Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Feb. 2015 - 3 StR 541/14

bei uns veröffentlicht am03.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 4 1 / 1 4
vom
3. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 3. Februar 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 19. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts glaubte der Angeklagte, der seit dem Sommer des Jahres 2013 an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie litt, dass aus der Wohnung unter der seinen ständig Fangesänge für den Fußballverein Werder Bremen ("Werder-Lieder") zu hören seien. Die Wohnung war ab September des Jahres 2013 an Frau K. , das spätere Tatopfer, vermietet. Der Angeklagte ging davon aus, sie und ihre Vormieterin hätten sich verschworen, um ihn mit diesen Liedern zu belästigen; in diesem Zusammenhang war er der wahnhaften Vorstellung , durch die Verwendung einer besonderen Tapete, die kurz vor dem Einzug von Frau K. angebracht worden sei, würden die Schallwellen in seine Wohnung geleitet.
3
Am 5. Dezember 2013 beschloss der Angeklagte deshalb, Frau K. zur Rede zu stellen. Dazu lauerte er ihr im Außenbereich des Gebäudes auf und folgte ihr, als sie von der Arbeit nach Hause kam, unbemerkt bis in deren Wohnung. Er wollte nur in Ruhe mit Frau K. reden, führte aber gleichwohl ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von zwölf Zentimetern mit sich, um seinem Opfer erforderlichenfalls "ein bisschen Angst zu machen". Zudem trug er Handschuhe, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Als Frau K. des Angeklagten in ihrer Wohnung gewahr wurde, erschrak sie und schrie auf. Der Angeklagte befahl ihr, ruhig zu sein und hielt ihr den Mund zu. Er forderte, dass sie in Zukunft die Musik nicht mehr so laut stellen solle und drohte ihr dabei mit dem Messer. Er hielt sie währenddessen am Arm fest; sie konnte sich indes losreißen und fing erneut an zu schreien. Daraufhin stach der Angeklagte, der mit der Situation überfordert war und wollte, dass sie aufhörte zu schreien, mehrfach mit dem Messer in ihre Brust- und Bauchgegend. Dabei erkannte er die Lebensgefährlichkeit seines Handelns, wollte sein Opfer zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht töten.
4
Nach einem sich anschließenden Gerangel lagen Frau K. und der Angeklagte auf dem Bett; der Angeklagte realisierte nach einer längeren, nicht im Einzelnen zu bestimmenden Zeit, in der er nach seiner Vorstellung ein "rela- tiv normales Gespräch" mit ihr führte, dass Frau K. immer noch lebte und bekam Angst, dass er wegen der vorangegangenen Messerstiche nicht unerheblich bestraft werden könnte, wenn er sie jetzt nicht tötete. Daraufhin würgte er sie für mehrere Minuten. Dabei hatte er nunmehr das Ziel und den Willen, sein Opfer zu töten und dadurch die vorangegangene gefährliche Körperverletzung zu verdecken. Nachdem Frau K. bewusstlos geworden war, fügte er ihr mit dem Messer weitere Stiche in den Hals, den Oberkörper und in den Oberarm zu. Sie verstarb an einer Kombination aus Ersticken und Verbluten.
5
2. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung durch eine schriftliche Erklärung seines Verteidigers dahin eingelassen, er habe bei den ersten Stichen die Situation beenden wollen und damit gerechnet, dass diese Stiche tödlich sein könnten.
6
a) Auf der Grundlage dieser Einlassung kommt in Betracht, dass der Angeklagte , als er sein Opfer mit direktem Tötungsvorsatz würgte und sodann erneut auf es einstach, lediglich die bereits - mit bedingtem Tötungsvorsatz - begonnene Tötung vollenden, nicht aber eine andere Straftat verdecken wollte (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 - 5 StR 102/90, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 5 mwN; Beschluss vom 10. Mai 2000 - 1 StR 617/99, NStZ 2000, 498). In diesem Fall würde die Annahme eines Verdeckungsmordes jedenfalls mit der gegebenen Begründung ausscheiden.
7
b) Die Beweiswürdigung der Strafkammer, aufgrund derer sie zu dem Ergebnis gelangt ist, der Angeklagte habe entgegen seiner Einlassung erst später , nachdem er sich mit Frau K. auf dem Bett unterhalten hatte, den Vorsatz gefasst, sie zu töten, hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand:
8
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, widersprüchlich oder unklar ist oder gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, namentlich aber auch dann, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht , etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2011 - 2 StR 521/10, juris Rn. 10 mwN). Der Zweifelssatz ist eine Entscheidungsregel, die dem Gericht vorschreibt, wie zu entscheiden ist, wenn es bei der Tatsachenfeststellung Zweifel hat (LR/Kühne, StPO, 26. Aufl., Einl. I Rn. 49 mwN). Verurteilt es den Angeklagten, obwohl es Zweifel an seiner Täterschaft hat, ist der Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt (LR/Franke aaO, § 337 Rn. 133 mwN). So verhält es sich hier:
9
Das Landgericht führt eingangs des Abschnitts, in dem es sich mit der entgegenstehenden Einlassung des Angeklagten auseinandersetzt, aus, es habe "(zumindest bedingten) Tötungsvorsatz" nicht feststellen können. Im Anschluss daran befasst es sich mit den für und gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Beweisanzeichen und legt dabei unter anderem dar, wegen der Unmöglichkeit festzustellen, welche Stiche der Angeklagte mit welcher Stichtiefe seinem Opfer vor dem Würgevorgang zugefügt hatte, könne "eine den Tö- tungsvorsatz nahelegende Heftigkeit der Tatausführung […] nicht mit der not- wendigen Sicherheit angenommen werden". Abschließend legt die Strafkam- mer das Ergebnis nieder, dass sie "aus den vorgenannten Gründen […] bei Vornahme der Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände nicht die für eine Verurteilung notwendige Sicherheit dafür" habe erlangen können , dass der Angeklagte bereits die ersten Stiche mit (bedingtem) Tötungsvorsatz führte.
10
Damit hat die Strafkammer das anfängliche Vorliegen des Tötungsvorsatzes in Anwendung des Zweifelssatzes verneint. Dies ist rechtsfehlerhaft: Das Landgericht hat so den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt, indem es auf einer Tatsachengrundlage, von deren Vorliegen es nicht zweifelsfrei überzeugt war, nicht etwa zu dem für den Angeklagten günstigeren Schuldspruch wegen einer einheitlichen Tat des Totschlags gelangt ist, sondern zu der für den Angeklagten nachteiligen rechtlichen Würdigung, er habe bei dem Würgevorgang und bei den späteren Stichen die vorangegangene gefährliche Körperverletzung verdecken wollen und so ein Mordmerkmal verwirklicht.
11
3. Der Schuldspruch wegen Mordes erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis rechtsfehlerfrei. Zwar kann - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - die zu verdeckende Tat auch eine solche sein, die gegen Leib und Leben gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1987 - 2 StR 559/87, BGHSt 35, 116). Um eine andere Straftat im Sinne von § 211 Abs. 2 Var. 9 StGB handelt es sich jedoch - wie dargelegt - nicht, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht, was etwa dann der Fall ist, wenn während einer einheitlichen Tötungshandlung die Verdeckungsabsicht nur noch als weiteres Motiv für die Tötung hinzutritt. Auch ein zäsurloser Übergang vom bedingten zum unbedingten Tötungsvorsatz würde die zeitlich davorliegenden Teile einer einheitlichen Tötungshandlung nicht als eine andere Straftat erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2000 - 1 StR 617/99, NStZ 2000, 498). Voraussetzung der Annahme eines Verdeckungsmordes ist in diesen Fällen deshalb in aller Regel, dass zwischen einem (erfolglosen) ersten, mit Tötungsvorsatz vorgenommen Angriff und einer erneuten, nunmehr mit Verdeckungsabsicht begangenen Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt (vgl. MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 229 mwN; BGH, Urteile vom 12. Juni 2001 - 5 StR 432/00, NStZ 2002, 253; vom 12. Dezember 2002 - 4 StR 297/02, NJW 2003, 1060).
12
Ob eine solche Zäsur hier gegeben ist, kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Das Landgericht ist zwar von einer "längere[n] […] zeitliche[n] Zäsur" ausgegangen, hat aber deren Ausmaß - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - letztlich offen gelassen , indem es ausgeführt hat, sie lasse sich im Einzelnen nicht mehr bestimmen. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann der Senat nicht entnehmen, ob zwischen den ersten Stichen und den späteren Tathandlungen des Angeklagten ein Einschnitt gegeben war, der die Annahme, bei den Stichen habe es sich um eine andere Tat im Sinne von § 211 Abs. 2 Var. 9 StGB gehandelt, rechtfertigen könnte.
13
4. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Für die Frage, ob der Angeklagte bereits bei den ersten Stichen mit Tötungsvorsatz handelte, könnte es von Bedeutung sein, ob - so die bisherigen Feststellungen - er von vornherein zur Vermeidung von Fingerabdrücken Handschuhe anzog; dies würde sich nicht ohne Weiteres mit seiner Einlassung decken , er habe sein späteres Opfer nur in Ruhe zur Rede stellen wollen.
15
Es kann auf eine Zäsur zwischen den ersten Stichen und den schließlich zum Tod von Frau K. führenden Tathandlungen hindeuten, dass der Angeklagte - jedenfalls aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen - sein wesentliches Tatmittel dergestalt änderte, dass er - zunächst - von weiteren Stichen absah und sein Opfer minutenlang würgte und so den Tod durch Ersticken - in Kombination mit Verbluten infolge der multiplen Stichverletzungen - herbeiführte (vgl. dazu MüKoStGB/Schneider, aaO; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2000 - 1 StR 617/99, NStZ 2000, 498, 499).
16
Sollte das neue Tatgericht bei der Strafzumessung die Brutalität der Tatbegehung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen wollen, wird es sich mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob diese nicht auch auf dem zur erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit führenden Zustand des Angeklagten beruhte und ob ihm dies deshalb in vollem Umfang vorwerfbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 5 StR 69/14, NStZ-RR 2014, 140).
Becker Schäfer RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

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Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

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Referenzen

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

10
1. Gemäß § 261 StPO entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme das Gericht. Spricht es einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders würdigt oder Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2010, 102, 103 mwN).
5 StR 432/00

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
12. Juni 2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt H ,
Richterin am Landgericht B
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger des Angeklagten Be ,
Rechtsanwalt Bec
als Verteidiger des Angeklagten M ,
Rechtsanwalt R
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. April 2000
a) dahin abgeändert, daß die Angeklagten hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts des versuchten Totschlages in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind, und
b) insoweit in den jeweiligen Einzelstrafaussprüchen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den AngeklagtenBe wegen Mordes und versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung – unter Einbeziehung rechtskräftiger Einzelstrafen, eine davon zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen eines am 22. Oktober 1995 begangenen Mordes – zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Den Angeklagten M , einen Halbbruder des Angeklagten Be , hat es wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung – ebenfalls unter Einbeziehung rechtskräftiger Einzelstrafen, eine davon zu 13 Jahren und s echs Monaten wegen des oben genannten, gemeinsam mit Be begangenen Mordes – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten führen mit der Sachrüge hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts zu einer Schuldspruchänderung zu ihren Gunsten und z ur Aufhebung der hierfür festgesetzten Einzelstrafen sowie der gebildeten Gesamtstrafen. Im übrigen bleiben die Rechtsmittel ohne Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts gerieten die Angeklagten am 10. Oktober 1995 nach einem gemeinsamen Lokalbesuch mit dem später getöteten Rö in Streit. Dabei schlugen die Angeklagten mit einer Eisenstange auf den Kopf des Opfers ein. Im Zuge der Gewalttätigkeiten – einen genauen Zeitpunkt hat das Schwurgericht nicht feststellen können – entschlossen sich die Angeklagten, den Geschädigten zu töten, weil sie befürchteten , daß er sie wegen der Mißhandlungen bei der Polizei anzeigen würde. Sie schlugen und traten in der Folge dem schon am Boden liegenden Opfer ins Gesicht und drosselten es mit einem Gürtel. In der Annahme, Rö s ei bereits tot oder werde alsbald versterben, ließen sie ihn in einer Grünanlage zurück. In seiner Wohnung angekommen, erzählte der Angeklagte Be seiner Freundin, er habe zusammen mit seinem Bruder jemanden umgebracht. Als diese das nicht glauben wollte, fuhr er mit ihr zum Tatort zurück. Dort bemerkte der Angeklagte Be , daß das Opfer noch röchelte. Um es endgültig zu töten und eine Strafanzeige zu verhindern, trat und sprang er sodann mit großer Wucht mehrfach auf den Kopf des am Boden liegenden Opfers. Dieses verstarb kurze Zeit später.
Das Landgericht hat die von beiden Angeklagten gemeinsam gegen Rö geführten Angriffe als versuchten (Verdeckungs-)Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet; die vom Angeklagten Be nach Rückkehr zum Tatort vorgenommenen Mißhandlungen hat es als vollendeten (Verdeckungs-)Mord angesehen.

II.


Diese Feststellungen des Schwurgerichts zum Tathergang sind rechtsfehlerfrei getroffen. Indes hält die rechtliche Würdigung teilweise sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand und erfordert Korrekturen durch das Revisionsgericht.
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen hinsichtlich der gemeinschaftlichen Mißhandlungen der Angeklagten die Verurteilung wegen eines (versuchten) Verdeckungsmordes nicht.

a) Die Annahme dieses Mordmerkmals setzt gemäß § 211 Abs. 2 StGB voraus, daß der Täter die Tötungshandlung vornimmt, um eine andere Straftat zu verdecken. Dabei kann die Tötungshandlung unmittelbar an die zu verdeckende Straftat anschließen (vgl. BGHSt 35, 116; BGHR StGB § 211 Abs. 2 – niedrige Beweggründe 37). Als Vortat eines Verdekkungsmordes im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB kommt auch ein gegen die körperliche Unversehrtheit gerichtetes Delikt in Betracht (BGH aaO). Handelt der Täter allerdings bereits von Anfang an mit Tötungsvorsatz gegen das Opfer, fehlt eine zu verdeckende Vortat, auch wenn der Täter im Zuge der Tatausführung den Tötungserfolg zusätzlich auch deshalb herbeiführen will, um seine vorherigen Tathandlungen zu verdecken (std. Rspr.; vgl. zuletzt BGH NStZ 2000, 498 f. m.w.N.). Allein das Hinzutreten der Verdekkungsabsicht als eines weiteren Tötungsmotives macht die davor begangenen Einzelakte nicht zu einer anderen Tat. Handelt der Täter mit einem
durchgängigen Tötungsvorsatz, ist für die Annahme eines Verdeckungsmordes deshalb kein Raum. Dabei ist auch unerheblich, ob er zunächst mit bedingtem und erst später mit direktem Tötungsvorsatz auf das Opfer eingewirkt hat (BGHR StGB § 211 Abs. 2 – Verdeckung 5; BGH Beschluß vom 11. Mai 2000 – 5 StR 114/00 –). Hat der mit jedenfalls bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter bereits den Versuch eines Tötungsdelikts begangen , dann verdeckt er, wenn er auch aus Angst vor Strafverfolgung die Gewalteinwirkung fortsetzt, lediglich die Tat, die er gerade begeht. Dies ist aber keine andere Tat, sondern das nämliche Tötungsdelikt (BGH NStZ 2000,

498).


Anders ist die Rechtslage nur zu beurteilen, wenn zwischen einer (erfolglosen) Tötungshandlung und der erneuten mit Verdeckungsabsicht vorgenommenen zweiten Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt. Faßt der Täter dann den Entschluß, das (zumindest aus seiner Sicht zunächst überlebende) Opfer auch deshalb zu töten, um die Aufdeckung des versuchten Tötungsdelikts zu verhindern, ist das Mordmerkmal der Verdekkungsabsicht erfüllt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 – Verdeckung 11). Die spätere Tötungshandlung bezieht sich dann auf eine zunächst abgeschlossene Tat, mithin also auf eine andere Tat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB.

b) Das Landgericht hat allerdings keine Zäsur festgestellt, bevor die Angeklagten in Verdeckungsabsicht ihre Gewalttätigkeiten gegen das Opfer fortgesetzt haben. Das Landgericht hat sich weiterhin keine sichere Überzeugung davon bilden können, wann im Verlauf der Mißhandlungen die Angeklagten den Entschluß gefaßt haben, Rö (auch) deshalb zu töten, um eine etwaige Strafverfolgung gegen sich zu verhindern. Vielmehr legt die Strafkammer ausdrücklich dar, daß während der Gewalteinwirkungen auf das Opfer der Zeitpunkt unklar geblieben ist, ab dem die Angeklagten (auch) deshalb auf Rö eingeschlagen haben, um im Falle seines Überlebens eine Strafanzeige durch ihn zu verhindern.

Das Landgericht hätte deshalb nur dann hinsichtlich des ersten Tatkomplexes das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht bejahen dürfen, wenn die zunächst begangenen Gewalttätigkeiten gegen das Opfer Rö nicht mit Tötungsvorsatz erfolgt wären. Bei dieser Prüfung hätte aber der Zweifelssatz beachtet werden müssen, weil es im Hinblick auf das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht für die Angeklagten günstiger wäre, wenn bei den vorangegangenen Mißhandlungen ein Tötungsvorsatz bereits bestanden hätte (vgl. BGH, Beschluß vom 11. Mai 2000 – 5 StR 114/00 –). Diese Prüfung hat das Landgericht unterlassen. Bei Schlägen mit einer Eisenstange gegen den Kopf des Opfers liegt ein Tötungsvorsatz nahe.

c) Der Senat ändert den Schuldspruch dementsprechend von versuchtem Mord auf versuchten Totschlag. Er schließt aus, daß in einer neuen Hauptverhandlung tragfähige Feststellungen für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht getroffen werden könnten. Die Revisionen der Angeklagten geben auch keinen zwingenden Anlaß, die Sache zu etwa möglicher Feststellung bislang den Angeklagten nicht angelasteter Tatumstände zu umfassender neuer Überprüfung der Schuldsprüche zurückzuverweisen. Gegen die geänderten milderen Schuldsprüche hätten sich die Angeklagten nicht wirkungsvoller als bislang verteidigen können.
2. Bezüglich des zweiten Tatabschnitts (Gewalteinwirkung gegen das Opfer Rö allein durch den Angeklagten Be ) entnimmt der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe die tatsächlichen Voraussetzungen eines vollendeten Mordes. Hierfür sprechen insbesondere die vom Landgericht getroffenen Feststellungen, daß das Opfer vor den weiteren Gewalteinwirkungen Be noch gelebt hat und danach alsbald verstorben ist, sowie die Feststellungen zu Zielrichtung und Massivität dieser Gewalthandlungen und zum Spurenbild am Tatort. Danach haben die Gewalthandlungen des Angeklagten Be den Tod des Opfers mindestens beschleu-
nigt. Der Schuldspruch gegen diesen Angeklagten wegen Mordes ist daher rechtsfehlerfrei (vgl. BGHR StGB vor § 1/Kausalität – Angriffe, mehrere 1; BGHR StGB vor § 1/Kausalität – Doppelkausalität 2 m.w.N.). Hinsichtlich dieses Tatkomplexes hat das Landgericht das Mordmerkmal der Verdekkungsabsicht auch rechtsfehlerfrei bejaht. Die Fahrt zur Wohnung und der erst dort gefaßte Entschluß zur Rückkehr zum Tatort bildeten eine ausreichende Zäsur zwischen der zu verdeckenden Vortat und den späteren tödlichen Mißhandlungen.
3. Bestehen bleiben kann damit auch die vom Landgericht für den vollendeten Mord gegen den Angeklagten Be v erhängte Einzelfreiheitsstrafe von 13 Jahren. Die Strafzumessungserwägungen hierzu lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Ä nderung des Schuldspruches im ersten Tatkomplex führt zu einer Aufhebung der insoweit gegen die Angeklagten verhängten Einzelstrafen. Der Senat verkennt dabei nicht, daß im Hinblick auf die einzubeziehenden Freiheitsstrafen (Einsatzstrafe bei M : 13 Jahre und sechs Monate , bei Be : lebenslange Freiheitsstrafe) die nunmehr vom neuen Tatrichter noch vorzunehmende Strafzumessung für die Angeklagten ohne praktische Auswirkung auf die Gesamtsanktionen sein dürfte. Im Hinblick auf die selbständige Bedeutung einer Einzelstrafe (vgl. BGHSt 4, 346; 1, 252) sieht sich der Senat indes nach § 354 StPO aus Rechtsgründen gehindert, selbst die Einzelstrafen festzusetzen.
Der Wegfall dieser Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der vom Landgericht gebildeten Gesamtstrafen. Dies schließt die beim Angeklagten Be an sich rechtsfehlerfrei getroffene Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nach § 57b StGB ein. Hierüber wird der neue Tatrichter ebenfalls zu befinden haben. Zu einer Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld nach § 57b StGB ist er gehalten, auch wenn er selbst
als Einzelstrafe keine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt, sondern mit einer solchen nur nach §§ 54, 55 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 57b Rdn. 2).
Bei dem gegebenen Subsumtionsfehler ist eine Aufhebung von Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO nicht veranlaßt. Der neue Tatrichter wird über die Einzelstrafen, die Gesamtstrafen und über § 57b StGB bei Be auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen und unter Berücksichtigung der abweichenden milderen rechtlichen Würdigung des Senats zu entscheiden haben. Er ist lediglich zur Ergänzung weiterer Feststellungen befugt, die den bisherigen nicht widersprechen.
Harms Basdorf Tepperwien Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 69/14
vom
12. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2014 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. September 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der bislang unbestrafte Angeklagte und der Nebenkläger am Tattag als Reinigungskräfte in einem Hamburger Hotel eingesetzt. Am Tag zuvor hatte der Angeklagte einen Putzwagen versteckt, der dem Arbeitsbereich des Nebenklägers zugeordnet war. Als sie im Erdgeschoss zusammentrafen, schimpfte der Nebenkläger mit dem Angeklagten wegen des Versteckens des Putzwagens. Der Angeklagte drängte sich zum Nebenkläger in den Fahrstuhl. Während der Fahrt ins Untergeschoss kam es zu gegenseitigen Beschimpfungen, in deren Verlauf der Nebenkläger den Angeklagten jedenfalls einmal ins Gesicht schlug und dadurch eine Prellung sowie Einblutungen an der Unterlippe verursachte. Außerhalb des Fahrstuhls brachte der Angeklagte den Nebenkläger zu Boden. An dem bald nicht mehr wehrfähigen Nebenkläger verübte er in den folgenden etwa 25 Minuten mehr als 100 Gewalthandlungen und brachte ihm mit bedingtem Tötungsvorsatz namentlich lebensgefährliche Kopfverletzungen bei. Der Nebenkläger konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden.
3
2. Die Schwurgerichtskammer geht – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – davon aus, dass sich der Angeklagte während der gesamten Tat im Zustand verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) befunden hat. Aufgrund mehrerer Faktoren, unter anderem des durch den Nebenkläger vollführten Schlags, sei beim Angeklagten spätestens mit Beginn der Gewalthandlungen eine tiefgreifende Wahrnehmungsverengung eingetreten, die in ihren Auswirkungen mit einer akuten Belastungsstörung vergleichbar sei. Die Strafe hat das Landgericht dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Die Voraussetzungen des § 213 StGB hat es dabei ebenso abgelehnt wie – vor allem im Blick auf die Vollendungsnähe – eine Versuchsmilderung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB. Bei der Strafzumessung hat sie zu Lasten des Angeklagten maßgebend gewertet, dass dieser die Tat aus einem „äußerst nichtigen Anlass heraus“, „mit äußerster Gewalt“ sowie „einer Vielzahl brutaler Einzelhandlungen“ und „über einen vergleichsweise langen Zeitraum“ begangen habe (UA S. 41).
4
3. Der Strafausspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
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a) Allerdings begegnet es, was die Revision ausdrücklich auch nicht beanstandet , im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Schwurgerichtskammer die erste Alternative des § 213 StGB verneint hat. Zwar spricht sie dem durch den Nebenkläger vollführten Schlag den Charakter als „Misshandlung“ im Sinne Vorschrift ab und legt damit ein zu enges Begriffsverständ- nis zugrunde (vgl. etwa BGH, Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96, BGHR StGB § 213 1. Alt. Misshandlung 5; Jähnke in LK, 11. Aufl., § 213 Rn. 4 mwN). Jedoch handelte der Angeklagte wegen des Versteckens des Putzwagens und seines Hineindrängens in den Fahrstuhl mit der Folge gegenseitiger Beschimpfungen und der dadurch begründeten Gefahr einer Eskalation des Geschehens nicht „ohne eigene Schuld“ (zu den Voraussetzungen Jähnke, aaO, § 213 Rn. 10).
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b) Gleichwohl sind die – auch in ihrer Abfolge nicht geglückten – Strafzumessungserwägungen nicht frei von Rechtsfehlern. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen nämlich einem Angeklagten Anlass und Modalitäten der Tat nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenden geistigseelischen Beeinträchtigung zu finden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 1 StR 223/00, StV 2001, 615; Urteil vom 17. Juli 2003 – 4 StR 105/03, NStZ-RR 2003, 294; Beschlüsse vom 8. Oktober 2002 – 5 StR 365/02, NStZ-RR 2003, 104; vom 31. Januar 2012 – 3 StR453/11, NStZ-RR 2012, 169).
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Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Mit der Frage, ob dem Angeklagten das Handeln aus „äußerst nichtigem Anlass“ und die Brutalität sowie die Dauer seines Vorgehens trotz der Annahme einer die gesamte Tat umfassenden schuldmindernden Wahrnehmungsverengung uneingeschränkt vorwerfbar sind, setzen sich die Urteilsgründe nicht auseinander. Dass die genannten Umstände Ausfluss des Defektzustands gewesen sind, drängt sich hier indessen auf. Überdies bringt die Schwurgerichtskammer bei der Prüfung des Mordmerkmals der Grausamkeit selbst Zweifel zum Ausdruck, ob der Angeklagte vollständig zu erkennen vermochte, welches Leid er dem Nebenkläger zufügte (UA S. 35). Auch bei einer Gesamtschau der Ausführungen zur Strafzumessung kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht diese Möglichkeit bei der strafschärfenden Berücksichtigung der angeführten Strafzumessungstatsachen aus den Augen verloren hat.
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4. Der Strafausspruch bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird bei der Strafrahmenwahl die durch die Rechtsprechung vorgegebene Prüfungsreihenfolge zu beachten haben (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 2 StR 494/13 Rn. 4; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 930 mwN). Der Senat weist ferner darauf hin, dass auch die weiteren von der Revision gegen die im angefochtenen Urteil vorgenommene Strafzumessung vorgebrachten Beanstandungen nicht jeglicher Berechtigung entbehren. Die Versagung einer Versuchsmilderung ist freilich nicht zu beanstanden.
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5. Die der Strafzumessung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen werden von dem Wertungsfehler nicht berührt und können daher beste- hen bleiben. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Basdorf Sander Schneider
König Bellay