Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2014 - 4 StR 168/14

bei uns veröffentlicht am04.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR168/14
vom
4. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 17. Januar 2014 aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen zu Ziffer II. der Urteilsgründe aufrecht erhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers H. Y. und dessen Sohn B. A. , sowie der Zeugin D. E. hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Am 17. März 2013 wartete der Angeklagte mit seinem Pkw Ford Galaxy vor einer Rotlicht zeigenden Ampel an einer Kreuzung im Stadtgebiet von . Als er auf dem Gehweg der kreuzenden Straße den Nebenkläger M. E. in Begleitung seiner schwangeren Ehefrau D. E. und den Nebenkläger H. Y. mit seinem 7-jährigen Sohn B. A. erblickte, fasste er aus Verärgerung über die Nebenkläger, die in der Vergangenheit seine von ihm getrennt lebende Ehefrau unterstützt hatten, spontan den Entschluss in diese Personengruppe hineinzufahren und diese zu verletzen. Nachdem die Lichtzeichenanlage auf Grün geschaltet hatte, beschleunigte der Angeklagte auf die größtmögliche Geschwindigkeit, bog in die querende Straße ein und lenkte sein Fahrzeug nach einer weiteren Kurvenfahrt mit einer Geschwindigkeit von noch mindestens 16,6 km/h mittig auf die Personengruppe zu, die sich zu diesem Zeitpunkt in Höhe einer Tankstelleneinfahrt befand. Ihm war dabei bewusst, dass es bei einem Zusammenprall der Personen mit seinem Pkw zu erheblichen Verletzungen kommen würde. Solche Verletzungen wollte er bei den Nebenklägern, weil er sie für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich hielt; bezüglich D. E. und B. A. nahm er sie zumindest billigend in Kauf. Die Nebenkläger konnten im letzten Augenblick zur Seite springen und ihre jeweiligen Begleiter wegziehen. Dabei flüchtete M. E.
mit seiner Ehefrau nach vorne, während H. Y. seinen Sohn nach hinten wegzog. Allein aufgrund dieser schnellen Reaktion blieben alle vier Personen unverletzt.
5
Der Angeklagte bremste seinen Wagen ab und setzte kurz in Richtung des Nebenklägers Y. und dessen Sohn B. A. zurück. Dann fuhr er stark beschleunigend in Richtung des Nebenklägers M. E. , der auf den Tankstellenshop zugerannt war. Als M. E. hinter einem stehenden Auto an einer Zapfsäule Zuflucht gefunden hatte, stoppte der Angeklagte seinen Wagen. Sein Vorhaben, die Nebenkläger M. E. und H. Y. zu überfahren und dadurch zu verletzen, ließ sich nun nicht mehr umsetzen, weil sich beide in Sicherheit gebracht hatten.
6
b) Das Landgericht hält einen Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 StGB für nicht gegeben, weil der Angeklagte an der weiteren Tatausführung gehindert gewesen sei. Ein „weiteres Zufahren auf die Geschädigten nach vorne“ sei ihm nicht mehr möglich gewesen, weil der Weg durch die Zapfsäule der Tankstelle versperrt gewesen sei. Da sich die Geschädigten mittlerweile aus dem Einfahrtsbereich entfernt hätten, habe auch durch ein Zurücksetzen oder ein sonstiges Fahrmanöver eine weitere Tatbegehung keinen Erfolg mehr versprochen (UA 33).
7
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei von dem Versuch der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers H. Y. und der Geschädigten B. A. und D. E. nicht zurückgetreten , wird von den Feststellungen nicht getragen.
8
a) Ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 StGB scheidet aus, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; Urteil vom 10. April 1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56). Ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, ist für jedes im Versuchsstadium stecken gebliebene Delikt ungeachtet der konkurrenzrechtlichen Bewertung gesondert zu prüfen (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2014 – 1 StR 367/13, Rn. 13; Urteil vom 23. Mai 2012 – 5 StR 54/12, NStZ 2012, 562). Von einem fehlgeschlagenen Versuch ist auszugehen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Gleiches gilt, wenn eine Tatvollendung objektiv zwar noch möglich ist, der Täter diese aber subjektiv nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393), sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240 mwN). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das zur revisionsrechtlichen Prüfung unerlässliche Vorstellungsbild des Angeklagten nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 – 4 StR 82/14, Rn. 5; Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274).
9
b) Bei der Prüfung, ob ein fehlgeschlagener Versuch einer gefährlichen Körperverletzung vorlag, hat das Landgericht ausschließlich auf den Zeitpunkt abgestellt, als M. E. sich vor dem stark beschleunigend auf ihn zufahrenden Pkw hinter einem Fahrzeug in Sicherheit bringen konnte. Damit ist das Landgericht zwar rechtsfehlerfrei von einem Scheitern der Tatvollendung in Bezug auf M. E. ausgegangen. Es hat aber außer Acht gelassen, dasses für die Prüfung, ob auch in Bezug auf die weiteren Tatopfer ein fehlgeschlagener Versuch vorlag, nicht auf diesen Zeitpunkt, sondern auf die Vorstellungen und Möglichkeiten des Angeklagten nach der letzten gegen sie gerichteten Ausführungshandlung ankam. Dazu wurden keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
10
In Bezug auf die nach hinten ausgewichenen H. Y. und B. A. bleibt bereits offen, welches Fahrmanöver als letzte gegen diese Personen gerichtete Ausführungshandlung anzusehen war. Die Feststellungen lassen nicht erkennen, ob es sich bei dem Zurücksetzen des Fahrzeugs in deren Richtung noch um eine Fortsetzung des mit dem Hineinfahren in die Personengruppe begonnenen Versuchs einer gefährlichen Körperverletzung handelte. In diesem Fall wäre für die Bewertung des Rücktrittshorizonts nicht auf den Erkenntnisstand des Angeklagten nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs (Hineinfahren in die Personengruppe), sondern auf sein – gleichfalls nicht festgestelltes – Vorstellungsbild nach dem Abbruch dieses Fahrvorgangs abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, Rn. 3; Urteil vom 10. April 1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 58).
11
Auch hinsichtlich der Möglichkeiten und Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf die Herbeiführung einer Tatvollendung zum Nachteil von D. E. sind auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts verlässliche Rückschlüsse auf einen Fehlschlag des Versuchs nicht möglich. Die Urteilsgründe teilen schon nicht mit, wo sich D. E. nach dem Hineinfahren in die Personengruppe aufhielt und ob sie sich vor weiteren Angriffen in Sicherheit gebracht hatte.

II.


12
Der aufgezeigte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils insgesamt , obgleich die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) und wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) zum Nachteil des Nebenklägers M. E. an sich rechtsfehlerfrei erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Da das Urteil nur Lücken zum Rücktrittshorizont des Angeklagten in Bezug auf die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der drei weiteren Tatopfer aufweist, können die im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Vortatgeschehen (II.1. der Urteilsgründe), zum Tagesablauf bis zum Tatgeschehen (II.2.a der Urteilsgründe) und zum unmittelbaren Tatgeschehen (II.2.b der Urteilsgründe) bestehen bleiben. Der neue Tatrichter wird daher lediglich ergänzende, zu den aufrecht erhaltenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen zu den Möglichkeiten und den Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf eine Tatvollendung zum Nachteil des Nebenklägers Y. , des B. A. und der D. E. nach der jeweils letzten Ausführungshandlung zu treffen haben.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

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(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 6 7 / 1 3
vom
27. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Februar 2014 beschlossen
:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung
der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil
des Landgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2012 auf seine
Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil
wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie
die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es Entscheidungen im Adhäsionsverfahren getroffen.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf zahlreiche Verfahrensrügen sowie die näher ausgeführte Sachrüge stützt. Darüber hinaus begehrt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Begründung der Revision.
3
Dem Angeklagten war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 StPO) zu gewähren. Seine Revision ist jedoch unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.


4
Dem Wiedereinsetzungsgesuch liegt folgendes Geschehen zugrunde:
5
Nachdem der Angeklagte durch einen seiner beiden Verteidiger, Rechtsanwalt Sc. , fristgerecht Revision eingelegt hatte, wurde dem Angeklagten das Urteil am 13. April 2013 zugestellt. Bis zum Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO am 13. Mai 2013 ging keine Revisionsbegründung ein. Am 23. Mai 2013 bat der weitere Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt N. , um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist und holte die bis dahin fehlende Begründung mit Schriftsatz vom 27. Mai 2013 u.a. mit der Erhebung zahlreicher Verfahrensrügen nach. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat Rechtsanwalt N. unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vorgetragen, aufgrund einer bei ihm zwischen dem 8. und dem 18. Mai 2013 bestehenden, durch eine Zahnerkrankung bedingten Arbeitsunfähigkeit an der rechtzeitigen Erstellung der Revisionsbegründung gehindert gewesen zu sein.
6
Die Wiedereinsetzung war zu gewähren, weil der Angeklagte ohne sein Verschulden daran gehindert war, innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO sein Rechtsmittel unter Einschluss der zahlreichen Verfahrensrügen zu begründen. Wie der Senat bereits entschieden hat (Senat, Beschluss vom 14. August 1984 – 1 StR 322/84, NStZ 1985, 204), rechtfertigt eine kurz vor Ablauf der Begründungsfrist eintretende Erkrankung des mit der Revisionsbegründung beauftragten Rechtsanwaltes ausnahmsweise die hier begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung (Nachholung) von Verfahrensrügen.

II.


7
Die Revision des Angeklagten bleibt allerdings ohne Erfolg. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. September 2013 zutreffend dargelegten Gründen nicht durch. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat – ebenfalls aus den dort genannten Gründen – keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
RiBGH Dr. Wahl ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Raum Rothfuß Jäger Radtke
5 StR 54/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 23. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
23. Mai 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8. September 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall 5 der Urteilsgründe wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition verurteilt worden ist, sowie im Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Teilfreisprechung wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Zuhälterei, wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition, wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Zuhälterei und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe unter Einbeziehung der Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf vom 7. Dezember 2009 zu einer einheitlichen Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung sichergestellter Waffen und Munition sowie von Betäubungsmitteln angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Schuldspruch im Fall 5 der Urteilsgründe beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Sie führt insoweit zur Urteilsaufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
2
1. Das Landgericht hat zu dem von der Revision der Staatsanwaltschaft allein noch betroffenen Fall 5 der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Die Zeugen Fa. , K. und G. besichtigten Ende Mai 2010 vor dem Wohnhaus des K. einen Unfallschaden am VW Phaeton des G. . Sie standen am Fahrbahnrand an der Fahrerseite des Pkw, Fa. bei der Motorhaube, K. in der Mitte und G. in der Höhe des Kofferraums. In diesem Augenblick stoppte ein schwarzer Geländewagen in Höhe des Phaeton. Der Angeklagte saß auf der Rückbank hinter dem Fahrersitz. Gesteuert wurde das Fahrzeug von einem unbekannten Mittäter. Der Angeklagte gab durch das geöffnete Seitenfenster aus einer Entfernung von einem bis zwei Metern mit einer scharfen Waffe mehrere Schüsse auf die Zeugen ab. Er nahm dabei wenigstens die Tötungvon Fa. und K. zumindest billigend in Kauf.
4
Bei der Schussabgabe oder kurz davor sprang Fa. in geduckter Haltung über die Motorhaube des Phaeton hinweg, lief eine Treppe zum tiefer gelegenen Eingang des Hauses hinunter und brachte sich so vor weiteren Schüssen in Sicherheit. K. und G. verblieben hingegen am Fahrzeug und duckten sich ab oder warfen sich auf den Boden. Ein Schuss traf die Rückleuchte des Phaeton, ein weiterer schlug in einer Höhe von 140 bis 143 cm im Bereich der B-Säule ein. Verletzt wurde niemand.
5
Der Angeklagte bemerkte, dass er nicht getroffen und dass sich K. vor dem Geländewagen abgeduckt hatte. Trotz freier Schussbahn auf kurze Distanz sah er von weiteren Schüssen ab. Unmittelbar nach der Schussabgabe fuhren der Angeklagte und sein Mittäter vom Tatort weg. Der gesamte Vorfall dauerte nur wenige Sekunden.
6
b) Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte vom unbeendeten Versuch des Mordes an den Zeugen K. und Fa. strafbefreiend nach § 24 StGB zurückgetreten sei. Weil sich das Geschehen nicht in Einzeltaten aufgliedern lasse, sei der Sachverhalt auch im Rahmen des Rücktritts einheitlich zu beurteilen; es sei daher nicht möglich, im Hinblick auf K. einen Rücktritt vom Versuch anzunehmen und im Hinblick auf Fa. einen Rücktritt zu verneinen (UA S. 48). Es hat den Angeklagten lediglich wegen Waffendelikten verurteilt.
7
2. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben. Das Landgericht hat einen Rücktritt vom (unbeendeten) Versuch des Mordes auch zum Nachteil des Zeugen Fa. angenommen, ohne insoweit die Rechtsfigur des fehlgeschlagenen Versuchs näher zu erörtern.
8
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme natürlicher Handlungseinheit. Schießt der Täter – wie hier – innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur auf mehrere Personen, so ist trotz der Beeinträchtigung höchstpersönlicher Rechtsgüter eine Tat anzunehmen; denn eine Aufspaltung in selbständige Einzeltaten erschiene wegen des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2000 – 5 StR 323/00, NStZ-RR 2001, 82 mwN). Jedoch hat die Jugendkammer verkannt, dass dann nicht etwa ein einheitliches (versuchtes) Tötungsdelikt, sondern mehrere tateinheitlich verwirklichte (versuchte) Tötungsdelikte gegeben sind (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 109 mwN). Es versteht sich von selbst, dass die Voraussetzungen des Rücktritts nach § 24 StGB unter solchen Vorzeichen hinsichtlich jedes im Versuchsstadium stecken gebliebenen Tötungsverbrechens gesondert zu prüfen sind.
9
Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die Annahme eines unbeendeten Versuchs und einer freiwilligen Aufgabe der Tat zwar hinsichtlich des Zeugen K. auf einer jedenfalls nicht durchgreifend rechtlich fehlerhaften Würdigung beruht, nicht aber hinsichtlich des Zeugen Fa. . Ausweislich der Urteilsfeststellungen hatte Fa. Verdacht geschöpft, war im Augenblick der Schussabgabe oder kurz zuvor über die Motorhaube des Phaeton gesprungen und hatte sich im Eingangsbereich des Wohnhauses in Sicherheit gebracht, weswegen ihn der Angeklagte im Falle weiteren Schießens nicht mehr zu treffen vermochte (UA S. 48). Damit war zwingend zu prüfen, ob hinsichtlich dieses Zeugen ein fehlgeschlagener Versuch gegeben ist, von dem der Angeklagte nicht mehr hätte zurücktreten können (vgl. Fischer, aaO, § 24 Rn. 7 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
10
b) Obwohl die Feststellungen namentlich zum Tötungsvorsatz und zur Heimtücke sowie betreffend die Waffendelikte an sich rechtsfehlerfrei getroffen sind, hebt der Senat das Urteil im allein angefochtenen Fall 5 insgesamt auf. Der durch die rechtsfehlerhafte Annahme umfassenden Rücktritts nicht beschwerte Angeklagte hatte keinen Anlass, mit seiner Revision den bislang getroffenen Feststellungen entgegenzutreten. Die Verteidigerin hat die Möglichkeit abweichender Feststellungen, die auch hinsichtlich des Zeugen Fa. keinen Fehlschlag belegen würden, in den Raum gestellt. Zudem sollen dem neu entscheidenden Tatgericht im Hinblick auf von der Staatsanwaltschaft beanstandete Schwächen und Unschärfen der Urteilsdarlegungen in sich stimmige Feststellungen auf der Grundlage einer neuen Beweiswürdigung ermöglicht werden.
11
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des gesamten auf die Anwendung von Jugendstrafrecht gestützten Strafausspruchs nach sich. Die neu entscheidende Jugendkammer wird eingehend zu prüfen haben, ob auf die Taten des Angeklagten Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Gegen die im angefochtenen Urteil vorgenommene Wertung (UA S. 51 ff.) kann sprechen, dass der Angeklagte, der sich vom Elternhaus gelöst hat, schon seit geraumer Zeit vor den verfahrensgegenständlichen Taten als Zu- hälter tätig gewesen ist und im Rotlichtmilieu offensichtlich durchaus „seinen Mann gestanden hat“.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 346/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
die Nebenklägerin in Person – in der Hauptverhandlung
–,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 17. Februar 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe des versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Er hat jedoch die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Fall II. 2 a)
4
Der Angeklagte und die Nebenklägerin waren seit Ende 2010 befreundet und empfanden „tiefe, intensive Gefühle“ füreinander. Da der Angeklagteje- doch von heftiger Eifersucht und starken Verlustängsten geplagt wurde, verlief die Beziehung konfliktgeladen und wurde schließlich von der Nebenklägerin in der zweiten Juni-Hälfte 2011 vorübergehend beendet. In der Folgezeit entwickelte der Angeklagte immer heftigere Rachegelüste und fand zunehmend Gefallen an einem englischsprachigen Liedtext eines Rappers, der von der Tötung einer Ex-Freundin handelte (UA S. 10, 14). Nachdem ihm eine Aussöhnung aussichtslos erschien, sann der Angeklagte darauf, „die Nebenklägerin fertig zu machen“ (UA S. 15). Zu diesem Zweck redete er immer wieder auf den Zeugen T. ein, ihm dabei behilflich zu sein, die Nebenklägerin bei passender Gelegenheit „abzufüllen“ und sie – entlang einer Straße gehend – vor sein Auto zu stoßen, damit es wie ein Unfall aussähe. Der Zeuge T. , der das wiederholte Ansinnen schließlich ernst nahm, ging darauf jedoch nicht ein. Im Verlauf des 29. Juni 2011 tauschte sich der Angeklagte mehrmals mit dem Zeugen T. über das Internet-Chat-Forum ICQ aus und äußerte, dass er kurz vor dem Ausrasten sei und die Nebenklägerin „am liebsten echt umbringen“ würde. Der Zeuge T. solle dies jedoch niemandem erzählen. Am Abend desselben Tages traf der Angeklagte auf der Geburtstagsfeier einer Bekannten erstmals nach der Trennung auf die Nebenklägerin. In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 2011 entwickelte sich ein lautstarkes Wortgefecht, bei dem sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wechselseitig anschrien. Dabei äußerte der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin, er werde sie „umbrin- gen“ (UA S. 17). Nachdem es den weiteren Partygästen gelungen war, den An- geklagten zu beruhigen, brachte ihn die Mutter der Gastgeberin nach Hause.
5
Am späten Abend des 30. Juni 2011 fuhr er sodann zwischen 23.00 und 24.00 Uhr mit dem VW Polo seines Stiefvaters in Begleitung der Zeugen P. und F. zu einer Diskothek in G. und stellte das Fahrzeug – vorwärts einparkend – im Parkflächenbereich in der ersten oder zweiten Haltebucht ab, die rechts neben der kombinierten Ein- und Ausfahrt liegt. Etwa ein bis zwei Fahrzeuglängen hinter den Parkbuchten verläuft ein ca. zehn Zentimeter breiter und ca. acht Zentimeter hoher Pflastersockel, der die Parkfläche von einem Fahrstreifen für einen Drive-in-Schnellimbiss abtrennt. Zur Straßenseite hin wird das Areal durch einen etwa zwei Meter breiten Grünstreifen begrenzt. Kurz nach Mitternacht traf der Angeklagte auf die Nebenklägerin, die die Diskothek in Begleitung des Zeugen T. verließ. In unmittelbarer Nähe des geparkten Fahrzeugs kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin mit wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen. Schließlich versetzte die Nebenklägerin dem Angeklagten eine Ohrfeige und beschloss wegzugehen. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer seines Fahrzeugs, in dem auch die Zeugen P. und F. Platz nahmen. Er beobachtete , wie sich die Nebenklägerin in Richtung der Ein-/Ausfahrt wandte. Voller Wut und Verzweiflung entschloss er sich in diesem Augenblick, die Nebenklägerin zu töten, was er gegenüber seinen Begleitern mit den Worten ankündigte „Ich fahrdie J. jetzt um“, „Ich bring sie um“, „Ich glaub, ich bring sie jetzt um“. Demgemäß starteteer – während die Nebenklägerin die ersten Schritte in Richtung der Ein-/Ausfahrt machte – den Motor und fuhr sogleich an, „um sie rückwärtsfahrend umzufahren und hierdurch zu Tode zu bringen“. Als der Zeuge P. dies erkannte, packte er den Angeklagten sofort mit den Worten „Bist du bescheuert? Du hast sie nicht mehr alle!“ so heftig und unvermittelt am Arm, dass er ihn hierdurch am Weiterfahren hinderte. Nach einem starken Ruckeln – vergleichbar einem Abwürgen des Motors bei laufender Fahrt – stand das Fahrzeug sogleich wieder still. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeugheck – ohne Fahrtrichtungsänderung – „nur kurz hinter der Parkbucht“ (UA S. 20). Nunmehr trat der Zeuge T. an das stehende Fahrzeug heran und verwickelte den Angeklagten in ein Gespräch. In der Zwischenzeit hatte die Nebenklägerin über die Ein-/Ausfahrt bereits das Parkgelände verlassen und befand sich – für den Angeklagten nicht einsehbar – auf dem Bürgersteig. Durch die Büsche des Grünstreifens erblickte sie das stehende Fahrzeug und setzte ihren Weg fort. Auf der Rückfahrt machte der Angeklagte dem Zeugen P. wegen des Eingreifens beim Rückwärtsfahren Vorhaltungen und kündigte (vorübergehend) die Freundschaft auf; außerdem stellte er Überlegungen an, die Nebenklägerin bei anderer Gelegenheit mit tödlichem Ausgang zu überfahren. Im Verlauf des 1. Juli 2011 suchte er im Internet nach Methoden, die Nebenklägerin mittels Schreckschusspistole zu töten (UA S. 21).
6
Fall II. 2 b)
7
Am Nachmittag des 2. Juli 2011 begegnete der Angeklagte der Nebenklägerin auf der Kirmes in K. . Gegen 19.00 Uhr bat er sie um ein VierAugen -Gespräch abseits des Kirmes-Geländes. Der Angeklagte hatte auf der Kirmes dem Alkohol zugesprochen, ohne dass seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB herabgesetzt war. Es kam erneut zum Streit, wobei der Angeklagte die Nebenklägerin zunächst schubste und an den Händen packte. Gleichwohl gelang es ihr, den Angeklagten zu ohrfeigen. Daraufhin griff dieser noch fester zu, weshalb die Nebenklägerin versuchte, ihm in den Schritt zu treten. Voller Zorn beschloss der Angeklagte nunmehr, die Nebenklägerin an Ort und Stelle bis zum Tode zu würgen. Er brachte sie zu Fall, ergriff mit beiden Händen ihren Hals und drückte mit ganzer Kraft zu, so dass sie schließlich das Bewusstsein verlor. Als der Angeklagte glaubte, der Todeseintritt stehe unmittelbar bevor, schoss ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass die Nebenklägerin neben seiner Mutter die wichtigste Frau in seinem Leben sei. Daraufhin konnte er die Tat nicht mehr „durchziehen“ und ließ von der Geschädigten ab, die bald darauf wieder zu Bewusstsein kam (UA S. 22).
8
Fall II. 2 c)
9
Als die Nebenklägerin dem Angeklagten anlässlich einer weiteren Aussprache am 13. Juli 2011 eröffnete, mit dem Zeugen T. eine intime Beziehung eingegangen zu sein, ergriff der Angeklagte aus Wut und Eifersucht ein Küchenmesser mit einer ca. 20 Zentimeter langen Klinge und stürmte mit dem lauten Ruf „Missgeburt, ich stech dich ab“ aus dem Haus in Richtung des Zeu- gen T. , um diesen einzuschüchtern und davon zu jagen (UA S. 29).

II.


10
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Sie sind unzulässig. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs.
11
1. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags (Fall II. 2 a der Urteilsgründe ) weist keinen Rechtsfehler auf.
12
a) Das Landgericht hat sich ohne Lücken, Denkfehler oder Widersprüche auf Grund einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände von der Ernsthaftigkeit der Tötungsabsicht des Angeklagten überzeugt. Es hat sich umfassend mit den Umständen des Tatgeschehens, der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt, seiner Tatmotivation und sowie seinem Vor- und Nachtatverhalten auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, NStZ 2012, 1524, 1525 ff.). Insbesondere die nachhaltige Einwirkung auf den Zeugen T. vor dem 29. Juni 2011 („fingierter Verkehrsunfall“), der Verlauf der ICQ-ChatProtokolle vom 29. Juni 2011, die Todesdrohungen auf der Geburtstagsparty am 30. Juni 2011 und das Würgen der Geschädigten bis zur Bewusstlosigkeit am 2. Juli 2011 rechtfertigen die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte am 1. Juli 2011 in Tötungsabsicht handelte, als er „voller Wut und Ver- zweiflung“ das Überfahren der Nebenklägerin ankündigte und seinen Pkw star- tete. Das Gesamtverhalten des Angeklagten wurde von einem stets präsenten „intentionalen Spannungsbogen“ überwölbt, der Nebenklägerin nicht nur mit Worten zu drohen, sondern dies auch umzusetzen (UA S. 52).
13
b) Das Handeln des Angeklagten hat auch bereits die Schwelle zum Versuch (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) überschritten.
14
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden, die mithin – aus der Sicht des Täters – das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr bringen. Dementsprechend erstreckt sich das Versuchsstadium auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tat- bestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 26. August 1986 – 1 StR 351/86, BGHR StGB § 22 Ansetzen 5; Beschluss vom 11. Juni 2003 – 2 StR 83/03, BGHR StGB § 22 Ansetzen 31; Beschluss vom 27. September 2011 – 4 StR 454/11, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte , als er in Tötungsabsicht mit seinem Pkw rückwärts auf die Nebenklä- gerin zufuhr, die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und hierdurch unmittelbar zur Verwirklichung seines Tötungsvorhabens angesetzt. Denn zwischen ihm und der Nebenklägerin befand sich kein Hindernis mehr, so dass er das Tatopfer nach seiner Vorstellung aus der Parkbucht heraus ohne weitere Zwischenakte „in einem Zug“ überfahren konnte.
15
c) Das Landgericht musste sich nicht zu der Prüfung gedrängt sehen, ob der Angeklagte vom Versuch des Totschlags gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB zurückgetreten ist. Hinsichtlich des Geschehens auf dem Parkplatz der Diskothek liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein strafbefreiender Rücktritt von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Davon ist auch das Landgericht ersichtlich ausgegangen (UA S. 3, 20, 45 f.).
16
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Beschluss vom 7. Februar 2008 – 5 StR 402/07; Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Fehlschlagen des Versuchs auszugehen. Objektiv hat der festgestellte Geschehensablauf auf dem Parkplatzgelände durch das Eingreifen des Zeugen P. , das den abrupten Stillstand des Tatfahrzeugs zur Folge hatte und nach dem Hinzutreten des Zeugen T. dazu führte, dass die Nebenklägerin sich aus dem Sichtfeld des Angeklagten entfernen konnte, eine Zäsur erfahren. Durch das Eingreifen der Zeugen P. und T. war der Angeklagte gehindert, der Nebenklägerin nachzusetzen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen.
17
2. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann der Angeklagte nur wegen Versuchs (§ 315 b Abs. 2 StGB) verurteilt werden.
18
Durch das Eingreifen des Zeugen P. kam das vom Angeklagten geführte Kraftfahrzeug unmittelbar nach dem Anfahren abrupt wieder zum Stillstand, während die Nebenklägerin „die ersten SchritteRichtung Ein-/Ausfahrt machte“ (UA S. 20). Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat der Angeklagte angegeben , die Nebenklägerin sei etwa zehn Meter entfernt gewesen, als er losgefahren sei (UA S. 35, 47). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist somit der tatbestandliche Erfolg, nämlich eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB, nicht eingetreten. Dass der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs bereits zu einer kritischen Situation im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ geführt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2010 – 4 StR 506/09, NStZ 2010, 572, 573, und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BeckRS 2012, 07957 Tz. 12), ist durch die Feststellungen nicht belegt. Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt auch hier nicht vor.
19
Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
20
Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht in Frage gestellt; der Erziehungsbedarf des Angeklagten besteht unabhängig von der rechtlichen Einordnung des ohnehin bloßen Gefährdungsdelikts als versuchte oder vollendete Tat, zumal der Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens des Angeklagten durch den tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuch geprägt ist.

III.


21
Mutzbauer Cierniak Bender
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 541/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu Ziff. 1. versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung
zu Ziff. 2. Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 22. März 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 29. Juli 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung zweier jugendgerichtlicher Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten, die Angeklagte W. wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Angeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Adhäsionsantragstellerin H. 1.000 € zu zahlen. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie jeweils die Verletzung sachlichen Rechts rügen, haben Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen die Angeklagten am 7. Februar 2011 gegen 1.30 Uhr mit einem Pkw durch die Gegend zu fahren, nachdem sie den Abend mit weiteren Personen, unter anderem mit der Zeugin H. , in einer Wohnung in H. verbracht und gemeinsam verschiedene Drogen konsumiert hatten. Sie forderten die später geschädigte Zeugin H. , eine ehemalige Freundin des Angeklagten S. , auf, sie zu begleiten. Gemeinsam mit zwei weiteren Zeugen fuhren sie zunächst nach G. . Während der Angeklagte S. den Pkw lenkte, saß die Angeklagte W. auf dem Beifahrersitz, die drei Zeugen nahmen im Fond Platz. Während der Fahrt wurde die Zeugin H. von beiden Angeklagten massiv beleidigt.
3
Nach der Rückkehr in H. stiegen die zwei Zeugen aus, und die Angeklagten fuhren allein mit der zu diesem Zeitpunkt bereits eingeschüchterten Zeugin H. weiter nach W. . Dort wurde diese für etwa eine halbe Stunde an einem Kiosk abgesetzt, da beide Angeklagten eine Zeitlang ungestört sein wollten. Die Geschädigte, die – noch immer unter Drogeneinfluss – allein im Dunkeln stand und Angst hatte, bat die Angeklagten telefonisch darum , sie wieder abzuholen, was auch geschah. Nachdem die Zeugin H. im Fond hinter dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, begannen die Angeklagten erneut, mit ihr zu streiten und sie zu beleidigen.
4
Während der Fahrt holte der Angeklagte S. plötzlich ein im Pkw befindliches Messer hervor, schaltete das Licht im Fahrzeuginneren ein und hielt das Messer mit den Worten „Ich bin D. . Ich bringe dich um!“ mit der rechten Hand hoch, wobei er über den Rückspiegel mit der Zeugin H. kommunizierte. Das Messer hatte eine etwa 25 cm lange Klinge. Mit seinem Ausspruch spielte der Angeklagte S. auf einen gemeinsamen Bekannten an, der stets ein Messer bei sich führt. Die Angeklagte W. und die Zeugin H. hielten dies zunächst für einen Scherz und lachten darüber. S. fuhr jedoch in aggressiver Weise mit seinen Drohungen fort und richtete das Messer mehrmals mit der Spitze in kurzen Bewegungen auf die schräg hinter ihm sitzende Geschädigte, die sein Verhalten nunmehr als bedrohlich wahrnahm. Zu- gleich forderte er sie wiederholt mit den Worten „Gib deinen Kram her!“ auf, ihm ihre Handys und Schlüssel auszuhändigen, um diese Gegenstände zu einem späteren Zeitpunkt gewinnbringend nutzen zu können. Die Zeugin H. , deren Grundstimmung infolge der vorherigen Demütigungen, des langen Wartens im Dunkeln und der konsumierten Drogen ängstlich war, begann hysterisch zu weinen, kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Die Angeklagte W. hatte ebenfalls den Wechsel in der Stimmung des Angeklagten S. be- merkt und sagte daraufhin zu der Geschädigten: „Mach’s lieber, der macht sonst ernst!“
5
Inzwischen fuhr der Angeklagte S. einen 400 m langen, ansteigenden Weg hinauf. Dabei musste er mit der rechten Hand schalten und warf das Messer in den Fußraum vor dem Beifahrersitz. Das Landgericht hat zu seinen Gunsten angenommen, dass er zum Zeitpunkt des Wegwerfens des Messers bereits den Entschluss aufgegeben hatte, die Zeugin H. zur Herausgabe ihrer Wertgegenstände zu bewegen. Am Ende der Steigung hielt er an. Die Angeklagte W. stieg aus, öffnete die hintere Fahrzeugtür und gab der noch hysterisch weinenden Geschädigten eine Ohrfeige, um sie weiter einzuschüchtern. Daraufhin entnahm sie aus deren Jackentaschen Wohnungs- und Autoschlüssel sowie zwei Handys. Es handelte sich um sämtliche Gegenstände, die diese mit sich führte und die der Angeklagte S. zuvor herausverlangt hatte. Die Geschädigte war von dem vorangegangenen Verhalten insbesondere des Angeklagten S. derart aufgelöst, dass sie W. gewähren ließ. Dieser kam es in diesem Moment darauf an, der Geschädigten „die Gegenstände zu entziehen und an sich zu nehmen, um mit diesen nach eigenem Belieben verfahren zu können und das vom Angeklagten S. angestoßene Geschehen auch in ihrem eigenen Interesse abzuschließen“. Ferner wollte sie erreichen, dass sich S. beruhigt und nicht weiter „austickt“; sie hatte keine konkreten Vorstellungen, wie sie, S. oder Dritte möglicherweise im Nachhinein mit den Gegenständen verfahren würden. Sie billigte aber, dass die Geschädigte die Gegenstände nicht zurückerhalten würde.
6
Anschließend zog die Angeklagte W. die Zeugin H. aus dem Pkw, setzte sich wieder auf den Beifahrersitz und warf die Gegenstände in den Fußraum. Der Angeklagte, der das Geschehen vom Fahrersitz aus verfolgt hatte , ohne sich aktiv oder verbal daran zu beteiligen, fuhr mit der Angeklagten W. zur Wohnung in H. zurück. Einer telefonischen Aufforderung der Geschädigten, sie abzuholen, kamen sie nicht nach, sondern legten sich alsbald schlafen. Zuvor hatten sie die Gegenstände der Zeugin mit Ausnahme eines Handys der in der Wohnung in H. anwesenden Zeugin L. übergeben, die sie am nächsten Morgen an die Mutter der Geschädigten übergab. Lediglich ein Handy hatte die Angeklagte W. an sich genommen, nachdem ihr auf dem Rückweg nach H. eingefallen war, dass die Zeugin H. ihr noch 20 € schuldete.
7
2. Einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten S. vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung hat das Landgericht mit der Erwägung verneint, zum Zeitpunkt der Aufgabe des Tatentschlusses, nämlich in dem Moment des Wegwerfens des Messers in den Fußraum, habe aus dessen Sicht ein sogenannter „fehlgeschlagener Versuch“ vorgelegen. Hiervon habe S. nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten können, weil seine vorherigen Drohungen mit dem Messer erfolglos geblieben seien und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er seinen Tatplan dahin geändert habe, über den Ausspruch von Drohungen hinaus Gewalt gegen die Zeugin H. anzuwenden, um in den Besitz ihrer Wertgegenstände zu gelangen , zumal er sich trotz entsprechender Möglichkeit an den Handlungen der Angeklagten W. nicht beteiligt habe.

II.


8
Die Verurteilung beider Angeklagten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung nicht. Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts , wonach bei einem fehlgeschlagenen Versuch ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 StGB von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 10. April 1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369). Fehlgeschlagen ist der Versuch jedoch erst, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv – sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen (Senatsbeschluss vom 26.September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91) – die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393), sondern dessen Vorstel- lung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, aaO). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin , dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen , um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (Senatsbeschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, aaO). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter er- kennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 232; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, aaO).
11
b) Zu der Vorstellung des Angeklagten nach Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs – nach der Weigerung der Geschädigten ihre Wertgegenstände herauszugeben – teilt das Urteil nichts mit. Selbst wenn die Feststellungen des Landgerichts dahin zu verstehen sein sollten, dass der Angeklagte S. unüberwindliche Hemmungen hatte, das nach wie vor im Pkw befindliche und ihm jederzeit zugängliche Messer über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen, und insoweit nicht Herr seiner Entschlüsse war, verstünde es sich nicht von selbst, dass er keine weitere Handlungsalternative mehr sah, mit der er im unmittelbaren Fortgang noch hätte zur Tatvollendung gelangen können. Insbesondere lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, dass es ihm verwehrt war, ohne zeitliche Zäsur die Bedrohung mit dem Messer fortzusetzen oder Gewalt gegen die Zeugin H. anzuwenden. Insoweit ist lediglich festgestellt, dass sich das völlig verängstigte Tatopfer nach wie vor in dem vom Angeklagten geführten Pkw befand und infolge des vorherigen Gesche- hens derart aufgelöst war, dass es die Angeklagte W. gewähren ließ. Ein fehlgeschlagener Versuch ist damit nicht belegt.
12
2. Die Verurteilung der Angeklagten W. wegen Raubes begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Annahme des Landgerichts , die Angeklagte habe zur Zeit der Wegnahme mit Zueignungsabsicht gehandelt, von den Feststellungen nicht hinreichend getragen wird.
13
a) Täter kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten „einverleiben“ oder zuführen will. Da- gegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (Senatsurteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701). Während für die Ausschließung des Berechtigten – Enteignung – bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 242 Rn. 41), verlangt die Zueignungsabsicht in Bezug auf die Aneignung der Sache oder des in ihr verkörperten Sachwertes einen zielgerichteten Willen (Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2006 – 4 StR 400/06, NStZ-RR 2007, 15). Dass die Aneignung vom Täter nur als mögliche Folge seines Verhaltens in Kauf genommen wird, reicht nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1962 – 1 StR 540/61, VRS 22, 206), vielmehr muss er sie für sich oder einen Dritten mit unbedingtem Willen erstreben (vgl. MünchKommStGB/Schmitz § 242 Rn. 134; Eser/Bosch, in: Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl., § 242 Rn. 61).
14
b) Nach den Feststellungen kam es der Angeklagten darauf an, der Zeugin die Gegenstände zu entziehen und sie an sich zu nehmen, um damit nach eigenem Belieben verfahren zu können, wobei sie bei der Wegnahme keine konkreten Vorstellungen davon hatte, wie sie, der Angeklagte S. oder Dritte möglicherweise im Nachhinein mit den Gegenständen verfahren würden. Sie billigte aber, dass die Zeugin H. die Gegenstände nicht zurückerhalten würde. Diese Feststellungen vermögen aber nicht hinreichend zu belegen, dass die Angeklagte W. die Gegenstände der Substanz oder dem Sachwert nach mit unbedingtem Willen ihrem Vermögen oder dem des Angeklagten S. „einverleiben“ oder zuführen wollte. Abgesehen davon, dass sie an einem inneren Widerspruch leiden, schließen sie die Möglichkeit nicht hinreichend aus, dass sich die Absicht der Angeklagten – unter Fehlen des Aneignungsmoments – darauf beschränkte, die Geschädigte ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache zu entkleiden, mithin eine bloße Sachentziehung zu begehen (vgl. Eser/Bosch aaO Rn. 55). Dafür könnte auch der Umstand sprechen, dass die Angeklagten – von einem Handy abgesehen – alle Gegenstände noch im Laufe des Abends an die Zeugin L. weiterreichten, die sie ihrerseits an die Mutter der Geschädigten weiterreichte. Soweit das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung ohne nähere Begründung ausführt (UA S. 27), die Angeklagte habe zum Zeitpunkt der Wegnahme in der Absicht gehandelt , sich die Gegenstände wenigstens vorübergehend anzueignen, fehlt es gleichermaßen an einer ausreichenden, eine bloße Sachentziehung ausschließenden Tatsachengrundlage.
15
c) Auch im Hinblick auf das von der Angeklagten W. einbehaltene Mobiltelefon ist eine Zueignungsabsicht nicht hinreichend belegt. Nimmt ein Täter, wie hier die Angeklagte, die davon ausging, die Geschädigte schulde ihr Geld, eine Sache weg, um dies als Druckmittel zur Durchsetzung einer solchen Forderung zu benutzen, handelt er nicht mit Zueignungsabsicht, weil er weder die Sache noch den in ihr verkörperten Sachwert seinem Vermögen dauerhaft einverleiben will (Senatsbeschluss vom 26. Februar 1998 – 4 StR 54/98, StV 1999, 315, 316).

III.


16
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
17
1. Der neue Tatrichter wird dabei zu bedenken haben, dass das Wegwerfen eines Tatwerkzeuges den Schluss auf die Aufgabe des Tatentschlusses nur dann tragfähig zu begründen vermag, wenn nahe liegende, einer entsprechenden Wertung entgegenstehende Gründe für das Verhalten in die Beweiswürdigung einbezogen und nachvollziehbar ausgeschlossen werden können. So hätte es hier näherer Erörterung bedurft, dass der Angeklagte das in der rechten Hand befindliche Messer möglicherweise lediglich deshalb in den Fußraum warf, um eine konkrete Fahr- bzw. Verkehrssituation zu bewältigen. Das liegt hier deshalb nahe, weil er im selben Augenblick, in dem er das Messer hielt, mit der rechten Hand auch schalten musste. Seine Untätigkeit während der sich anschließenden Handlung der Angeklagten W. stünde dieser Auslegung nicht notwendigerweise entgegen, weil sein Verhalten je nach den Umständen auch als Billigung des Vorgehens seiner Freundin bewertet werden könnte. Dafür könnte auch der Umstand sprechen, dass er das Geschehen später gegenüber der Zeugin H. in Abrede stellte.
18
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte S. seinen Tatentschluss aufgab, wird er – sofern ein fehlgeschlagener Versuch ausgeschlossen werden kann – beachten müssen, dass bei Tatbeteiligung mehrerer gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft werden, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Dabei muss das die Tatvollendung verhindernde Verhalten nicht notwendig in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun bestehen. Kann einer von mehreren Beteiligten den noch möglichen Eintritt des Taterfolgs allein dadurch vereiteln, dass er seinen vorgesehenen Tatbeitrag nicht erbringt oder nicht weiter fortführt, so verhindert bereits seine Untätigkeit oder sein Nichtweiterhandeln die Tatvollendung. Ist dem Beteiligten dies im Zeitpunkt der Verweigerung oder des Abbruchs seiner Tatbeteiligung bekannt und handelt er dabei freiwillig, liegen damit die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1983 – 1 StR 615/83, NJW 1984, 2169; Urteil vom 21. Oktober 1983 – 2 StR 485/83, BGHSt 32, 133, 134 f.; Senatsbeschluss vom 26. Juli 2011 – 4 StR 268/11; Fischer aa0 § 24 Rn. 40). Hat sich hingegen jemand zu diesem Zeitpunkt nicht nur als Gehilfe oder Anstifter, sondern – gegebenenfalls sukzessiv – als Mittäter an der Tat beteiligt und bestand aufgrund von dessen Beteiligung im Vorfeld der Untätigkeit oder des Nichtweiterhandelns bereits die Gefahr der Tatvollendung durch den Mittäter, bedarf der strafbefreiende Rücktritt eines auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tuns (vgl. SSWStGB /Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 51 ff.).
Ernemann Roggenbuck Franke
Bender Quentin
5
2. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts wegen Fehlschlags des Versuchs nicht. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 zutreffend u.a. ausgeführt: „Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zu- nächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Ab- schluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). […] Lässt sich den Urteilsfeststellun- gen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 647/12
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben:
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist und
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung sowie wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
2
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist auf die Anfechtung der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung beschränkt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt hinsichtlich der Gewalthandlungen vom 28./29. August 2011 jedenfalls die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Die weitergehende Verurteilung (wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung) ist vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
3
Die insoweit wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

II.

4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte unterhielt mit der Nebenklägerin (im Folgenden: N.) seit etwa 2008 eine Beziehung. Aus dieser Beziehung ging der gemeinsame Sohn L. hervor. Nachdem es zwischen den Partnern immer öfter Streitigkeiten gab, trennte sich N. im Juli 2011 vom Angeklagten. Trotz der Trennung wohnten sie und der Angeklagte weiter zusammen in der gemeinsamen Wohnung und schliefen im gleichen Zimmer. Der Angeklagte sowie N. beabsichtigten, zur Absicherung ihres Sohnes eine gemeinsame Lebensversicherung abzuschließen. Versicherungsnehmer sollten sie beide sein. Die Vertragsformalitäten sollten vom Angeklagten übernommen werden.
6
Nachdem der Angeklagte erkannte, dass die Trennung von N. endgültig ist, beschloss er zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, N. zu töten. In diesem Zusammenhang wollte er die Versicherungsleistung aus der geplanten, noch abzuschließenden Lebensversicherung zu Unrecht selbst vereinnahmen. Den Tod der N. wollte er so herbeiführen, dass sich der Geschehensablauf als häuslicher Unfall darstellt.
7
In Ausführung dieses Planes füllte er am 1. Juli 2011 in seiner Wohnung einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der C.-Versicherung aus. Als Versicherungsnehmer und als die zu versichernde Person trug er entgegen der Absprache mit N. in das Formular diese als alleinige Versicherungsnehmerin ein, versah den Antrag mit deren nachgemachter Unterschrift und trug sich selbst als Begünstigter im Todesfall der N. ein. Im Antrag bezifferte er die Versicherungsleistung, die im Todesfall der N. an ihn selbst ausgezahlt werden sollte, mit 1.340.000 €. Dieser Antrag ging am 4. Juli 2011 bei der C.-Versicherung ein. Mit der nachgemachten Unterschrift wollte er die Versicherung über den tatsächlichen Antragsteller täuschen. N. wusste hiervon nichts.
8
Entgegen der Vorstellung des Angeklagten lehnte die Versicherungsgesellschaft eine Deckung in der beantragten Höhe ab, erklärte sich aber zum Vertragsschluss in Höhe von 500.000 € entsprechend einer von der Versicherung durchgeführten Bedarfsberechnung bereit. Am 13. August 2011 unterschrieb der Angeklagte aufgrund eines neuen Tatentschlusses erneut in seiner Wohnung eine Erklärung über den Erhalt von Unterlagen sowie einen Zusatzantrag zur Hinterbliebenenabsicherung, in dem der Versicherungsbeginn 1. August 2011 und die Versicherungssumme mit 500.000 € vereinbart wurde.
9
Die vorgenannten Urkunden versah er wiederum mit der von ihm nachgemachten Unterschrift der N., um die Versicherung erneut darüber zu täuschen , dass diese die Antragsunterlagen - wie nicht - erhalten und unterschrieben hätte, und reichte sie bei der C.-Versicherung ein. Im Vertrauen auf die Echtheit der Urkunden bestätigte die C.-Versicherung das Zustandekommen des Versicherungsvertrages mit Versicherungspolice vom 16. August 2011, die der Angeklagte tags darauf zugestellt bekam. Auch davon bekam N. nichts mit. Versichert war der Tod der N. unabhängig davon, ob es sich um einen natürlichen oder um einen gewaltsamen Tod handelte. Dies wusste der Angeklagte.
10
Nachdem der Angeklagte die vertraglichen Voraussetzungen geschaffen und erfahren hatte, dass N. sich mit einem anderen Mann trifft, entschloss er sich schließlich am 28. August 2011, seinen Tötungsplan in die Tat umzusetzen.
11
Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, N. sei beim Ausstieg aus der nassen Dusche auf dem Boden des Badezimmers ausgerutscht und mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand aufgeschlagen, wobei sie sich tödliche Verletzungen zugezogen habe. Hierzu verstreute er am Abend vorher auf dem Boden Waschpulver und legte sich Geschirrtücher sowie Kabelbinder unter dem Kopfkissen zurecht, um damit N. zu fesseln. Den gemeinsamen Sohn L. verbrachte er zu seinen Eltern, damit dieser von der Tat nichts mitbekomme. Um sich selbst ein Alibi zu verschaffen, verbrachte er den Abend bei seinen Eltern und legte sich, nachdem sein Vater zu Bett ging, zum Schein auf die Couch, um den Eindruck zu erwecken, er werde die ganze Nacht bei seinen Eltern verbringen.
12
Tatsächlich begab er sich jedoch heimlich zurück in seine Wohnung, wo er im Bett liegend auf die Rückkehr von N. wartete. Diese kehrte etwa gegen 2.30 Uhr zurück und legte sich nur mit einer Unterhose bekleidet neben den Angeklagten in ihre Betthälfte. Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 3.15 Uhr und 5.30 Uhr begann der Angeklagte, die schlafende, wehrlose N. zu fesseln. Er drehte sie dazu auf den Bauch und fesselte ihr zuerst mit einem stabilen Klebeband die Hände auf dem Rücken, wickelte ihr dann die bereits vorher dazu ebenfalls bereitgelegten Geschirrtücher um die Handgelenke und fixierte diese dann über den zur Polsterung und Striemenvermeidung dienenden Tüchern mit den bereitliegenden Kabelbindern. Hierdurch wurde N. wach, worauf der Angeklagte ihr sogleich den Mund mit Klebeband verklebte. Damit wollte der Angeklagte jeglichen Fluchtversuch der N. von vornherein verhindern.
13
Anschließend nahm er eine nicht näher identifizierte Pistole, hielt sie an ihren Mund und sagte, er würde sie wahnsinnig gerne erschießen. Tatsächlich beabsichtigte er dies nicht, sondern wollte sie einschüchtern und in Todesangst versetzen, was ihm auch gelang. Anschließend fesselte er N. mit dem Klebeband noch an den Beinen, um sie ohne Gegenwehr in das Badezimmer verbringen zu können. Entsprechend seinem Plan verbrachte er die verängstigte und wehrlose N. gegen ihren Willen ins Badezimmer und bespritzte dort das schon am Abend zuvor auf dem Boden verstreute Waschpulver mit Wasser, um einen Schmierfilm zu erzeugen. Anschließend verbrachte er sie nochmals ins Schlafzimmer und gleich wieder zurück ins Bad. Er stellte N. nun unter die laufende Dusche, um sie nass zu machen.
14
Dann zog er sie aus der Dusche, fasste sie mit den Händen an den Kopf, zog diesen zuerst nach vorne und schleuderte die gefesselte N. dann mit aller Kraft nach hinten, um ihr durch den Sturz möglichst tödliche Kopfverletzungen zuzufügen. Die aufgrund der Fesselung völlig wehrlose N. stürzte und schlug mit der linken Schulter und dem Hinterkopf auf dem gefliesten Boden auf. Sie blieb zwar auf dem Rücken liegen, war jedoch nicht schwer verletzt. Der Angeklagte war von diesem vergleichsweise harmlosen Verlauf überrascht, da er zumindest mit dem Eintreten der Bewusstlosigkeit der N. rechnete. Er entschloss sich nunmehr, N. dadurch zu töten, dass er ihr das Genick bricht. Er setzte sich dazu auf die Hüfte auf der am Boden liegenden N., nahm ihren Kopf in seine Hände und versuchte, durch gewaltsames Überdrehen des Kopfes nach hinten dieser tödliche Genickverletzungen zuzufügen. Als dies aufgrund Muskelanspannung der N. misslang, fasste er mit einer Hand unter die rechte Schulter der N., zog sie nach oben und drückte mit der anderen Hand gleichzeitig ihren Kopf nach unten. Da auch dies nicht zu tödlichen Verletzungen führte, kniete er sich nunmehr neben N., fasste mit einer Hand an ihren Hinterkopf und mit der anderen an ihr Kinn, um den Kopf kraftvoll drehen zu können. Er zog sodann gleichzeitig ihren Hinterkopf seitlich nach vorne und drückte ihr Kinn nach hinten. Aber auch hierdurch gelang es ihm nicht, N. erhebliche bzw. tödliche Verletzungen zuzufügen, weil diese ihren Körper mitdrehen konnte.
15
Er ließ nun von N. ab und fing an, diese zu beschimpfen. Er warf ihr vor, sie sei schuld am Scheitern der Beziehung und auch an dem was nunmehr passiere, weil sie egoistisch sei und nur an sich selbst denke. N. antwortete auf die Beschimpfungen und Vorhalte des Angeklagten trotz verklebtem Mund so gut sie konnte, worauf der Angeklagte ihr mehrfach mit der flachen Hand auf die Wange schlug, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihm ihre Antwort nicht gefiel.
16
Nunmehr entschloss er sich, die Gegenwehr der N. dadurch auszuschalten , dass er sie bis zur Ohnmacht knebelte, um ihren Kopf dann ohne Widerstand auf den Boden schleudern zu können bzw. ihr durch gewaltsames Verdrehen des Kopfes tödliche Verletzungen zuzufügen. Hierzu drückte er zunächst ihren Mund und ihre Nase mit der Hand zu. Infolge dieser Behandlung löste sich das Klebeband von ihrem Mund und N. schrie so laut sie konnte um Hilfe. Dies geschah ca. um 6.00 Uhr früh. Nun drückte er ihr ein im Badezimmer in unmittelbarer Reichweite befindliches Handtuch tief in den Mund- und Rachenraum und hielt ihr gleichzeitig die Nase zu. Damit gelang es ihm, die Luftzufuhr der N. vollständig zu unterbinden, sodass N. nicht mehr atmen konn- te, ihre Gegenwehr aufgab und dachte, sie werde nun sterben. Erst als sie langsam kraftlos wurde und, wie er erkannte, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand, ließ der Angeklagte wortlos von seinem Vorhaben ab und nahm den Knebel aus ihrem Mund, sodass sie schließlich wieder Luft bekam und sich erholte.
17
Anschließend trug er die immer noch am Boden liegende, gefesselte halbnackte N. zurück in das Schlafzimmer und zwang sie, auf dem Bett liegen zu bleiben. Als er bemerkte, dass es ihr zwischenzeitlich gelungen war, der Fesselung der Hände durch die Kabelbinder teilweise zu entkommen, drehte er sie gewaltsam in Bauchlage und legte ihr neue Kabelbinder an, die er so fest zuzog, dass sie Schmerzen erlitt. Im weiteren Verlauf bot N. dem Angeklagten aus Angst um ihr Leben eine Übertragung des Sorgerechts für den gemeinsamen Sohn an und versprach ihm, sie werde nicht zur Polizei gehen, wenn er sie frei lasse.
18
Schließlich nahm der Angeklagte N. gegen 8.30 Uhr die Fesselung ab und ließ sie gegen 9.15 Uhr aus der Wohnung. Der Angeklagte bedrohte sie kurz vor Verlassen der Wohnung noch, dass er sie umbringen werde, wenn sie den Vorfall der Polizei melde.
19
Dennoch erstattete N. nach einer Überlegungsphase und erst nach Aufforderung durch ihre Mutter am 29. August 2011 abends Anzeige gegen den Angeklagten.
20
N. erlitt durch den Erstickungsversuch Petechien im Auge, durch den Aufprall auf dem gefliesten Boden eine 4 cm große Beule am Hinterkopf, durch die Misshandlungen starke Schmerzen am Hals und durch die Fesselung an den Hand- und Sprunggelenken Hautreizungen und Schmerzen. Dies hatte der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
21
N. ist seit diesem Vorfall in psychiatrischer Behandlung. Ob und in welchem Umfang psychische Dauerfolgen verbleiben, steht nicht fest. Sie hat nach wie vor schon bei alltäglichen Berührungen Angstzustände.
22
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Tötungsversuchs verneint und bei der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) einen freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch bejaht. Es hat bei dem Tatgeschehen vom 28./29. August 2011 eine Zäsur nur im Hinblick auf die abschließende versuchte Nötigung angenommen und ist davon ausgegangen, dass das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung "die übrigen Körperverletzungsdelikte" verklammere.

III.

23
Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
24
1. Insbesondere ist den getroffenen Feststellungen nicht das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung , der sogenannte Rücktrittshorizont, zu entnehmen. Bei Vorliegen einer Zäsur müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden.
25
Auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten kann hier nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden, wenn auch im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) und der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) rudimentär Rücktrittselemente angesprochen werden. Hier wird jeweils in erster Linie mitgeteilt, was nicht festgestellt werden konnte, ohne dass - ergänzend heranzuziehende - klare und eindeutige Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach den verschiedenen Tathandlungen getroffen wurden. Ohnehin konnte N. zum jeweiligen Vorstellungsbild des Angeklagten schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich hierzu nicht geäußert hat. Die entsprechenden Feststellungen sind aber unerlässlich; denn auf den Rücktrittshorizont kommt es bei der Beurteilung, ob ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliegt, entscheidend an.
26
Das ergibt sich aus Folgendem:
27
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.
28
Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
29
Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt.
30
Rechnet der Täter dagegen zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, so liegt eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizonts vor, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat.
31
In diesem Fall ist ein beendeter Versuch gegeben, wenn sich die Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser ändert (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 401/11; BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - 5 StR 528/11).
32
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
33
Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09 mwN).
34
Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese Vorstellung ist gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05 mwN).
35
Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen , hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03).
36
Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es sich um ein mehrstündiges und mehraktiges Tatgeschehen handelt und auch die Prüfung der Annahme nur einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man, was hier nicht fern liegt, eine oder mehrere Zäsuren (hinsichtlich der abschließenden versuchten Nötigung ist der Tatrichter selbst davon ausgegangen [UA S. 13]) annehmen, ist die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten.
37
Die Annahme des Landgerichts, das Dauerdelikt der (einfachen) Freiheitsberaubung verklammere auch gefährliche Körperverletzungen (die konkrete Fesselung kann ebenfalls eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen; vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 364/03 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 9b zu § 224), begegnet rechtlichen Bedenken; denn das im Strafrahmen des § 224 StGB zum Ausdruck kommende Gewicht übersteigt das des Dauerdelikts (§ 239 StGB) erheblich (vgl. Fischer aaO Rn. 32 vor § 52).
38
Zu denken ist aber an eine natürliche Handlungseinheit. Eine solche und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die einzelne Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint.
39
Für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist deshalb eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur. Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 4 StR 326/04 mwN).
40
Auch für die Beurteilung, ob die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, ist die (jeweils rechtsfehlerfreie ) Feststellung der subjektiven Tatseite erforderlich.
41
An all diesem fehlt es hier.
42
Die Urteilsgründe lassen weiter nicht eindeutig erkennen, ob der Angeklagte durchgehend davon ausging, den Tod der N. (als außertatbestandliches Ziel) als Unfall darstellen zu können oder nur noch ihren gewaltsamen Tod erstrebte , obwohl dafür das Risiko für ihn größer wurde, als Täter in Verdacht zu geraten und deshalb die Versicherungssumme nicht ausbezahlt zu erhalten. Denn es ist naheliegend, dass bei einem offensichtlich gewaltsamen Tod der N. in der Wohnung des Angeklagten kurz nach Abschluss einer entsprechenden Lebensversicherung und bei einem möglichen Sorgerechtsstreit (UA S. 7) der Tatverdacht auf den Angeklagten fallen würde.
43
Die Urteilsgründe lassen offen, ob der Angeklagte möglicherweise nur noch weiterhandelte, um seine vorausgehende Tat zu verdecken.
44
Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen lässt eine abschließende Prüfung durch das Revisionsgericht nicht zu.
45
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang.
46
Die zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben, da der Senat nicht ausschließen kann, dass auch insoweit neue Feststellungen getroffen werden können, die sich auf das Vorstellungsbild des Angeklagten im jeweiligen rechtserheblichen Zeitpunkt ausgewirkt haben.
47
2. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung hatte im Übrigen schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer übersehen hat, dass tateinheitlich begangen auch eine Bedrohung (mit der Pistole; § 241 StGB) vorliegt. Ob diese hinter einem versuchten Tötungsdelikt zurücktreten würde, kann hier offenbleiben; sie würde aber nicht hinter der vom Landgericht lediglich angenommenen gefährlichen Körperverletzung zurücktreten (vgl. zur Problematik u.a. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 2 StR 523/01; auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2000 - 2 StR 639/99). Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.