Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juli 2015 - 4 StR 132/15

bei uns veröffentlicht am28.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 S t R 1 3 2 / 1 5
vom
28. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 3. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist begründet.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. An einem nicht näher bestimmbaren Abend im Oktober 2011 kam es zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten zu einem Streit, weil die Geschädigte sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten ablehnte. Der Angeklagte wollte die Ablehnung nicht akzeptieren und äußerte, dass "sie es dann wohl mit Gewalt bräuchte und er sich nehme, was er brauche". Anschließend schubste er die mit einem Schlafanzug bekleidet auf dem Schlafsofa sitzende Geschädigte in eine Liegeposition, ergriff ihre Hände, die er mit einer Hand festhielt, und zog mit der anderen Hand ihre Schlafanzughose herunter. Sodann legte sich der Angeklagte auf die Geschädigte, die sich aus seiner Umklammerung nicht befreien konnte, spreizte ihre Beine auseinander und vollzog den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss (Tat II. 1 der Urteilsgründe). Im Rahmen einer erneuten Auseinandersetzung am 16. Dezember 2011 schubste der Angeklagte die Geschädigte gegen eine Wand, packte sie mit beiden Händen am Hals und würgte sie (Tat II. 2 der Urteilsgründe).
4
2. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Ihre Überzeugung von dem festgestellten Geschehen stützt die Strafkammer auf die Angaben der Geschädigten , die sie als glaubhaft bewertet. In ihrer ersten polizeilichen Vernehmung am 1. März 2012, bei der eine detaillierte Befragung der Geschädigten unterblieb, gab die Geschädigte an, dass es während der Beziehung mit dem Angeklagten viermal zu Vergewaltigungen gekommen sei, welche sich im Oktober , November und Dezember 2011 zugetragen hätten. Im Rahmen der weiteren Vernehmung durch die Fachdienststelle der Polizei am 14. März 2012 schilderte die Geschädigte die Vergewaltigungen auf explizite Nachfrage. Im weiteren Verlauf der Vernehmung berichtete sie detailliert von der Vergewaltigung im Oktober 2011. In der Hauptverhandlung hat die Geschädigte die Tat im Oktober 2011 hinsichtlich Zeitpunkt, Anlass und Ablauf der eigentlichen Vergewaltigungshandlung in Übereinstimmung mit ihren Bekundungen in der polizeilichen Vernehmung am 14. März 2012 geschildert. Ausweislich ihrer Erwägungen zur Strafrahmenwahl geht die Strafkammer, die das Verfahren hinsichtlich des Anklagevorwurfs einer weiteren im November oder Dezember 2011 began- genen Vergewaltigung in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat, davon aus, dass sexuelle Übergriffe des Angeklagten auf die Geschädigte über die ausgeurteilte Tat hinaus zwar möglich aber nicht sicher feststellbar seien. Nach Auffassung des Landgerichts spricht der Umstand, dass die Geschädigte abweichend von den Feststellungen von weiteren Vergewaltigungen berichtet habe, deren Anzahl zwischen drei und vier geschwankt habe, "nicht gegen die Glaubhaftigkeit der ersten geschilderten und festgestellten Vergewaltigung im Oktober 2011".

II.


5
Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Erwägungen der Strafkammer eine nachvollziehbare Begründung für die unterschiedliche Bewertung der Verlässlichkeit der Angaben der Geschädigten zu der Tat im Oktober 2011 einerseits und den weiteren Vergewaltigungsvorwürfen andererseits vermissen lassen.
6
1. In einer Konstellation, in welcher - wie hier - "Aussage gegen Aussage" steht und außer der Aussage des einzigen Belastungszeugen keine weiteren belastenden Indizien vorliegen, muss sich der Tatrichter bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.; Beschluss vom 19. November 2014 - 4 StR 427/14, NStZ-RR 2015, 86; Urteil vom 12. Dezember 2012 - 5 StR 544/12, NStZ-RR 2013, 119). Glaubt das Gericht einen Teil der Aussage des Belastungszeugen, obwohl es ihm in anderen Teilen nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Septem- ber 2013 - 1 StR 206/13 Rn. 19; Urteil vom 20. Februar 2014 - 3 StR 289/13 Rn. 14, insoweit in NStZ 2014, 600 nicht abgedruckt; Beschluss vom 24. Juni 2003 - 3 StR 96/03, NStZ-RR 2003, 332 f.).
7
2. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Während die Strafkammer die Bekundungen der Geschädigten zu den weiteren Vergewaltigungen für den sicheren Nachweis entsprechender Übergriffe des Angeklagten auf die Geschädigte nicht als ausreichend erachtet hat, hält sie die Angaben der Geschädigten zu der abgeurteilten Tat im Oktober 2011 für uneingeschränkt glaubhaft. Diese differenzierende Bewertung der Glaubhaftigkeit einzelner Aussageteile hätte einer näheren Begründung bedurft, die das angefochtene Urteil in Gänze vermissen lässt. In diesem Zusammenhang wäre das Landgericht gehalten gewesen, auch die Angaben, welche die Geschädigte in ihren polizeilichen Vernehmungen am 1. und 14. März 2012 sowie in der Hauptverhandlung zu den weiteren Vergewaltigungen durch den Angeklagten gemacht hat, inhaltlich mitzuteilen und auf dieser Grundlage nachvollziehbar darzutun, aus welchen Erwägungen es die Schilderung der Tat im Oktober 2011 - abweichend von der Bewertung der die weiteren Vergewaltigungsvorwürfe betreffenden Aussageteile - als tragfähige Grundlage für eine sichere tatgerichtliche Feststellung des Tatgeschehens angesehen hat.
8
3. Da die Lücke in der Beweiswürdigung auch die gleichermaßen allein auf den Bekundungen der Geschädigten beruhende Verurteilung wegen Körperverletzung betrifft, bedarf die Sache insgesamt einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung.
9
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass von einer weiteren Zeugin aus dem Umfeld des Angeklagten gegen diesen erhobene Vorwürfe gewaltsamer sexueller Übergriffe nur dann als den Angeklagten be- lastendes Indiz gewertet werden können, wenn sich der Tatrichter von der Richtigkeit dieser Vorwürfe überzeugt hat. Die belastende indizielle Bedeutung knüpft nicht an die Belastung durch die Zeugin als solche sondern allein an das von der Zeugin bekundete Verhalten des Angeklagten an, das prozessordnungsgemäß festgestellt und zur Überzeugung des Tatgerichts feststehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1989 - 1 StR 419/89, BGHSt 36, 286, 290; Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 53 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR427/14
vom
19. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. November 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 23. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestrafte Angeklagte an einem Tag zwi- schen dem 1. Februar 2013 und dem 30. Juni 2013 den sechsjährigen M. D. und die fünfjährige L. D. im Badezimmer auf den heruntergeklappten Toilettendeckel gestellt, beiden Kindern Hose und Unterhose heruntergezogen und sie mit den nackten Unterleibern zusammengedrückt, so dass sie im Bereich der Geschlechtsteile aneinander rieben (Fall 4 der Anklage).
3
Zur Aufdeckung dieser Tat kam es am Morgen des 6. Dezember 2013, als sich die älteren Kinder T. S. und A. D. in Gegenwart der Mutter der Geschwister D. über das Verhalten des Angeklagten unterhielten. T. S. , der Neffe des Angeklagten, äußerte, dieser mache Sachen mit M. . Auf Nachfrage der Mutter berichtete M. , derAngeklagte habe verlangt, dass er seinen Penis anfasse und habe den Penis in seinen Po gesteckt. Auch habe der Angeklagte ihn und L. im Bad zusammengedrückt. Die Mutter holte daraufhin L. aus dem Kindergarten und befragte sie. L. er- zählte, dass der Angeklagte ihr den Penis in die „Mumu“ und in den Po gesteckt habe. Auf der Rückfahrt äußerte sie spontan, dass der Angeklagte M. und sie im Bad zusammengedrückt habe.
4
2. Die zugelassene Anklage warf dem Angeklagten darüber hinaus vor, an unterschiedlichen Tagen zwischen dem 1. Februar 2013 und dem 22. November 2013 in fünf weiteren Fällen sexuelle Übergriffe gegen M. undL. D. und T. S. begangen zu haben. Der Angeklagte soll zweimal im Wohnzimmer bis zum Samenerguss onaniert haben, davon einmal vor den Augen von M. D. und das andere Mal in Gegenwart des neunoder zehnjährigen T. S. (Fälle 1 und 3 der Anklage). Er soll weiterhin L. s Hand genommen und sie in Richtung seines Penis geführt haben, das Mädchen habe die Hand immer wieder weggezogen (Fall 2 der Anklage). Schließlich soll der Angeklagte in zwei Fällen Analverkehr bis zum Samen- erguss durchgeführt haben, einmal mit L. nach Manipulation an deren Scheide (Fall 5 der Anklage) und einmal mit M. (Fall 6 der Anklage). Von diesen Vorwürfen hat die Strafkammer den Angeklagten freigesprochen, weil die Zeugen T. S. , M. , L. und A. D. , die bei einer ersten Ver- nehmung in der Hauptverhandlung entsprechende Taten „im Ansatz“ bekundet hatten, bei einer weiteren Vernehmung eingeräumt haben, insoweit die Unwahrheit gesagt zu haben. Zu derartigen Taten des Angeklagten sei es nicht gekommen. Diese hätten sich A. D. und T. S. ausgedacht und M. und L. D. überredet, entsprechende unwahre Angaben zu machen.
5
3. Hinsichtlich der ausgeurteilten Tat hält das Landgericht die Aussage von M. D. trotz der eingeräumten Lügen für glaubhaft. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Zeuge wahrheitswidrig einen Tatvorwurf aufrecht erhalten haben sollte. L. D. habe den Vorfall in der Hauptverhandlung zwar nicht bestätigt, sie habe ihn aber ihrer Mutter unmittelbar vor der Anzeigeerstattung spontan geschildert. T. S. und A. D. hätten ausgesagt, L. und M. nicht zu dieser Schilderung überredet zu haben. Über den Vorfall im Badezimmer sei nicht gesprochen worden.

II.


6
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Anfechtung Erfolg, so dass es auf die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge nicht ankommt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält aus sachlichrechtlichen Gründen der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
In einer Konstellation, in der „Aussage gegen Aussage“ steht und außer der Aussage des einzigen Belastungszeugen keine weiteren belastenden Indizien vorliegen, muss sich der Tatrichter bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände , die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 1 StR 700/13 Rn. 3; Beschluss vom 12. September 2012 – 5 StR 401/12 Rn. 8; Beschluss vom 19. August 2008 – 5 StR 259/08, NStZ-RR 2008, 349 f. jeweils mwN). Allein auf Angaben des einzigen Belastungszeugen, dessen Aussage in einem wesentlichen Detail als b e w u s s t falsch anzusehen ist, kann eine Verurteilung nicht gestützt werden (BGH, Urteil vom 19. April 2007 – 4 StR 23/07 Rn. 11; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158; Urteil vom 17. November 1998 – 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256, 257 jeweils mwN). Dann muss der Tatrichter jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben.
8
1. Der Zeuge M. D. hat eingeräumt, bei der Polizei und im ersten Hauptverhandlungstermin „gelogen“ zu haben und „Sachen erzählt“ zu haben , „die der Angeklagte nicht gemacht habe“. Das Landgericht hat seine Angaben zu der ausgeurteilten Tat dennoch als glaubhaft bewertet. Es hat dabei die Glaubhaftigkeit der auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen nicht grundlegend von der Nullhypothese ausgehend bewertet, sondern nur unter wenigen Aspekten, was bereits Bedenken begegnet. Aber auch die vom Landgericht herangezogenen Gesichtspunkte vermögen seine Wertung der Aussage als glaubhaft nicht zu tragen.
9
Das Landgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Zeuge den ausgeurteilten Vorfall konstant gegenüber seiner Mutter, bei der Polizei und in beiden Hauptverhandlungsterminen geschildert habe. Dies greift bereits deshalb zu kurz, weil der Zeuge auch die übrigen Vorfälle, die nicht der Wahrheit entsprachen, zuvor konstant geschildert hat. Soweit das Landgericht insoweit bei der Vernehmung im ersten Hauptverhandlungstermin bei den erlogenen Vorfällen „auffällige Unsicherheiten“ bemerkt haben will, sind diese in den Urteilsgründen nicht belegt. Darüber hinaus hat der Zeuge hinsichtlich des ausgeurteilten Vorfalls nunmehr eine Mehrbelastung des Angeklagten zum Kerngeschehen nicht aufrecht erhalten. Die Erklärung des Landgerichts, dass nicht jederzeit jede Einzelheit im Gedächtnis abrufbar sei, begegnet Bedenken, wenn der Zeuge – wie offenbar hier – die Mehrbelastung früher mehrfach geäußert hat. Auch dass kein Grund ersichtlich sei, der den Zeugen veranlasst haben sollte, bei seiner nunmehr den Angeklagten entlastenden Aussage wahrheitswidrig doch einen Vorfall aufrecht zu erhalten, kann die Glaubhaftigkeit der Angaben nicht belegen. Denn das Landgericht hat auch kein Motiv für die umfassende Falschbeschuldigung des Angeklagten durch alle vier Kinder aufzudecken vermocht.
10
Die Strafkammer hat zwar erkannt, dass eine suggestive Beeinflussung durch die älteren Kinder T. S. und A. D. vorgelegen haben könnte, schließt dies aber für die ausgeurteilte Tat unter Hinweis auf die zeugenschaftlichen Angaben der beiden älteren Kinder aus. Über den Vorfall im Badezimmer sei nicht gesprochen worden. Da die Zeugen ansonsten im zweiten Hauptverhandlungstermin eingeräumt hätten, die Unwahrheit gesagt zu haben , sei kein Grund ersichtlich, warum sie nicht auch einräumen sollten,M. und L. den Vorfall im Badezimmer eingeredet zu haben, wenn es denn so gewesen wäre. Diese Bewertung der Angaben der beiden älteren Kinder lässt sich ohne nähere Darstellung ihrer früheren Angaben nicht nachvollziehen. Sollten sich die beiden älteren Kinder bereits bei der Polizei oder gegenüber ihrer Mutter zu dem Vorfall im Bad geäußert haben, könnte dies ein Beleg dafür sein, dass doch mit den beiden jüngeren Kindern darüber gesprochen worden ist.
11
2. Wird die Aussage des einzigen Belastungszeugen hinsichtlich einzelner Taten und Tatmodalitäten widerlegt, so ist damit seine Glaubwürdigkeit in schwerwiegender Weise in Frage gestellt. Seinen übrigen Angaben kann dann nur gefolgt werden, wenn außerhalb der Aussage Gründe von Gewicht für ihre Glaubhaftigkeit vorliegen. Solche zeigt das Landgericht nicht auf.
12
Der Aussage der vermeintlich ebenfalls bei dem ausgeurteilten Vorfall Geschädigten L. im zweiten Hauptverhandlungstermin misst dieStrafkammer keinerlei Bedeutung bei, allerdings sieht sie in ihrer „Spontanäußerung“ gegen- über ihrer Mutter am 6. Dezember 2013 eine Bestätigung der Aussage des M. D. . Dass Abstellen auf die Spontaneität der Äußerung greift jedoch zu kurz, denn ihre Mutter ist zum Kindergarten gefahren, um L. abzuholen und zu den Vorwürfen zu befragen. Danach hat L. dann auf der Fahrt den weiteren Vorfall erzählt. Es liegt nahe, dass ursächlich auch hierfür die voran- gegangene Befragung war. Da die Strafkammer auf die „Spontanäußerung“ der Zeugin abstellt, während sie in beiden Hauptverhandlungsterminen widersprüchliche Angaben gemacht hat, hätte in den Urteilsgründen auch dargelegt werden müssen, was im Einzelnen die Zeugin ihrer Mutter und bei der Polizei zu dem Vorfall im Bad erzählt hat. Auffällig ist insoweit jedenfalls, dass die „Spontanäußerung“ frühestens fünf Monate nach dem Vorfall erfolgte, als auch die Falschbelastungen durch T. S. und A. D. initiiert wurden. Bei der Vernehmung im zweiten Hauptverhandlungstermin hatte L. zunächst bekundet, sie – die Kinder – hätten bei ihren Aussagen gelogen.
T. und A. hätten ihnen alles vorgesagt. Auf Nachfrage hat sie dann den Vorfall im Bad bestätigt, wobei sie nach Überzeugung der Strafkammer allerdings nahezu jede Frage ohne Nachdenken zustimmend beantwortet hat. Auch dies lässt den Beweiswert ihrer „Spontanäußerung“ fraglich erscheinen.
13
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Das sehr junge Alter der beiden Opferzeugen der ausgeurteilten Tat und die bewussten Falschbelastungen legen es nahe, die Glaubhaftigkeit der Angaben beider Zeugen durch ein aussagepsychologisches Gutachten näher zu untersuchen.
15
Der neue Tatrichter wird auch eingehender als bisher zu belegen haben, dass bei der Tat eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit sicher vorgelegen hat. Bei den beiden einschlägigen Vorverurteilungen des Angeklagten war eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit lediglich nicht auszuschließen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin
5 StR 544/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Schaal,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Juni 2012 wird mit den Feststellungen aufgehoben
a) auf die Revision des Angeklagten, soweit er verurteilt worden ist,
b) auf die Revision des Nebenklägers, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und von weiteren acht Anklagevorwürfen freigesprochen. Es hat ihm das Verbot erteilt, für fünf Jahre „den Beruf des psychologischen Psychotherapeuten in Bezug auf Kinder und Jugendliche“ auszuüben. Die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der als Psychologe tätige Angeklagte an zwei nicht genau bestimmbaren Tagen zwischen dem 1. Juni 2005 und November 2006 im Rahmen der im Wohnzimmer seiner Wohnung durchgeführten Therapiesitzungen an dem 1997 geborenen Nebenkläger den Analverkehr vollzogen. Die zugelassene Anklage warf dem Angeklagten acht weitere gleichgelagerte Taten zulasten des Nebenklägers im genannten Zeitraum vor. Obwohl das Landgericht davon überzeugt war, dass es anlässlich der Therapiesitzungen zu weiteren Missbrauchsfällen gekommen sei, hat es den Angeklagten hinsichtlich dieser Taten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil diese nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht in der in der Anklageschrift beschriebenen Art und Weise und auch nicht im Wohnzimmer, sondern an anderen Tatorten, wie etwa dem Schlafzimmer, den Praxisräumen oder im Schwimmbad stattgefunden hätten (UA S. 22 f.).
3
2. Die Beweiswürdigung, aufgrund derer das Landgericht sowohl zu einer Verurteilung des Angeklagten als auch überwiegend zu Teilfreisprüchen gelangt ist, hält insgesamt sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das Landgericht stützt seine Überzeugung vom Tatgeschehen im Wesentlichen auf die Angaben des Nebenklägers, welche es durch vom Angeklagten verfasste E-Mails und die Angaben weiterer Zeugen gestützt sieht. Der Nebenkläger habe in der Hauptverhandlung nur die Vorfälle geschildert, die ihm erinnerlich gewesen seien, wobei er deutlich gemacht habe, dass es sehr häufig in Therapiesitzungen zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten gekommen sei, die mit dem Einführen des erigierten Glieds in seinen Anus endeten; eine zeitliche, örtliche und quantitative Einordnung sei ihm jedoch schwer gefallen. Konkret habe er zwei Fälle des Analverkehrs auf dem Boden des Wohnzimmers in der Wohnung des Angeklagten geschildert. Darüber hinaus habe er abweichend von seinen Angaben im Ermittlungsverfahren einen Vorfall mit einem Sex-Spielzeug, eine Situation im Schwimmbad und Taten an weiteren Örtlichkeiten , namentlich in der Badewanne, im Schlafzimmer und in den Praxisräumen des Angeklagten geschildert. Das Landgericht hielt die Angaben für glaubhaft und „hinreichend“ konstant, „ohne dass innere Widersprüche aufgefallen wären“ (UA S. 7).
5
b) Die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand. Die Beweiswürdigung entspricht nicht den Anforderungen, die in der vorliegenden Beweiskonstellation zu erfüllen sind. Hier ist die Aussage des einzigen Belastungszeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen; daher müssen die Urteilsgründe in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1997 – 3 StR 558/97, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Beweiswürdigung 3). Dies gilt insbesondere, wenn der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung seine Vorwürfe ganz oder teilweise nicht mehr aufrechterhält oder der anfänglichen Schilderung weiterer Taten nicht gefolgt wird (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 159 mwN, und vom 10. Oktober 2012 – 5 StR 316/12).
6
Die Urteilsgründe enthalten keine geschlossene Darstellung der Aussage des Nebenklägers mit den zugehörigen Details, die eine „hinreichende Konsistenz“ (UA S. 7) überprüfbar und die angenommene Glaubhaftigkeit seiner Angaben einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich machen. Sie legen vielmehr Abweichungen von der Erstaussage bei der Polizei dar, weil der Nebenkläger „neue Situationen, Tatörtlichkeiten und Vorgehensweisen des sexuellen Missbrauchs durch den Angeklagten geschildert hat, über die er bisher nicht berichtet hatte“ (UA S. 7). Gleiches gilt für die Überprüfung des angeführten „Detailreichtums“ (UA S. 12).Den Urteilsgründen ist hierzu nichts Näheres zu entnehmen. Ob deshalb das Aussageverhalten noch als detailreich und konstant sowie die Schilderungen des Nebenklägers in der Hauptverhandlung entsprechend der tatgerichtlichen Würdigung nicht als „Widersprüche“, sondern als „Weiterungen“ (UA S. 7) seiner Aussage zu ver- stehen sind, lässt sich anhand der inhaltlich viel zu knappen, weitgehend nur wertenden Ausführungen nicht zuverlässig überprüfen. Dies gilt vor allem deshalb, weil das Landgericht nach den Angaben des Nebenklägers nunmehr nicht mehr von zehn, sondern nur noch von zwei Fällen des Analverkehrs im Wohnzimmer des Angeklagten ausgegangen ist und sich im Übrigen aufgrund neu hervorgetretener Tatmodalitäten zu einer Verurteilung außer Stande sah.
7
c) Die Beweiswürdigung trägt auch die Teilfreisprüche nicht. Das Landgericht war zwar „davon überzeugt“ (UA S. 22), dass es im Tatzeitraum zu weiteren schweren Missbrauchsfällen des Nebenklägers durch den Angeklagten gekommen sei, sah sich jedoch aufgrund der abweichenden Aussage des Nebenklägers an einer Verurteilung gehindert.
8
Angesichts der unvollständigen Darstellung der Aussagen des Nebenklägers im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung ist dem Senat eine revisionsgerichtliche Überprüfung auch dahingehend verwehrt, ob – insbesondere angesichts der zum Teil eher geringfügig erscheinenden Abweichungen (Schlafzimmer statt Wohnzimmer) – das Landgericht dem Gebot der erschöpfenden Beweiswürdigung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 5 StR 3/12, NStZ-RR 2012, 150, 151) ausreichend nachgekommen ist und danach selbst Mindestfeststellungen zu den weiteren angeklagten Taten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2004 – 5 StR 563/03, NStZ 2005, 113, und Beschlüsse vom 25. März 1994 – 3 StR 18/94, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Mindestfeststellungen 4, sowie vom 27. März 1996 – 3 StR 518/95, BGHSt 42, 107, 109 f.) nicht hat treffen können.
9
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer tatgerichtlicher Würdigung. In Anbetracht des jugendlichen Alters des Hauptbelastungszeugen und der erst im Jahr 2010 offenbarten, mindestens sechs Jahre zurückliegenden Tatvorwürfe wird das neue Tatgericht ungeachtet belastender Beweismittel die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens nachhaltig zu erwägen haben.
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1. Da die Beschuldigung des Angeklagten im Kern allein auf der Aussage des Zeugen I. aufbaute, bedurfte diese einer besonders sorgfältigen Prüfung, und mussten die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Strafkammer alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen konnten, erkannt und in ihre Überlegungen einbezogen hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 1997 – 4StR 140/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13; vom 22. April1987 – 3 StR 141/87, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1). Glaubt das Gericht in Teilen der Aussage des Belastungszeugen, obwohl es ihr in anderen Teilen nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 – 3 StR 96/03, NStZ-RR 2003, 332; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153). Daran gemessen, bleibt die Beweiswürdigung insgesamt lückenhaft.
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aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339). Allerdings bestehen besondere Anforderungen an die Darlegung der Überzeugungsbildung, wenn das Tatgericht - wie vorliegend - seine Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen allein auf die Angaben des Geschädigten stützt. In einer solchen Konstellation, in der die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, ob das Gericht den Angaben des einzigen Belastungszeugen folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn der Belastungszeuge eine Vielzahl weiterer erzwungener Sexualhandlungen behauptet, von denen sich der Tatrichter wegen Widersprüchen in den Aussagen und Abweichungen zu den Angaben in früheren Vernehmungen nicht zu überzeugen vermag (BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.; Beschluss vom 28. Januar 2003 - 3 StR 441/02, StV 2003, 543, 544; Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 2 StR 591/97, StV 1998, 250; KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 29b mwN).