Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 ARs 15/19
vom
15. Januar 2020
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit
hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 18. Juni 2019 ‒ 5 StR 20/19
ECLI:DE:BGH:2020:150120B4ARS15.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2020 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtsprechung des Senats nicht entgegen. Dies gilt auch für den Beschluss vom 13. März 2018 – 4 StR 27/18. Der Senat hat sich in dieser Entscheidung – in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung – nur zu dem Be- griff der (vom Angeklagten bestrittenen) „neu hervorgetretenen Um- stände“ im Sinne des § 265 Abs. 3 StPO verhalten. Ob der Begriff der „erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehenen Umstände“ im Sinne des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO in gleicher Weise auszulegen ist, hat der Senat nicht entschieden. Im Ergebnis neigt der Senat für die im Anfrageverfahren aufgeworfene Rechtsfrage, die allein die Auslegung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO betrifft, der Rechtsauffassung des 1. Strafsenats zu (vgl. Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 1 ARs 14/19).
Sost-Scheible Cierniak Bender Quentin Bartel

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2020 - 4 ARs 15/19 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 132


(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2019 - 1 ARs 14/19

bei uns veröffentlicht am 10.10.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 ARs 14/19 vom 10. Oktober 2019 in der Strafsache gegen wegen Bestechlichkeit hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 18. Juni 2019 – 5 StR 20/19 (5 ARs 20/19) ECLI:DE:BGH:2019:101019B1ARS14.19.0 Der 1. Stra

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2018 - 4 StR 27/18

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 27/18 vom 13. März 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen besonders schweren Raubes ECLI:DE:BGH:2018:130318B4STR27.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 27/18
vom
13. März 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes
ECLI:DE:BGH:2018:130318B4STR27.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 13. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 29. September 2017 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen; der Angeklagte M. trägt zudem die durch sein Rechtsmittel im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 12.000 Euro sowie weiterer 215 Euro Schadensersatz an den Neben- und Adhäsionskläger verurteilt. Die Angeklagte B. hat es wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und von einer Adhäsionsentscheidung gegen sie abgesehen. Gegen ihre Verurteilungen haben sowohl der Angeklagte M. als auch die Angeklagte B. Revision eingelegt. Beide Rechtsmittel sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
3
Die Rüge der Angeklagten B. , das Landgericht habe gegen § 265 Abs. 3 StPO verstoßen, weil es die Hauptverhandlung nicht auf ihren Antrag hin ausgesetzt habe, greift nicht durch.
4
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
5
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legte der Angeklagten B. Beihilfe zum schweren Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 1b, § 27 StGB) zur Last. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe den zur Begehung eines Raubüberfalls auf den Nebenkläger entschlossenen Mitangeklagten M. – ihrendamaligen Lebensgefährten – mit einem Pkw zu einer Wiese gefahren, wo sich dieser eine Holzlatte beschafft habe. Anschließend sei sie mit dem Mitangeklagten zum Tatort gefahren und habe dort gemeinsam mit ihm auf den Nebenkläger gewartet. Als dieser erschienen sei, soll er von dem Mitangeklagten mit der Holzlatte bewusstlos geschlagen und ihm die Geldbörse entwendet worden sein. Die „Raubabsicht des Mitangeklagten M. “ sei der Angeklagten „von Beginn an“ bekannt gewesen. Als Beleg hierfür wurden Angaben der Angeklagten im Ermittlungsverfahren angeführt. Der Mitangeklagte M. hatte sich bis dahin noch nicht zur Sache eingelassen.
6
Am ersten Hauptverhandlungstag machte der Mitangeklagte M. (erstmals) Angaben zur Sache. Am zweiten Hauptverhandlungstag wurde der Angeklagten B. der rechtliche Hinweis erteilt, dass auch eine Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in Betracht komme. Ihr Verteidiger beantragte daraufhin , die Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 3 StPO auszusetzen. Zur Begründung führte er aus, der Mitangeklagte M. habe die Tat „maßgeblich an- ders geschildert“ als in der Anklageschrift dargelegt. Danach soll die Angeklagte „akustische Signale“ gegeben haben, als sich der Nebenkläger dem Tatort nä- herte, um dem in der Nähe lauernden Mitangeklagten eine bessere Vorbereitung auf den Überfall zu ermöglichen. Auch soll sie Kenntnis davon gehabt haben , dass die Holzlatte als Drohmittel eingesetzt werden sollte. „Eventuell“ solle sie sogar gewusst haben, dass auch ein Einsatz der Holzlatte als Schlagwerkzeug geplant gewesen sei. All dies werde von der Angeklagten bestritten. Die Strafkammer hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Angeklagte habe die veränderten Umstände bereits der Einlassung des Angeklagten im ersten Hauptverhandlungstermin entnehmen können. Auch habe der Vertreter der Staatsanwaltschaft schon in diesem Termin einen entsprechenden rechtlichen Hinweis angeregt.
7
2. Damit ist eine Verletzung von § 265 Abs. 3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I, 3202) nicht dargetan.
8
a) Nach dieser Vorschrift ist die Hauptverhandlung auf den entsprechenden Antrag eines Angeklagten auszusetzen, wenn neue Umstände hervorgetreten sind, die die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten zulassen oder die zu den in § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO bezeichneten (vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maß- nahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen) gehören und diese Umstände von dem Angeklagten unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, bestritten werden. Als neu hervorgetretene Umstände kommen dabei nur Tatsachen oder tatsächliche Verhältnisse in Betracht, die erst in der Hauptverhandlung zum Vorschein kommen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2003 – 2 StR 215/02, BGHSt 48, 183, 184; Urteil vom 7. Dezember 1960 – 2 StR 325/60, S. 3; RG, Urteil vom 22. Mai 1906 – V 142/06, RGSt 39, 17, 18). Werden aus dem unverändert gebliebenen Tatsachenmaterial vom Tatrichter lediglich andere Schlussfolgerungen gezogen, handelt es sich nicht um neue Umstände im Sinne von § 265 Abs. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2006 – 1 StR 561/05, wistra 2006, 191). Dies gilt selbst dann, wenn das Gericht dadurch zu anderen Feststellungen gelangt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1960 – 2 StR 325/60, S. 3; RG, Urteil vom 22. Mai 1906 – V 142/06, RGSt 39, 17, 18; Urteil vom 7. Juli 1885 – IV 1640/85, RG Rspr 7, 474, 475; Urteil vom 8. März 1881 – Rep 292/81,RGSt 3, 402). Auch neue Beweismittel sind für sich genommen noch keine neuen Umstände im Sinne dieser Vorschrift (vgl. RG, Urteil vom 12. Oktober 1918 – V 656/18, RGSt 52, 249, 251; Kuckein in: KK-StPO, 7. Aufl., § 265 Rn. 26; Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 91; Meyer-Goßner, StPO, 61. Aufl., § 265 Rn. 36).
9
Für die erstmalige Einlassung eines Mitangeklagten – wie hier – kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Eine Bedeutung im Sinne des § 265 Abs. 3 StPO kommt einer solchen Einlassung – wie auch neuen Beweismitteln – erst dann zu, wenn durch sie neue, bisher unbekannte Tatsachen in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Dabei ist es Sache des Antragstellers, die angeblich neu hervorgetretenen Tatsachen bestimmt zu bezeichnen und deren Richtigkeit unter der Behauptung, auf die Verteidigung insoweit nicht genügend vor- bereitet zu sein, zu bestreiten (vgl. RG, Urteil vom 22. Mai 1906 – V 142/06, RGSt 39, 17, 19).
10
b) Dass in der Hauptverhandlung neue Umstände (Tatsachen) hervorgetreten sind, die einen Aussetzungsanspruch nach § 265 Abs. 3 StPO begründen , legt die Revision nicht dar.
11
aa) Bei den von dem Mitangeklagten M. erstmals geschilderten „akustischen Signalen“ der Angeklagten handelt es sich zwar um eine neue Tatsache und damit einen neuen Umstand im Sinne des § 265 Abs. 3 StPO. Dieser lässt hier aber weder die Anwendung eines (anderen) schwereren Strafgesetzes gegen sie zu, noch führt er zu einer Erhöhung der Strafbarkeit im Sinne von § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO.
12
Denn durch diese neue Tatsache wurde lediglich eine weiter gehende Einbindung der Angeklagten in das eigentliche Tatgeschehen belegt. Dies war unter den hier gegebenen Umständen aber nur für die Frage von Bedeutung, ob sie an der Raubtat zum Nachteil des Nebenklägers – wie angeklagt – nur als Gehilfin oder – wie ausgeurteilt – als Mittäterin beteiligt war. Der Wechsel in den schwerer wiegenden Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, der zu einer Erhöhung der Strafbarkeit im Sinne von § 265 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 StPO führte, wurde durch diesen neuen Umstand nicht beeinflusst. Allein der mit dem Übergang von Beihilfe zur Mittäterschaft verbundene Wegfall der in § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgesehenen obligatorischen Milderung nach § 49 Abs. 1 StGB steht dem Hervortreten eines gesetzlich besonders vorgesehenen rechtsfolgenverschärfenden Umstandes jedoch nicht gleich, sodass eine (entsprechende) Anwendung von § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2013 – 2 StR 517/12, NStZ 2013, 358 [zum Wegfall der fakultativen Strafmilderung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB beim Übergang von Versuch zu Vollendung]; Urteil vom 30. Juni 1987 – 1 StR 242/87, NJW 1988, 501 [zu §§ 21, 49 Abs. 1 StGB]; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 265 Rn. 36 [zur fakultativen Strafmilderung]; Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 40 mwN; a.A. Rosenau in: SSW-StPO, 3. Aufl., § 265 Rn. 34).
13
bb) Weitere neu hervorgetretene Umstände lassen sich dem Revisionsvorbringen nicht mit der gebotenen Bestimmtheit entnehmen.
14
Soweit in dem mitgeteilten Aussetzungsantrag davon die Rede ist, dass die Angeklagte B. nach den Angaben des Mitangeklagten M. auch von einem beabsichtigten Einsatz der Holzlatte als Drohmittel Kenntnis gehabt und „eventuell“ sogar gewusst haben soll, dass auch ein Gebrauch als Schlag- werkzeug geplant war, handelt es sich nur um die Wiedergabe von Schlussfolgerungen , die nach der Einlassung des Mitangeklagten M. in Betracht kamen. Welche Angaben der Mitangeklagte in diesem Zusammenhang konkret gemacht hat und ob dabei durch ihn bestimmte bisher unbekannte Tatsachen in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, teilt die Revision nicht mit. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob der in Betracht gezogenen Neubewertung des inneren Tatbestandes nur Ableitungen aus bereits bekanntem Tatsachenmaterial zugrunde lagen, das durch die Angaben des Mitangeklagten lediglich bestätigt wurde, oder ob diese Bewertung (auch) auf neu hervorgetretenen Tatsachen beruhte, die in ihrer Richtigkeit (Existenz) von der Angeklagten dezidiert bestrittenen wurden. Nur im zuletzt genannten Fall bestünde gegebenenfalls ein Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 3 StPO.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 ARs 14/19
vom
10. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit
hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 18. Juni 2019 – 5 StR 20/19
(5 ARs 20/19)
ECLI:DE:BGH:2019:101019B1ARS14.19.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2019 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 5. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 1. Strafsenats, der an dieser Rechtsprechung festhält.

Gründe:


1
1. Der 5. Strafsenat hat über die Revision des Angeklagten zu entscheiden , der wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gegen den zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 68.300 EUR angeordnet worden ist. Auf die Möglichkeit einer Einziehung war der Angeklagte weder in der Anklageschrift noch im Eröffnungsbeschluss oder im Rahmen der Hauptverhandlung hingewiesen worden; das der Einziehungsentscheidung zugrundeliegende tatsächliche Geschehen war jedoch bereits Gegenstand der Anklage. Der 5. Strafsenat hält die Verfahrensrüge des Angeklagten, die Einziehung habe nicht ohne vorherigen gerichtlichen Hinweis angeordnet werden dürfen, für unbegründet und beabsichtigt zu entscheiden: „Eine Hinweispflicht aufdie Rechtsfolge der nach den §§ 73, 73c StGB obligatorischen Einziehung, die an bereits in der Anklageschrift enthaltene tatsächliche Umstände anknüpft, sehen weder § 265 Abs. 1 StPO, noch § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO vor.“
2
2. Der beabsichtigten Entscheidung steht Rechtsprechung des 1. Strafsenats entgegen.
3
a) Insbesondere hat der Senat im Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 1 StR 186/18 in der gleichen Konstellation eine Verfahrensrüge als durchgreifend erachtet und zu dem in dem Anfragebeschluss aufgeworfenen Problem ausgeführt: „Die Verfahrensrüge ist … begründet, weil der gerügte Verstoß gegen § 265 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 StPO in der Fassung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, 3210), in Kraft getreten zum 24. August 2017, vorliegt. …Nach dieser Vorschrift ist das Gericht u.a. zu einem Hinweis verpflichtet, wenn sich vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Anordnung einer Maßnahme rechtfertigen. Dies erfasst gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB auch die Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB, über deren mögliche Anordnung der Angeklagte mithin zwingend zu belehren ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 27. Juni 2018 – 2 OLG 6 Ss 28/18, NJW 2018, 2505 Rn. 7 m. zust. Anm. Habetha ebenda S. 2506; OLG Hamburg, Beschluss vom 5. April 2018 – 1 Rev 7/18 Rn. 18; Meyer -Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 265 Rn. 20a; SSW/Rosenau, StPO, 3. Aufl., § 265 Rn. 26). Dass – wie vorliegend – die der Einziehungsentscheidung zugrunde liegenden Tatsachen zwar schon vor der Hauptverhandlung bekannt waren, das Gericht deren Bedeutung aber erst während der Hauptverhandlung erkannt hat, ist für die Anwendbarkeit von § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO ohne Belang (vgl. noch zur alten Rechtslage BGH, Urteil vom 12. März 1963 – 1 StR 54/63, BGHSt 18, 288, 289). …Den danach erforderlichen Hinweis auf eine mögliche Einzie- hungsentscheidung hätte der Vorsitzende förmlich erteilen müssen , da § 265 Abs. 2 StPO nunmehr ausdrücklich auf die in § 265 Abs. 1 StPO normierte besondere Hinweispflicht verweist (vgl. zu § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 206/18, StV 2018, 796 Rn. 15). Der Hinweis wird nicht durch den entsprechenden Antrag der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft im Schlussvortrag ersetzt (OLG Koblenz aaO Rn. 8; Habetha aaO). Bei der Erweiterung der Hinweispflichten durch die Neufassung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO hat sich der Gesetzgeber von dem Gedanken leiten lassen, dass die Anordnung anderer Maßnahmen als einer Maßregel der Besserung und Sicherung oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge in ihren Konsequenzen für den Angeklagten und sein Verteidigungsverhalten erheblich sein könne, so dass auch insofern eine Hinweispflicht geboten erscheine (BT-Drucks. 18/11277, S. 37). Dies diene vor dem Hintergrund des Rechts des Angeklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und des rechtsstaatlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens der Sicherung einer sachgemäßen Verteidigung des Angeklagten (BTDrucks. 18/11277, S. 37; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2018 – 3 StR 206/18 aaO Rn. 14; vom 12. Januar 2011 – 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121 Rn. 8 und vom 8. Mai 1980 – 4 StR 172/80, BGHSt 29, 274, 278).“
4
Diese Rechtsprechung hat der Senat in einem weiteren Beschluss vom 26. April 2019 – 1 StR 471/18 bestätigt.
5
b) An der in den vorgenannten Entscheidungen zum Tragen gekommenen Rechtsprechung hält der Senat fest.
6
Die Auslegung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO führt zu dem Ergebnis, dass es eines Hinweises auf eine zu treffende Einziehungsentscheidung bedarf, wenn die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen zwar schon vor der Hauptverhandlung bekannt waren, das Gericht deren Bedeutung und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einziehungsentscheidung aber erst während der Hauptverhandlung erkannt hat. Für dieses vom Wortlaut gedeckte Verständnis der Vorschrift (vgl. SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 265 Rn. 24; HK/Julius/Beckemper, StPO, 6. Aufl., § 265 Rn. 8; Schlothauer, StV 1986, 213, 222; allgemein zur Möglichkeit der Auslegung bei nicht eindeutigem Wortlaut BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 727/51, BGHSt 3, 300, 303) sprechen Gesetzessystematik, Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck.
7
aa) Die Systematik des Gesetzes spricht für eine Auslegung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO, nach der eine gerichtliche Hinweispflicht auch dann besteht, wenn sich erst in der Hauptverhandlung ergibt, dass aufgrund des angeklagten Sachverhalts eine Einziehungsentscheidung zu treffen sein wird. Der Gesetzgeber hat die Hinweispflicht in § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO auf alle Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) erstreckt, ohne hierbei zwischen den einzelnen Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB zu unterscheiden. Dies spricht für die einheitliche Handhabung dieser Rechtsfolgen und damit dafür, auch den Fall in den Anwendungsbereich von § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO einzuschließen, dass das Gericht allein aufgrund einer neuen Bewertung des bekannten Sachverhalts die Anordnung einer Einziehung in Betracht zieht. Im Fall der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung entspricht es nämlich ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, eine Hinweispflicht nicht nur bei einem Bekanntwerden neuer, in der Anklage nicht enthaltener Tatsachen, sondern auch bei gleichbleibendem Sachverhalt und lediglich abweichender rechtlicher Würdigung anzunehmen (BGH, Urteile vom 12. März 1963 – 1 StR 54/63, BGHSt 18, 288, 289 und vom 27. September 1951 – 3 StR 596/51, BGHSt 2, 85, 87; Beschlüsse vom 1. August 2017 – 4 StR 178/17 und vom 30. März 1988 – 3 StR 78/88, BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 2; abweichend lediglich BGH, Beschluss vom 8. Mai 1980 – 4 StR 172/80, BGHSt 29, 274, 279; ebenso die Literatur: SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 265 Rn. 24, 28; SSW/Rosenau, StPO, 3. Aufl., § 265 Rn. 24, 28; MK/Norouzi, StPO, § 265 Rn. 31; Radtke in Radtke /Hohmann, StPO, § 265 Rn. 44; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 46; Schlothauer, StV 1986, 213, 218). Entsprechendes muss daher auch für eine zu treffende Einziehungsentscheidung gelten; ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung dieser Rechtsfolgen besteht nicht (vgl. dazu unten cc)(2)).
8
Das systematische Verhältnis von § 265 Abs. 1 und 2 Nr. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Insbesondere liegt eine Abgrenzung der Regelungsbereiche beider Absätze danach, ob es um Veränderungen in rechtlicher oder tat- sächlicher Hinsicht geht, schon deshalb nicht nahe, weil in Absatz 2 Hinweispflichten für beide Fälle geregelt sind. Absatz 2 ist vielmehr eher als eine Aufzählung verschiedener von Absatz 1 nicht unmittelbar erfasster Sonderfälle zu verstehen. Mit Blick auf das Verhältnis von Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 1 ist im Übrigen ein Verständnis dahin möglich, dass sich die beiden Absätze auf die unterschiedlichen Kategorien von Schuld- und Rechtsfolgenfrage beziehen. Für die Rechtsfolgenfrage wäre eine dem Absatz 1 parallele Formulierung in Absatz 2 im Übrigen kaum vorstellbar (SK/Velten aaO Rn. 24).
9
bb) Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 lässt sich für das Verständnis des Senates von § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO anführen , wie es den eingangs genannten Entscheidungen zugrunde liegt. Denn der Gesetzgeber hat nicht lediglich den Tatbestand des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO um die Hinweispflicht für den Fall der Einziehung erweitert. Vielmehr hat er die bereits zuvor aufgeführten Maßregeln der Besserung und Sicherung und die neu erfasste Einziehung in Kenntnis der genannten Rechtsprechung zur Hinweispflicht auf in Betracht kommende Maßregeln unter dem Begriff „Maßnah- men“ zusammengefasst. Damit hat er zu verstehen gegeben, dass alleMaß- nahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB den gleichen verfahrensrechtlichen Maßgaben unterliegen sollen.
10
Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich zudem keine Argumente für die im Anfragebeschluss vertretene Rechtsansicht. Die vom 5. Strafsenat als Argument für eine enge Auslegung der Norm herangezogenen Ausführungen zum Fahrverbot führen für das Verständnis der Vorschrift mit Blick auf die Einziehung nicht weiter; beide Rechtsfolgen sind in Bezug auf ihre Anordnungsvoraussetzungen nicht vergleichbar, da die Einziehung im Gegensatz zum Fahr- verbot gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 StGB vom Vorliegen einer weiteren tatsächlichen Voraussetzung abhängig ist (vgl. unten cc)(2)(b)).
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cc) Sinn und Zweck des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO gebieten ebenfalls eine weite Auslegung der Norm (BGH, Urteile vom 12. März 1963 – 1 StR 54/63, BGHSt 18, 288, 289 und vom 27. September 1951 – 3 StR 596/51, BGHSt 2, 85, 87; SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 265 Rn. 24; SSW/Rosenau, StPO, 3. Aufl., § 265 Rn. 24; MK/Norouzi, StPO, § 265 Rn. 31; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 44; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 46; Schlothauer , StV 1986, 213, 218). Die Hinweispflicht dient vor dem Hintergrund des Rechts des Angeklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und des rechtsstaatlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens der Sicherung einer sachgemäßen Verteidigung des Angeklagten (BT-Drucks. 18/11277, S. 37; vgl. im Einzelnen SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 265 Rn. 2 ff.; Radtke in Radtke /Hohmann, StPO, § 265 Rn. 1 ff.). Dieser soll durch die zu erteilenden Hinweise vor Überraschungsentscheidungen des Gerichts geschützt werden (Radtke in Radtke/Hohmann aaO mwN; KK/Kuckein/Bartel, StPO, 8. Aufl., § 265 Rn. 13).
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(1) Für die Schutzbedürftigkeit des Angeklagten spielt es keine Rolle, wann und wodurch er Sachverhaltskenntnis erlangt hat, ob schon durch die Anklageschrift , den Eröffnungsbeschluss oder erst im Rahmen der Hauptverhandlung. Maßgeblich ist, ob er die rechtliche Bedeutung des Sachverhalts für eine bestimmte Rechtsfolgenentscheidung erkennt, mithin mit dieser rechnet und sich entsprechend verteidigen kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 12. März 1963 – 1 StR 54/63, BGHSt 18, 288, 289 und vom 27. September 1951 – 3 StR 596/51, BGHSt 2, 85, 87; ebenso die Literatur: SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 265 Rn. 24; SSW/Rosenau, StPO, 3. Aufl., § 265 Rn. 24; Radtke in Radtke /Hohmann, StPO, § 265 Rn. 44; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn.
46; Wachsmuth, ZRP 2006, 121, 123). Die bloße Sachverhaltskenntnis ist für ihn dagegen nutzlos; allein der Umstand, dass ein Sachverhaltsausschnitt in der Anklageschrift erwähnt wurde, macht dessen Relevanz noch nicht ohne weiteres deutlich (SK/Velten aaO). Fehlt mithin in beiden Fällen gleichermaßen die Bedeutungskenntnis, muss dies jeweils eine Hinweispflicht auslösen.
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(2) Es besteht kein sachlicher Grund, die Einziehung im Hinblick auf das Erfordernis eines gerichtlichen Hinweises anders zu behandeln als die Maßregeln der Besserung und Sicherung (vgl. zur diesbezüglichen Rspr. oben aa)).
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(a) Insofern kann es zunächst nicht maßgeblich darauf ankommen, ob die einzelnen Rechtsfolgen im Falle des Vorliegens der jeweiligen Voraussetzungen obligatorisch oder nur fakultativ anzuordnen sind. Auf der einen Seite finden sich auch unter den Maßregeln der Besserung und Sicherung – worauf der 5. Strafsenat in seinem Anfragebeschluss selbst hinweist – etliche, die zwingend anzuordnen sind. Auf der anderen Seite gibt es auch im Bereich der Einziehung Ermessensvorschriften (§ 73 Abs. 3, § 73b Abs. 3, § 74 Abs. 1, § 74c StGB); zudem ist mitunter eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen (§ 74f StGB). Daher ist dieses Unterscheidungskriterium nicht geeignet, eine Ungleichbehandlung der Maßregeln im Vergleich zur Einziehung zu rechtfertigen. Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Einziehungsvorschriften bietet sich ebenso wenig wie im Bereich der Maßregeln der Besserung und Sicherung an. Ferner hat die Rechtsprechung dem Umstand, ob eine bestimmte Rechtsfolge zwingend anzuordnen ist oder im Ermessen des Gerichts steht, bei der sich nach der alten Rechtslage stellenden Frage einer Hinweispflicht auf die Verhängung von Nebenstrafen bzw. -folgen ganz überwiegend kein Gewicht beigemessen (zur Aberkennung von Ehrenrechten: BGH, Urteil vom 5. März 1969 – 4 StR 610/68, BGHSt 22, 336, 340; zum Fahrverbot: BGH, Beschluss vom 8. Mai 1980 – 4 StR 172/80, BGHSt 29, 274, 277).


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(b) Sie hat vielmehr für maßgeblich erachtet, ob weitere tatsächliche Voraussetzungen erforderlich sind (BGHSt 29, 274, 280). Zwar hat sich die genannte Rechtsfrage durch die Neufassung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO erledigt. Der ihr zugrundeliegende Gedanke kann jedoch nunmehr für die hier diskutierte Auslegungsfrage fruchtbar gemacht werden. Hinter dem Ansatz, auf das Erfordernis zusätzlicher Merkmale abzustellen, steht nämlich der Gedanke, dass in diesem Fall weiteres tatsächliches Vorbringen der Verteidigung erfolgen kann, während in allen anderen Fällen die Verteidigung gegen den Hauptvorwurf mit der Verteidigung gegen die Nebenstrafen oder -folgen identisch ist, es also deshalb keines Hinweises bedarf, weil kein weiteres faktisches Verteidigungsvorbringen möglich ist (vgl. SK/Velten, StPO, 5. Aufl., § 265 Rn. 48).
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So verhält es sich auch hier. Die Einziehung ist anzuordnen, wenn der Täter oder Teilnehmer „durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt“ hat. Damit setzt die Einziehung mehr als die bloße Tatbestandserfüllung voraus (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 Rn. 19; Beschluss vom 8. August 2019 – 1 StR 679/18 Rn. 8; vgl. auch BeckOK/Eschelbach, StPO, 34. Ed., § 265 Rn. 33). Daher können gesonderte Feststellungen erforderlich und eine Verteidigung im Hinblick auf eine mögliche Einziehungsentscheidung geboten sein. Ansatzpunkte dafür können sich auf unterschiedlichen Ebenen ergeben , etwa hinsichtlich des Umfangs oder Gegenstands des Erlangten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 Rn. 18 ff.; Beschluss vom 8. August 2019 – 1 StR 679/18 Rn. 8 f.) oder bei der Frage, ob ein Gegenstand in die faktische Verfügungsgewalt eines Tatbeteiligten übergegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 Rn. 18 mwN), was bei mehreren Beteiligten für jeden gesondert zu prüfen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18 Rn. 12; Beschlüsse vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18 Rn. 8; vom 8. August 2013 – 3 StR 179/13 Rn. 2 und vom 27. April 2010 – 3 StR 112/10 Rn. 2) und in Fällen lediglich kurzzeitigen Besitzes fraglich sein kann (vgl. etwa BGH, Urteile vom 13. September 2018 – 4 StR 174/18 Rn. 22 und vom 7. Juni 2018 – 4 StR 63/18 Rn. 12).
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(c) Die Hinweispflicht kann nicht davon abhängen, ob es sich um ʺzwingendesRechtʺ handelt oder die Rechtsfolge offensichtlich ist. Damit werden die verfahrensrechtlichen Maßstäbe, die für das Bestehen einer Hinweispflicht gelten, mit dem revisionsrechtlichen Kontrollmaßstab des Beruhens (§ 337 StPO) vermengt, das in Konstellationen evident vorliegender Einziehungsvoraussetzungen zu verneinen sein wird. Überdies erschließt sich – dies ist tragender Grund für die Einbeziehung der Einziehung in die Hinweispflicht nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO (vgl. auch Radtke in Radtke/Hohmann aaO Rn. 1 ff. mwN; KK/Kuckein/ Bartel aaO) – eine mögliche Einziehungsanordnung für den Angeklagten nicht in allen denkbaren Fallkonstellationen von selbst. Zwar mag dies in manchen Fällen so sein, etwa, wenn bei einem Bestechungsdelikt der gewährte Vorteil dem Vorteilsnehmer unmittelbar zufließt; dass dieser nicht beim Täter verbleiben soll, liegt tatsächlich nahe. Da die Frage, wie offensichtlich die Voraussetzungen einer Einziehung vorliegen, aber nicht allgemein, sondern nur nach der im Einzelfall anstehenden Fallkonstellation zu bestimmen ist, kann sie nicht Anknüpfungspunkt der allgemeinen gesetzlichen Hinweispflicht sein.
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Zudem kommt die Anordnung einer Einziehung auch in weniger klar gelagerten Fällen in Betracht, etwa bei ersparten Aufwendungen (vgl. im Hinblick auf Steuerschulden etwa BGH, Beschluss vom 8. August 2019 – 1 StR 679/18 Rn. 9 mwN), wenn es um die Abgrenzung von Privat- und Firmenvermögen geht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 1 StR 75/19 Rn. 13 f. mwN) oder wenn der abzuschöpfende Vermögensvorteil dem Angeklagten nur kurzfristig zur Verfügung stand. Zu denken ist in diesem Zusammenhang insbesondere an Fälle des bloßen Durchgangserwerbs, etwa bei der Einbindung des Angeklagten in eine Handelskette (BGH, Urteile vom 27. September 2018 – 4 StR 78/18 Rn. 9 und vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65 Rn. 14 f.) oder beim bloßen Transport des Kaufpreises durch einen Betäubungsmittelkurier (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65 Rn. 14 f. und vom 12. August 2003 – 1 StR 127/03 Rn. 5). Hier liegt eine Abschöpfung gerade nicht ohne Weiteres auf der Hand, so dass der Angeklagte sein Verteidigungsverhalten ohne gerichtlichen Hinweis nicht auf eine mögliche Einziehung einstellen kann.
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(d) Des Weiteren sind auch die Auswirkungen, welche die Anordnung einer Einziehung für den Angeklagten haben können, im Vergleich zu denjenigen von Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht schlechterdings zu vernachlässigen. So finden sich zum einen unter den Maßregeln auch solche, die im Einzelfall weniger eingriffsintensiv sein können, wie etwa die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB. Zum anderen kann die Anordnung der Einziehung , insbesondere wenn es dabei um hohe Geldbeträge geht, durchaus gravierende negative Konsequenzen für den Angeklagten haben (so auch BT-Drucks. 18/11277, S. 37; vgl. auch Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 84; MK/Norouzi, StPO, § 265 Rn. 47 [existentiell]).
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(3) Schließlich kann dem Verständnis des Senats von § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO nicht entgegengehalten werden, dass die Einziehung im Anklagesatz nicht zu thematisieren ist, so dass kein geeigneter Vergleichsmaßstab für eine Abweichung von der zugelassenen Anklage vorhanden wäre (vgl. Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 85 ff.). Vielmehr gebietet die Informations- funktion der Anklageschrift vor dem Hintergrund des eben Ausgeführten und angesichts der Erweiterung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO auf die Einziehung (vgl. zur Wechselwirkung zwischen § 265 StPO und § 200 StPO MK/Wenske, StPO, § 200 Rn. 47) die Schilderung der für eine Einziehungsentscheidung relevanten Umstände bereits im Anklagesatz (so auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 200 Rn. 10; KK/Schneider, StPO, 8. Aufl., § 200 Rn. 15 f.; noch zur alten Rechtslage Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 87). Dies dürfte ohnehin schon überwiegend der praktischen Handhabung entsprechen. Dass Umstände, die ausschließlich für die Einziehungsentscheidung von Bedeutung sind, nicht zum notwendigen Inhalt des Anklagesatzes gehören (KK/Schneider, StPO, 8. Aufl., § 200 Rn. 15 mwN), spielt insofern keine Rolle, da sich § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO nicht in gleichem Maße wie § 265 Abs. 1 StPO auf die Anklage bezieht (vgl. zu Abs. 1 etwa BGH, Beschluss vom 8. Mai 1980 – 4 StR 172/80, BGHSt 29, 274, 276 f.).
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3. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass Zweifel an der Zulässigkeit der Anfrage bestehen. Die Frage wäre nämlich nicht entscheidungserheblich , wenn das Beruhen auf einem etwaigen Rechtsverstoß ausgeschlossen werden könnte (vgl. oben 2.b)cc)(2)(c)). Dies mag nach dem Begründungszusammenhang des 5. Strafsenats naheliegen, lässt sich aber letztlich nach dem im Anfragebeschluss mitgeteilten Sachverhalt nicht belastbar beurteilen.
Raum RinBGH Dr. Fischer Bär befindet sich im Urlaub und ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Leplow Pernice