis in Kenntnis zu setzen, was er um jeden Preis verhindern wollte. Gegebenenfalls spielten auch andere Gründe eine Rolle.
6
Der Angeklagte nutzte die Gelegenheit, seinen Tatentschluss umzusetzen. P. rechnete an diesem Morgen weder mit einem lebensbedrohlichen , noch mit einem gegen ihre körperliche Integrität gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff seitens des Angeklagten. Dieser fügte ihr am linksseitigen Scheitel-/Hinterhauptbereich eine Verletzung zu, die auf einer stumpfen Gewalteinwirkung beruhte. Wie der Angeklagte seinem Opfer diese Verletzung beibrachte, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Als Ursache kommen beispielhaft ein Schlag mit einem harten Gegenstand oder der Faust, aber auch ein Stoß mit dem Kopf gegen eine Wand oder Ähnliches in Betracht. P. war hierdurch in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit zumindest eingeschränkt. Im Anschluss daran legte ihr der Angeklagte zwei 75 cm lange und 1 cm breite Kabelbinder über den Pulloverkragen um den Hals, sodass sich die Zugenden hinten befanden, und zog diese kräftig zu, bis der Tod durch Erdrosseln eintrat. Zu irgendwelchen Abwehrreaktionen war P. infolge der Einwirkung auf den Hinterkopf und der Atemnot nicht in der Lage.
7
Nach der Tat wickelte der Angeklagte die Leiche von P. in einen Plastiksack und packte sie in einen Rollkoffer. Anschließend beseitigte er alle Spuren. Den Rollkoffer verstaute er am Folgetag in einer Gefriertruhe, die in der Garage des Clubs aufgestellt war und sich in Betrieb befand. Im Juli oder August 2009 verbrachte er die Gefriertruhe mit der Leichevon P. in eine von ihm angemietete Garage. Die Gefriertruhe nahm er wieder in Betrieb. Die tiefgefrorene Leiche wurde am 27. Februar 2012 bei einer Durchsuchung im Rahmen eines anderen Ermittlungsverfahrens aufgefunden.

II.


8
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht seine Überzeugung vom Vorliegen einer heimtückischen Tötung begründet hat, auch unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, Rn. 5 mwN) rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten (§ 261 StPO).
9
1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet (BGH, Urteil vom 6. September 2012 – 3 StR 171/12, NStZ-RR 2012, 371, Urteil vom 30. August 2012 – 4 StR 84/12, Rn. 12; Urteil vom 20. Januar 2005 – 4 StR 491/04, NStZ 2005, 691, 692; jeweils mwN). Hiervon ist auch das Landgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine Ausführungen zur Arglosigkeit des Tatopfers sind jedoch lückenhaft, weil bedeutsame Gesichtspunkte, die gegen diese Annahme sprechen könnten, nicht in Erwägung gezogen worden sind.
10
a) Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, P. habe amTattag nicht damit gerechnet, von dem Angeklagten angegriffen zu werden. Vielmehr sei sie davon ausgegangen, mit ihm Geschlechtsverkehr zu haben. Anhaltspunkte für einen vorangegangenen Streit mit dem Angeklagten lägen nicht vor, ebenso wenig dafür, dass der Angeklagte ihr gegenüber jemals gewalttätig geworden ist (UA 31). Die Aussagen der vernommenen Zeugen hätten keinen Hinweis auf Streitigkeiten oder körperliche Auseinandersetzungen im Verhältnis zwischen dem Angeklagten und P. in der Zeit vor der Tat ergeben. Auch der Angeklagte selbst habe in dieser Hinsicht nichts angedeutet. Vielmehr habe er angegeben, dass P. akzeptiert hätte, dass er seineFamilie für sie nicht verlassen würde. Konkrete Anhaltspunkte für weiteres Konfliktpotential seien nicht vorhanden (UA 26). Das Fehlen jeglicher Abwehrverletzungen mache deutlich, dass P. keine entsprechenden Maßnahmen gegen ein gewaltsames Vorgehen des Angeklagten traf (UA 31). Da sie keine Gewalteinwirkung von vorne und keine Abwehrverletzung aufgewiesen habe, sei die Annahme lebensfremd, dass ihr der Angeklagte am Tattag offen in bedrohlicher und übergriffiger Weise gegenüber getreten sei (UA 26 f.).
11
b) Zwar liegt es nach den Umständen nahe, dass P. noch nicht mit einem Angriff rechnete, als sie mit dem Angeklagten auf das Zimmer ging, um einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zu haben, doch hätte sich das Landgericht an dieser Stelle mit den Sachverhaltsvarianten auseinandersetzen müssen, die es selbst bei der Erörterung möglicher Tatmotive und der Ursache für die Hinterhauptverletzung in Betracht gezogenen hat.
12
Sowohl die für möglich gehaltene Rückforderung von Geld, das der Angeklagte nicht mehr hatte oder nicht zurückgeben wollte, als auch die Drohung mit einer Offenlegung der außerehelichen sexuellen Beziehung, die der Ange- klagte „um jeden Preis“ vermeiden wollte,können zu einem Streit geführt haben , der bei dem Tatopfer einen Verlust der Arglosigkeit zur Folge hatte. Soweit das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung aus der Einlassung des Angeklagten , P. hätte seine Entscheidung akzeptiert, für sie nicht die Familie zu verlassen, abgeleitet hat, dass insoweit kein Konfliktpotential gegeben war (UA 26), steht dies in einem inneren Widerspruch zu der in die Feststellungen aufgenommenen Annahme, der Angeklagte könnte sich zur Tötung entschieden haben, weil er sich von der eine Trennung von seiner Frau erwartenden P. unter Druck gesetzt fühlte oder sogar von ihr mit einer Offenbarung des außerehelichen Verhältnisses bedroht worden sei (UA 9). Auch hätte bei der Bewertung dieser Angaben des Angeklagten in Betracht gezogen werden müssen, dass er sich mit der Behauptung verteidigt hat, P. sei bei einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, bei dem sie sich selbst Kabelbinder als Drosselungswerkzeuge um den Hals gelegt habe, unerwartet zu Tode gekommen. Eine Offenlegung von – möglicherweise gravierenden – Streitigkeiten wäre mit dieser Verteidigungslinie nicht vereinbar.
13
Sollte sich P. die vor der Drosselung erlittene Hinterhauptverletzung tatsächlich durch einen Sturz gegen eine Wand nach einem Stoß des Angeklagten zugezogen haben, wie es das Landgericht neben anderen Geschehensvarianten ausdrücklich für möglich hält (UA 9), könnte dies für eine vorangegangene körperliche Auseinandersetzung sprechen. In diesem Fall käme auch dem Umstand, dass diese Verletzung nicht (unmittelbar) auf einer Gewalteinwirkung von vorne beruht, keine durchgreifende Bedeutung mehr zu. Das vom Landgericht herangezogene Fehlen von Abwehrverletzungen belegt nur, dass P. jedenfalls im Zeitpunkt der Drosselung zu einer Gegenwehr nicht mehr in der Lage war, doch lässt dies noch nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass diese Wehrlosigkeit auf einer vorgängigen Arglosigkeit beruhte.
14
2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Obgleich sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt hat, dass der Angeklagte P. zunächst die Hinterhauptverletzung beibrachte und sie dann mit den beiden um ihren Hals gelegten Kabelbindern erdrosselte, hat der Senat davon abgesehen, die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechtzuerhalten (§ 353 Abs. 2 StPO), weil ein enger tatsächlicher Zusammenhang mit den rechtsfehlerhaften Feststellungen zur Arglosigkeit des Tatopfers besteht und zumindest teilweise dieselben Beweisanzeichen (Fehlen auf Selbstrettungsversuche hindeutender Spuren im Halsbereich, vollständig erhaltene künstliche Fingernägel etc.) gewürdigt worden sind (BGH, Urteil vom 27. November 1959 – 4 StR 394/59, BGHSt 14, 30, 35).
15
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der Tatrichter nicht gehalten ist, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen es keine realen Anknüpfungspunkte gibt (BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – 2 StR 576/08, NStZ 2009, 630, 631). Für die Annahme einer heimtückischen Tötung ist es wesentlich, dass der Täter sein keinen Angriff erwartendes Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das Opfer kann daher auch dann arglos im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, also etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, um dem Angriff noch irgendwie zu begegnen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, NStZ-RR 2012, 245; Urteil vom 20. Juli 2004 – 1 StR 145/04; Urteil vom 5. Februar 1997 – 2 StR 509/96, NStZ-RR 1997, 168).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

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5
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet , sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung zudem, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR § 261 Beweiswürdigung 16 mwN; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; BGH, Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jew. mwN).

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 171/12
vom
6. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. September
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. August 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes eingelegte und mit sachlichrechtlichen Beanstandungen begründete Revision der Nebenklägerin. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Ehe des Angeklagten mit der Nebenklägerin seit Jahren von regelmäßigen, häufig lautstarken und auch gewalttätigen Streitigkeiten geprägt. Die Eheleute versöhnten sich aber stets wieder miteinander. Ende November 2010 wohnte der Angeklagte nach einem neuerlichen Streit für mehrere Tage bei einem Freund. Als er am 27. November 2010 in die Ehewohnung zurückkam, zog die Nebenklägerin zu ihren Eltern. Nach ihrer Rückkehr am 30. November 2010 entwickelte sich sofort wieder Streit zwischen den Eheleuten. Am Tag darauf kam es spätestens gegen 10.40 Uhr im Schlafzimmer zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung , in deren Verlauf der Angeklagte ein im Rückenbereich seines Hosenbundes befindliches Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 13 cm ergriff, die Nebenklägerin in den Schwitzkasten nahm, mit dem Messer wahllos auf sie einstach und ihr Stichverletzungen im Brust-, Thorax- und Bauchbereich sowie am Hals beibrachte. Dabei erkannte der Angeklagte, dass die Verletzungen lebensgefährlich waren und nahm billigend in Kauf, dass das Opfer an ihnen versterben könnte. Nachdem die Frau zusammengesackt war und regungslos am Boden lag, ließ der Angeklagte in der Überzeugung von ihr ab, sie werde umgehend versterben. Inzwischen war der neunjährige Sohn hilfesuchend zu den Nachbarn gelaufen, die um 10.42 Uhr die Polizei alarmierten. Die Nebenklägerin konnte durch den Einsatz eines Notarztes und eine sofortige Operation gerettet werden.
3
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei vom bedingten Tötungsvorsatz sowie davon überzeugt, dass der Angeklagte nach den Messerstichen vom alsbaldigen Versterben der Nebenklägerin ausging, der Tötungsversuch deshalb beendet war. Es hat die Tat als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewürdigt. Zum Vorliegen von Mordmerkmalen hat die Strafkammer lediglich ausgeführt, solche seien "nicht erkennbar". Insbesondere könne "aufgrund des bereits seit dem Vorabend der Tat andauernden Streits der Eheleute eine heimtückische Tatbegehung ausgeschlossen werden".
4
2. Die Verneinung des Mordmerkmals Heimtücke hält, wie auch der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu im Einzelnen:
5
Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber nicht (mehr) mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist zudem, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 20. Januar 2005 - 4 StR 491/04, NStZ 2005, 691, 692 und 29. November 2007 - 4 StR 425/07, NStZ 2008, 273; Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, NStZ 2012, 270 jeweils mwN).
6
Verbale Streitigkeiten stehen, selbst wenn sie der Tötungshandlung unmittelbar vorausgehen, der Heimtücke nicht entgegen. Es kommt auch in einem solchen Fall auf die Arglosigkeit des Opfers gegenüber einem Angriff auf Leben oder körperliche Unversehrtheit an. Eine tatsächlich vorhandene Arglosigkeit in diesem Sinne wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Opfer nach den Umständen mit einem tätlichen Angriff hätte rechnen müssen. Erkennt der im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer von ihm ausgehenden bloß verbalen Attacke zur Tötung seines Opfers ansetzende Täter dessen dennoch erhalten gebliebene Arglosigkeit gegenüber der Möglichkeit eines tätlichen Angriffs und nutzt er diese bewusst zur Tat aus, so handelt er heimtückisch (BGH, Urteile vom 13. November 1985 - 3 StR 273/85, BGHSt 33, 363, 365; vom 9. Januar 1991 - 3 StR 205/90, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; vom 30. Mai 1996 - 4 StR 150/96, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21 und vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 nur LS).
7
Nach diesen Maßstäben greift die Begründung, mit der das Landgericht die Heimtücke abgelehnt hat, zu kurz. Das angefochtene Urteil enthält keine Darlegungen zu den Vorstellungen der Geschädigten und des Angeklagten, als dieser das Opfer in den Schwitzkasten nahm, obwohl die festgestellten Umstände dazu drängten. Der Angeklagte trug das Küchenmesser vor der Tat im Rückenbereich seines Hosenbundes verborgen. Damit liegt, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, nicht fern, dass das Opfer sich keines erheblichen Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versah. Zudem kommt in Betracht, dass der Angeklagte das Messer verdeckt trug, um seine Ehefrau nicht misstrauisch werden zu lassen. Die Erörterungspflicht des Landgerichts entfiel auch nicht dadurch, dass die Beziehung des Angeklagten und der Nebenklägerin nach den Feststellungen "seit Jahren von regelmäßigen, häufig lautstarken und auch gewalttätigen Streitigkeiten geprägt" war. Auch wenn es früher einmal zu körperlichen Übergriffen des Angeklagten gekommen wäre - das Urteil teilt hierzu nichts Weiteres mit -, stünde dies einer Arglosigkeit im entscheidenden Zeitpunkt nicht ohne Weiteres entgegen.
8
Das angefochtene Urteil hätte sich deshalb dazu verhalten müssen, wie die Nebenklägerin die Situation eingeschätzt hatte, ehe der Angeklagte sie in den Schwitzkasten nahm und mit bedingtem Tötungsvorsatz auf sie einstach. Ebenso wären Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt erforderlich gewesen. Auf dieser tatsächlichen Grundlage wäre nach den dargestellten Grundsätzen zu beurteilen gewesen, ob die Voraussetzungen der Heimtücke erfüllt sind.
9
3. Die Sache muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden. Obwohl die bisherigen Feststellungen nur unvollständig und in den vorhandenen Teilen (Annahme eines Tötungsvorsatzes und Ausschluss des Rücktritts) ohne Rechtsfehler sind, hebt der Senat das Urteil insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter einheitliche Feststellungen zu ermöglichen. Schäfer Pfister Mayer Gericke Spaniol
12
a) Heimtückisch handelt, wer die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Opfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, Rn. 20; Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16; Urteil vom 9. Januar 1991 – 3 StR 205/90, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; Urteil vom 4. Juli 1984 – 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 383 f.). Heimtückisch tötet auch, wer sein ahnungsloses Opfer zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz angreift, dann aber unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer nicht mehr möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, sodass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (BGH, Urteil vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, Rn. 20; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 20; Beschluss vom 19. Juni 2008 – 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; Urteil vom 9. Dezember 1986 – 1 StR 596/86, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Lauert der Täter seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht mehr darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenübertretenden Täter ausgehende Gefahr erkennt (BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 – 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264). Eine auf früheren Aggressionen beruhende latente Angst des Opfers hebt seine Arglosigkeit erst dann auf, wenn es deshalb im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGH, Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16; Urteil vom 20. Oktober 1993 – 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 368). Die Rechtsprechung hat daher auch bei Opfern, die aufgrund von bestehenden Konfliktsituationen oder früheren Bedrohungen dauerhaft Angst um ihr Leben haben, einen Wegfall der Arglosigkeit erst dann in Betracht gezogen, wenn für sie ein akuter Anlass für die Annahme bestand, dass der ständig befürchtete schwerwiegende Angriff auf ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit nun unmittelbar bevorsteht (vgl.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 576/08
vom
20. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2009,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 15. Juli 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt der Nebenkläger eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte am Tattag erfahren, dass seine 15-jährige Tochter wiederholt vom Nebenkläger sexuell belästigt worden war. Um ihn zur Rede zu stellen, begab sich der Angeklagte noch am selben Abend zu einer Pizzeria in S. , wo jener als Kellner arbeitete. Als der Nebenkläger nach Schließung der Pizzeria an sein in der Nähe abgestelltes Auto getreten war, ging der Angeklagte mit dem Ausruf "Was machst du mit meiner Tochter?" auf ihn los, wobei er spätestens in diesem Moment den Entschluss fasste, ihn zu töten. Hierzu zog er ein Taschenmesser hervor, das er in einer Jackentasche verborgen gehalten hatte, ließ dessen Klinge blitzschnell aufklappen und führte diese mit erheblicher Wucht zwei Mal mit schneidenden Bewegungen gegen Hals und Gesicht seines Gegenübers. Hierbei äußerte der Angeklagte: "Ich bring dich um". Obgleich lebensgefährlich verletzt, gelang es dem Geschädigten, zurück in die ca. 50 Meter entfernte Pizzeria zu rennen und sich dort vor dem Angeklagten, der ihm noch ein Stück nachsetzte und dabei rief: „Läufst du weg“ und „Bastard“, in Sicherheit zu bringen. Durch eine sofortige Notoperation konnte das Leben des Nebenklägers gerettet werden.
3
Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten als heimtückischen Tötungsversuch gewertet, ist aber unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes davon ausgegangen, dass er mit strafbefreiender Wirkung vom Mordversuch zurückgetreten sei und hat ihn deshalb lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Insbesondere weil der Geschädigte noch in der Lage gewesen sei, ohne erkennbare Beeinträchtigungen vom Tatort wegzulaufen, sei nicht auszuschließen, dass der Angeklagte die Lebensgefährlichkeit der von ihm bewirkten Verletzungen nicht erkannt habe. Es liege nicht fern, dass er nach den Messerattacken zu der Auffassung gelangt sei, den Geschädigten genug bestraft zu haben. Zu Gunsten des Angeklagten müsse davon ausgegangen werden , dass er im Moment der Flucht seines Opfers sein Tötungsvorhaben aufgegeben und freiwillig von einer Verfolgung und der von ihm noch für möglich gehaltenen Tatvollendung Abstand genommen habe.
4
2. Die Würdigung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat einen fehlgeschlagenen Versuch rechtsfehlerhaft verneint.
5
a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet schon insofern Bedenken , als es bei der Erörterung des fehlgeschlagenen Versuchs einen fortbestehenden Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang lediglich die Äußerungen des Angeklagten angesichts der Flucht des Nebenklägers und sein Nachtatverhalten berücksichtigt, nicht aber den Umstand, dass der Angeklagte zunächst die Verfolgung des Nebenklägers aufgenommen hatte, was einen fortbestehenden Tötungsvorsatz nahe legt. Dieser Erörterungsmangel hat sich auf die Verneinung eines fehlgeschlagenen Versuchs auch im Ergebnis ausgewirkt, denn das Landgericht hat auf diesen Gesichtspunkt „entscheidend“ abgestellt.
6
b) Darüber hinaus hat das Landgericht die Reichweite des Zweifelssatzes verkannt. Der Zweifelssatz bedeutet nicht, dass von der dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann auszugehen ist, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen (std. Rspr., vgl. BGH StV 2001, 666, 667; NStZ-RR 2003, 166, 168). Unterstellungen zugunsten eines Angeklagten sind vielmehr nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter hierfür reale Anknüpfungspunkte hat (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 243; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 18). Das Landgericht hat festgestellt, dass der Nebenkläger, der jünger und schlanker war als der Angeklagte und trotz der ihm zugefügten Verletzungen noch einige Minuten voll handlungsfähig war, in Todesangst so schnell er konnte losgelaufen war. Danach drängte sich auf, dass der Angeklagte den Nebenkläger auf dem Weg zur Eingangstür der Pizzeria nicht hatte einholen können und deshalb die Verfolgung aufgab. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte bei Aufgabe der Verfolgung noch geglaubt haben könnte, den Nebenkläger einholen zu können, hat das Landgericht nicht festgestellt. Auch für die Annahme, der Angeklagte könne das Gefühl gehabt haben, den Nebenkläger genug bestraft zu haben, ergeben sich aus den festgestellten Tatumständen keine Hinweise. Es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil auf diesen rechtsfehlerhaften Unterstellungen beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt werden. Fischer Roggenbuck Appl Cierniak Schmitt

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 346/11
vom
16. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
16. Februar 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger I. und G. R. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin F. R. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Nebenkläger, die die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 StGB erstreben. Der Angeklagte beanstandet mit seiner wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision sachlichrechtlich die Strafzumessung des Landgerichts. Die Rechts- mittel der Nebenkläger sind zulässig (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO) und begründet. Auch das Rechtmittel des Angeklagten hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts erstach der Angeklagte seine 34-jährige gehörlose Ehefrau am 10. September 2010 um die Mittagszeit in der Küche der ehelichen Wohnung. Im Einzelnen:
3
Zwischen den Eheleuten, die sich seit dem Jahre 1994 kannten und seit 1998 verheiratet waren, kam es nach der Geburt ihrer dritten Tochter (2008) zu einer Verschlechterung des ehelichen Verhältnisses. Dies schrieb der Angeklagte dem Umstand zu, dass seine Ehefrau, die aufgrund ihrer Gehörlosigkeit weitgehend isoliert gelebt hatte, über den damals in der ehelichen Wohnung eingerichteten Internetzugang erstmals die Möglichkeit bekam, ohne größeren Aufwand mit Bekannten und Verwandten zu kommunizieren. Der Angeklagte hielt ihr vor, sie vernachlässige infolge des hierfür betriebenen Zeitaufwands ihre häuslichen Pflichten. Außerdem mutmaßte er, seine Frau unterhalte über das Internet Kontakte mit anderen Männern, um eine außereheliche Beziehung aufzubauen. Hierüber kam es zwischen den Eheleuten häufiger zum Streit. Zweimal alarmierte die Geschädigte bei solchen Auseinandersetzungen die Polizei, die den Angeklagten der Wohnung verwies, worauf dieser in seiner Gartenlaube übernachtete. Stets versöhnten sich die Eheleute aber wieder, und der Angeklagte kehrte in beiden Fällen in die gemeinsame Wohnung zurück.
4
Im Sommer 2010 meinte der Angeklagte, im Verhalten seiner Ehefrau Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass sie sich heimlich mit einem anderen Mann treffe. Als dies die Geschädigte auf Vorhalt des Angeklagten abstritt, kam es erneut zu einem (verbalen) Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte die Ehewohnung verließ und fortan wieder in seiner Gartenlaube nächtigte.

5
Am Tattag suchte der Angeklagte die Ehewohnung auf, traf die Geschädigte indes nicht an. Aus Wut darüber, dass diese - wie er weiterhin glaubte, wofür er aber keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte hatte und was objektiv nicht der Fall war - im Internet Kontakte mit anderen Männern unterhielt, zerstörte er den vorhandenen Router, verließ die Wohnung und ging zur Arbeit. Nachdem die Geschädigte zurückgekehrt war und die Beschädigung bemerkt hatte, rief sie den Angeklagten an, schimpfte über sein Verhalten und forderte ihn auf, den Internetanschluss wieder herzustellen, anderenfalls werde sie die Polizei unterrichten. Daraufhin verließ der Angeklagte seine Arbeitsstelle und fuhr mit seinem Pkw zur Ehewohnung. Auf dem Weg dorthin bemerkte er seine Ehefrau zu Fuß auf der Straße. Sie hatte eine der beschädigten Komponenten des Internetanschlusses in eine Tüte gepackt und sich auf den Weg zur Polizei begeben. Nachdem der Angeklagte seine Frau angesprochen und diese ihm ihre Absicht mitgeteilt hatte, erklärte sich der Angeklagte bereit, den Internetanschluss wieder instand zu setzen. Gemeinsam fuhren beide mit dem Pkw des Angeklagten zur Ehewohnung. Unmittelbar nachdem die Eheleute diese betreten hatten, entstand zwischen ihnen eine verbale Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte seiner Ehefrau deren angebliche Untreue vorhielt. Diese Auseinandersetzung fand in der Küche statt, wobei der Angeklagte stand und seine Ehefrau vor ihm auf einem Stuhl saß.
6
Im Anschluss an eine - "nicht ausschließbar" als Eingeständnis einer außerehelichen Beziehung fehlinterpretierte - Äußerung seiner Frau nahm der Angeklagte aus Wut über deren vermeintliche Untreue einen Küchenstuhl und schlug diesen mit Wucht auf den Kopf seiner ihm - "nicht ausschließbar" - mit dem Oberkörper zugewandten Ehefrau. Nachdem diese daraufhin benommen zu Boden gegangen war, ergriff der Angeklagte ein in der Küche liegendes Messer mit einer Klingenlänge von etwa 35 Zentimetern und stach damit von oben herab wuchtig mindestens fünfzehnmal auf den Brust- und Halsbereich seiner Frau ein. Er wusste, dass er ihr damit Verletzungen beibrachte, die zum Tode führen. Er wollte seine Frau auch töten, um sie für ihre vermeintliche Untreue zu bestrafen. Die Geschädigte verstarb kurze Zeit danach an dem durch die Stichverletzungen hervorgerufenen starken Blutverlust sowie einer Verletzung der rechten Herzkammer.
7
I. Revisionen der Nebenkläger
8
Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB (Heimtücke, Tötung aus niedrigen Beweggründen bzw. um eine andere Straftat zu verdecken) abgelehnt. Während die Verneinung eines Verdeckungsmordes nicht zu beanstanden ist, halten jedenfalls die Gründe, mit denen das Landgericht das Vorliegen des Mordmerkmals niedriger Beweggründe verneint hat, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
Zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe hat das Landgericht ausgeführt , tatauslösend und tatbestimmend sei hier der Umstand gewesen, dass der Angeklagte mutmaßte, seine Frau habe sich einem anderen Mann zugewandt. Da der Angeklagte hierdurch das Wohl seiner Kinder und den Kontakt zu diesen gefährdet sah, sehe sich die Kammer an einer Bewertung der Tatmotivation als "niedrig" gehindert. Diese Begründung berücksichtigt wesentliche Umstände der Tat und der Motivation des Angeklagten nicht.
10
Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat "niedrig" sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Tot- schlag - als verachtenswert erscheinen, bedarf einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 15). Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Dezember2006 - 4 StR 419/06, NStZ-RR 2007, 111; Fischer, aaO, Rn. 19).
11
Danach begegnet die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe seine Ehefrau nicht aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB getötet, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Urteil lässt die erforderliche Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren vermissen. Nicht berücksichtigt hat das Landgericht insbesondere, dass der Angeklagte nach den Feststellungen seine Frau auch getötet hat, um sie für ihre (vermeintliche) Untreue zu bestrafen, und dabei aus Wut über deren vermeintliche Untreue gehandelt hat. Gleichfalls nicht berücksichtigt hat es die für die Einstellung des Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau und deren Lebensrecht bedeutsame Äußerung bei seiner polizeilichen Vernehmung, er habe nach dem Stuhlschlag gedacht, jetzt müsse er ins Gefängnis , dann mache er sie auch "kaputt". Die für das Landgericht wesentliche Annahme, der Angeklagte habe durch die - von ihm vermutete - Hinwendung seiner Ehefrau zu einem anderen Mann das Wohl seiner Kinder gefährdet gesehen , wird demgegenüber durch die Urteilsgründe nicht eindeutig belegt. Entsprechend eingelassen hat sich der Angeklagte nicht. Festgestellt hat das Landgericht insoweit lediglich, dass sich der Angeklagte bei der Zeugin K. zweimal telefonisch nach dem Wohl seiner Kinder erkundigte und bei einem Telefonat zwei Tage vor der Tat zum Ausdruck brachte, er habe Angst, infolge der - damals schon länger bestehenden - Trennung der Eheleute den Kontakt zu seinen Kindern zu verlieren. Woraus das Landgericht entnimmt, der Angeklagte habe durch die - vermutete - Hinwendung seiner Frau zu einem anderen Mann das Wohl seiner Kinder gefährdet gesehen, erschließt sich danach aus den Urteilsgründen nicht.
12
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
II. Revision des Angeklagten
14
Der Strafausspruch des Urteils hält der rechtlichen Nachprüfung auf die Sachbeschwerde nicht stand.
15
Im Rahmen der Strafzumessung ist das Landgericht davon ausgegangen , dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat infolge eines Affektdurchbruchs erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB war. Bei der Bemessung der Strafe im engeren Sinne hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten gleichwohl ohne Einschränkung die "Massivität des Angriffs berücksichtigt, der sich in der Zahl der Stichverletzungen und der Anzahl der geschädigten Organe" gezeigt habe.
16
Diese Erwägung begegnet unter den hier gegebenen Umständen durchgreifenden rechtlichen Bedenken; denn die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann uneingeschränkt strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, soweit ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 375/11 mwN; Fischer, aaO, § 46 Rn. 2). Damit, ob dem Angeklagten die ihm vorgeworfene "Massivität" seines Vorgehens angesichts des in der Beweiswürdigung festgestellten "Affektdurchbruchs im Sinne von § 21 StGB" und der daraus gefolgerten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit uneingeschränkt vorwerfbar ist, setzt sich das Urteil indes nicht auseinander.
17
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
18
1. Der neue Tatrichter wird wiederum prüfen müssen, ob der Angeklagte die Tötung heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB begangen hat. Objektiv heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an.
19
Danach wird zunächst zu klären sein, welcher Angriff des Angeklagten der erste mit Tötungsvorsatz geführte war. Das Landgericht ist zwar - wie sich allein aus der konkurrenz-rechtlichen Würdigung der Tat im angefochtenen Urteil ergibt - davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei dem zunächst geführten Schlag mit dem Stuhl mit Verletzungsvorsatz handelte; indes hat es diese Annahme nicht begründet. Sie versteht sich auch nicht von selbst, da der Schlag nach den bisherigen Feststellungen wuchtig und gegen den Kopf ausgeführt war und zur Folge hatte, dass die zuvor auf einem Stuhl sitzende Geschä- digte benommen zu Boden ging. Danach könnte auch in Betracht kommen, dass der Angeklagte schon zu diesem Zeitpunkt und nicht erst bei Verwendung des Messers mit Tötungsvorsatz handelte.
20
Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, an welchen Zeitpunkt für die Frage der Arglosigkeit des Opfers anzuknüpfen sein wird: Kommt es auf die Lage vor dem Stuhlschlag an, so wird zu bedenken sein, dass ein der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen die Arglosigkeit nicht ausschließen, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 mwN). Wesentlich ist, dass der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Zu bedenken wird auch sein, dass das Opfer auch dann arglos sein kann, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, also sein Opfer etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 mwN). In diesem Zusammenhang wird vorliegend auch in den Blick zu nehmen sein, dass der Angeklagte bei keiner der festgestellten früheren streitigen Auseinandersetzungen - auch nicht bei denen, die einen polizeilichen Einsatz zur Folge hatten - gewalttätig gegen seine Ehefrau vorgegangen war. Deshalb und angesichts der dem Streit vorangegangenen einlenkenden Äußerung des Angeklagten , er werde den angerichteten Schaden beheben, wird zu prüfen sein, ob das (gehörlose) Opfer aufgrund der lediglich verbalen Auseinandersetzung vor der Tat keinen tätlichen Angriff gegen sich erwartete oder einen solchen voraussah und die Geschädigte durch den Schlag mit dem Stuhl möglicherweise völlig überrascht wurde. Dafür könnte vorliegend auch sprechen, dass die Untersuchung der Leiche durch den rechtmedizinischen Sachverständigen keine Hinweise auf Abwehrverletzungen des Opfers erbrachte. Sollte hingegen erst der erste Messereinsatz des Angeklagten, als das Opfer nach dem Stuhlschlag bereits benommen am Boden lag, von dem Tötungsvorsatz getragen worden sein, so wäre zum einen zu bedenken, dass die Benommenheit eines vom Täter geschlagenen Opfers gegen dessen Arglosigkeit sprechen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 1997 - 3 StR 68/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 23 sowie vom 6. Mai 2008 - 5 StR 92/08, NStZ 2008, 569). Zum anderen wird der neue Tatrichter aber auch in den Blick nehmen müssen, dass es für das Mordmerkmal der Heimtücke keinen Unterschied macht, ob ein überraschender Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche - auf Körperverletzung gerichtete - Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234 mwN; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 11; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vgl. auch BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Febuar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
21
2. Der neue Tatrichter wird bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat zu beachten haben, dass das angefochtene Urteil hierzu zum einen nicht völlig eindeutige Feststellungen enthält und zum anderen auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht: Das Landgericht hat einerseits im Sachverhalt festgestellt, der Angeklagte sei "während der Tat in der Lage (gewesen), das Verbotene seines Verhaltens zu erkennen und sich nach dieser Einsicht zu verhalten"; im Rahmen der Beweiswürdigung ist die Kammer - ohne die Auffassung des Sachverständigen hierzu mitzuteilen - andererseits zu dem Ergebnis gekommen, sie habe "nicht auszuschließen" vermocht , dass "die Fähigkeit des Angeklagten, sich gemäß der vorhandenen Einsicht in das Verbotene seines Tuns zu verhalten, infolge eines Affektdurchbruchs im Sinne von § 21 StGB erheblich eingeschränkt" gewesen sei. Für die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit war die - "nicht ausschließbare" - Feststellung des Landgerichts wesentlich, der Angeklagte habe seine Ehefrau - unmittelbar vor dem ersten Angriff auf diese - dahin (miss-)verstanden, dass sie ein außereheliches Verhältnis eingeräumt habe. Diese Feststellung hat keine Tatsachenbasis: Entsprechend eingelassen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht. Die von ihm - bei seiner polizeilichen Vernehmung und im Rahmen der Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen - aufgestellten Behauptungen, seine Ehefrau habe unmittelbar vor der Tat ihm gegenüber jeweils geäußert, sie habe ihn bzw. er habe sie mit einer Geschlechtskrankheit infiziert bzw. sie habe ein außereheliches Verhältnis zu einem anderen Mann eingestanden und in diesem Zusammenhang auch über verschiedene Praktiken beim sexuellen Umgang mit diesem berichtet, hat die Schwurgerichtskammer mit rechtsfehlerfreier Begründung nicht geglaubt. Weiter hat das Landgericht eine Fehlinterpretation von Äußerungen des Opfers vor der Tat durch den Angeklagten zu einer Infektion mit einer Geschlechtskrankheit sowie hinsichtlich der angeblich berichteten Sexualpraktiken mit einem anderen Mann mit ebenfalls tragfähigen Begründungen verneint. Weshalb das Landgericht demgegenüber nicht hat ausschließen kön- nen, dass der Angeklagte "irgendeine Äußerung seiner Frau in dem Sinne fehlinterpretiert haben könnte, sie räume eine außereheliche Beziehung ein", sondern ein solches Missverständnis unterstellt hat, ist nicht ersichtlich. Allein die hierfür gegebene Begründung, dass der Angeklagte schon vor der Tat davon ausgegangen sei, seine Frau habe eine außereheliche Beziehung, trägt jedenfalls die Annahme einer Äußerung der Geschädigten, die der Fehlinterpretation durch den Angeklagten in dem angenommenen Sinne zugänglich wäre, nicht. Danach erweist sich die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe eine Äußerung seiner Ehefrau dahin (miss-)verstanden, dass sie vor der Tat ein außereheliches Verhältnis eingeräumt habe, rechtsfehlerhaft als bloße Vermutung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 4 StR 517/11).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 145/04
vom
20. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juli 2004,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Kempten vom 21. Oktober 2003 mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, und die der Nebenkläger. Die von den Nebenklägern erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig , weil sie nicht ausgeführt wurde (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der Sachrüge beanstanden die Revisionen die Verneinung des Mordmerkmals Heimtücke und erstreben eine Verurteilung wegen Mordes. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gab es zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, Frau B. , wie schon häufiger zuvor , Streit. Sie verließ die Wohnung, schlug die Tür zu und ging bis zum Beginn der in das Erdgeschoß führenden Treppe. Der Angeklagte folgte ihr und holte sie ein. Sie sagte nun zu ihm, daß er gut im Bett sei und ihr im Haushalt helfe, jedoch in der Gesellschaft unmöglich sei. Sie sei etwas Besseres und er nichts. Danach drehte sie sich um und begann, die Treppe hinunterzugehen. Mit einem Angriff des Angeklagten rechnete sie nicht. In der Beziehung war es nie zu Gewalttätigkeiten gekommen. Der ca. 1,85 m große und 90 kg schwere Angeklagte war durch die Worte seiner Lebensgefährtin erregt und wollte diese zunächst zurückhalten. Er packte mit der linken Hand die ca. 1,60 m große Frau, die ihm den Rücken zugedreht hatte, am Hals und würgte sie. Gleichzeitig hielt er ihr mit der rechten Hand den Mund zu und preßte ihren Hinterkopf gewaltsam gegen seine Brust. Als der Angeklagte seine Lebensgefährtin in den Würgegriff genommen hatte, entschloß er sich, sie solange zu würgen, bis sie tot sei. Unter Ausnutzung seiner körperlichen Überlegenheit würgte er sie mindestens eine Minute lang, bis sie entsprechend seiner Absicht verstorben war. Abwehrverletzungen wurden beim Tatopfer nicht festgestellt. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe sie nur festhalten und nicht töten wollen. 2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Totschlag gewertet. Das Vorliegen von Mordmerkmalen, insbesondere von Heimtücke, hat es ausgeschlossen. Zwar sei die Frau objektiv arglos gewesen und habe mit einem Angriff des Angeklagten nicht gerechnet, als sie die Treppe hinuntergehen wollte. Es gebe jedoch keinen Nachweis dafür, daß der Angeklagte diese Arglosigkeit
bewußt zur Tötung ausgenutzt habe. Vielmehr sei die Kammer überzeugt, daß der Angeklagte den Tötungsvorsatz erst gefaßt habe, als er die Frau gepackt hatte. Zu diesem Zeitpunkt sei sie dann nicht mehr arglos gewesen. Die Hauptverhandlung habe auch nicht ergeben, daß es vor der Tat zu keinem Wortwechsel gekommen, der Angeklagte der arglosen Frau von der Wohnung bis zur Treppe nur nachgeschlichen sei und diese dann, ohne irgendeine Vorwarnung , erwürgt habe.

II.

Diese Erwägungen sind rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht den festgestellten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt und ohne hinreichende Begründung ein bewußtes Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit durch den Angeklagten verneint hat. 1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewußt zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, daß der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 m.w.Nachw.). Das Opfer muß gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384). Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, daß keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs.
2. An diesen Maßstäben gemessen, hält die Bewertung des Landgerichts zur subjektiven Tatseite rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der erste Angriff auf das Opfer war hier ein Würgegriff von hinten an den Hals. Ein solcher verbunden mit dem gleichzeitigen Zuhalten des Mundes und gewaltsamen Pressen des Hinterkopfes gegen die Brust stellt nach seinem objektiven Erscheinungsbild einen tätlichen Angriff auf das Leben dar. Beweisanzeichen dafür, daß der Angeklagte diese Vorgehensweise gewählt hat, um Frau B. zurückzuhalten, lediglich am Weggehen zu hindern, hat das Landgericht nicht festgestellt. Das äußere Tatgeschehen, das in Fallgestaltungen der vorliegenden Art besonderen Beweiswert für die subjektive Tatseite hat, legt vielmehr den Schluß nahe, daß dieser Angriff mit Tötungsvorsatz erfolgte , zumal der Angeklagte Frau B. dann auch tatsächlich erwürgt hat. Sich dazu aufdrängende Darlegungen fehlen. Ferner sieht das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, er habe seine Lebensgefährtin nur festhalten und nicht töten wollen, insoweit als widerlegt an, als er ab Beginn des Würgevorgangs mit direktem Tötungsvorsatz handelte, nicht aber beim Setzen des Würgegriffes. Bei einem derart massiven einheitlichen tätlichen Angriff hätte erörtert werden müssen, warum das Landgericht nicht von einer einheitlichen Motivation ausgegangen ist. Im übrigen läßt der festgestellte Geschehensablauf eine zeitliche Zäsur dahingehend nicht erkennen, daß das Opfer den Angriff auf sein Leben erkannt hätte, als der Angeklagte den Tötungsvorsatz faßte, und ihm deshalb auch noch hätte ausweichen können, somit nicht arglos gewesen sei.
b) Selbst wenn der Angeklagte den Tötungsvorsatz erst gefaßt haben sollte, als er Frau B. in den Würgegriff genommen hatte, so schließt dies
die Arglosigkeit seines Opfers nicht von vornherein aus. Wie bereits oben ausgeführt , ist das Merkmal der Arglosigkeit auch dann gegeben, wenn bei offen feindseligem Verhalten das Opfer die Tötungsabsicht noch im letzten Augenblick erkennt, aber nicht mehr reagieren kann. Dabei macht es keinen Unterschied , ob der überraschende Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird, oder ob der ursprüngliche Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, daß der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Der vorausgegangene Wortwechsel beseitigte hier nach der Überzeugungsbildung des Landgerichts die Arglosigkeit des Opfers nicht. Es wurde vielmehr durch den ersten tätlichen Angriff von hinten in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran gehindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen, was die fehlenden Abwehrverletzungen bestätigen.
c) Für das bewußte Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, daß der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfaßt, daß er sich bewußt ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003, 535). Wenn der Angeklagte seine Lebensgefährtin in der beschriebenen Art und Weise von hinten packte, der gegenüber er trotz vieler Streitigkeiten noch nie Gewalt ausgeübt hatte, liegt die Annahme nahe, daß er sich des überraschenden Angriffs bewußt war. Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es ein Ausnutzungsbewußtsein verneint, sind nur auf dem Hintergrund der zeitlichen Einordnung des Tötungsvorsatzes und der daraus folgenden rechtsfehlerhaften Bewertung der Arglosigkeit nachvollziehbar. Daraus hat das Landgericht nicht tragfähige Schlüsse auf das Ausnutzungsbewußtsein gezogen. Der Annahme
eines solchen steht auch die Erregung des Angeklagten nicht entgegen. Das Landgericht hat nicht festgestellt, daß der Angeklagte die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände aufgrund seiner Erregung nicht in sein Bewußtsein aufgenommen hat. 3. Bei dieser Sachlage liegt Mord in der Begehungsform der Heimtücke nahe. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf