Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2018 - 3 StR 4/18

bei uns veröffentlicht am28.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 4/18
vom
28. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
ECLI:DE:BGH:2018:280518B3STR4.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 29. September 2017 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang - nachdem der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes bereits rechtskräftig geworden war - unter Einbeziehung der Strafen aus zwei Strafbefehlen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die nach Aufhebung des Strafausspruchs durch Beschluss des Senats vom 13. Juni 2017 (3 StR 106/17, juris) erforderliche erneute Festsetzung der Einzelfreiheitsstrafe wegen besonders schweren Raubes ist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Ergebnis rechtsfehlerfrei.
3
2. Der Gesamtstrafenausspruch kann indes keinen Bestand haben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: "a) Im Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 29. November 2016 war u.a. festgestellt worden, dass das Amtsgericht Hamburg den Angeklagten am 4. November 2015 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt hatte (vgl. dort UA S. 6); u. a. diese Strafe war in den mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2017 (3 StR 106/17) aufgehobenen Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen einbezogen worden (vgl. auch UA S. 7 im verfahrensgegenständlichen Urteil vom 29. September 2017). Da die von der teilweisen Aufhebung im Revisionsrechtszug nicht betroffenen Teile des Ersturteils auch dann ihre eigenständige Bedeutung für das weitere Verfahren behalten, wenn sie in dem nach der Zurückverweisung über weitere Urteilselemente entscheidenden neuen tatrichterlichen Urteil keine Erwähnung finden (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 260, 261), war die Verurteilung des Amtsgerichts Hamburg vom 4. November 2015 ungeachtet des Umstandes zu berücksichtigen, dass diese - abgesehen von der nur beiläufigen Aufzählung auf UA S. 7 - im Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 29. September 2017 keine Erwähnung mehr findet.
Der Senat hatte in der aufhebenden Revisionsentscheidung vom 13. Juni 2017 (3 StR 106/17) bezüglich des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 4. November 2015 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zur revisionsrechtlichen Überprüfung der Gesamtstrafenbildung insoweit noch Feststellungen zum Zeitpunkt der dieser Verurteilung zugrunde liegenden Tat sowie zum Vollstreckungsstand getroffen werden müssen (BGH aaO.). Hierzu finden sich im verfahrensgegenständlichen Urteil indes jedoch keine Ausführungen.

b) Aus den - insoweit aufrecht erhaltenen und weiterhin zu berücksichtigenden - Feststellungen des Urteils der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 29. November 2016 (dort UA S. 6) ergibt sich des Weiteren, dass zum damaligen Zeitpunkt die Verurteilungen des Amtsgerichts Hamburg vom 24. April 2015 und des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 28. August 2015, aus deren Strafen im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2015 eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen gebildet wurde, noch nicht vollständig vollstreckt waren. Soweit das Landgericht im verfahrensgegenständlichen Urteil vom 29. September 2017 ausführt, dass nunmehr eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB mit den Strafen aus den beiden vorgenannten Verurteilungen des Amtsgerichts Hamburg vom 24. April 2015 und des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 28. August 2015 ausgeschlossen sei, weil 'zum Zeitpunkt der erneuten Verhandlung vor der 10. Großen Strafkammer die Strafen … bereits vollstreckt' seien (UA S. 15; vgl. auch UA S. 16: 'mittlerweile vollständig vollstreckt' ), hält dies der rechtlichen Prüfung nicht stand. Denn nach Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht hat die (erneute) Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen. Dies gilt nicht nur in dem Fall, in dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafenbildung erfolgt ist. Vielmehr ist so regelmäßig auch in anderen Fällen der Aufhebung des Strafausspruchs zu verfahren (BGH Beschluss vom 22. August 2013 - 3 StR 141/13).

c) Die vorgenannten Rechtsfehler zwingen jedoch nicht zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO. Die neu zu treffende Entscheidung über die Gesamtstrafe kann gemäß § 354 Abs. 1b S. 1 StPO dem Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO überlassen werden; denn abweichend von dem der Entscheidung des Senats vom 29. November 2011 (3 StR 358/11) zugrunde liegenden Sachverhalt verbleibt nicht lediglich eine - möglicherweise erledigte - Einzelstrafe.
Sollte die Geldstrafe aus der Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg vom 4. November 2015, zu der Feststellungen fehlen [siehe vorstehend 3. a)], zwar gesamtstrafenfähig, aber bereits erledigt sein, kann der gegebenenfalls dann erforderliche Härteausgleich im
Verfahren nach §§ 460, 462 StPO durchgeführt werden (BGH NStZRR 2015, 20). Bei einer erneuten nachträglichen Gesamtstrafenbildung wird zudem - nach Auflösung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 22. September 2015 festgesetzten Gesamtgeldstrafe - auch die noch nicht erledigte (UA S. 6) Einzelgeldstrafe für die erste in diesem Strafbefehl genannte Tat (Tatzeit 28. März 2015, UA S. 6) ebenso zu berücksichtigen sein wie die Zäsurwirkung der Verurteilung des Amtsgerichts Hamburg vom 24. April 2015 (UA S. 5; vgl. zur Zäsurwirkung - die entgegen der Auffassung des Landgerichts aus den vorgenannten Gründen allerdings nicht weggefallen ist - (UA S. 15), die eine Einbeziehung von Strafen für Taten, die nach diesem Zeitpunkt begangen wurden, ausschließt."
4
Dem stimmt der Senat zu.
Becker Gericke Spaniol
Berg Leplow

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 106/17
vom
13. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
ECLI:DE:BGH:2017:130617B3STR106.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 13. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 29. November 2016, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes unter Einbeziehung der Strafen aus fünf Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, die er auf die in allgemeiner Form erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts stützt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Strafausspruch hält demgegenüber revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Die Strafkammer hat bei der Prüfung, ob für die Strafzumessung vom Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB oder von demjenigen für einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB auszugehen war, ersichtlich zu Lasten des Angeklagten darauf abgestellt, dass dieser "weder durch eine Provokation des Geschädigten noch durch ein Verhalten der [Mit-]Angeklagten P. zur Tat gedrängt" worden sei. Damit hat sie das Fehlen eines möglichen Strafmilderungsgrundes straferschwerend berücksichtigt. Dies ist rechtsfehlerhaft (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, NStZ 2017, 84, 85; Beschluss vom 15. März 2011 - 3 StR 62/11, juris Rn. 5 mwN).
4
Die Feststellungen zum Strafausspruch sind rechtsfehlerfrei getroffen und werden von dem Wertungsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben.
5
Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch der Gesamtstrafenausspruch rechtlichen Bedenken begegnet. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, lässt sich den bisherigen Urteilsausführungen nicht entnehmen, ob die gegen den Angeklagten verhängten Geldstrafen aus den Entscheidungen des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 22. September 2015 und des Amtsgerichts Hamburg vom 4. November 2015 bereits erledigt sind und wann die entsprechenden Taten begangen worden waren. Auch hinsichtlich der Verurteilung durch das Amtsgericht Bad Gandersheim vom 23. Dezember 2015 hat die Strafkammer keine Feststellungen zum Tatzeitpunkt getroffen, so dass der Senat nicht beurteilen kann, ob die Einzel- strafen zu Recht in die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe einbezogen wurden oder ob ein Härteausgleich hätte vorgenommen werden müssen. Insoweit wird das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 141/13
vom
22. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
hier: Revision des Angeklagten T.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
22. August 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b, § 357 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 14. November 2012, auch soweit es den Mitangeklagten F. betrifft, aufgehoben, soweit eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung abgelehnt worden ist, mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte die Angeklagten T. und F. jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und (mit) räuberischer Erpressung schuldig gesprochen. Den Angeklagten T. hatte es unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juni 2009 zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten F. unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 27. November 2008 zu einer solchen von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Auf die Revisionen der Staatanwaltschaft und der Angeklagten ist dieses Urteil insgesamt mit den Feststellungen aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.
3
Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten (T. ) bzw. von einem Jahr und sechs Monaten (F. ) verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte T. mit seiner in allgemeiner Form erhobenen Sachrüge. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten F. ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
4
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Einzelstrafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Urteil hat hingegen keinen Bestand, soweit es das Landgericht - anders als im ersten Urteil - abgelehnt hat, mit den Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juni 2009 nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden (§ 55 Abs. 1 Satz 1 StGB). Die hieraus folgende Teilaufhebung des angefochtenen Urteils erstreckt sich auch auf den Nichtrevidenten F. , weil das Urteil auch ihn betreffend an demselben materiellrechtlichen Fehler leidet.
5
Das Landgericht hat ausgeführt, dass bei beiden Angeklagten aufgrund der zwischenzeitlichen vollständigen Vollstreckung der im ersten Urteil einbezogenen Vorstrafen, bei dem Angeklagten F. die Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 27. November 2008, bei dem Angeklagten T. zwei Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jah- ren aus dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juni 2009, eine erneute Gesamtstrafenbildung nicht mehr vorzunehmen sei und die Angeklagten deswegen nicht in den Vorteil der Regelung des § 55 StGB kommen könnten. Das Landgericht hat als Ausgleich hierfür bei beiden Angeklagten einen (unbezifferten ) Härteausgleich vorgenommen.
6
Die Annahme des Landgerichts, dass mit den im ersten Urteil jeweils einbezogenen Vorstrafen wegen deren zwischenzeitlichen Vollstreckung eine Gesamtstrafe aus diesen und den durch das angefochtene Urteil verhängten Strafen gemäß § 55 Abs. 1 StGB nachträglich nicht mehr gebildet werden kann, hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
7
Nach Aufhebung einer Gesamtstrafe und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht hat die (erneute) Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106). Dies gilt nicht nur in dem Fall, in dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafenbildung erfolgt ist. Vielmehr ist es so regelmäßig auch in anderen Fällen der Gesamtstrafenaufhebung zu verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 - 2 StR 170/04, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 9; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 25 mwN). Weiter gilt nichts anderes, wenn - wie hier - das erste Urteil nicht allein auf die Revision des Angeklagten, sondern auch auf die der Staatsanwaltschaft aufgehoben worden ist. Denn auch in diesem Fall soll einem Revisionsführer der durch eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung erlangte Rechtsvorteil nicht durch sein Rechtsmittel genommen werden.
8
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch gemacht. Die Kosten- und Auslagenentscheidung war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.
Schäfer Hubert Mayer Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.