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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 149/18
vom
17. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:171018B4STR149.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 7. November 2017, soweit es den Angeklagten betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Versicherungsschutz und mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort sowie des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Versicherungsschutz schuldig ist; die Einzelstrafen für die Taten II.1., 2. und 5. der Urteilsgründe entfallen;
b) im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Gesamtstrafe und der Entscheidung über eine Kompensation überlanger Verfahrensdauer mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Haftpflichtversicherungsvertrag und mit Urkundenfälschung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Haftpflichtversicherungsvertrag in zwei Fällen zu der Gesamtstrafe von einem Jahr verurteilt. Des Weiteren hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen , dem Angeklagten vor Ablauf eines Jahres keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme selbständiger, realkonkurrierender Taten in den Fällen II.1. bis 3. sowie II.4. und 5. der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein, am 17. November 2013 mit einem – wie er wusste – nicht haftpflichtversicherten Pkw Subaru öffentliche Straßen in N. und Umgebung. An dem Pkw hatte er zu einem früheren Zeitpunkt die für ein anderes Fahrzeug ausgegebenen amtlichen Kennzeichen angebracht, um eine amtliche Zulassung des Pkw vorzutäuschen. Am Ende einer Straße in N. wendete der Angeklagte das Auto, stieg aus und verrichtete seine Notdurft. Anschließend setzte er die Fahrt fort. Wenig später kam dem Angeklagten der spätere Geschädigte entgegen, der seinen Pkw Lada Niva auf der schmalen Straße so zum Stehen brachte, dass der Angeklagte zunächst nicht weiterfahren konnte. Als der Angeklagte, der sein Fahrzeug kurz zurückgesetzt hatte, sodann an dem Fahrzeug des Geschädigten auf der Beifahrerseite vorbeifuhr, kollidierte er – für ihn unvorhersehbar – mit dem zwischenzeitlich aus seinem Pkw ausgestiegenen Geschädigten, der dadurch in Richtung der Motorhaube seines Fahrzeugs fiel und eine Prellung am rechten Knie sowie Schmerzen am rechten Arm davontrug. Der Angeklagte, der die Kollision wahrgenommen hatte , setzte seine Fahrt fort, ohne Feststellungen zu seiner Person und zum Unfall zu ermöglichen (Taten II.1. bis 3. der Urteilsgründe). Am 20. Dezember 2013 war der Angeklagte erneut ohne die erforderliche Fahrerlaubnis mit einem anderen nicht haftpflichtversicherten Pkw in D. unterwegs. Als er sein Fahrzeug aus einer Parklücke auf die Fahrbahn steuerte, kollidierte er mit dem Fahrzeug einer anderen Verkehrsteilnehmerin. Nachdem die Unfallbeteiligten ihre Personalien ausgetauscht hatten, fuhr der Angeklagte mit dem von ihm geführten Auto davon (Taten II.4. und 5. der Urteilsgründe).
4
b) Bei den Taten II.1. bis 3. der Urteilsgründe hat das Landgericht unabhängig von der – vom Generalbundesanwalt zutreffend bejahten – Frage, ob sich die Taten II.1. und 2. der Urteilsgründe trotz der kurzzeitigen Fahrtunterbrechung als einheitliches Gebrauchmachen von einer unechten zusammengesetzten Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 3. Alternative StGB in Tateinheit mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und § 6 Abs. 1 PflVG darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NStZ 2014, 272), übersehen, dass auch der mehrfache selbständige Gebrauch einer unechten Urkunde mit dem Herstellen der unechten Urkunde eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit eine materiell-rechtliche Tat bilden, wenn der mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 3; vom 26. Oktober 2016 – 4 StR 354/16, NStZ-RR 2017, 26; vom 15. Februar 2017 – 4 StR 629/16, StraFo 2017, 124). Bringt der Täter die für ein anderes Fahrzeug ausgegebenen amtlichen Kennzeichen – wie hier – an einem Fahrzeug an, um dieses als vermeintlich zugelassen im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, ist ein solcher Gesamtvorsatz naheliegend gegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2016 – 4 StR 354/16, aaO; vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15 Rn. 5).
5
c) Hinsichtlich der Taten II.4. und 5. der Urteilsgründe tragen die Feststellungen die Annahme selbständiger Taten ebenfalls nicht.
6
Die Dauerdelikte des § 21 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 6 Abs. 1 PflVG umfassen die gesamte von vornherein auch über eine längere Wegstrecke geplante Fahrt bis zu deren endgültigem Abschluss, ohne dass kurzzeitige Fahrtunterbrechungen zu einer Aufspaltung der einheitlichen Tat führen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 7. November 2003 – 4 StR 438/03, VRS 106, 214; vom 22. Juli 2009 – 5 StR 268/09, DAR 2010, 273; Urteil vom 30. September 2010 – 3 StR 294/10, NStZ 2011, 212; Beschluss vom 9. März 2016 – 4 StR 60/16, StraFo 2016, 262). Etwas anderes gilt nur, wenn die Fortsetzung der Fahrt auf einem neu gefassten Willensentschluss des Täters beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 1997 – 5 StR 93/97, NStZ 1997, 508; OLG Hamm, VRS 115, 142; LG Potsdam, DAR 2009, 285; Weidig in MünchKomm zum Straßenverkehrsrecht , § 21 StVG Rn. 40 f.; zu § 316 StGB vgl. Ernemann in Satzger/Schluckebier /Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 316 Rn. 40). Dementsprechend beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine neue Dauerstraftat, wenn der Täter nach einem Unfallgeschehen weiterfährt, weil er den Entschluss gefasst hat, sich der Feststellung seiner Unfallbeteiligung durch Flucht zu entziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Februar 1967 – 4 StR 461/66, BGHSt 21, 203; Beschluss vom 10. April 1973 – 4 StR 118/73, VRS 48, 354; Urteil vom 17. Februar 1983 – 4 StR 716/82, VRS 65, 131). Dass der Angeklagte nach dem Halt zum Austausch der Personalien mit der Unfallgegnerin nicht seine ursprünglich geplante Fahrt fortsetzte, sondern einen neuen Tatentschluss fasste , hat das Landgericht nicht festgestellt. Die Annahme von zwei materiellrechtlich selbständigen Taten ist daher nicht belegt.
7
d) Der Senat schließt angesichts des Zeitablaufs seit Tatbegehung aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch tatsächliche Feststellungen getroffen werden können, die in den Fällen II.1. bis 3. sowie II. 4. und 5. der Urteilsgründe eine Verurteilung wegen selbständiger Taten tragen könnten. Er ändert den Schuldspruch daher entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen.
8
Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der in den Fällen II.1., 2. und 5. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO können die Freiheitsstrafen von acht Monaten (II.3. der Urteilsgründe) und sieben Monaten (II.4. der Urteilsgründe) als alleinige Einzelstrafen für die jeweils einheitlichen Taten vom 17. November und 20. Dezember 2013 bestehen bleiben. Die Gesamtstrafe bedarf einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung.
9
2. Schließlich begegnen die Erwägungen der Strafkammer zu dem für die Verfahrensdauer zu gewährenden Ausgleich durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
Das Landgericht hat auf der Grundlage zum Verfahrensablauf getroffener Feststellungen, wonach das Verfahren von Tatbegehung bis zum Urteil knapp vier Jahre dauerte, eine nicht vom Angeklagten zu vertretende überlange Ver- fahrensdauer angenommen und hierfür bei der Bemessung der Gesamtstrafe einen Abschlag von einem Monat und zwei Wochen gewährt. Bei dieser Sachlage wäre die Strafkammer aus Gründen sachlichen Rechts aber gehalten gewesen , die eingetretene Verfahrensverzögerung konkret zu bestimmen und gegebenenfalls eine Kompensationsentscheidung nach Maßgabe der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Vollstreckungslösung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) zu treffen. Dies wird der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter nachzuholen haben.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder ihm das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist, oder
2.
als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer

1.
eine Tat nach Absatz 1 fahrlässig begeht,
2.
vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, oder
3.
vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 kann das Kraftfahrzeug, auf das sich die Tat bezieht, eingezogen werden, wenn der Täter

1.
das Fahrzeug geführt hat, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder obwohl eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs gegen ihn angeordnet war,
2.
als Halter des Fahrzeugs angeordnet oder zugelassen hat, dass jemand das Fahrzeug führte, dem die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder gegen den eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs angeordnet war, oder
3.
in den letzten drei Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Tat nach Absatz 1 verurteilt worden ist.

(1) Wer ein Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen gebraucht oder den Gebrauch gestattet, obwohl für das Fahrzeug der nach § 1 erforderliche Haftpflichtversicherungsvertrag nicht oder nicht mehr besteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen.

(3) Ist die Tat vorsätzlich begangen worden, so kann das Fahrzeug eingezogen werden, wenn es dem Täter oder Teilnehmer zur Zeit der Entscheidung gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 S t R 5 2 8 / 1 3
vom
28. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Januar 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 21. August 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl, Urkundenfälschung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zugleich mit Urkundenfälschung , wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Urkundenfälschung zugleich mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Maßregelentscheidung nach §§ 69, 69a StGB getroffen. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Revision des Angeklagten ist nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Zwar begehrt der Beschwerdeführer mit seinem ausdrücklich formulierten Revisionsantrag die Aufhebung des angefochtenen Urteils lediglich im Rechtsfolgenausspruch. Die Einzelausführungen zur Revisionsbegründung lassen jedoch erkennen, dass mit dem Rechtsmittel auch die dem Schuldspruch zugrunde liegende Beurteilung des materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnisses angegriffen wird. Der nicht auflösbare Widerspruch zwischen ausdrücklichem Revisionsantrag und erkennbar verfolgtem Rechtsschutzziel hat zur Folge , dass die Revision im Wege der Auslegung mangels eines eindeutig zum Ausdruck gebrachten Beschränkungswillens als unbeschränkt zu behandeln ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 1984 – 2 StR 725/83, bei Pfeiffer/ Miebach, NStZ 1985, 13, 17; Urteil vom 10. April 1959 – 4 StR 56/59, VRS 17, 47; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 10 mwN).
3
2. Die Annahme mehrerer selbständiger, real konkurrierender Taten durch die Strafkammer hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
4
a) Nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte spätestens am Tag seiner Entlassung aus dem Strafvollzug dazu, einen Banküberfall zu begehen. Zur Verwirklichung seines Tatvorhabens entwendete er die amtlichen Kennzeichen eines geparkten Pkws und brachte diese an seinem nicht zugelassenen Fahrzeug an. Mit dem so präparierten Fahrzeug fuhr der Angeklagte zur Filiale der Raiffeisenbank in B. , wo er unter Vorhalt einer nicht ausschließbar ungeladenen Softair-Pistole die Übergabe von Bargeld in Höhe von 800 € erzwang. Anschließend verließ er die Bankfiliale, stieg in sein unmittelbar vor dem Gebäude abgestelltes Fahrzeug und flüchtete vom Tatort. Als er im Zuge der eingeleiteten Fahndung von der Besatzung eines Polizeifahrzeugs auf der Bundesautobahn A 3 gesichtet wurde, setzte er, um sich der Verfolgung durch die Polizei zu entziehen, seine Fahrt mit hoher Geschwindigkeit fort, bis er auf der Bundesstraße B 505 im Bereich einer unübersichtlichen Baustelle auf Grund stark überhöhter Geschwindigkeit auf die Gegenfahrbahn geriet und frontal mit der Zugmaschine eines Sattelzugs kollidierte. Infolge des Unfalls erlitt der Angeklagte lebensgefährliche Verbrennungen, die dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen und Entstellungen zur Folge haben.
5
b) In der Nutzung des mit falschen amtlichen Kennzeichen versehenen Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr, durch die den anderen Verkehrsteilnehmern die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglicht wurde (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1988 – 2 StR 613/88, BGHSt 36, 64, 65), liegt ein einheitliches Gebrauchmachen von einer unechten zusammengesetzten Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1962 – 4 StR 266/62, BGHSt 18, 66, 71; RGSt 72, 369, 370), das nicht nur die Fahrten zu und von der Bankfiliale, sondern auch das kurzzeitige Abstellen des Fahrzeugs vor dem Bankgebäude umfasste. Da diese Nutzung des Fahrzeugs dem vom Angeklagten bereits beim Anbringen der falschen Kennzeichen verfolgten Tatvorhaben entsprach, bilden das durch das Anbringen der Kennzeichen verwirklichte Herstellen der unechten Urkunde und deren nachfolgender Gebrauch als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, StV 2009, 589, 590).
6
Die Urkundenfälschung steht nicht nur mit der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung sowie im Wege der natürlichen Handlungseinheit mit dem Diebstahl der Kennzeichen, sondern auch mit der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit. Die schwere räuberische Erpressung war, als der Angeklagte mit seinem unmittelbar vor dem Bankgebäude abgestellten Fahrzeug die Flucht antrat, vollendet aber nicht beendet, weil der Angeklagte bis dahin noch keinen gesicherten Gewahrsam an der erpressten Tatbeute erlangt hatte. Die anschließende Fahrt mit am Fahrzeug angebrachten falschen amtlichen Kennzeichen zielte gerade auch auf die Sicherung der Beute ab. Handlungen, die nach der rechtlichen Vollendung einer (schweren) räuberischen Erpressung, aber vor deren tatsächlichen Beendigung vorgenommen werden, begründen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Tateinheit, wenn sie der Verwirklichung der tatbestandsmäßig vorausgesetzten Absicht dienen und zugleich weitere Strafgesetze verletzen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2003 – 2 StR 294/03, NStZ 2004, 329; Urteil vom 6. November 1974 – 3 StR 200/74, BGHSt 26, 24, 27).
7
Das jeweils tateinheitliche Zusammentreffen der übrigen Delikte mit der einheitlichen Urkundenfälschung hat schließlich zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden (vgl. Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 28 ff. mwN). Dass eines der von der Zusammenfassung betroffenen Delikte – die schwere räuberische Erpressung – einen höheren Unrechtsgehalt als das die Verbindung begründende Delikt – die Urkundenfälschung – aufweist, steht einer Verklammerung nicht entgegen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. April 2012 – 2 StR 70/12, NStZ 2013, 158; Urteil vom 14. Juli 1992 – 1 StR 243/92, NStZ 1993, 39, 40; Beschluss vom 26. März 1982 – 2 StR 700/81, BGHSt 31, 29).
8
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Der rechtsfehlerfreie Maßregelausspruch bleibt hiervon unberührt.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 156/08
vom
30. Oktober 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja nur II. 5. der Gründe
Veröffentlichung: ja
Die Zulassungsbescheinigung Teil I (früher: Fahrzeugschein) ist auch hinsichtlich
der Identität des zum Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeugs eine öffentliche
Urkunde im Sinne des § 271 StGB.
BGH, Beschl. vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 156/08 - LG Wuppertal
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) mit dessen Zustimmung, zu 2.
auf dessen Antrag - am 30. Oktober 2008 gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,
Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 19. Dezember 2007 wird, soweit es ihn betrifft,
a) die Strafverfolgung auf die unter b) aa) genannten Vorwürfe beschränkt;
b) das vorgenannte Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Anstiftung zur Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Hehlerei sowie zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt schuldig ist, bb) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Hehlerei und Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt sowie wegen Hehlerei in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Nach den Feststellungen förderte der Angeklagte die grenzüberschreitende "Verschiebung" von zwei in Italien mit falschen italienischen Fahrzeugpapieren ausgestatteten Kraftfahrzeugen ("Fahrzeugdoubletten") durch Unterstützungshandlungen bei deren Zulassung in Deutschland (II. 1. und 4. der Urteilsgründe ).
3
a) Im Fall II. 1. der Urteilsgründe war ein PKW BMW 530 D, der - zumindest nach der Vorstellung des Angeklagten sowie des Mitangeklagten N. - durch Dritte in Italien gestohlen worden war, nach Einschlagen einer falschen, einem anderen Kraftfahrzeug zugehörigen Fahrzeug-Identifizierungsnummer und Fälschung der italienischen Fahrzeugpapiere als sog. "Fahrzeugdoublette" in Italien zugelassen und sodann nach Deutschland verbracht worden. Bei dem sich anschließenden Versuch, dieses Fahrzeug zum Zwecke des Weiterverkaufs durch den hierzu von einer italienischen Tätergruppe beauftragten Mitangeklagten N. in Deutschland zuzulassen, begleitete der Angeklagte diesen am 20. Februar 2007 zunächst bei einer Fahrt von Düsseldorf zum Kraftfahrtbundesamt nach Flensburg, um dort eine für die Zulassung erforderliche Bescheinigung abzuholen.
4
Darüber hinaus verschaffte er dem Mitangeklagten N. - wie auf der gemeinsamen Fahrt nach Flensburg vereinbart - drei falsche italienische Personalausweise zur weiteren Verwendung sowohl bei der Zulassung des PKW BMW 530 D als auch bei künftigen Taten zum Zwecke der gewinnbringenden Weiterveräußerung von anderweit rechtswidrig erlangten Kraftfahrzeugen, um für N. das Risiko einer Ergreifung zu verringern. Zur Beschaffung der Ausweispapiere gab der Angeklagte bei einem ihm bekannten Fälscher die Herstellung von drei - auf unterschiedliche Aliaspersonalien lautenden - Personalausweisen in Auftrag. Die von dem Fälscher zu einem Preis von 900 Euro auftragsgemäß hergestellten Ausweispapiere reichte er umgehend an den Mitangeklagten N. weiter, wofür er von diesem insgesamt 1.500 Euro verlangte.
5
Nachdem N. den PKW BMW 530 D am 21. Februar 2007 bei einer TÜV-Prüfstelle zur Erteilung der Betriebserlaubnis und zur Abgasuntersuchung vorgeführt hatte, scheiterte der Versuch, das Fahrzeug am 22. Februar 2007 unter Vorlage eines der gefälschten Personalausweise beim Straßenverkehrsamt in Düsseldorf zuzulassen; die Mitarbeiterin der Zulassungsstelle war misstrauisch geworden und hatte die Polizei informiert.
6
b) Ende März/Anfang April 2007 verwendete N. eine Kopie eines der drei ihm vom Angeklagten überlassenen falschen Personalausweise, als er einen PKW Mercedes E-Klasse bei einer Düsseldorfer Autovermietung in betrü- gerischer Absicht anmietete. Anschließend wurde das Fahrzeug nach Italien verbracht und dort mit falscher - weil für ein anderes Fahrzeug ausgegebener - Fahrzeug-Identifizierungsnummer, falschen italienischen Fahrzeugpapieren und falschen italienischen KfZ-Kennzeichen versehen als sogenannte "Fahrzeugdoublette" zum Verkehr zugelassen. Nach Rückführung des Fahrzeuges nach Deutschland sowie nach dessen Vorführung bei einer TÜV-Prüfstelle zur Erteilung einer Betriebserlaubnis und zur Abgasuntersuchung versuchte der Mitangeklagte N. am 5. April 2007 erfolglos, es beim Straßenverkehrsamt Solingen zuzulassen. Hierbei legte er wiederum einen der drei gefälschten italienischen Personalausweise vor, die er vom Angeklagten erhalten hatte. Zur Zulassung des Fahrzeuges kam es erneut nicht (Fall II. 4. der Urteilsgründe).
7
2. Das Landgericht hat die Beschaffung und Übergabe der unechten Personalausweise durch den Angeklagten an den Mitangeklagten N. hinsichtlich des PKW BMW 530 D als mittäterschaftliche Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Hehlerei sowie zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt bewertet. Bezüglich des PKW Mercedes E-Klasse hat es den Tatbeitrag des Angeklagten rechtlich als - zu den Taten betreffend den PKW BMW in Tatmehrheit stehend - täterschaftliche Hehlerei in Tateinheit mit mittäterschaftlicher Urkundenfälschung und Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung eingestuft.

II.


8
Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte - nach Ausscheidung des Tatvorwurfs der Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Komplex PKW BMW 530 D) gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO - der Anstiftung zur Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 1. Alt., § 26 StGB) in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Hehlerei (§ 259 Abs. 1, §§ 22, 27 Abs. 1 StGB) sowie zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt (§ 271 Abs. 1 und 3, §§ 22, 27 Abs. 1 StGB) schuldig. Im Einzelnen :
9
1. Dadurch, dass der Angeklagte unter Übergabe dreier Passfotos an den Fälscher die Herstellung von falschen Ausweispapieren für den Mitangeklagten N. in Auftrag gab, hat er sich nicht der mittäterschaftlichen Urkundenfälschung , sondern der Anstiftung zur Urkundenfälschung schuldig gemacht. Durch die Verdingung des Fälschers, gegen Bezahlung drei falsche Ausweispapiere herzustellen, bestimmte der Angeklagte diesen zu dessen Tat nach § 267 Abs. 1 1. Alt. StGB, über die nicht er, sondern allein der Fälscher Tatherrschaft hatte (vgl. BGH StV 2008, 188, 189). Gegen die Annahme eigener Tatherrschaft des Angeklagten spricht insbesondere, dass er auf die exakte Tatzeit, den Tatort sowie die Art und Weise der Erstellung der Personalausweise , d. h. unter Verwendung von Blankovordrucken oder durch Verfälschung gestohlener Ausweise, keinen Einfluss hatte.
10
2. Indem der Angeklagte die in Auftrag gegebenen, aus Blankovordrucken neu erstellten italienischen Personalausweise an sich nahm und an den Mitangeklagten N. zur weiteren Verwendung übergab, leistete er diesem Beihilfe zu dem sich anschließenden zweifachen Gebrauch der unechten Urkunden zur Täuschung im Rechtsverkehr (§ 267 Abs. 1 3. Alt., § 27 Abs. 1 StGB). Denn durch Vorlage der falschen Personalausweise bei den Zulassungsstellen in Düsseldorf und Solingen wollte N. - um sich dem Risiko einer Strafverfolgung zu entziehen - über seine Identität täuschen (vgl. BGHSt 33, 159, 160 f.). Dabei hat der Angeklagte ihn durch Beschaffung und Übergabe der falschen Ausweise unterstützt.
11
Diese Beihilfe zur zweifachen Urkundenfälschung (in der Alternative des Gebrauchens) geht indes in der Anstiftung zur Urkundenfälschung (in der Alternative des Herstellens) auf, da beide Teilnahmehandlungen eine deliktische Einheit darstellen, in der die schwerwiegendere Anstiftung der Beihilfe vorgeht (so auch Gribbohm in LK 11. Aufl. § 267 Rdn. 291 aE). Diese für die täterschaftlich begangenen Alternativen des Herstellens und Gebrauchens einer unechten Urkunde anerkannte tatbestandliche Handlungseinheit, in denen der Gebrauch der Urkunde dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (vgl. BGHSt 5, 291, 293; BGH GA 1955, 245, 246; Erb in MünchKomm-StGB § 267 Rdn. 217; Gribbohm aaO Rdn. 288; Cramer /Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 267 Rdn. 79, 79 b; aA Hoyer in SK-StGB § 267 Rdn. 114), gilt auch für die Teilnahme an den verschiedenen Tatvarianten der Urkundenfälschung (vgl. Erb aaO Rdn. 219; Cramer/Heine aaO Rdn. 80; Gribbohm aaO Rdn. 291 aE), und zwar selbst dann, wenn sich Anstiftung und Beihilfe jeweils auf Taten unterschiedlicher Haupttäter beziehen. Auch hier verbindet der Gesamtvorsatz des doppelten Teilnehmers, zur Fälschung der Urkunde gerade deshalb anzustiften, um einem anderen deren (mehrfachen) Gebrauch zu ermöglichen, dessen Teilnahmehandlungen zu einer einheitlichen Tat.
12
Die ebenfalls verwirklichten Tatbestände des Sich-Verschaffens (§ 276 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. StGB) und des Überlassens (§ 276 Abs. 1 Nr. 2 3. Alt. StGB) von falschen - auch ausländischen (BGH NJW 2000, 3148; BGHR StGB § 276 Konkurrenzen 1) - Ausweispapieren, die insgesamt nur einen einheitlichen Verstoß gegen § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen (Erb aaO § 276 Rdn. 5; Gribbohm aaO § 276 Rdn. 22), treten, da sie typische Vorbereitungshandlungen zu dem - in der Anstiftung als deliktische Einheit aufgegangenen - nachfolgenden Urkundengebrauch darstellen, als mitbestrafte Vortaten zurück (BGHR StGB § 276 Konkurrenzen 1; Gribbohm aaO Rdn. 27; Erb aaO; Cramer/Heine aaO § 276 Rdn. 11; Hoyer aaO § 276 Rdn. 6).
13
3. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht in Bezug auf den PKW BMW 530 D (Fall II. 1. der Urteilsgründe) die Überlassung der unechten Personalausweise an den Mitangeklagten N. auch als Beihilfehandlung zu dessen versuchter Hehlerei in Form der Absatzhilfe an diesem Fahrzeug bewertet (§ 259 Abs. 1, §§ 22, 27 Abs. 1 StGB). Die Haupttat des N. hat es zu Recht nur als Versuch einer Hehlerei angesehen. Zwar kommt es bei der Hehlerei in Form der Absatzhilfe (für die italienischen Hintermänner, die als Zwischenhehler - vgl. BGH NStZ 1999, 351, 352 m. w. N. - ihrerseits über das Fahrzeug zu eigenen Zwecken verfügen konnten) auf einen Absatzerfolg des Hehlgutes nicht an (BGHSt 22, 206, 207; 26, 358; 27, 45). Das Landgericht konnte jedoch nicht ausschließen, dass die italienische Tätergruppe den PKW BMW 530 D im Einverständnis mit dessen Eigentümer erlangt hatte, weil dieser in betrügerischer Weise einen Versicherungsschaden geltend machen wollte. Damit hätte es an der rechtswidrigen Vortat im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB gefehlt.
14
4. Nicht zutreffend hat das Landgericht dagegen in Fall II. 4. der Urteilsgründe die Überlassung der unechten Ausweispapiere Ende Februar 2007 als täterschaftliche Hehlerei des Angeklagten in Form der Absatzhilfe bewertet. Der Mitangeklagte N. hat den PKW Mercedes erst Ende März/Anfang April 2007 betrügerisch erlangt. Bei diesem zeitlichen Ablauf kommt eine Hehlerei des Angeklagten durch die vorhergehende Überlassung der Personalausweise nicht in Betracht, weil der Hehlereitatbestand in sämtlichen Handlungsalternativen eine abgeschlossene Vortat voraussetzt. Tatbeiträge, die bereits erbracht werden, bevor das Hehlgut durch eine rechtswidrige Vortat erlangt ist, sich aber erst bei der Verwertung desselben auswirken, können allenfalls als Teilnahme an der Vortat oder als Beihilfe an einer etwaigen Hehlerei eines Dritten angesehen werden (vgl. BGHSt 13, 403, 405; BGH NStZ 1994, 486). Hier trifft keine der beiden Möglichkeiten zu. Insbesondere machte sich der Angeklagte bei der Überlassung der Ausweispapiere an den Mitangeklagten N. keine Gedanken über deren Verwendung bereits bei der rechtswidrigen Erlangung von Kraftfahrzeugen. Billigend in Kauf nahm er nur, dass N. die Ausweispapiere bei der gewinnbringenden Verwertung von zuvor gestohlenen Kraftfahrzeugen verwendete , so dass es für eine Teilnahme an der betrügerischen Erlangung des PKW Mercedes am Teilnahmevorsatz fehlt.
15
5. Näherer Erörterung bedarf die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung. Da der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Ahndung dieses Delikts gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen hat, soweit dem Angeklagten die Unterstützung der versuchten Zulassung des PKW BMW 530 D am 22. Februar 2007 vorgeworfen worden ist, steht allein noch die vom Angeklagten durch Überlassung der falschen Ausweise geleistete Hilfe zu dem Versuch der Zulassung des PKW Mercedes E-Klasse am 5. April 2007 (Fall II. 4. der Urteilsgründe) in Rede; zu diesem Zeitpunkt richtete sich das Zulassungsverfahren nach der zum 1. März 2007 in Kraft getretenen Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr vom 25. April 2006 (Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV; BGBl I 988).
16
a) Das Landgericht hat die Bemühungen des Mitangeklagten N. , den PKW Mercedes am 5. April 2007 beim Straßenverkehrsamt Solingen zum deutschen Straßenverkehr zuzulassen, als Versuch einer mittelbaren Falschbeurkundung bewertet. Bei der Subsumtion des erfolglosen Zulassungsversuchs unter den Tatbestand der § 271 Abs. 1 und Abs. 4, § 22 StGB hat es, da die Fahrzeug-Identifizierungsnummer in den Fahrzeugpapieren selbst nicht dem öffentlichen Glauben unterliege (vgl. BGHSt 20, 186), entscheidend darauf abgestellt , ob der Mitangeklagte N. dazu angesetzt habe, falsch beglaubigen zu lassen, dass das in dem Kraftfahrzeugschein nach seinen der Verwaltungsbehörde erkennbaren Merkmalen beschriebene Fahrzeug das ist, das zum öffentlichen Verkehr zugelassen werden sollte. Insoweit sei die FahrzeugIdentifizierungsnummer ein wesentliches, das jeweilige Fahrzeug kennzeichnendes Merkmal (vgl. BGHR StGB § 271 Abs. 1 Beweiskraft 1). Indem N. dem Straßenverkehrsamt Solingen einen gefälschten italienischen "Kraftfahrzeugbrief" vorgelegt habe, dessen Fahrzeug-Identifizierungsnummer ein anderes Kraftfahrzeug betraf als das, das zugelassen werden sollte, habe er den Versuch einer mittelbaren Falschbeurkundung begangen. Hierzu habe der Angeklagte durch Überlassung der Ausweispapiere Beihilfe geleistet.
17
b) Diese rechtliche Würdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Überlassung der auf Falschpersonalien lautenden Ausweispapiere zur Verwendung bei der Zulassung eines italienischen "Doublettenfahrzeugs" in Deutschland stellt eine Beihilfe des Angeklagten zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1, §§ 22, 27 StGB) des Mitangeklagten N. dar. Bei der im Rahmen des Zulassungsverfahrens auszustellenden Zulassungsbescheinigung Teil I handelt es sich um eine Urkunde i. S. d. § 271 StGB, deren öffentlicher Glaube sich auch auf die Identität des zum Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges erstreckt.
18
Wegen der zum 1. März 2007 eingetretenen Änderung der rechtlichen Grundlagen des Zulassungsverfahrens bedarf es dabei keiner Entscheidung, ob die vom Landgericht in Bezug genommenen, auf der früheren Rechtslage zum Zulassungsverfahren nach §§ 23, 24 StVZO aF basierenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur Frage, ob der Fahrzeugschein auch hinsichtlich der Identität des zugelassenen Fahrzeugs eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 271 StGB darstellt (BGHSt 20, 186, 188 einerseits sowie BGHR StGB § 271 Beweiskraft 1 andererseits), miteinander vereinbar sind (verneinend Puppe JZ 1997, 490, 496 f.). Vielmehr gilt:
19
aa) Die Zulassungsbescheinigung Teil I, die nach der zum 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen 38. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 24. September 2004 (BGBl I 2374) den Fahrzeugschein ersetzt hat, ist wie dieser eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 271 StGB, soweit sie den Zulassungsvorgang dokumentiert und ein wesentliches Legitimationspapier bei Verkehrskontrollen darstellt (Dauer in Hentschel, Straßenverkehrsrecht 39. Aufl. § 11 FZV Rdn. 2 und 5). Allerdings kann nicht jede in einer öffentlichen Urkunde enthaltene Angabe, die ein Außenstehender durch Täuschung des gutgläubigen Amtsträgers bewirkt, Gegenstand einer Straftat nach § 271 StGB sein. Strafbewehrt beurkundet im Sinne des § 271 StGB sind vielmehr nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, d. h. die "volle Beweiswirkung für und gegen jedermann" , erstreckt. Welche Angaben dies im Einzelnen sind, ist, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen, die für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblich sind. Wesentliche Kriterien zur Bestimmung der Reichweite des öffentlichen Glaubens sind dabei - neben dem Beurkundungsinhalt als solchem - das Verfahren und die Umstände des Beurkundungsvorgangs sowie die Möglichkeit des die Bescheinigung ausstellenden Amtsträgers, die Richtigkeit des zu Beurkundenden zu überprüfen (BGHSt - GS - 22, 201, 203 f.; BGHSt 42, 131 f.; BGH NJW 1996, 470). Die den öffentlichen Glauben legitimierende erhöhte Beweiswirkung kann auf den eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten des die Urkunde ausstellenden Amtsträgers beruhen (BGH NJW 1996, 470), sie kann sich für den Urkunden- aussteller aber auch aus den im Verfahren vorzulegenden Bescheinigungen anderer öffentlicher Stellen mit erhöhter Richtigkeitsgewähr ergeben.
20
bb) Nach diesen Maßstäben umfasst der öffentliche Glaube der Zulassungsbescheinigung Teil I auch die Identität des zugelassenen Fahrzeugs. Der seit 1. März 2007 in Kraft befindliche § 6 Abs. 8 FZV schreibt in Umsetzung der EG-Richtlinie 1999/37/EG des Rates vom 29. April 1999 über Zulassungsdokumente für Fahrzeuge (ABl. EG Nr. L 138 S. 57) - erstmals - die Identifizierung des Fahrzeuges durch die Zulassungsbehörde im Rahmen der Zulassung vor. Wie die Identifizierung durchzuführen ist, entscheidet die Zulassungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Entsprechend der amtlichen Begründung (VkBl 2006, 604) kann sie von der Identität des Fahrzeuges mit dem in der Zulassungsbescheinigung Teil II bezeichneten grundsätzlich ausgehen, wenn es sich um ein Neufahrzeug handelt, für das die Zulassungsbescheinigung Teil II durch den Hersteller zugeordnet oder wenn - wie hier - das Fahrzeug bereits einer Haupt- oder Sonderuntersuchung unterzogen wurde (Dauer aaO § 6 FZV Rdn. 10). Denn sowohl bei der Hauptuntersuchung (Anlage VIII a Nr. 4.10 zur StVZO, Verordnung vom 20. Mai 1998, BGBl I 1064, 1069; neu gefasst durch Verordnung vom 3. März 2006, BGBl I 485, 492) als auch bei der Abgasuntersuchung (Nr. 2.1 der Richtlinie für die Untersuchung der Abgase von Kraftfahrzeugen nach Nummer 4.8.2 Anlage VIII a StVZO - "AU-Richtlinie", VkBl 2006, 304) muss eine Identifizierung des Fahrzeuges durchgeführt werden. Nach Nr. 4.10 der Anlage VIII a zur StVZO ist dabei der Zustand der FahrzeugIdentifizierungsnummer und dessen Übereinstimmung mit den Fahrzeugdokumenten zu überprüfen, während nach der AU-Richtlinie bei der Fahrzeugidentifizierung als Identifizierungsangaben das amtliche Kennzeichen, die Emissionsschlüsselnummer /Emissionsklasse, der Fahrzeughersteller, Typ und Ausführung i. V. m. der Schlüsselnummer, die Kraftstoffart, der Stand des Wegstreckenzählers sowie die Fahrzeug-Identifizierungsnummer mit dem Fahrzeugdokument abzugleichen sind.
21
cc) Nach den Feststellungen hatte der Mitangeklagte N. den PKW Mercedes unmittelbar vor dessen am 5. April 2007 beantragter Zulassung bei einer TÜV-Prüfstelle zur Erteilung einer Betriebserlaubnis und zur Abgasuntersuchung vorgeführt. Nachdem damit die Identität des PKW am Tag vor dessen Zulassung im Rahmen der Abgasuntersuchung überprüft worden war und das Ergebnis dieser Überprüfung in der AU-Bescheinigung dem zuständigen - gemäß § 6 Abs. 8 FZV zur Identifizierung des Fahrzeuges verpflichteten - Amtsträger vorlag, konnte und wollte (vgl. BGH NJW 1996, 470) dieser zu öffentlichem Glauben beurkunden, dass die von dem Antragsteller angegebenen, in die Zulassungsbescheinigung Teil I aufzunehmenden Identifizierungsmerkmale, insbesondere die Fahrzeug-Identifizierungsnummer, sich auf das Kraftfahrzeug bezogen, das am Vortag einer Abgasuntersuchung unterzogen worden war und das nunmehr zum Straßenverkehr zugelassen werden sollte. Da die mitgeteilte Fahrzeug-Identifizierungsnummer jedoch ursprünglich einem anderen Fahrzeug zugeteilt worden war, zu dem das zugelassene Fahrzeug nur eine "Doublette" darstellte, wäre im Falle der erstrebten Zulassung in der Zulassungsbescheinigung Teil I mit öffentlicher Beweiswirkung ein dahingehend unrichtiger Sachverhalt dokumentiert worden, dass das zugelassene Fahrzeug mit dem in der Zulassungsbescheinigung unter anderem anhand der FahrzeugIdentifizierungsnummer beschriebenen identisch sei.
22
c) Da der Angeklagte die strafschärfende Bereicherungsabsicht des Mitangeklagten N. , dem die Zulassungen von Kraftfahrzeugen als Mittel zur Erlangung von Vermögensvorteilen dienen sollten (vgl. BGHSt 34, 299, 303), auch hinsichtlich der Zulassung etwaiger weiterer Fahrzeuge kannte, hat er als Gehilfe auch hinsichtlich des PKW Mercedes den Qualifikationstatbestand des § 271 Abs. 3 StGB erfüllt (Cramer/Heine aaO § 271 Rdn. 45; Gribbohm aaO § 271 Rdn. 109; Puppe in NK-StGB § 271 Rdn. 66; aA Hoyer in SK-StGB § 271 Rdn. 36: besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB). Einer dahingehenden Verschärfung des Schuldspruchs steht, auch wenn das Landgericht in dem Fall des PKW Mercedes nicht vom Qualifikationstatbestand der Entgeltlichkeit ausgegangen ist, das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht entgegen (st. Rspr.; BGHSt 14, 5, 7; BGH NStZ 2006, 34, 35; StV 2008, 233, 234 sowie die Nachweise bei Kuckein in KK 6. Aufl. § 358 Rdn. 18).

III.


23
1. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Taten führen. Er ändert deshalb den Schuldspruch (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvor wurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

24
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Die Feststellungen zum Strafausspruch sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen , sind zulässig.
Becker Miebach Pfister
Sost-Scheible Schäfer

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 354/16
vom
26. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:261016B4STR354.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Oktober 2016 gemäß § 44 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 Satz 1 StPO analog beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. März 2016 gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. März 2016 dahin geändert und neu gefasst, dass
a) der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, Sachbeschädigung sowie Urkundenfälschung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Idar-Oberstein vom 21. Mai 2015 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt ist;
b) eine der für die Fälle II. 5 und 6 der Urteilsgründe jeweils verhängten Freiheitsstrafen entfällt.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, Urkundenfälschung in zwei Fällen sowie Sachbeschädigung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts IdarOberstein vom 21. Mai 2015 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Seine nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels zulässige Revision führt zu einer Abänderung des Schuldspruchs und dem Wegfall einer Einzelstrafe. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Dem Angeklagten war nach der Versäumung der Frist zur Begründung der Revision auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 7. September 2016 Bezug.
3
2. Der Schuldspruch war wie aus der Beschlussformel ersichtlich abzuändern.
4
a) Die Annahme zweier rechtlich selbständiger Taten der Urkundenfälschung in den Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe (Fälle 4 und 5 der Anklageschrift vom 2. Juni 2015) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Zwar trifft es zu, dass der Angeklagte den Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1, 3. Alt. StGB verwirklicht hat, indem er in den Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe sein mit falschen amtlichen Kennzeichen versehenes Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nutzte (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10; Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NStZ 2014, 272). Die Strafkammer hat jedoch nicht bedacht, dass nur eine Urkundenfälschung vorliegt, wenn eine gefälschte Urkunde mehrfach gebraucht wird und dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15, Rn. 5; Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10; Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 3). Nach den Feststellungen nutzte der Angeklagte sein mit falschen Kennzeichen versehenes Fahrzeug am 18. Februar 2015 um 20.15 Uhr (Fall II. 5 der Urteilsgründe) und am 19. Februar 2015 um 9.00 Uhr (Fall II. 6 der Urteilsgründe ) im öffentlichen Straßenverkehr. Aus der zugrunde liegenden Beweiswürdigung ergibt sich, dass er dazu am 19. Februar 2015 um 9.00 Uhr gegenüber einem Angehörigen des kommunalen Vollzugsdienstes angab, die (falschen) Kennzeichen am Vorabend selbst angebracht zu haben. Danach ist es nicht ausgeschlossen und bei der Beurteilung der Konkurrenzen auch zugunsten des Angeklagten anzunehmen, dass er schon beim Anbringen der Kennzeichen den Vorsatz zu einer zeitnahen Mehrfachnutzung des Fahrzeugs mit den falschen Kennzeichen hatte. Das hat zur Folge, dass der in der Fahrzeugnutzung liegende mehrfache Gebrauch einer unechten Urkunde und deren vorangegangene Herstellung als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bildeten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15, Rn. 5; Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10).
6
b) Im Fall II. 7 der Urteilsgründe wird die Annahme einer (tateinheitlich) verwirklichten vollendeten Nötigung von den Feststellungen nicht getragen. Danach fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw gezielt auf die Zeugen Z. , P. und M. F. zu. Dabei nahm er in Kauf, alle drei mit seinem Pkw zu erfassen und zu verletzen. Dass er dabei auch den (zumindest bedingten) Vorsatz hatte, diese Personen – wie letztendlich geschehen – zu einem Sprung auf eine Grünfläche zu zwingen, kann weder den Feststellungen, noch der sie tragenden Beweiswürdigung entnommen werden. Ergänzende Feststellungen sind unter den hier gegebenen Umständen nicht zu erwarten.
7
c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
8
3. Infolge der Schuldspruchänderung kommt eine der beiden für die Fälle II. 5 und 6 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von sechs Monaten Freiheitsstrafe in Wegfall. Die für die Fälle II. 1 bis 6 unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Idar-Oberstein vom 21. Mai 2015 gebildete Gesamtstrafe kann trotzdem bestehen bleiben, weil der Senat mit Rücksicht auf die verbleibenden Einzelstrafen (drei Mal sieben Monate Freiheitsstrafe , zwei Mal sechs Monate Freiheitsstrafe, einmal vier Monate Freiheitsstrafe und einmal 120 Tagessätze Geldstrafe) und den unverändert ge- bliebenen Schuldumfang ausschließen kann, dass die Strafkammer auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2015 – 3 StR 490/14, NStZ-RR 2015, 139, 140; Beschluss vom 6. Dezember 2012 – 2 StR 294/12, Rn. 5; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 354 Rn. 22 aE).
9
Die im Fall II. 7 verhängte Freiheitsstrafe hat ebenfalls Bestand. Denn der Senat kann ausschließen, dass die Strafrahmenwahl und die Bestimmung der Strafe durch die fehlerhafte rechtliche Würdigung beeinflusst worden sind.
10
4. Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.
Roggenbuck Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 629/16
vom
15. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:150217B4STR629.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 23. September 2016 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte
a) im Fall II.10 der Urteilsgründe der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis , vorsätzlichem Gebrauch eines nicht versicherten Kraftfahrzeugs, Urkundenfälschung und unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln,
b) in den Fällen II.17 und 20 sowie II.19, 21 und 22 der Urkundenfälschung in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Diebstahl, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlichem Gebrauch eines nicht versicherten Kraftfahrzeugs , in einem Fall (Fälle II.19, 21 und 22) in weiterer Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln sowie
c) in den Fällen II.30 bis 35 jeweils anstelle der (tateinheitlich begangenen) Urkundenfälschung des vorsätzlichen Kennzeichenmissbrauchs schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Vielzahl von Straftaten , u.a. im Fall II.10 der Urteilsgründe wegen „fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 2 tateinheitlichen Fällen und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs ohne Versicherungsschutz, Urkundenfälschung und vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln“, in den Fällen II.17 und 19 jeweils wegen Diebstahls, in den Fällen II.20 bis 22 jeweils wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs ohne Versicherungsschutz und mit Urkundenfälschung , im Fall II.22 in weiterer Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln , im Fall II.30 wegen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs ohne Versicherungsschutz und mit Urkundenfälschung und in den Fällen II.31 bis 35 wegen Computerbetrugs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis , vorsätzlichem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs ohne Versicherungsschutz und mit Urkundenfälschung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es eine isolierte Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von drei Jahren angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt lediglich zur Abänderung des Schuldspruchs in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang und zum Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II.17, 19 und 22 der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall II.10 der Urteilsgründe hat die Verurteilung wegen der (tateinheitlich begangenen) fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil von H. zu entfallen. Die Geschädigte hat den erforderlichen Strafantrag nicht gestellt, und die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse nicht bejaht.
3
2. In den Fällen II.17 und 20 sowie II.19, 21 und 22 hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der Diebstähle fremder Fahrzeugkennzeichen (Fälle II.17 und 19) und der mehrfachen Nutzung der mit den gestohlenen amtlichen Kennzeichen versehenen Kraftfahrzeuge (Fälle II.20 bis 22) der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
a) Der Diebstahl der beiden Kennzeichen und deren zeitnahes Anbringen an eigenen Fahrzeugen des Angeklagten stellen hier jeweils eine natürliche Handlungseinheit dar (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NJW 2014, 871).
5
b) Hat der Täter schon beim Anbringen der gestohlenen amtlichen Kennzeichen den Vorsatz, das Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, stellen der – gegebenenfalls mehrfache – Gebrauch der unechten zusammengesetzten Urkunde sowie ihre Herstellung eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit nur eine Urkundenfälschung dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2014 – 4 StR 95/14, wistra 2014, 349, vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, DAR 2015, 702, und vom 26. Oktober 2016 – 4 StR 354/16, NStZ-RR 2017, 26, 27). Das jeweils tateinheitliche Zusammentreffen weiterer, auf der Fahrt begangener Delikte mit der einheitlichen Urkundenfälschung hat zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden (BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2014 und vom 21. Mai 2015, aaO, sowie vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NJW 2014, 871). Das Landgericht hat demnach übersehen, dass die beiden Fahrten vom 15. und 16. April 2015 (Fälle II.21 und 22) sowie der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln (Fall II.22) tateinheitlich mit dem zuvor ausgeführten Diebstahl (Fall II.19) begangen worden sind. Dasselbe gilt für den Diebstahl der amtlichen Kennzeichen im Fall II.17 und die – unter ihrer Verwendung – bei der weiteren Fahrt am 15. April 2015 (Fall II.20) verwirklichten Gesetzesverletzungen.
6
c) Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Dadurch entfallen die Einzelstrafen in den Fällen II.17, 19 und 22.
7
3. Der Schuldspruch wegen – jeweils tateinheitlich begangener – Urkundenfälschung in den Fällen II.30 bis 35 hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. In diesen Fällen war am Fahrzeug des Angeklagten lediglich ein Überführungskennzeichen („rotes Nummernschild“) angebracht. Selbst bei einer – nach § 16 Abs. 5 Satz 2 FZV nicht vorgeschriebenen – festen Verbindung mit einem solchen Kennzeichen stellt das Fahrzeug keine (zusammengesetzte ) Urkunde dar (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1987 – 4 StR 49/87, BGHSt 34, 375, 376 [noch zu § 28 StVZO]; Beschluss vom 11. Februar2014 – 4 StR 437/13, Rn. 15). Der Senat hat den Schuldspruch insoweit jeweils auf den tateinheitlich verwirklichten Kennzeichenmissbrauch (§ 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVG) abgeändert.
8
4. Im verbleibenden Umfang wird der Rechtsfolgenausspruch von den Änderungen im Schuldspruch nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht auf geringere Einzelstrafen und auf eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt oder die isolierte Sperrfrist kürzer bemessen hätte.
9
5. Mit Blick auf den nur geringen Teilerfolg erscheint es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten und Auslagen seines umfassend eingelegten Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 354/16
vom
26. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:261016B4STR354.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Oktober 2016 gemäß § 44 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 Satz 1 StPO analog beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. März 2016 gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. März 2016 dahin geändert und neu gefasst, dass
a) der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, Sachbeschädigung sowie Urkundenfälschung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Idar-Oberstein vom 21. Mai 2015 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt ist;
b) eine der für die Fälle II. 5 und 6 der Urteilsgründe jeweils verhängten Freiheitsstrafen entfällt.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, Urkundenfälschung in zwei Fällen sowie Sachbeschädigung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts IdarOberstein vom 21. Mai 2015 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Seine nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels zulässige Revision führt zu einer Abänderung des Schuldspruchs und dem Wegfall einer Einzelstrafe. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Dem Angeklagten war nach der Versäumung der Frist zur Begründung der Revision auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 7. September 2016 Bezug.
3
2. Der Schuldspruch war wie aus der Beschlussformel ersichtlich abzuändern.
4
a) Die Annahme zweier rechtlich selbständiger Taten der Urkundenfälschung in den Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe (Fälle 4 und 5 der Anklageschrift vom 2. Juni 2015) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Zwar trifft es zu, dass der Angeklagte den Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1, 3. Alt. StGB verwirklicht hat, indem er in den Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe sein mit falschen amtlichen Kennzeichen versehenes Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nutzte (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10; Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NStZ 2014, 272). Die Strafkammer hat jedoch nicht bedacht, dass nur eine Urkundenfälschung vorliegt, wenn eine gefälschte Urkunde mehrfach gebraucht wird und dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15, Rn. 5; Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10; Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 3). Nach den Feststellungen nutzte der Angeklagte sein mit falschen Kennzeichen versehenes Fahrzeug am 18. Februar 2015 um 20.15 Uhr (Fall II. 5 der Urteilsgründe) und am 19. Februar 2015 um 9.00 Uhr (Fall II. 6 der Urteilsgründe ) im öffentlichen Straßenverkehr. Aus der zugrunde liegenden Beweiswürdigung ergibt sich, dass er dazu am 19. Februar 2015 um 9.00 Uhr gegenüber einem Angehörigen des kommunalen Vollzugsdienstes angab, die (falschen) Kennzeichen am Vorabend selbst angebracht zu haben. Danach ist es nicht ausgeschlossen und bei der Beurteilung der Konkurrenzen auch zugunsten des Angeklagten anzunehmen, dass er schon beim Anbringen der Kennzeichen den Vorsatz zu einer zeitnahen Mehrfachnutzung des Fahrzeugs mit den falschen Kennzeichen hatte. Das hat zur Folge, dass der in der Fahrzeugnutzung liegende mehrfache Gebrauch einer unechten Urkunde und deren vorangegangene Herstellung als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bildeten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15, Rn. 5; Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10).
6
b) Im Fall II. 7 der Urteilsgründe wird die Annahme einer (tateinheitlich) verwirklichten vollendeten Nötigung von den Feststellungen nicht getragen. Danach fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw gezielt auf die Zeugen Z. , P. und M. F. zu. Dabei nahm er in Kauf, alle drei mit seinem Pkw zu erfassen und zu verletzen. Dass er dabei auch den (zumindest bedingten) Vorsatz hatte, diese Personen – wie letztendlich geschehen – zu einem Sprung auf eine Grünfläche zu zwingen, kann weder den Feststellungen, noch der sie tragenden Beweiswürdigung entnommen werden. Ergänzende Feststellungen sind unter den hier gegebenen Umständen nicht zu erwarten.
7
c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
8
3. Infolge der Schuldspruchänderung kommt eine der beiden für die Fälle II. 5 und 6 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von sechs Monaten Freiheitsstrafe in Wegfall. Die für die Fälle II. 1 bis 6 unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Idar-Oberstein vom 21. Mai 2015 gebildete Gesamtstrafe kann trotzdem bestehen bleiben, weil der Senat mit Rücksicht auf die verbleibenden Einzelstrafen (drei Mal sieben Monate Freiheitsstrafe , zwei Mal sechs Monate Freiheitsstrafe, einmal vier Monate Freiheitsstrafe und einmal 120 Tagessätze Geldstrafe) und den unverändert ge- bliebenen Schuldumfang ausschließen kann, dass die Strafkammer auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2015 – 3 StR 490/14, NStZ-RR 2015, 139, 140; Beschluss vom 6. Dezember 2012 – 2 StR 294/12, Rn. 5; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 354 Rn. 22 aE).
9
Die im Fall II. 7 verhängte Freiheitsstrafe hat ebenfalls Bestand. Denn der Senat kann ausschließen, dass die Strafrahmenwahl und die Bestimmung der Strafe durch die fehlerhafte rechtliche Würdigung beeinflusst worden sind.
10
4. Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.
Roggenbuck Cierniak Franke
Bender Quentin
5
b) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte im Fall II.1. der Urteilsgründe der Urkundenfälschung in der Variante des Herstellens einer unechten (zusammengesetzten) Urkunde gemäß § 267 Abs. 1, 1. Alt. StGB schuldig ist, weil er an den mit seinem Kraftfahrzeug verbundenen entstempelten amtlichen Kennzeichen das Falsifikat einer Stempelplakette , die auch den angeblichen Aussteller erkennen ließ (UA 32), angebracht hatte (vgl. OLG Stuttgart, NStZ-RR 2001, 370). Auch trifft es zu, dass der Angeklagte den Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1, 3. Alt. StGB verwirklicht hat, indem er in den Fällen II.1. und 2. das mit den manipulierten Kennzeichen versehene Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nutzte und dadurch den anderen Verkehrsteilnehmern sowie mit der Verkehrsüberwachung befassten Polizeibeamten die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglichte (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NStZ 2014, 272). Die Strafkammer hat jedoch nicht ausreichend bedacht, dass nur eine Urkundenfälschung vorliegt, wenn eine gefälschte Urkunde mehrfach gebraucht wird und dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 3, und vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15). Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die falschen Kennzeichen an seinem Fahrzeug angebracht, um „bei et- waigen polizeilichen Kontrollen“ einen Versicherungsschutz vorzutäuschen. Damit hatte er schon beim Anbringen der Kennzeichen den ein einheitliches Urkundsdelikt im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung konstituierenden konkreten Gesamtvorsatz. Das hat zur Folge, dass der mit beiden Fahrten ver- wirklichte Gebrauch einer unechten Urkunde und deren vorangegangene Herstellung als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bildeten und damit auch die weiteren während der beiden Fahrten begangenen Delikte hierzu in Tateinheit stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder ihm das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist, oder
2.
als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer

1.
eine Tat nach Absatz 1 fahrlässig begeht,
2.
vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, oder
3.
vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 kann das Kraftfahrzeug, auf das sich die Tat bezieht, eingezogen werden, wenn der Täter

1.
das Fahrzeug geführt hat, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder obwohl eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs gegen ihn angeordnet war,
2.
als Halter des Fahrzeugs angeordnet oder zugelassen hat, dass jemand das Fahrzeug führte, dem die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder gegen den eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs angeordnet war, oder
3.
in den letzten drei Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Tat nach Absatz 1 verurteilt worden ist.

(1) Wer ein Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen gebraucht oder den Gebrauch gestattet, obwohl für das Fahrzeug der nach § 1 erforderliche Haftpflichtversicherungsvertrag nicht oder nicht mehr besteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen.

(3) Ist die Tat vorsätzlich begangen worden, so kann das Fahrzeug eingezogen werden, wenn es dem Täter oder Teilnehmer zur Zeit der Entscheidung gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 438/03
vom
7. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. November 2003
gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird hinsichtlich des Falles II 2 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Juni 2003 im Schuld- und Strafausspruch dahin geändert, daß der Angeklagte wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt wird. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die übrigen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Fall II 2) und wegen unerlaubten Entfernens vom
Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von 24 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte allgemein die Verletzung materiellen Rechts.
Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte im Fall II 2 des Urteils wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist. Die Wertung der Strafkammer, die Weiterfahrt des Angeklagten nach dem Halt an der Tankstelle (bis zur späteren Unfallstelle) stelle eine selbständige Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis dar, begegnet rechtlichen Bedenken, da die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis regelmäßig erst mit Abschluß einer von vornherein für einen längeren Weg geplanten Fahrt endet und nicht durch kurze Unterbrechungen in selbständige Taten aufgespalten wird (vgl. Hentschel , Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. § 21 StVG Rdn. 25 m.w.N.).
Die teilweise Einstellung des Verfahrens hat den Wegfall der für diese Tat verhängten Einzelstrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe zur Folge. Der Senat trägt diesem Umstand dadurch Rechnung, daß er die weggefallene Einzelstrafe von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten in Abzug bringt und eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten festsetzt. Der Senat kann ausschließen, daß die Strafkammer in Anbetracht der verbleibenden Einzelstrafen von 4 Jahren und von 5 Monaten auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt oder ohne die Tat im Fall II 2 eine kürzere Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bestimmt hätte.
Die Überprüfung des Urteils hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Da der Angeklagte mit seiner Revision nur einen geringen Teilerfolg erzielt hat, besteht aus Gründen der Billigkeit kein Anlaß, die Rechtsmittelgebühr zu ermäßigen und seine notwendigen Auslagen teilweise der Staatskasse aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO). ! #"%$ '& ( Ernemann Sost-Scheible
5 StR 268/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2009

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. März 2009 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen Betruges in Tatmehrheit mit Nötigung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Es hat dabei übersehen, dass der Angeklagte neben dem ausgeurteilten (Tank-)Betrug tateinheitlich auch § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG verwirklicht hat. Denn das Dauerdelikt des Fahrens ohne Fahrerlaubnis wird durch einen kurzen Tankaufenthalt nicht unterbrochen (BGH DAR 2004, 229; König in Hentschel /König/Dauer Straßenverkehrsrecht 40. Aufl. § 21 StVG Rdn. 25 m.w.N.), weswegen von einer Handlung im Rechtssinn auszugehen ist.
Der Rechtsfehler beschwert den Angeklagten jedoch nicht. Denn als minderschwere Straftat vermag das – ununterbrochene – Vergehen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG den Betrug und die Nötigung nicht zu einer rechtlichen Einheit zu 8). Dementsprechend können die für die beiden Taten verhängten Einzelstrafen ebenso wie der Ausspruch über die Gesamtstrafe bestehen bleiben.
Basdorf Brause Schaal Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 294/10
vom
30. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. September
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten Z. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 22. März 2010, 1. soweit es den Angeklagten D. betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass - die Verurteilung im Fall II. 2. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis entfällt, - er im Fall II. 4. des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Schuldspruch dahin ergänzt, dass er im Fall II. 3. wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt ist, 2. soweit es die Angeklagte Z. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass sie im Fall II. 4. des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig ist. II. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die Revision der Staatsanwaltschaft werden verworfen. III. Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 4.), Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Diebstahl (Fälle II. 1., 2. und 5.), versuchten Computerbetruges (Fall II. 6.) sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 7.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass acht Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die Angeklagte Z. hat das Landgericht wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 4.), versuchten Computerbetruges (Fall II. 6.), Körperverletzung in zwei Fällen (Fälle II. 8. und 10.) und wegen Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung (Fall II. 9.) zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren unbeschränkt eingelegten Revisionen. Sie rügen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte D. beanstandet darüber hinaus auch das Verfahren. In erster Linie erhebt er sachlichrechtliche Einwendungen gegen die Ablehnung eines minder schweren Falles im Fall II. 4. der Urteilsgründe; die Angeklagte Z. beanstandet in diesem Fall die Beweiswürdigung und die Bejahung mittäterschaftlichen Handelns. Die mit der Sachrüge begründete und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich nur gegen den Angeklagten D. und ist auf die Anfechtung der in den Fällen II. 3. und 4. verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe beschränkt. Die Beschwerdeführerin wendet sich in beiden Fällen gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit sowie gegen die Strafzumessung im engeren Sinne.
3
Die Rechtsmittel der Angeklagten führen lediglich zu Änderungen des Schuldspruchs und sind im Übrigen unbegründet. Der Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg insgesamt versagt.
4
I. Revision des Angeklagten D. .
5
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Sachrüge führt im Fall II. 2. der Urteilsgründe zum Wegfall, im Fall II. 4. zur Änderung und im Fall II. 3. zur Ergänzung des Schuldspruchs. Im Übrigen weist das Urteil durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf. Im Einzelnen:
6
1. a) Die Verurteilung im Fall II. 2. des Urteils wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Die Wertung der Strafkammer, die Rückfahrt des Angeklagten mit dem fahrerlaubnispflichtigen Motorroller von der Bank in A. zur Wohnung des Zeugen S. stelle neben der Fahrt zur Bank eine selbständige Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis da, geht fehl. Die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis endet regelmäßig erst mit Abschluss einer von vorneherein für eine längere Wegstrecke geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbständige Taten aufgespalten (BGH, Beschluss vom 7. November 2003 - 4 StR 438/03, VRS 106, 214). So verhält es sich hier. Der Angeklagte hatte nach den Urteilsgründen von vorneherein vor, die Fahrt nur für wenige Minuten zu unterbrechen, um an einem Geldautomaten Abhebungen vorzunehmen und sie sodann - wie geschehen - fortzusetzen, um wieder zur Wohnung des Zeugen zurückzukehren.
8
Der Schuldspruch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hat daher im Fall II. 2. der Urteilsgründe zu entfallen. Ein Teilfreispruch ist insoweit nicht erforderlich , da die Schuldspruchänderung lediglich auf einer anderen rechtlichen Wertung desselben Sachverhalts beruht (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 260 Rn.

13).

9
b) Im Fall II. 4. weist der Schuldspruch ebenfalls einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.
10
Nach den Feststellungen griff der Angeklagte den Zeugen S. in dessen Wohnung mit einem Besenstiel an, um bei ihm vermutete 500 € Bargeld zu erlangen. Er versetzte ihm mit dem Gegenstand zunächst Schläge gegen den Kopf und in den Nacken, wodurch der Zeuge eine Prellung und eine Platzwunde erlitt, und drückte sodann einen abgebrochenen Teil des Stiels mit beiden Händen gegen die Kehle des Zeugen. Während des Würgens entnahm die Angeklagte Z. auf Aufforderung des Angeklagten D. das in der Hosentasche befindliche Portemonnaie des Zeugen. Dieses enthielt zwar kein Bargeld, aber zwei Bankkarten. Durch weiteres Würgen wurde der Zeuge gezwungen , die zu den Bankkarten gehörenden PIN zu nennen, die die Angeklagte Z. notierte. Die Konten, für die die Karten ausgestellt waren, wiesen jedoch kein Guthaben auf, so dass Bargeldabhebungen nicht möglich waren.
11
Die Strafkammer hat diesen Sachverhalt (hinsichtlich beider Angeklagten ) rechtlich gewertet als gemeinschaftlichen besonders schweren Raub gemäß § 249, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (Wegnahme des Portemonnaies und der Karten) in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung gemäß § 253, § 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (Erzwingen der Preisgabe der PIN) und (hinsichtlich des Angeklagten D. ) in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
12
Der Generalbundesanwalt weist zurecht darauf hin, dass die Verurteilung wegen vollendeter schwerer räuberischer Erpressung (richtigerweise auch insoweit : besonders schwerer räuberischer Erpressung) keinen Bestand hat. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist durch das Abpressen der PIN dem Vermögen des Genötigten kein Nachteil zugefügt worden. Zwar kann die Kenntnis von den geheimen Zugangsdaten zu einem Bankkonto jedenfalls dann das Vermögen des Opfers beeinträchtigen, wenn sich der Täter zudem im Besitz der zugehörigen Bankkarte befindet und ihm deshalb die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten gegenüber der die Karte akzeptierenden Bank eröffnet ist (BGH, Beschluss vom 17. August 2004 - 5 StR 197/04, NStZ-RR 2004, 333, 334). Voraussetzung für die Zufügung eines Vermögensnachteils ist jedoch, dass durch die zusätzlich erlangte Kenntnis von der Geheimzahl mit wirtschaftlichen Nachteilen für das Vermögen des Genötigten bzw. des betroffenen Bankinstituts ernstlich zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2000 - 4 StR 599/99, NStZRR 2000, 234, 235). Nach den Feststellungen war dies nicht der Fall. Vielmehr war die Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen des Opfers oder der die Karten ausgebenden Bankinstitute von vorneherein ausgeschlossen, da mangels Deckung der Konten des Zeugen S. Geldabhebungen nicht möglich waren, mithin die Gefahr eines Vermögensverlusts nicht bestand. Da die Angeklagten dies nicht wussten, stellt sich das Abpressen der PIN lediglich als Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung dar.
13
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab und stellt dabei zugleich klar, dass der Angeklagte sowohl hinsichtlich des schweren Raubes als auch hinsichtlich der versuchten schweren räuberischen Erpressung die Qualifikation des § 250 Abs. 2 StPO verwirklicht hat (vgl. zur Tenorierung: BGH, Beschluss vom 2. März 2010 - 3 StR 496/09). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Ange- klagte gegen den Vorwurf der lediglich versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
14
c) Die versehentlich unterbliebene Tenorierung der Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen S. (§ 223 Abs. 1 StGB) holt der Senat nach. Dass nur der Angeklagte D. das Urteil insgesamt angefochten hat, steht der Ergänzung des Schuldspruchs nicht entgegen, da § 358 Abs. 2 StPO das Risiko einer Verschlechterung des Schuldspruchs nicht ausschließt.
15
2. Der Rechtsfolgenausspruch weist keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten D. auf.
16
a) Die Bemessung der im Fall II. 4. verhängten Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe hält rechtlicher Prüfung stand.
17
aa) Die insoweit vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung führt nicht zur Aufhebung der Einzelstrafe. Der vom Landgericht der Strafzumessung zugrunde gelegte, nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB findet trotz der Änderung des Schuldspruchs in gleicher Weise Anwendung, da sich der Angeklagte neben der lediglich versuchten Erpressungstat durch die Wegnahme der Bankkarten tateinheitlich des vollendeten besonders schweren Raubes schuldig gemacht hat. Eine strafschärfende Bedeutung hat die Strafkammer der tateinheitlichen Verwirklichung einer (vollendeten ) Erpressung weder bei der Strafrahmenwahl noch bei der Strafzumessung im engeren Sinne beigemessen. Der Senat schließt aber auch aus, dass das Landgericht auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte, wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass die besonders schwere räuberische Erpressung im Versuchsstadium stecken geblieben ist, zumal die auf die gewaltsame Erlan- gung von Vermögensgegenständen gerichtete tateinheitliche Raubtat durch die Wegnahme der Bankkarten vollendet worden ist.
18
bb) Es erweist sich auch nicht als durchgreifend rechtsfehlerhaft, dass die Strafkammer den - für sich betrachtet - geringen objektiven Wert der durch den Raub erlangten Bankkarten bei der Strafzumessung nicht erörtert und zugunsten des Angeklagten gewertet hat. Der Tatrichter ist nicht verpflichtet sämtliche möglichen Strafzumessungserwägungen ausdrücklich abzuhandeln. Vielmehr genügt es, die nach seiner maßgeblichen Überzeugung wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Hieran gemessen war jedoch der objektive Wert der letztlich erzielten Tatbeute vor dem Hintergrund, dass die Erwartung der Angeklagten darauf gerichtet war, bei der Tat Bargeld in Höhe von 500 € zu erlangen , nicht von so zentraler Bedeutung, dass eine ausdrückliche Erörterung (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) unerlässlich gewesen wäre.
19
cc) Die Ausführungen des Landgerichts lassen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers schließlich auch nicht besorgen, dass es bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 250 Abs. 3 StGB einen rechtsfehlerhaften Maßstab zugrunde gelegt hat. Im Übrigen lag hier die Ablehnung eines minder schweren Falles trotz des Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB auf der Hand mit Blick auf das deutliche Überwiegen gewichtiger strafschärfender Umstände. Der Angeklagte ist nicht nur vielfach u.a. wegen Gewaltdelikten vorbestraft, wobei die letzte Verurteilung zu hoher Freiheitsstrafe nur elf Tage vor der verfahrensgegenständlichen Tat lag, sondern er hat in der Vergangenheit auch bereits mehrfach längere Haftstrafen verbüßt, ohne dass ihn dies von der Begehung neuer Straftaten abhalten konnte.
20
b) Der Wegfall der für die Tat II. 2. verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Monaten führt nicht zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Der Senat kann in Anbetracht der Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und der verbleibenden Einzelstrafen ausschließen, dass die Strafkammer ohne die für den Fall II. 2. ausgesprochene Strafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
21
II. Die Revision der Angeklagten Z. .
22
Mit Ausnahme der Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 4. des Urteils bleibt auch der Revision der Angeklagten der Erfolg versagt.
23
1. Im Fall II. 4. ist aus den oben unter I. 1. b) dargelegten Gründen der Schuldspruch wie aus der Urteilsformel ersichtlich zu ändern. Darüber hinausgehende sachlichrechtliche Mängel zum Nachteil der Angeklagten weist der Schuldspruch nicht auf. Aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen sind in diesem Fall weder die Beweiswürdigung der Strafkammer noch die Annahme mittäterschaftlichen Handelns aus Rechtsgründen zu beanstanden.
24
2. Die Bemessung der Jugendstrafe hält ebenfalls sachlichrechtlicher Prüfung stand.
25
Das Landgericht hat auf die zu den Tatzeiten 18 und 19 Jahre alte Angeklagte gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet und die Verhängung einer Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen (§ 17 Abs. 2 JGG) für geboten gehalten. Diese Entscheidung hat es unter Darlegung der Entwicklung der Persönlichkeit der Angeklagten, insbesondere mit Blick auf ihr zunehmendes Abgleiten in ein kriminelles Umfeld und ihre Unerreichbarkeit mit ambulanten Maßnahmen rechtsfehlerfrei begründet.
26
Bei Bestimmung der Strafhöhe hat es - zutreffend - den Erziehungsgedanken in den Vordergrund gestellt. Allerdings ist es bei der insoweit gebotenen Gesamtabwägung nicht darauf eingegangen, ob bei der Angeklagten bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf die Tat II. 4. ein minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB hätte angenommen werden müssen (BGH, Beschluss vom 4. November 1987 - 3 StR 482/87, BGHR JGG § 18 Abs. 1 Satz 3, Minder schwerer Fall 3). Indes drängten die Feststellungen im Hinblick auf die vielfältigen Vorahndungen der Angeklagten, denen ausschließlich Gewaltdelikte zugrunde liegen, hier ebenfalls nicht zu einer entsprechenden Erörterung. Jedenfalls lässt sich angesichts der ausführlichen Darlegungen zu dem erheblichen Erziehungsbedarf der Angeklagten aber ausschließen, dass die Bemessung der Jugendstrafe auf der vermissten Prüfung beruht.
27
Hinsichtlich der fehlenden Auswirkungen der Schuldspruchänderung und der unterbliebenen Erörterung des Werts der erlangten Beute im Fall II. 4. auf den Strafausspruch wird auf die Ausführungen unter I. 2. a) aa) und bb) verwiesen.
28
III. Revision der Staatsanwaltschaft.
29
Die nur den Angeklagten D. betreffende Revision zeigt - soweit der Strafausspruch angefochten ist - keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
30
1. Die Begründung, mit welcher das Landgericht das Vorliegen einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten II. 3. und 4. der Urteilsgründe bejaht hat, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
31
Das Landgericht hat - dem Sachverständigen folgend - nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte infolge des Zusammenwirkens einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, seiner Alkoholisierung zu den Tatzeiten (BAK: 2,55 ‰) und einer plötzlichen Eifersuchtserregung bei Begehung der Gewalttaten zum Nachteil des Zeugen S. (Fälle II. 3. und 4.) in seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen sei. Diese Wertung begegnet im Fall II. 3. der Urteilsgründe keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da der Faustschlag des unter Alkoholeinfluss zu Aggressionshandlungen neigenden, alkoholabhängigen Angeklagten gegen den Zeugen S. eine unmittelbare und spontane Reaktion auf das die affektive Erregung auslösende Ereignis - das aus Sicht des Angeklagten sexuell anzügliche Verhalten des Zeugen gegenüber der Angeklagten Z. - war.
32
Die Urteilsfeststellungen tragen mit Blick auf den engen zeitlichen Zusammenhang der beiden Taten die Annahme verminderter Schuldfähigkeit aber auch im Fall II. 4.. Denn der Angeklagte hatte den Entschluss, sich mittels Gewalt in den Besitz der beim Zeugen S. vermuteten 500 € zu bringen, zu dem Zeitpunkt, als sich der Zeuge der Angeklagten Z. näherte, noch nicht endgültig gefasst, sondern sich bis dahin ein gewaltsames Vorgehen nur ("notfalls", UA S. 19) vorbehalten. Damit ist hinreichend belegt, dass die Eifersuchtserregung des Angeklagten nicht nur den Faustschlag, sondern auch die kurz darauf erfolgte Gewaltanwendung gegen den Zeugen zur Erlangung von Vermögensgegenständen jedenfalls mitbedingt und sich damit auch beim Raubgeschehen als weitere Ursache schuldmindernd ausgewirkt hat.
33
2. Rechtsfehler bei Bemessung der beanstandeten Einzelstrafen sind auch im Übrigen nicht zu erkennen. Vielmehr erschöpfen sich die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, die Strafzumessung des Tatrichters durch eine eigene Würdigung zu ersetzen. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 60/16
vom
9. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:090316B4STR60.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 30. September 2015 wird der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Raubes in zwei Fällen, des räuberischen Diebstahls, des Diebstahls in fünf Fällen, des Betrugs, des versuchten Betrugs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis , des Computerbetrugs in zwei Fällen, des Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis , des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in zwei Fällen, räuberischen Diebstahls, „besonders schweren Diebstahls“ in fünf Fällen, Be- trugs, versuchten Betrugs, Computerbetrugs in zwei Fällen, Diebstahls in Tat- einheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es eine Sperre von fünf Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für den Angeklagten angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
2
Das Rechtmittel führt in den Fällen II.7. bis 9. der Urteilsgründe zu der vom Generalbundesanwalt beantragten Änderung des Schuldspruchs, da das Dauerdelikt des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch den kurzen Tankaufenthalt und den dabei begangenen Betrugsversuch (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 – 4 StR 632/11, NStZ 2012, 324) nicht unterbrochen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2003 – 4 StR 438/03, VRS 2004, 214), sondern insofern Tateinheit vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2009 – 5 StR 268/09, BGHR StVG § 21 Konkurrenzen 2). Damit entfallen zwei Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten; die ferner verhängte (Einzel -)Freiheitsstrafe von ebenfalls sechs Monaten bleibt bestehen. Angesichts der verbleibenden 15 Einzelfreiheitsstrafen, die hinsichtlich neun Taten zwischen einem Jahr und zwei Jahren neun Monaten betragen, schließt der Senat aus, dass das Landgericht ohne die nunmehr entfallenen Einzelstrafen auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe oder Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis erkannt hätte.
3
Im Übrigen hat das Rechtsmittel aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 4. Februar 2016 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der lediglich geringe Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten gebietet auch keine Kostenteilung (§ 473 Abs. 1, 4 Satz 1 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder ihm das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist, oder
2.
als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer

1.
eine Tat nach Absatz 1 fahrlässig begeht,
2.
vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, oder
3.
vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 kann das Kraftfahrzeug, auf das sich die Tat bezieht, eingezogen werden, wenn der Täter

1.
das Fahrzeug geführt hat, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder obwohl eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs gegen ihn angeordnet war,
2.
als Halter des Fahrzeugs angeordnet oder zugelassen hat, dass jemand das Fahrzeug führte, dem die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder gegen den eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs angeordnet war, oder
3.
in den letzten drei Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Tat nach Absatz 1 verurteilt worden ist.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/07
vom
17. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert
worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter
näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle
der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen,
dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil
der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - Landgericht Oldenburg
wegen besonders schwerer Brandstiftung u. a.
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Basdorf, die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Miebach,
Dr. Wahl, Dr. Bode, Prof. Dr. Kuckein, die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Gerhardt sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und Becker am
17. Januar 2008 beschlossen:
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.

Gründe:


I.

1
Die Vorlage des 3. Strafsenats betrifft die Frage, in welcher Weise es im Rechtsfolgenausspruch zu berücksichtigen ist, wenn Strafverfolgungsbehörden das Verfahren gegen den Angeklagten in rechtsstaatswidriger Weise verzögert haben.
2
1. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Strafsache gegen F. (3 StR 50/07) über die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Re- vision der Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Mit ihrem Rechtsmittel beanstandet es die Revisionsführerin als sachlichrechtlichen Mangel, dass das Landgericht zum Ausgleich für eine von ihm zu verantwortende Verzögerung des Verfahrens gegen den Angeklagten auf eine Strafe erkannt hat, die das gesetzliche Mindestmaß unterschreitet.
3
Der Angeklagte hatte einen im Eigentum seiner Mutter stehenden, aber maßgeblich von ihm geleiteten Landgasthof in Brand gesetzt, um Leistungen aus der von seiner Mutter für den Betrieb abgeschlossenen Gebäude-, Inventar - und Ertragsausfallversicherung zu erlangen. Er hatte den Schadensfall der Versicherung gemeldet, diese hatte jedoch keine Zahlungen geleistet.
4
Wegen dieses Sachverhalts hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten der besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und des versuchten Betruges (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB) schuldig gesprochen und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren erkannt. Im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs hat das Landgericht zunächst festgestellt, dass das Verfahren in einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Weise verzögert worden sei, weil zwischen dem Eingang der Anklageschrift am 5. Oktober 2004 und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 24. Mai 2006 ein unvertretbar langer Zeitraum gelegen habe. Es hat sodann dargelegt, dass ohne Berücksichtigung dieser Verfahrensverzögerung zur Ahndung der besonders schweren Brandstiftung die in § 306 b Abs. 2 StGB vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe angemessen sei. Da § 306 b StGB keinen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle vorsehe, sei ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung innerhalb des gesetzlich eröffneten Strafrahmens nicht möglich. Daher sei, um dem Angeklagten die verfassungsrechtlich gebotene Kompensation für die Verletzung des Beschleunigungsgebots zu gewähren, eine Strafrahmenverschiebung in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen. Das Landgericht hat demgemäß den Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 StGB nach den Maßstäben des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3 StGB gemildert und sodann zur Kompensation der Verfahrensverzögerung statt der an sich verwirkten Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren eine solche von drei Jahren und zehn Monaten festgesetzt.
5
Für den versuchten Betrug hat es an sich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für angemessen erachtet, wegen der überlangen Verfahrensdauer jedoch auf eine solche von sechs Monaten erkannt. Unter Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und zehn Monaten hat es sodann eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt; ohne die jeweiligen Strafabschläge hätte es eine solche von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet.
6
2. Diese Strafzumessung hält der 3. Strafsenat für rechtsfehlerhaft. Er beabsichtigt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im gesamten Strafausspruch aufzuheben.
7
a) Hierbei will er es allerdings im Ausgangspunkt nicht beanstanden, dass das Landgericht im Hinblick auf die zwischen der Anklageerhebung und dem Eröffnungsbeschluss verstrichene Zeit einen von der Justiz zu verantwortenden Verstoß gegen das Gebot der Verfahrensbeschleunigung angenommen und die sich hieraus ergebende Verzögerung des Verfahrens - wenn auch nicht ausdrücklich ziffernmäßig, so doch nach dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen - auf etwa ein Jahr und sechs Monate bemessen hat. Auch sieht er keinen Verstoß gegen Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung dadurch begründet, dass das Landgericht als Ausgleich für diese Verfahrensverzögerung die für den versuchten Betrug eigentlich als angemessen erachtete Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr um die Hälfte reduziert und auf sechs Monate festgesetzt hat. Ebensowenig liege ein revisibler Bewertungsfehler des Landge- richts darin, dass dieses für das Brandstiftungsdelikt ohne Berücksichtigung der Verzögerung auf die Mindeststrafe von fünf Jahren erkannt hätte.
8
Als berechtigt erachtet der 3. Strafsenat dagegen die Rüge der Revision, das Landgericht habe zur Gewährleistung eines Ausgleichs für die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht das gesetzliche Mindestmaß der für das Brandstiftungsdelikt angedrohten Freiheitsstrafe unterschreiten dürfen. Die vom Landgericht vorgenommene entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB hält er für rechtlich nicht zulässig. Er vertritt die Auffassung, die gebotene Kompensation für den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei insoweit vielmehr in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB in der Weise vorzunehmen , dass auf die Mindeststrafe als angemessene Strafe zu erkennen und in der Urteilsformel gleichzeitig auszusprechen sei, dass ein bestimmter Teil der Strafe, der dem gebotenen Ausmaß der Kompensation entspricht, als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung).
9
b) Hinsichtlich der Einzelstrafe für die besonders schwere Brandstiftung in dieser Weise zu entscheiden, sieht sich der 3. Strafsenat weder durch Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs noch durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts gehindert. Ob es möglich wäre, aus der reduzierten Einzelstrafe für den versuchten Betrug und einer teilweise für vollstreckt erklärten Einzelstrafe für das Brandstiftungsdelikt in stimmiger Weise eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, hat der 3. Strafsenat offen gelassen. Denn er ist der Auffassung, dass die durch vorliegende Sonderkonstellation aufgeworfenen Rechtsfragen und das von ihm zu deren Lösung befürwortete Modell Anlass zu einer generellen Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung geben. Diese Prüfung ergebe, dass sich die Vollstreckungslösung allgemein stimmiger in das Rechtsfolgensystem des Strafgesetzbuchs einfüge und der an sich angemessenen Strafe die Funktion belasse, die ihr in daran anknüpfenden Folge- regelungen inner- und außerhalb des Strafrechts zukomme. Er möchte daher dieses Modell generell anwenden und demgemäß auch den Einzelstrafausspruch wegen des versuchten Betruges aufheben. Daher beabsichtigt er zu entscheiden: Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist der Angeklagte gleichwohl zu der nach § 46 StGB angemessenen Strafe zu verurteilen; zugleich ist in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
10
Da hiermit eine Abkehr von einer bisher einhelligen Rechtsprechung verbunden wäre, hat er dem Großen Senat für Strafsachen die Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Fortbildung des Rechts zur Entscheidung vorgelegt (BGH NJW 2007, 3294).
11
3. Der Generalbundesanwalt hat sich der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats angeschlossen.

II.

12
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 4 GVG sind gegeben.
13
Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Die Ansicht des 3. Strafsenats, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht es für erforderlich erachtet habe, die Verzögerung des Verfahrens zwischen Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluss auf der Rechtsfolgenseite zugunsten des Angeklagten auszugleichen, und hierfür hinsichtlich des Brandstiftungsdelikts innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens keine hinreichende Möglichkeit gesehen habe, ist vertretbar. Auf dieser Grundlage hängt die Revisionsentscheidung davon ab, wie die vorgelegte Rechtsfrage zu beantworten ist. Diese hat auch grundsätzliche Bedeutung. Verstöße der Strafverfolgungsorgane gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung sind in zunehmendem Maße festzustellen ; die Gründe hierfür hat der Große Senat an dieser Stelle nicht zu erörtern. Die Frage, welche Folgen aus derartigen Verstößen zu ziehen sind, ist regelmäßig Gegenstand tatrichterlicher und revisionsgerichtlicher Entscheidungen. Eine einheitliche Handhabung durch entsprechende Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher geboten. Vor diesem Hintergrund erstrebt die Vorlage eine Fortbildung des Rechts; denn sie zielt auf die Festlegung neuer Auslegungsgrundsätze, als deren Folge sich ein von der bisherigen Handhabung abweichendes rechtliches Modell für die Kompensation von Verstößen gegen das Beschleunigungsgebot im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs ergäbe.

III.

14
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die ihm unterbreitete Rechtsfrage im Ergebnis im Sinne des Vorlegungsbeschlusses.
15
Zwar führt das bisher in der Rechtsprechung praktizierte Modell, dem Angeklagten als Ausgleich für einen rechtsstaatswidrigen Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung einen bezifferten Abschlag auf die an sich verwirkte Strafe zu gewähren, im Regelfall zu einer Kompensation dieses Verstoßes , die nicht nur mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (MRK), sondern auch mit dem nationalen deutschen Straf- und Strafprozess- recht in Einklang steht. Jedoch stößt dieses Modell in besonders gelagerten Fällen an gesetzliche Grenzen. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann die Gewährung der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Kompensation durch Strafabschlag zu Ergebnissen führen, die den einfachgesetzlichen Rahmen des Strafzumessungsrechts sprengen. Hierdurch wird jedoch die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) berührt, die durch das StGB vorgegebene Grenzen der Strafenfindung zu achten haben. Deren Überschreitung könnte aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten nur dann gerechtfertigt werden, wenn keine andere Möglichkeit der Kompensation zur Verfügung stünde , die die Grundsätze des Strafzumessungsrechts des StGB unberührt lässt. Eine solche liegt mit der Vollstreckungslösung indes vor. Der Große Senat hält daher einen Wechsel zu diesem Modell für geboten. Dies gilt auch deshalb, weil diese Form der Entschädigung gemäß den Vorgaben der MRK, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) präzisiert worden sind, im Gegensatz zur bisherigen Verfahrensweise in allen Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung eine Kompensation ermöglicht. Die Vollstreckungslösung genügt auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
16
Unabhängig hiervon hat die Vollstreckungslösung gegenüber dem Strafabschlagsmodell weitere Vorzüge, die für die Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen einen Systemwechsel angezeigt erscheinen lassen. Durch die Trennung von Strafzumessung und Entschädigung belässt sie der unrechts- und schuldangemessenen Strafe die ihr in strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Folgebestimmungen beigelegte Funktion. Darüber hinaus vereinfacht sie die Rechtsfolgenbestimmung.
17
Im Einzelnen:
18
1. Weder die Strafprozessordnung noch das Strafgesetzbuch enthalten Regelungen dazu, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn ein Strafverfahren aus Gründen verzögert wird, die im Verantwortungsbereich des Staates liegen. Dies beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Nach dessen Auffassung war eine gesetzliche Verankerung des Beschleunigungsgebots in der Strafprozessordnung entbehrlich, weil bereits Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK die Strafverfolgungsorgane hinreichend zu einer zügigen Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren verpflichte. Der Beschleunigungsgrundsatz sei daher dem deutschen Strafverfahrensrecht auch ohne ausdrückliche Regelung immanent. Das in Art. 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip sowie die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde ließen es ebenfalls nicht zu, den Beschuldigten länger als unvermeidbar in der Drucksituation des Strafverfahrens zu belassen. Wie der Grundsatz zügiger Verfahrenserledigung inhaltlich näher zu präzisieren sei und welche Folgen an seine Verletzung anzuknüpfen seien, müsse der Klärung durch Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen werden (vgl. den Entwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 1973 für das 1. StVRG, BT-Drucks. 7/551 S. 36 f.).
19
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Hinzu tritt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 MRK, wonach jede Person, die aus Anlass eines gegen sie geführten Strafverfahrens von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist hat; wird dieser Anspruch verletzt, so kann sie verlangen, während des Verfahrens (aus der Haft) entlassen zu werden. Regelungen darüber , welche sonstigen Konsequenzen aus einer Verletzung des Rechts auf Verhandlung und Urteil innerhalb angemessener Frist zu ziehen sind, enthält die MRK nicht. Jedoch bestimmt Art. 13 MRK, dass jede Person, die in ihren in der Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben , auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
20
2. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof zunächst die Auffassung vertreten, die Verletzung des Anspruchs des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auf zügige Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens begründe zwar kein Verfahrenshindernis, sei jedoch bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Spielraum, den das Gesetz insoweit gewähre , reiche aus, um den Belastungen, denen der Angeklagte durch das unangemessen zögerlich geführte Verfahren ausgesetzt gewesen sei, in hinreichender Weise Rechnung zu tragen (BGHSt 24, 239, 242; 27, 274, 275 f.; BGH NStZ 1982, 291, 292 m. w. N.). Dies könne in den gesetzlich vorgesehenen Fällen bis zum Absehen von Strafe, bei Verfahren wegen Vergehen aber auch zur deren Einstellung gemäß § 153 StPO führen; auch ein Gnadenerweis sei in Betracht zu ziehen (BGHSt 24, 239, 242 f.).
21
Danach war es ausreichend, den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK als bestimmenden Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) bei der Abwägung der sonstigen strafmildernden und -schärfenden Aspekte selbständig , auch neben dem schon für sich mildernden Umstand eines langen Zeitraums zwischen Tat und Urteil, zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 1983, 167; 1986, 217, 218; 1987, 232 f.; 1988, 552; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 2).
22
Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof später im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts modifiziert.
23
a) Der EGMR hat in seinem Urteil vom 15. Juli 1982 (E. ./. Bundesrepublik Deutschland - EuGRZ 1983, 371 ff. m. Anm. Kühne) in zwei gegen die dortigen Beschwerdeführer durchgeführten Strafverfahren eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden festgestellt. Hieran anknüpfend hat er es in dem einen der beanstandeten Verfahren nicht als hinreichenden Ausgleich zugunsten der Beschwerdeführer erachtet , dass diesen die Verzögerungen bei der Strafzumessung des landgerichtlichen Urteils ausdrücklich strafmildernd zugute gehalten worden waren; dies sei nicht geeignet, den Beschwerdeführern ihre Opfereigenschaft im Sinne des Art. 25 MRK aF (= Art. 34 MRK nF) zu nehmen, da das Urteil keine hinreichenden Hinweise enthalte, die eine Überprüfung der Berücksichtigung der Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt der Konvention erlaubten (EGMR EuGRZ 1983, 371, 381). In dem anderen Verfahren gelte das Gleiche, soweit dieses schließlich gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei; denn der Einstellungsbeschluss enthalte keinen Hinweis auf eine Berücksichtigung der Verfahrensverzögerungen (aaO S. 382). Zu der Frage, wie die vermissten "Hinweise" hätten ausgestaltet sein müssen und welche inhaltlichen Anforderungen an die den Beschwerdeführern zu gewährende Kompensation zu stellen gewesen wären, um den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK noch im Rahmen des nationalen Rechts auszugleichen, äußert sich die Entscheidung nicht.
24
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verletzt eine von den Justizbehörden zu verantwortende erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens den Beschuldigten auch in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie - wenn sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet - in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Ein Strafverfahren von überlanger Dauer könne den Beschuldigten - insbesondere dann, wenn die Dauer durch vermeidbare Verzögerungen seitens der Justizorgane bedingt sei - zusätzlichen fühlbaren Belastungen aussetzen, die in ihren Auswirkungen der Sanktion selbst gleich kämen. Mit zunehmender Verzögerung des Verfahrens gerieten sie in Widerstreit zu dem aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Grundsatz, dass die Strafe verhältnismäßig sein und in einem gerechten Verhältnis zum Verschulden des Täters stehen müsse (BVerfG - Kammer - NJW 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; NStZ 2006, 680, 681 = JR 2007, 251 m. Anm. Gaede; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 1992, 2472, 2473 für das Ordnungswidrigkeitenverfahren). So, wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhalte, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel der Strafverfolgung und der Bestrafung unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen, verpflichte er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zur Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann (BVerfG - Kammer - NJW 2003, 2225; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247; vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2005, 3485 zum weiteren Vollzug der Untersuchungshaft).
25
Solange es an einer gesetzlichen Regelung fehle, seien die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen zunächst in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts zu ziehen. Komme eine angemessene Reaktion auf solche Verfahrensverzögerungen mit vorhandenen prozessualen Mitteln (§§ 153, 153 a, 154, 154 a StPO) nicht in Frage, so sei eine sachgerechte, angemessene Berücksichtigung im Rechtsfolgenausspruch, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglicherweise durch Absehen von Strafe oder Verwarnung mit Strafvorbehalt, jenseits davon bei der Strafzumessung wie auch gegebenenfalls bei der Strafaussetzung zur Bewährung und bei der Frage der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung regelmäßig verfassungsrechtlich gefordert , aber auch ausreichend (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967). Die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung müsse sich bei der Strafzumessung auswirken, wenn sie nicht im Extrembereich zum Vorliegen eines unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot herzuleitenden Verfahrenshindernisses führe. Dabei liege es schon im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und dessen Auslegung durch den EGMR nahe, erscheine aber auch mit Blick auf die Bedeutung der vom Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes geforderten Verfahrensbeschleunigung angezeigt, dass die Fachgerichte der Strafgerichtsbarkeit, wenn sie die gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen, dabei die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich feststellen und das Ausmaß der Berücksichtigung dieses Umstands näher bestimmen (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; 2003, 2225 f.; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247 f.).
26
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht dahin präzisiert , dass es nicht genüge, die Verletzung des Beschleunigungsgebots als eigenständigen Strafmilderungsgrund festzustellen und zu berücksichtigen. Vielmehr sei das Ausmaß der vorgenommenen Herabsetzung der Strafe durch Vergleich mit der ohne Berücksichtigung der Verzögerung angemessenen Strafe exakt zu bestimmen (BVerfG - Kammer - NStZ 1997, 591).
27
c) An diese Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts anknüpfend haben die Strafsenate des Bundesgerichtshofs ihre ursprüngliche Spruchpraxis geändert: Ist ein Strafverfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und rechtsstaatliche Grundsätze durch die Strafverfolgungsorgane verzögert worden, so hat der Tatrichter nach der neueren Rechtsprechung zunächst stets Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursache konkret festzustellen und - falls dies zum Ausgleich der vom Beschuldigten erlittenen Belastungen nicht ausreichend ist und andere rechtliche Folgen (Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen oder wegen eines Verfahrenshindernisses ) nicht in Betracht kommen - in einem zweiten Schritt das Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen (s. etwa BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 12; BGH NJW 1999, 1198, 1199; NStZ-RR 2000, 343; StV 1998, 377; 2002, 598; wistra 1997, 347; 2001, 177; 2002, 420; StraFo 2003, 247). Dies gilt bei der Bildung einer Gesamtstrafe (§ 54 Abs. 1 StGB) nicht nur für diese, sondern auch für alle zugrunde liegenden Einzelstrafen, soweit das Verfahren hinsichtlich der entsprechenden Taten verzögert worden ist (vgl. BGH NStZ 2002, 589). Der Tatrichter hat somit in den Urteilsgründen für jede Einzeltat zwei Strafen auszuweisen, was sich aus Gründen der Klarheit auch für die Gesamtstrafe empfiehlt (vgl. BGH NStZ 2003, 601). In die Urteilsformel ist allein die reduzierte Strafe aufzunehmen. In welchem Umfang sich dabei der Konventionsverstoß auf das Verfahrensergebnis auswirken muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich auch nach dem - durch die Belastungen des verzögerten Verfahrens geminderten - Maß der Schuld des Angeklagten (vgl. BGHSt 46, 159, 174; s. auch BGH NStZ 1996, 506; 1997, 543, 544; StV 2002, 598).
28
3. An dieser Rechtsprechung wird nicht festgehalten.
29
a) Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) stets - ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach - daran festgehalten, dass die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung mit den Mitteln vorzunehmen ist, die das Straf- oder Strafverfahrensrecht dem Rechtsanwender zur Verfügung stellen. So kommt beispielsweise die Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153 a StPO nur in Betracht , wenn sich der Angeklagte keines Verbrechens schuldig gemacht hat (vgl. BGHSt 24, 239, 242). Ebenso ist ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung durch Strafreduzierung, Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) oder Absehen von Strafe (§ 60 StGB) nur in den Grenzen zulässig, die das Strafgesetzbuch insoweit jeweils setzt (s. BGHSt 27, 274 zu § 59 StGB). Von der ge- setzlich vorgeschriebenen Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe kann aus Kompensationsgründen nicht abgesehen werden (BGH NJW 2006, 1529, 1535; ob hiervon in extremen Fällen Ausnahmen denkbar sind, ist dort offen gelassen worden). All dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3256; 2003, 2897, 2899; NStZ 2006, 680, 681).
30
In Fällen, in denen eine Kompensation nur durch eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafen möglich wäre, gerät die bisher von der Rechtsprechung angewandte Strafabschlagslösung jedoch an ihre Grenzen und läuft Gefahr, das Rechtsfolgensystem des StGB in Frage zu stellen. Dieser Konflikt zwischen Straf- und Strafprozessrecht auf der einen und verfassungs- sowie konventionsrechtlichen Vorgaben auf der anderen Seite muss in einer Weise aufgelöst werden, welche die Bindung der Gerichte an die einfachgesetzlichen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung so weit wie möglich respektiert. Im Bereich der Strafzumessung bedeutet dies, dass die gesetzliche Untergrenze der angedrohten Strafe nur dann unterschritten werden darf, wenn keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, das vom Angeklagten erlittene Verfahrensunrecht in einer nach den Maßstäben des Grundgesetzes und der MRK hinreichenden Weise auszugleichen.
31
Diese Möglichkeit ist mit dem Vollstreckungsmodell jedoch vorhanden, das seine rechtlichen Grundlagen in den Bestimmungen der MRK und deren Entschädigungsprinzip findet sowie den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB fruchtbar macht (s. unten). Indem es die Kompensation für die von staatlichen Stellen verursachten Verfahrensverzögerungen in einem gesonderten Schritt nach der eigentlichen Strafzumessung vornimmt, respektiert es im Ausgangspunkt die im Gesetz vorgegebenen Mindeststrafen, die nach der Bewertung des Gesetzgebers auch im denkbar mildesten Fall noch einen angemessenen Schuldausgleich gewährleisten (vgl. Kutzner StV 2002, 277, 278). Gleichzeitig eröffnet es die Möglichkeit, die gebotene Entschädigung des Angeklagten für das von ihm erlittene Verfahrensunrecht dennoch zu leisten. Dies gilt selbst im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Sollte hier ausnahmsweise eine Kompensation einmal geboten sein (vgl. BGH NJW 2006, 1529, 1535), so könnte sie durch Anrechnung auf die Mindestverbüßungsdauer im Sinne des § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgenommen werden. Die Vollstreckungslösung erübrigt damit von vornherein Überlegungen, ob für besondere Ausnahmefälle ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe oder gar ein Absehen von der gesetzlich vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe (vgl. BGH StV 2002, 598; NJW 2006, 1529, 1535) in Betracht gezogen werden muss, sei es in der Form eines „Härteausgleichs“ (s. für den Fall der nicht - mehr - möglichen Gesamtstrafenbildung BGHSt 31, 102, 104 m. Anm. Loos NStZ 1983, 260; vgl. auch BGHSt 36, 270, 275 f.), sei es durch eine Strafrahmenverschiebung in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 oder 2 StGB (s. Krehl ZIS 2006, 168, 178 f.; StV 2006, 408, 412; Hoffmann-Holland ZIS 2006, 539 f.), wie dies der Bundesgerichtshof in Ausnahmefällen für zulässig erachtet hat, wenn die Verhängung der von § 211 StGB vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe aus anderen Gründen mit dem Übermaßverbot in Widerstreit gerät (vgl. BGHSt 30, 105).
32
b) Die bisher praktizierte Strafabschlagslösung ist aber auch deshalb durch das Vollstreckungsmodell zu ersetzen, weil dieses sich inhaltlich in vollem Umfang an den Kriterien ausrichtet, die nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 13, 34 MRK für den Ausgleich rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen maßgeblich sind.
33
aa) Die MRK ist durch das Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 GG) vom 7. August 1952 (BGBl II 685; ber. 953) unmittelbar geltendes nationales Recht im Range eines einfachen Bundesgesetzes geworden (vgl. etwa BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 323 f.; BGHSt 45, 321, 329; 46, 178, 186). Ihre Gewährleistungen sind daher durch die deutschen Gerichte wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 323). Hierbei ist auch das Verständnis zu berücksichtigen , das sie in der Rechtsprechung des EGMR gefunden haben. Auf dieser Grundlage ist das nationale Recht unabhängig von dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit der MRK zu interpretieren (vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 324).
34
Nach welchen Kriterien, in welcher Weise und in welchem Umfang eine Verletzung des Anspruchs auf zügige Verfahrenserledigung aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu kompensieren ist, um dem Betroffenen seine Opferstellung im Sinne des Art. 34 MRK zu nehmen und damit den jeweiligen Vertragsstaat vor einer Verurteilung zu bewahren, ist in der MRK nicht geregelt und daher vom EGMR den nationalen Fachgerichten nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsordnung zur Entscheidung überlassen worden (vgl. EGMR EuGRZ 1983, 371, 382 m. Anm. Kühne; NJW 2001, 2694, 2700, Zf. 159; Pfeiffer in Festschrift Baumann S. 329, 338; Trurnit/Schroth StraFo 2005, 358, 361). Jedoch hat die Rechtsprechung des EGMR hierzu konkretisierende Maßstäbe entwickelt; ihr lassen sich auch deutliche Hinweise dazu entnehmen, welche Formen der Kompensation im Einzelfall eine hinreichende Wiedergutmachung des Konventionsverstoßes bewirken können.
35
Nach dem Konzept der MRK - in der Auslegung des EGMR - dient die Kompensation für eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung allein dem Ausgleich eines durch die Verletzung eines Menschenrechts entstandenen objektiven Verfahrensunrechts (Demko HRRS 2005, 283, 295; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. Gaede wistra 2004, 166, 168; JR 2007, 254 f.). Sie ist Wiedergutmachung und soll eine Verurteilung des jeweiligen Vertragsstaates wegen der Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verhindern (Krehl ZIS 2006, 168, 178; s. auch BGH NStZ 1988, 552). Auf diese Wiedergutmachung hat der Betroffene gemäß Art. 13 MRK Anspruch, wenn die Konventionsverletzung nicht präventiv hat verhindert werden können (vgl. EGMR NJW 2001, 2694, 2698 ff., insbes. Zf. 159; Demko HRRS 2005, 403 ff.; Gaede wistra 2004, 166, 171; JR 2007, 254; Meyer-Ladewig MRK 2. Aufl. Art. 13 Rdn. 10, 22). Ist sie geleistet, so entfällt die Opfereigenschaft des Betroffenen im Sinne des Art. 34 MRK (vgl. EGMR StV 2006, 474, 477 f., Zf. 83). Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld sind dabei als solche weder für die Frage relevant, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist (zu den maßgeblichen Kriterien in der Rechtsprechung des EGMR s. Kühne StV 2001, 529, 530 f. m. Nachw.; Demko HRRS 2005, 283, 289 ff.), noch spielen diese Umstände für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (Demko HRRS 2005, 283, 294 f.; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. auch Kutzner StV 2002, 277, 283). Diese ist vielmehr allein an der Intensität der Beeinträchtigung des subjektiven Rechts des Betroffenen aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auszurichten. Durch die Kompensation wird danach eine Art Staatshaftungsanspruch erfüllt, der dem von einem überlangen Strafverfahren betroffenen Angeklagten in gleicher Weise erwachsen kann wie der Partei eines vom Gericht schleppend geführten Zivilprozesses oder einem Bürger , der an einem verzögerten Verwaltungsrechtsstreit beteiligt ist. Dieser Anspruch entsteht auch dann, wenn der Angeklagte freigesprochen wird. Ein unmittelbarer Bezug zu dem vom Angeklagten schuldhaft verwirklichten Unrecht oder sonstigen Strafzumessungskriterien besteht daher nicht.
36
Die Kompensation durch Gewährung eines bezifferten Abschlags auf die an sich verwirkte Strafe knüpft somit nach den Maßstäben der MRK im Ausgangspunkt an ein eher sachfernes Bewertungskriterium an, mag sie auch im Großteil der Fälle dazu führen, dass der gebotene Ausgleich geschaffen wird und damit die Opferstellung des Angeklagten entfällt. Demgegenüber koppelt das Vollstreckungsmodell den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von vornherein von Fragen des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Damit entspricht es nicht nur den Vorgaben der MRK, sondern es vermeidet gleichzeitig die Komplikationen, die sich für die Strafabschlagslösung aus der Bindung des Gerichts an die gesetzlich vorgegebenen Strafuntergrenzen ergeben (s. oben a).
37
bb) Die Vollstreckungslösung genügt auch den inhaltlichen und formellen Anforderungen, die die Art. 13, 34 MRK an eine hinreichende Kompensation stellen.
38
Nach der Rechtsprechung des EGMR verlangt ein angemessener Ausgleich zumindest die ausdrückliche oder jedenfalls sinngemäße Anerkennung des Konventionsverstoßes. Diese kann je nach den Umständen als Kompensation hinreichen; denn der EGMR hat in etlichen Fällen, in denen erst er selbst den Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ausdrücklich festgestellt hat, diese Feststellung als Ausgleich genügen lassen und dem Betroffenen keine Geldentschädigung nach Art. 41 MRK für immaterielle Einbußen zugesprochen (vgl. EGMR NJW 1984, 2749, 2751 - Ver-waltungsrechtsstreit; 2001, 213, 214 - Zivilrechtsstreit; StV 2005, 475, 477 m. Anm. Pauly - Strafverfahren ). Dies legt es nahe, dass aus der Sicht des EGMR insoweit - das heißt ohne Berücksichtigung etwaiger materieller Schäden - die Opferstellung des Betroffenen bereits durch die nationalen Gerichte aufgehoben worden wäre, wenn sie die entsprechende Feststellung selbst getroffen hätten.
39
Der EGMR hat weiterhin deutlich gemacht, dass die "innerstaatlichen Behörden" durch eine eindeutige und messbare Minderung der Strafe angemessene Wiedergutmachung leisten können (s. - je m. w. Nachw. - EGMR StV 2006, 474, 479 m. Anm. Pauly; Urteil vom 26. Oktober 2006 - Nr. 65655/01, Zf. 24, juris). Dies gelte auch, soweit eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 MRK auszugleichen sei; jedoch müsse dieser Verstoß gesondert anerkannt werden und zu einer selbständigen messbaren Strafmilderung führen (vgl. EGMR StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly).
40
Zu Weiterem verhält sich der EGMR nicht näher. Nach den in seinen Entscheidungen entwickelten Maßstäben sind aber auch die in der deutschen Rechtsprechung neben der Strafreduktion in Betracht gezogenen Konsequenzen (Annahme eines Verfahrenshindernisses, Strafaussetzung zur Bewährung, Absehen von Maßregeln der Besserung und Sicherung, völlige oder teilweise Verfahrenseinstellung nach strafprozessualen Opportunitätsgrundsätzen) je nach den Umständen erkennbar als hinreichende Wiedergutmachung tauglich. Notwendig ist lediglich der ausdrückliche Hinweis, dass die jeweilige Maßnahme des materiellen oder prozessualen Rechts gerade zur Kompensation des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot getroffen worden ist (vgl. zu § 154 StPO: EGMR EuGRZ 1983, 371, 382).
41
Nicht ausgeschlossen ist nach den Vorgaben des EGMR auch eine Wiedergutmachung durch Zahlung einer Geldentschädigung (s. dazu etwa Kühne EuGRZ 1983, 392, 383; Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren S. 267 ff.; Wohlers JR 1994, 138, 142 f.; Kraatz JR 2006, 403, 407 ff.). Die Rechtsordnungen anderer Vertragsstaaten der MRK enthalten hierzu ausdrückliche Regelungen (etwa Spanien: s. näher Paeffgen StV 2007, 487, 494; Italien: s. näher Ress in Festschrift Müller-Dietz S. 627, 628; Frankreich: s. Kraatz JR 2006, 2003, 2006). Mit den einschlägigen Vorschriften des französischen Rechts hat der EGMR sich bereits mit Blick auf Art. 13 MRK befasst. Er hat dabei eine derartige Form der Wiedergutmachung nicht generell für unzureichend erachtet. Er hat es vielmehr nur nicht für hinreichend belegt angesehen, dass die Bestimmungen nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und ihrer konkreten Handhabung in dem zu beurteilenden Fall ein wirksames innerstaatliches Rechtsmittel im Sinne des Art. 13 MRK zur Erlangung einer angemessenen Entschädigung darstellen (Entscheidung vom 26. März 2002, Nr. 48215/99, Zf. 20; s. Kraatz aaO). Das deutsche Recht enthält demgegenüber keine Regelungen , die es den Strafgerichten ermöglichten, eine Geldentschädigung zuzuerkennen. Die Bestimmungen des StrEG können nicht entsprechend herangezogen werden; sie haben abschließenden Charakter. Eine entsprechende Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO gäbe keinen ausreichenden Entscheidungsspielraum. Es wäre Sache des Gesetzgebers, eine eindeutige rechtliche Grundlage zu schaffen.
42
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass nach den genannten Kriterien auch das Modell, einen angemessenen Teil der Strafe als vollstreckt anzurechnen, den Anforderungen an eine ausreichende Entschädigung gerecht wird. Es zieht neben dem Entschädigungsprinzip der MRK auch den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB heran; denn ähnlich wie bei der Untersuchungshaft handelt es sich bei den Belastungen, denen der Angeklagte durch die rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens ausgesetzt ist, in erster Linie um immaterielle Nachteile, die allein in der Durchführung des Verfahrens wurzeln. Dies rechtfertigt es, diese Nachteile ähnlich wie die Auswirkungen der Untersuchungshaft durch Anrechnung auf die Strafe auszugleichen (vgl. Kraatz JR 2006, 204, 206; s. auch Theune in LK 12. Aufl. § 46 Rdn. 244; zu § 60 StGB: Jeschek/Weigend, StGB AT 5. Aufl. S. 863; dazu auch Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren, S. 224 ff.). Die Kompensation ist jedoch auch nach dem Vollstreckungsmodell bereits im Erkenntnisverfahren vorzu- nehmen. Sie kann nicht den Strafvollstreckungsbehörden überlassen werden; denn da die Entschädigung nicht durch schematische Anrechnung der jeweiligen Verzögerungsdauer auf die Strafe vorzunehmen, sondern aufgrund einer wertenden Betrachtung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bemessen ist (s. unten IV. 1.), muss sie dem Tatrichter vorbehalten bleiben, dem schon die Feststellung dieser Umstände obliegt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB).
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4. Neben all dem sprechen weitere gewichtige Gründe für einen Übergang vom Strafabschlags- auf das Vollstreckungsmodell.
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a) Da die im Wege der Anrechnung vorgenommene Kompensation einen an dem Entschädigungsgedanken orientierten eigenen rechtlichen Weg neben der Strafzumessung im engeren Sinn darstellt, behält die nach den Maßstäben des § 46 StGB zugemessene und im Urteilstenor auszusprechende Strafe die Funktion, die ihr in anderen strafrechtlichen Bestimmungen, aber auch in außerstrafrechtlichen Regelungen zugewiesen ist. So bleibt - wie nach der gesetzlichen Konzeption des StGB vorgesehen - die dem Unrecht und der Schuld angemessene und nicht eine aus Entschädigungsgründen reduzierte Strafe maßgeblich etwa für die Fragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 56 Abs. 1 bis 3 StGB), ob die formellen Voraussetzungen für die Verhängung der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 bis 3 StGB), deren Vorbehalt (§ 66 a Abs. 1 StGB) oder deren nachträgliche Anordnung (§ 66 b StGB) erfüllt sind, ob der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts eintritt (§ 45 StGB), ob Führungsaufsicht angeordnet werden kann (§ 68 Abs. 1 StGB), ob Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht kommt (§ 59 Abs. 1 StGB) oder ob von Strafe abgesehen werden kann (§ 60 StGB) und wann Vollstreckungsverjährung eintritt (§ 79 StGB). Darüber hinaus behält sie die Bedeutung, die ihr in beamtenrechtlichen (§ 24 BRRG; für Richter s. § 24 DRiG) und ausländerrechtlichen (§§ 53, 54 AufenthG) Folgeregelungen beigelegt wird, sowie auch für die Tilgungsfristen nach dem BZRG (s. etwa § 46 BZRG) oder die Eintragungsvoraussetzungen in das Gewerbezentralregister (§ 149 Abs. 2 Nr. 4 GewO).
45
Hierdurch wird der überlangen Verfahrensdauer andererseits jedoch nicht ihre Bedeutung als Strafzumessungsgrund genommen. Sie bleibt als solcher zunächst bedeutsam deswegen, weil allein schon durch einen besonders langen Zeitraum, der zwischen der Tat und dem Urteil liegt, das Strafbedürfnis allgemein abnimmt. Sie behält - unbeschadet der insoweit zutreffenden dogmatischen Einordnung (zum Meinungsstreit s. Paeffgen StV 2007, 487, 490 Fn. 27) - ihre Relevanz aber gerade auch wegen der konkreten Belastungen, die für den Angeklagten mit dem gegen ihn geführten Verfahren verbunden sind und die sich generell um so stärker mildernd auswirken, je mehr Zeit zwischen dem Zeitpunkt, in dem er von den gegen ihn laufenden Ermittlungen erfährt, und dem Verfahrensabschluss verstreicht; diese sind bei der Straffindung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die Verfahrensdauer durch eine rechtsstaatswidrige Verzögerung mitbedingt ist (vgl. BGH NJW 1999, 1198; NStZ 1988, 552; 1992, 229, 230; NStZ-RR 1998, 108). Lediglich der hiermit zwar faktisch eng verschränkte, rechtlich jedoch gesondert zu bewertende und zu entschädigende Gesichtspunkt, dass eine überlange Verfahrensdauer (teilweise) auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden beruht, wird aus dem Vorgang der Strafzumessung, dem er wesensfremd ist, herausgelöst und durch die bezifferte Anrechnung auf die im Sinne des § 46 StGB angemessene Strafe gesondert ausgeglichen.
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b) Durch den Übergang zur Vollstreckungslösung wird die Strafenbildung von der Notwendigkeit befreit, einen einzelnen Zumessungsaspekt in mathematisierender Weise durch bezifferten Strafabschlag - gegebenenfalls gesondert für Einzelstrafen und Gesamtstrafe - auszuweisen. Gerade diese rechnerische Vorgehensweise ist zu Recht kritisiert worden (Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 443; ders. in Festschrift Tondorf S. 351, 357 f.; s. auch Gaede JR 2007, 254, 256). Selbst in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist sie als Fremdkörper in der Strafzumessung (BGH NStZ-RR 2006, 201, 202) sowie systemwidrig (BGH NStZ 2005, 465, 466) bezeichnet und es ist für wünschenswert erachtet worden, diese - ansonsten als rechtlich verfehlt erachtete (BGH NStZ-RR 1999, 101, 102; 2000, 43; 2006, 270, 271; NStZ 2007, 28) - Mathematisierung der Strafenfindung zu überdenken (BGH, Beschl. v. 23. Juni 2006 - 1 ARs 5/04; BGH wistra 2004, 470).
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Zwar kann die durch Anrechung vorgenommene Kompensation den Rechtsfolgenausspruch - schon wegen der entsprechenden Vorgaben des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts - nicht von jeder Mathematisierung freihalten. Jedoch verlagert sie durch ihre Anlehnung an § 51 StGB die Bezifferung der Entschädigung zumindest in einen Bereich, der schon nach der gesetzlichen Konzeption derartigen Berechnungen offen steht und in diesem Rahmen auch eine zahlenmäßige Bewertung verfahrensbedingt erlittener Nachteile kennt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). Die eigentliche Strafzumessung wird demgegenüber nicht mehr mit ihr wesensfremden Anforderungen belastet. Dies ist insbesondere auch deswegen bedeutsam, weil es nach der neueren Rechtsprechung des EGMR (StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly) notwendig werden kann, künftig den durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 MRK neben demjenigen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gesondert zu kompensieren; dies würde nach dem Strafabschlagsmodell in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Strafzumessung mit zwei Rechenwerken befrachtet werden müßte, im Falle einer Gesamtstrafenbildung auch noch gesondert für jede Einzelstrafe und - unter Vermeidung einer Doppelkompensation - für die Gesamtstrafe.
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Demgegenüber knüpft das Vollstreckungsmodell die Kompensation ausschließlich an die - für die Vollstreckung allein relevante - Gesamtstrafe an und vereinfacht hierdurch die Rechtsfolgenentscheidung erheblich.
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5. Die Kompensation durch Anrechnung steht nicht in Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben. Allerdings findet sich auch in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Aussage, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ausgesetzt ist, den aus der Verwirklichung des Straftatbestandes abzuleitenden Unrechtsgehalt abmilderten, der dem Angeklagten als Tatschuld angelastet werde, und daher „grundsätzlich“ als Strafmilderungsgrund bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien (s. insb. BVerfG - Kammer - NStZ 2006, 680, 681; vgl. auch BVerfGK 2, 239, 247). Dem kann jedoch nicht entnommen werden, dass die nach der Rechtsprechung des EGMR gebotene Entschädigung des Angeklagten nach den Vorgaben des Grundgesetzes ausschließlich in der Form einer - zusätzlichen - bezifferten Strafmilderung zulässig wäre (vgl. dagegen I. Roxin StV 2008, 14, 16). Anliegen des Bundesverfassungsgerichts ist es nicht, eine bestimmte dogmatische Sichtweise des einfachgesetzlichen Rechts über die unrechts- und schuldmildernde Wirkung rechtsstaatswidrig verursachter Verfahrenshärten als verfassungsrechtlich allein zulässige festzuschreiben. Ebensowenig will es ersichtlich ein bestimmtes Modell der konventionsrechtlich geforderten Kompensation zum verfassungsrechtlich allein statthaften erklären. Vielmehr geht es dem Bundesverfassungsgericht, wie sich seinen einschlägigen Entscheidungen deutlich entnehmen lässt, allein um die Beachtung des in der Verfassung verankerten Übermaßverbots. In welcher Form die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs durch die Fachgerichte in Anwendung des Straf- oder Strafprozessrechts gewährleistet wird, ist demgegenüber in der Verfassung nicht vorgegeben. Anders wäre es auch kaum erklärbar, dass das Bundesverfassungs- gericht eine kompensierende Berücksichtigung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auch bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung für möglich erachtet. Wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs in der Weise Rechnung getragen, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch das überlange Verfahren ausgesetzt war, zunächst allgemein mildernd in die Strafzumessung einfließen und sodann der besondere Aspekt, dass sie (teilweise) auf rechtsstaatswidrige Verzögerungen seitens der Strafverfolgungsbehörden zurückzuführen sind, im Urteil dadurch Berücksichtigung findet, dass als Entschädigung hierfür ein Teil der Strafe als bereits vollstreckt gilt, so ist damit in gleicher Weise dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot Genüge getan wie durch die bezifferte Reduzierung der Strafe.
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6. Die Vollstreckungslösung kann nicht nur - sachgerechte - gesetzliche Folgen haben, die sich im Vergleich zur Strafabschlagslösung zum Nachteil des Angeklagten auswirken (s. 4. a), sondern auch solche, die ihm zum Vorteil gereichen ; denn durch die Anrechnung werden bei der Strafzeitberechnung die Halbstrafe und der Zwei-Drittel-Zeitpunkt regelmäßig schneller erreicht, so dass es früher als bisher möglich ist, einen Strafrest zur Bewährung auszusetzen (§ 57 Abs. 1, 2 und 4 StGB). Auch dies ist eine systemgerechte Konsequenz des neuen Modells.
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Wird die Freiheitsstrafe, die zur Wiedergutmachung teilweise als vollstreckt erklärt wird, von vornherein zur Bewährung ausgesetzt, so ergeben sich keine grundsätzlichen Unterschiede zur bisherigen Rechtslage. Nach beiden Kompensationsmodellen wird die Entschädigung faktisch erst dann wirksam, wenn die Strafe nach einem Bewährungswiderruf vollstreckt werden muss. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzö- gerung neben der Anrechnung auf die Strafe aktuell wirksam auch dadurch auszugleichen, dass im Bewährungsbeschluss ausdrücklich auf Auflagen im Sinne des § 56b Abs. 2 Nr. 2 bis 4 StGB verzichtet wird.
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Auch sonst ergeben sich durch die Vollstreckungslösung keine bedeutsamen Unterschiede: Kommt nur die Verhängung einer Geldstrafe in Betracht, so ist diese wegen der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht mehr um einen bezifferten Abschlag zu ermäßigen, sondern die schuldangemessene Geldstrafe in der Urteilsformel auszusprechen und zugleich festzusetzen, dass ein bezifferter Teil der zugemessenen Tagessätze als bereits vollstreckt gilt. In Fällen, in denen das gebotene Maß der Kompensation die schuldangemessene (Einzel-)Strafe erreicht oder übersteigt, ist - wie bisher - die Anwendung der §§ 59, 60 StGB oder die (teilweise) Einstellung des Verfahrens nach Opportunitätsgrundsätzen zu erwägen (§§ 153, 153a, 154, 154a StPO); gegebenenfalls ist zu prüfen, ob ein aus der Verfassung abzuleitendes Verfahrenshindernis der Fortsetzung des Verfahrens entgegensteht.
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Die im Bereich des Jugendstrafrechts bestehenden besonderen Probleme werden durch das Vollstreckungsmodell weder beseitigt noch verstärkt. Während sich bisher die Frage stellte, ob von der aus Erziehungsgründen erforderlichen Strafe zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ein bezifferter Abschlag vorgenommen werden darf (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 15), ist nunmehr danach zu fragen, ob es dem Erziehungsgedanken widerstreitet, einen Teil der Strafe als Entschädigung für vollstreckt zu erklären (s. § 52a JGG, ferner § 88 JGG mit größerer Flexibilität für die Reststrafenaussetzung).

IV.

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Die Strafgerichte haben die erforderliche Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach dem Vollstreckungsmodell somit an folgenden Grundsätzen auszurichten:
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1. Wie bisher sind zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellung dient zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Der Tatrichter hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht.
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Hieran anschließend ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten. Reicht sie dagegen als Entschädigung nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss es stets im Auge behalten werden, wenn die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastun- gen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.
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In die Urteilsformel ist die nach den Kriterien des § 46 StGB zugemessene Strafe aufzunehmen; gleichzeitig ist dort auszusprechen, welcher bezifferte Teil dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gilt.
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2. Stehen mehrere Straftaten des Angeklagten zur Aburteilung an, so ist - wie bisher - zunächst zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Verfahren bei der Verfolgung aller dieser Delikte rechtsstaatswidrig verzögert worden ist; gegebenenfalls sind insoweit differenzierte Feststellungen zu treffen und der Abstand zwischen Tatzeitpunkt und Urteil sowie die Belastungen des Angeklagten durch die Verfahrensdauer nur bei einigen der festzusetzenden Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen. Allein auf die durch Zusammenfassung der Einzelstrafen gebildete und in der Urteilsformel ausgesprochene Gesamtstrafe ist die Anrechnung vorzunehmen, indem ein bezifferter Teil hiervon im Wege der Kompensation für vollstreckt erklärt wird; denn allein die Gesamtstrafe ist Grundlage der Vollstreckung.
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Wird die Gesamtstrafe nachträglich aufgelöst, so hat das Gericht, das unter Einbeziehung der dieser zugrunde liegenden Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe zu bilden hat, auch festzusetzen, welcher bezifferte Teil dieser neuen Gesamtstrafe aus Kompensationsgründen als vollstreckt anzurechnen ist.
Hierdurch darf der, wie rechtskräftig festgestellt, von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung betroffene Verurteilte nicht nachträglich schlechter gestellt werden (vgl. § 51 Abs. 2 StGB). Dies gilt entsprechend, wenn die Einzelstrafen des ursprünglichen Urteils in mehrere neu zu bildende Gesamtstrafen einzubeziehen sind. Das zur Entscheidung berufene Gericht hat dann festzulegen , in welchem Umfang die neu auszusprechenden Gesamtstrafen anteilig als vollstreckt gelten. Dabei hat es sich daran zu orientieren, in welchem Umfang in die jeweilige neue Gesamtstrafe Einzelstrafen einfließen, die ursprünglich nach einem rechtsstaatswidrig verzögerten Verfahren festgesetzt worden waren. In der Summe dürfen die für vollstreckt erklärten Teile der neuen Gesamtstrafen nicht hinter der ursprünglich ausgesprochenen Anrechnung zurückbleiben. Hirsch Rissing-vanSaan Basdorf Maatz Miebach Wahl Bode Kuckein Gerhardt Kolz Becker