Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2010 - 3 StR 530/09

published on 19/01/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2010 - 3 StR 530/09
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 530/09
vom
19. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Januar 2010 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. Juli 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat zur Rüge der Verletzung des § 261 i. V. m. § 98 Abs. 1 Satz 1, § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO: Die ermittelnden Polizeibeamten haben im Vorfeld der Wohnungsdurchsuchung , die sie am 23. Januar 2009 gegen 4.00 Uhr wegen "Gefahr im Verzug" anordneten, keinen so schwerwiegenden Fehler begangen, dass bei der erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Interessen, insbesondere dem Gewicht der begangenen Nachlässigkeiten und der Verpflichtung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit (vgl. BGHSt 44, 243, 248 f.; BGHSt 51, 285, 289 f.), von einem Verwertungsverbot für die bei der Durchsuchung und Beschlagnahme gewonnenen Erkenntnisse auszugehen ist. Nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme ist auszuschließen, dass sie den für die Durchsuchung einer Wohnung regelmäßig bestehenden Richtervorbehalt bewusst missachtet haben.

Dass die Ermittlungsbeamten nicht schon am 21. oder 22. Januar 2009 eine richterliche Durchsuchungsanordnung für das Durchsuchungsobjekt beantragt haben, stellt sich allenfalls als geringfügiges Versäumnis dar, das kein Beweisverwertungsverbot zur Folge hat. Sie erhielten erst am 20. Januar 2009 durch die ihnen von der Polizei in Bochum übermittelten Aussage der Zeugin M. vom gleichen Tag brauchbare Hinweise auf das vom Angeklagten als Aufbewahrungsort für Kokain und zwei Schusswaffen mit Munition genutzte Zimmer. Allein aufgrund der schriftlichen Zeugenaussage waren weder die Wohnung noch das Zimmer genau zu lokalisieren. Dies wäre indes erforderlich gewesen, um einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss sofort erlangen zu können. Bevor ein richterlicher Beschluss beantragt werden konnte, war es daher notwendig, zunächst mit der Zeugin Kontakt aufzunehmen und einen Termin vor Ort zu vereinbaren, um die genaue Belegenheit des Zimmers zu ermitteln. Dass dies wegen der anderen durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere der Observation des Angeklagten, nicht bereits am nächsten oder übernächsten Tag nach der Zeugenaussage geschah, weil zunächst die Observation weiter durchgeführt werden sollte, stellt - wenn überhaupt - jedenfalls keine derartig gravierende Nachlässigkeit im Ermittlungsablauf dar, dass allein hieraus die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der am 23. Januar 2009 ohne richterliche Anordnung vollzogenen Durchsuchung des Zimmers abgeleitet werden könnte. Erst nachdem der Angeklagte die Observation bemerkt hatte, deshalb am 22. Januar 2009 gegen 22.00 Uhr festgenommen worden war und eine Wohnung, die der Angeklagte zusammen mit seiner Lebensgefährtin nutzte, aufgrund einer bereits vorliegenden richterlichen Anordnung erfolglos nach Betäubungsmitteln durchsucht worden war, bestand für die Polizeibeamten zwingend akuter Handlungsbedarf für die sofortige Durchsuchung des von der Zeugin M. beschriebenen Zimmers. Unter diesen Umständen kann es den Polizeibeamten nicht als grobes Versäumnis vorgeworfen werden, dass sie die Zeugin erst jetzt zur Lokalisierung des Zimmers herbeischafften, statt dies schon am 21. oder 22. Januar 2009 getan und auf dieser Grundlage einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss erwirkt zu haben.
Als die herbeigerufene Zeugin M. die Wohnung, in der sich das als Bunker für Betäubungsmittel genutzte Zimmer des Angeklagten befand, identifiziert hatte, durften die Polizeibeamten ohne die Anordnung eines Richters oder nachrangig eines Staatsanwalts die Durchsuchung jedenfalls dann durchführen , als die in der Wohnung befindlichen Personen durch die Ungeschicklichkeit einer Polizeibeamtin sogleich aufmerksam geworden waren und sich nach Öffnen der Wohnungstür teils unkooperativ verhielten oder zu fliehen versuchten. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt lagen die engen Voraussetzungen der "Gefahr im Verzug" vor, weil bis zur Einholung einer Entscheidung durch den Richter oder zumindest den Staatsanwalt der Zweck der Durchsuchung gefährdet gewesen wäre (BVerfG NJW 2001, 1121, 1123; MeyerGoßner , StPO 52. Aufl. § 98 Rdn. 6). Es bestand die nahe liegende Gefahr, dass ohne eine sofortige Durchsuchung Beweismittel vernichtet werden könnten , zumal bereits nach der Durchsuchung der ersten Wohnung die Ermittlungen gegen den Angeklagten bekannt geworden waren. Dass diese Situation durch die Ungeschicklichkeit der Polizeibeamtin ausgelöst worden war, begründet ebenfalls kein Verwertungsverbot; denn dieser Umstand ist nicht annähernd solchen Fallgestaltungen vergleichbar, in denen durch bewusst gesteuertes oder grob nachlässiges polizeiliches Ermittlungsverhalten die "Gefahr im Verzug" gleichsam heraufbeschworen und damit der Richtervorbehalt gezielt oder leichtfertig umgangen wird.
Da die Polizeibeamten wegen der dargestellten "Gefahr im Verzug" ausnahmsweise selbst die Durchsuchung anordnen durften, hat sich der Umstand, dass in Düsseldorf in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr kein richterlicher Bereitschaftsdienst für Eilanordnungen zur Verfügung steht, nicht ausgewirkt. Vor dem Eintritt der "Gefahr im Verzug" hätte auch beim Bestehen eines Bereitschaftsdienstes eine richterliche Entscheidung über die Durchsuchung nicht eingeholt werden können, weil bis dahin weder die Wohnung noch das vom Angeklagten benutzte Zimmer identifiziert waren. Aus diesem Grunde muss der Senat nicht entscheiden, ob das Fehlen eines richterlichen Bereitschaftsdienstes während der Nachtzeit in einer Großstadt wie Düsseldorf als ein schwerwiegender Organisationsmangel anzusehen ist (vgl. BVerfG NJW 2004, 1442; BGH NStZ-RR 2007, 242), der im Einzelfall zu einem Beweisverwertungsverbot führen kann.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen ei

(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.

(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162. Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.

(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.

(4) Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.